Müller, Heinrich - Von der rechten Liebe des Freundes.

Müller, Heinrich - Von der rechten Liebe des Freundes.

Lieb und Haß vertragen sich wohl.

Feuer und Wasser sind wider einander und doch vereinigt im warmen Wasser. Lieb und Haß sind Feinde, vertragen sich aber gar wohl in einem göttlichen Menschen. Ich liebe Gott, und hasse Alles, was an mir und Andern Gott zuwider ist. Die Liebe selbst ist gehässig. Warum haßt Gott die Sünde? Weil sie zuwider ist seiner Gerechtigkeit, die er lieb hat. Ich liebe dich, und hasse doch an dir deine Laster. Das, meinest du, sei nicht von Herzen geliebt. Wie, sprichst du, kann Lieb und Haß verknüpft sein? Gar wohl. Dich lieb ich, das Deine haß ich. Person und Laster sind nicht einerlei. Trenn dich und Dein, so trennst du Lieb und Haß; fällt deine Stunde hin, mein Haß fällt mit hin. Bei Wenigen findest du Lieb und Haß verbunden. Mancher ist ohne Haß, liebt dich und das Deine, sieht dich sündigen, schweigt still, sieht durch die Finger, läßt ihm wohlgefallen was du Böses thust, will dich nicht erzürnen. Meinest du, daß derselbe dich liebe? Ach nein. Wie kann der mich lieben, der mich sieht in eine Grube fallen, und läßt mich nicht allein drin stecken, sondern lacht auch noch über mein Unglück? Die Liebe rettet, wo sie kann, allermeist die Seele. Das Deine liebt ein Solcher, und um des Deinen willen läßt er dich zum Teufel fahren. Mancher ist ohne Liebe, haßt dich und das Deine. Sündigst du, läuft er voll Zorns, richtet und verdammt dich, enthält sich dein, sieht auch nicht gern, daß Andre mit dir umgehn. Meinst du wohl, daß ein Solcher dich jemals recht geliebt hat? Ach nein. Die Liebe zürnt allein dem Nächsten zu gut, und ob sie wohl zu seiner Sünde nicht schweigt oder dieselbe billigt, weiß sie doch einen feinen Unterschied zu machen zwischen Person und Untugend, und läßt Nichts unversucht, was zu des Nächsten Besserung dienen kann. Augustinus sagt: Du mußt die Laster nicht lieben um der Menschen willen, noch den Menschen hassen um der Laster willen, sondern je mehr du des Menschen Natur liebst, je mehr sollst du hassen das Laster, welches die Natur, die du liebst, besudelt hat. Ich weiß wohl, daß ich ohne Gebrechen nicht bin; drum will ich den für meinen besten Freund halten, der mir meine Gebrechen vorhält und aufrückt. So weiß ich wohl, daß meine Freunde nicht ohne Gebrechen sein können, drum will ich sie strafen, wenn ich sie sehe sündigen. Entweder kein Freund ihrer Gebrechen, oder kein Freund ihrer selbst. Ich will mit meinem gefallenen Freund umgehn wie der Goldschmidt mit dem Gold, ihn säubern aber nicht verwerfen; wie der Arzt mit dem Kranken, mich bemühen, daß ich ihn gesund mache, ihn aber nicht verlassen; wie ein Vater mit seinem Kinde, strafen will ich ihn, aber nicht verstoßen, sondern seine Besserung suchen, und wenn dieselbe da ist, die Ruthe wegwerfen. Meine Liebe soll nimmer vom Haß, noch mein Haß von der Liebe getrennt sein. Liebst du dich selbst, so wirds dir nicht mißfallen, daß ich deine Gebrechen nicht liebe. So du aber dich selbst nicht liebst, wie kannst du mich lieben? Wähl dir zum Freund, wen du willst. Ich bins nicht.

Quelle: Müller, Heinrich - Geistliche Erquickstunden

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