Müller, Heinrich - Von der Unbeständigkeit des Glücks.

Müller, Heinrich - Von der Unbeständigkeit des Glücks.

Das Glück spielt nur. Trau nicht.

Ists nicht so? Wenn unsere Kindlein spielen, machen sie den einen zum König, den andern zum Bauern; diesen zum reichen Manne, jenen zum Bettler. Da trifft sichs oft, daß, wer heute den reichen Mann, morgen den Bettler, wer heute den Bauern, morgen den König spielt. Solch Kinderspiel treibt das Glück mit dir. Heute bringts zu Ehren, morgen stürzt es in Schande. Wie mancher Haman sitzt heut oben an der Herrentafel und wird morgen an den Baum geknüpft! Es geht so. Heute reich, morgen arm; heute fröhlich, morgen traurig; heut gesund und roth, morgen krank und todt! Mancher weiß sich in dies Spiel nicht zu schicken, meint seine Herrlichkeit soll ewig währen und seine Freude soll nie ein Ende nehmen; aber, ehe ers meint, ist Alles aus und das Blatt hat sich gewendet. Das Glück ist kugelrund. Niemand steht so fest drin, daß er nicht leicht könnte fallen. Glück und Glas, wie leicht bricht das! Unter hundert soll man kaum Einen finden, der sich in Glück und Unglück recht schicken könne. Ich hab gesehn, die vor Hochmuth bersten wollen, wenn ihnen das Glück zugelacht, und mit ihnen zum Gewinn gespielt; dagegen auch gesehn, die vor Unmuth vergehn wollen, wenn das Glück eine unfreundliche Miene gegen sie gemacht, und auf Verlust zu spielen angefangen. Ich will zusehen, daß ich das Mittel treffe. Wenns wohl geht, will ich mich nicht erheben, sondern gedenken, es könnte einmal wieder übel gehen. Ist doch wohl ehemals aus einem reichen Hiob ein armer Mann worden. Wenns übel geht, will ich nicht verzagen, kanns doch einmal besser werden. Das Glück spielt nur, es ist ihm kein Ernst, und Gott ist übers Glück. Was Gott gibt, muß lauter Glück sein, obs die Welt für das höchste Unglück hielte. Was der Himmel schickt, ist der Erde ein Segen, auch Blitz und Donner.

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/m/mueller_h/von_der_unbestaendigkeit_des_gluecks.txt · Zuletzt geändert: von 127.0.0.1
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain