Müller, Heinrich - Von der wahren Herzensdemuth.

Müller, Heinrich - Von der wahren Herzensdemuth.

Gott wiegt die Geister. Sir. 16.

Menschen richten nach dem Aeußerlichen, ob einer reich oder arm, hoch oder niedrig ist; Gott stehet das Herz an, wie sich dasselbe in Reichthum und Armuth, Hoheit und Niedrigkeit hält. Was hilfts, daß ich niedrig und dürftig bin mit Unwillen? Ueberall nichts. Wiederum, was hinderts die heiligen Väter, Abraham, Isaac und Jacob, daß sie reich waren? Was schadet David sein Königsstuhl, Daniel seine große Gewalt in Babylonien, so ihr Herz nicht darauf gibt, noch das Seine darin sucht? Es muß ja äußerlich Unterschied der Personen und Stände bleiben auf Erden, aber das Herz muß weder ankleben noch fliehen, nicht an Reichthum hangen, noch Armuth fliehen, weder Hoheit lieben noch Niedrigkeit hassen. Das ist nicht Demuth vor Gott, daß du dich mit schlechten Kleidern behilfst, mit geringen Leuten umgehst, allenthalben den Untersitz nimmst, um den Ruhm der Demuth zu erjagen. Ja, ich frage dich, ob nicht dein Herz nach hohen Dingen trachtet, dazu es durch solch demüthig Gespenst gedenkt zu kommen? Ach, wer von Herzen demüthig ist, sieht einfältig auf solch niedrig Wesen, geht damit um, und wird doch nicht gewahr, daß er darum demüthig ist. Da quillet das Wasser aus dem Brunnen, da folget von ihm selbst ungesucht, daß er geringe Geberde, Worte, Person, Kleider führt, meidet, wo er kann, hoch und groß Ding. Einen solchen überfällt die Ehre unversehens, und seine Erhöhung kommt ihm unbedacht, denn er hat sich an seiner Niedrigkeit einfältig genügen lassen, und nach der Höhe nie getrachtet. Aber einen falsch Demüthigen wundert es, daß seine Ehr und Erhöhung so lang ausbleibt; denn sein heimlicher Hochmuth läßt sich nicht genügen an dem Geringen, das er hat, sondern denkt heimlich immer höher und höher. Mit einem Worte: Wahre Demuth weiß nicht, daß sie demüthig ist; denn so sie es wüßte, würde sie vom Ansehn solcher schönen Tugend hochmüthig, sondern sie hängt mit dem Herzen allein an geringen Dingen, die hat sie ohn Unterlaß vor Augen, wie ein Bild im Spiegel, dieselbe hindern, daß sie nicht hoher Dinge gewahr wird, bis ihr die Ehre unversehens kommt, daß sie nicht weiß woher. Wie wunderlich war der englische Gruß in Mariens Augen, wie entsetzte sie sich davor! Denn sie hat nicht denken mögen, daß ihr solche Ehre widerfahren sollte. Hingegen falsche Demuth weiß nimmer, daß sie hochmüthig ist; wüßte sie es, sie würde bald vor der häßlichen Gestalt der Hoffart erschrecken und demüthig werden, aber sie hängt mit dem Herzen an hohen Dingen, darin erlustigt sie sich, wie ein Pfau in seinen Federn, denkt immer, wird nicht bald die Ehr auch zu deiner Thür kommen? Drum wenn sie kommt, findet sie dieselbe immer bereit und ist willkommen; vor Schande und Erniedrigung aber entsetzt sie sich und läßt den Muth fallen. Darnach prüfe dich, mein Christ und lerne von deinem Jesu demüthig sein von Herzen. Matth. 11, 29. Das gebe Gott.

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