Müller, Heinrich - Von der Menschengunst.

Müller, Heinrich - Von der Menschengunst.

Menschengunst Erdendunst.

Die Brücke bricht und du fällst, siehe dich vor. Der Dunst kommt aus der Erde. Und warum ist dir der Mensch günstig? Weil du irdisch gesinnt bist, es so mitmachst, wie ers macht; wird dein Herz erleuchtet und du gewinnst einen himmlischen Sinn, so ist alle Gnade aus. Du hast der irdischen Güter viel. Gut macht Gunst; Gut hin, Gunst hin; ach tritt auf diese Brücke nicht, sie bricht. Die Sonne zieht die Dünste hinauf, drum gibts in heißen Sommertagen starke Platzregen. Geht deine Glückssonne auf, scheint hell und warm, du hast der Gönner viel, wenn du dieselben Gönner nennen willst, die ihnen selbst günstiger sind als dir, und bei dir nicht dich und das Deine, sondern sich und das Ihre suchen; geht die Sonne unter, verloschen ist die Gunst. Die Dünste steigen auf und ab; der Menschen Gunst nimmt zu und ab, nachdem du im Glück blühst und verwelkst; heut erheben dich deine Gönner und setzen dich mit ihrem Lob unter die Sterne, wer ist da gelehrter, weiser, heiliger, geschickter, qualificirter, als du? Morgen stürzen sie dich mit ihrer Lästerzunge in den Grund hinein, wer ist da ungelehrter, ungeschickter, unheiliger, närrischer, als du? Aus den Dünsten wirkt die Sonne den Regen; ach wie mancher Thränenregen netzt deine Wangen, wenn du im Unglück bedenkst, wie viel deiner Gönner vor gewesen und wie wenig ihrer jetzt sind; wie viel dein reichlich genossen im Wohlstande, von welchen du jetzt kein Tröpflein Wassers zu genießen hast in deinem Wehstand. Das bedenk und verlaß dich nicht auf Gunst der Menschen. Wie sich das Wetter, so wendet sich der Menschen Gunst. Heute sanft und still, morgen rauh und ungestüm; heute Freund, morgen Feind. War nicht David dem König Saul anfangs ein erwünschter Mann? Bald ändert sich sein Herz und trachtet ihm noch Leib und Leben. Nie lieb war Judas den Hohenpriestern, da er kam, Jesum zu verrathen; aber da ihm seine Verrätherei leid war, hielten sie ihn so werth nicht, daß sie ihm in seiner Angst ein tröstlich Wort gaben, sondern sprachen ganz höhnisch: Was gehts uns an? Da siehe du zu. Nicht anders machts die Welt. Sie genießt dein, wenn du im Vollen sitzest, dann bist du bei ihr der Liebste und Beste. Kommt Mangel zu deiner Thür, gehst hin, klagst deine Noth, ist sie fertig mit diesem Trost: Was gehts mich an? da siehe du zu. Ich hab gesehen, daß betrübte Herzen in ihrem Unglück mit Spott und Thränen abgespeist sind von denen, welchen sie zuvor manch Freudenmahl bereitet. Drum will ich auf Menschengunst mein Datum nicht setzen, sondern mich bloß allein um die Gnade meines Gottes bekümmern, der ist und bleibt mir treu, das weiß ich wahrhaftig. Amen.

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