Müller, Heinrich - Von der Schwachheit des Glaubens.

Müller, Heinrich - Von der Schwachheit des Glaubens.

Ein Fünklein ist auch Feuer.

Versuchs nur, leg Kohlen zu, blas drein, obs nicht Feuer geben werde. Ein schwacher Glaube ist auch ein Glaube. Der Glaube ist nicht allzeit eine brennende Fackel, sondern oft nur ein glimmendes Kerzlein. Das Kerzlein leuchtet so wohl als die Fackel, obgleich nicht so hell. Der Glaube ist das Auge, damit wir Jesum ansehen. Ein blödes Auge ist auch ein Auge, ein weinendes Auge ist auch ein Auge. Du sitzest in Thränen und klagst, ach wie ist mir so herzlich bange, daß ich nicht glauben kann; ach daß ich doch glauben könnte! Mein theuerstes Herz, auch der glaubet, der sein vermeintes Nichtglauben herzlich beweint, denn solche Thränen zeugen vom Verlangen nach dem Glauben. Gern wollen glauben, heißt vor Gott geglaubt. Gott wirkt in uns sowohl das Wollen als Vollbringen, darum kann er jenes so wenig als dieses verschmähen. Der Glaube ist die Hand, damit wir Jesum ergreifen. Eine bebende Hand ist auch eine Hand. Ach! der glaubt, dem das Herz im Leibe bebt, wenn er zugreifen und Jesum fassen soll. Du sprichst oft: O, wie kann ich mich der Wunden Jesu getrösten, und ich erzittere, wenn ich an meine große Sünde gedenke, ich bin des Trostes nicht werth! Das heißt doch geglaubt und Jesum mit bebender Hand ergriffen. Der Glaube ist die Zunge, damit wir schmecken, wie freundlich der HErr ist. Eine am Geschmack geschwächte Zunge ist auch eine Zunge. Auch dann glauben wir, wenn wir kein Tröpflein Trostes schmecken. Denn unser Glaube gründet sich nicht auch unser Fühlen, sondern auf Gottes Verheißen. Der Glaube ist der Fuß, so uns zu Jesu trägt. Ein kranker Fuß ist auch ein Fuß; wer langsam kommt, kommt auch. Ein Christ muß in seinem Glauben nicht sehen auf wie, sondern was. Was hält dein Glaube? Jesum. Wie hält er ihn? Schwächlich. Liegt nichts dran, wenn er nur Jesum hält. Gott hat die Seligkeit gelegt nicht in deinen Griff, sondern in den Ergriffenen, welcher ist Christus. Es ist eine doppelte Hand, die mir zum Himmel hilft. Meine Glaubenshand ergreift Jesum und hält sich an sein Verdienst. Jesu Gnadenhand ergreift mich und kommt meiner Schwachheit zu Hülfe. Mein Ergreifen und Halten ist leichter wieder losgemacht, sein Ergreifen und Halten ist desto fester. Also bin ich auf einmal zugleich schwach in mir, stark in meinem Jesu.

Quelle: Müller, Heinrich - Geistliche Erquickstunden

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