Müller, Heinrich - Von der reinen Liebe Gottes.

Müller, Heinrich - Von der reinen Liebe Gottes.

Liebe ist kein Nießling.

Liebst du Gott, so wirst du nicht das Deine bei ihm suchen. Der liebt Gott recht, der ihn gleichsam nackt ansieht in seiner bloßen Güte. Die Welt sucht das Ihre bei Gott, sieht nicht auf ihn, sondern auf sich; nicht auf seine bloße, sondern empfindliche Güte, achtet nicht, daß Gott in seinem Wesen gut, sondern nur, daß er über sie gut ist und ihr wohl thut; je mehr Wohlthaten sie von ihm empfängt, je lieber hat sie ihn; verbirgt er sich aber und zieht den Glanz seiner Güte ein, daß sie bloß und elend wird, so geht alle Liebe auf einmal aus. Damit beweist sie, daß sie nicht den Geber, sondern die Gabe, nicht Gott, sondern die Creatur liebe; denn sie kann nicht gleich bleiben im Haben und Darben, im Reichthum und Armuth. Solche trifft, was Christus sagt zu denen, die ihn suchten: Fürwahr, sag ich euch, ihr suchet mich nicht darum, daß ihr Zeichen sehet, sondern daß ihr gegessen habt, und gesättigt seid. Joh. 6. Dr. Luther führt hievon ein anmuthig Exempel ein. Tom. l. Jen. p. 284. Es hat einmal, spricht er, ein fromm Weib ein Gesicht gesehen, wie drei Jungfrauen bei einem Altar saßen; unter der Messe lief ein hübsch Knäblein von dem Altar und ging zu der ersten Jungfrau, that sich freundlich zu ihr, herzet sie und lacht sie lieblich an. Darnach ging er zu der andern, that nicht so freundlich gegen die, herzt sie auch nicht, doch hub er ihren Schleier auf und lächelte sie freundlich an. Der dritten aber gab er kein freundlich Zeichen, schlug sie ins Angesicht, rauft und stieß sie, ging ganz unfreundlich mit ihr um, lief darnach schnell wieder auf den Altar und verschwand. Da ward demselben Weibe also ausgelegt, daß die erste Jungfrau bedeute die unreinen genießsüchtigen Geister, welchen Gott muß viel Gutes und mehr ihren Willen, denn sie seinen, thun, wollen nichts mangeln, allezeit Trost und Lust an Gott haben. Die andere bedeute die Geister, die angefangen Gott zu dienen und wohl etwas Mangel leiden, doch nicht ganz, noch ohn eigen Genieß sind: er muß ihnen zuweilen einen lieblichen Blick geben und sie empfinden lassen seine Güte. Aber die dritte, das arme Aschbrödlein, hat nichts denn eitel Mangel und Ungemach, sucht kein Genieß, läßt ihr begnügen, daß Gott gut ist, sollte sie es auch nimmermehr empfinden (welches doch unmöglich ist), bleibt gleich auf beiden Seiten, liebt oder lobt eben so wohl Gottes Gütigkeit wenn sie nicht empfunden, als wenn sie empfunden wird, fällt nicht auf die Güter, wenn sie da sind, fällt auch nicht ab, wenn sie hin sind. Das ist die rechte Braut, die zu Christo spricht: Ich will nicht das Deine, ich will dich selber haben, bist mir nicht lieber, wenn mir wohl ist, auch nicht unlieber, wenn mir übel ist.

Was soll man vom Nießling sagen? Er macht sich selbst zum Abgott und will von Gott geliebt sein, da er sollte Gott lieben. Gott ist nicht sein Gott, sondern die Güter sind sein Gott, in welchen ihm Gott als ein Knecht dienen muß. Mein Christ, glaubst du auch, daß das Kind den Vater liebe als einen Vater, das ihn nur liebt, wenn er im Vollauf sitzt und satt machen kann? Ach nein, es liebt nicht den Vater, sondern den vollen Tisch und Beutel. Wer Gott von Herzen liebt als einen Vater, sieht nicht auf seine Hände, sondern nur auf sein Herz, ist wohl zufrieden, er geb ichts oder nichts, bei Löffeln oder Scheffeln; das vergnügt ihn, daß er an Gott einen treuen Gott und frommen Vater hat. Tritt dann der Weltmann auf und spricht: Ich bin reich und habe die Fülle; antwortet ein solcher: Ich habe einen frommen Gott im Himmel, der ist mir Schatzes genug; was frag ich nach Himmel und Erde, wenn ich nur Gott habe? Die Seele ist Gott die allernächste, nicht die in seinem Schooß sitzt und aus seinen Brüsten trinkt, sondern die sich dünken läßt, sie sei von Gott verworfen, und sich nicht werth hält des geringsten Tröpfleins seines Trostes. Wie, sprichst du, wozu hat denn Gott in seinem Wort so viel Gutes den Frommen verheißen, wenn sie kein Ab, sehen auf seine Güter haben sollen? Er thuts, mein Herz, den jungen anfangenden Christen zu gut, die man als junge Kindlein mit solchem Zucker anlocken und halten muß, daß ihnen nicht die süße Weltliebe und das Kreuzleben Jesu alsbald leid werde; das göttliche Manna muß ihnen die egyptischen Fleischtöpfe verleiden, das göttliche Süßholz muß ihnen ihr Marah und Kreuzwasser versüßen. Den Demüthigen verspricht Gott die Erhöhung durch Petrum: So demüthigt euch nun unter die gewaltige Hand Gottes, daß er euch erhöhe zu seiner Zeit. 1. Petr. 5, 6. Obgleich Gott aber die Demuth zu erhöhen aus Gnaden verheißt, muß doch ein Liebhaber Gottes nicht darum die Demuth üben. Denn wer in der Demuth die Erhöhung sucht, achtet nicht die Tugend selbst, sondern nur den Nutzen der Tugend. Gott erhöhet zwar die Demüthigen, aber nur die, so in Einfalt ihres Herzens wandeln, und auf kein Ding weniger denn auf große Ehre sehen. Die Demuth ist nicht eine Ursache der Erhöhung, sondern nur ein Weg dazu: ich will Gott lieben um sein selbst willen. Genug hab ich, wenn ich Gott nur habe. So ist doch alles mein.

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