Müller, Heinrich - Von der Eigenschaft des Glaubens und der Liebe.

Müller, Heinrich - Von der Eigenschaft des Glaubens und der Liebe.

Nichts gemein, Alles gemein.

Jedermann will gern was eignes haben. Eigen Heerd ist Goldes werth. Und ist doch von allem, was wir haben, nichts unser eigen, alles ist Gottes. Wir sind nur Haushalter, er ist der Herr. Das, was unser eigen sein könnte und sollte, machen wir preis; wer will, der habs, die Gnade Gottes, das Heil Jesu Christi. Was aber gemein sein sollte, reißen wir als ein Eigenthum zu uns; die Güter dieser Welt. Was machts? Wir sind keine gute Christen. Der Glaube macht; die Liebe beweist den Christen. Der Glaube eignet ihm absonderlich zu, was die Schrift gemein machet, Gott und seine Gnade, Jesum und sein Heil, den Himmel und die Seligkeit. Wenn die Schrift sagt: Gott ist ein Gott der Gläubigen, fährt der Glaube zu, reißt Gott an sich, und spricht mit Thomas: Mein Herr und mein Gott, gerad, als wäre kein Mensch in der Welt, den Gott anginge, als ihn. Wenn die Schrift sagt: Christus ist in die Welt kommen, die Sünder selig zu machen, so spricht der Glaube mit Paulo: Er ist mir gemacht von Gott zur Gerechtigkeit. 1. Cor. 1, 30. Er hat mich geliebt, und sich für mich in den Tod gegeben. Gal. 1, 4. Gerad als hätte sich keiner des Leidens Jesu zu trösten, denn er allein. Wenn die Schrift sagt, daß die, so ritterlich kämpfen, sollen gekrönt werden, 1. Corinth. 19, 25. spricht der Glaube mit Paulo: Mir wird der gerechte Richter die Krone der Gerechtigkeit geben. 2. Tim. 4, 8. Nicht anders, als wollt er allein selig werden. Hingegen macht die Liebe gemein, was Gewinn und Besitz zu eigen macht. Wo ungefärbte Liebe ist, da herrscht kein mein und dein. Die Liebe sucht nicht das ihrige. Da heißts: was mein ist, ist auch dein, was dein, ist auch mein. Dein Leid mein Leid, meine Freude deine Freude, deine Noth meine Noth, mein Brod dein Brod; ein Herz, eine Seele, ein Gewinn, ein Verlust. Die Liebe, wenns möglich wäre, wollte wohl das Herz im Leibe mit dem Nächsten theilen. Gott hat die Creatur zum Dienst erschaffen, nicht dem Reichen nur, sondern auch dem Armen. Drum hat die Creatur nicht Lust, in des Reichen Kasten als eine Herrscherin zu ruhen, sondern Jedermanns Nothdurft zu dienen; die Liebe hält sich auch nicht auf, sondern läßt sich gern dienen. So ungleicher Art ist Glaube und Liebe. Jener nimmt und geizt für sich, diese ist überall und theilt andern mit; jener stehet auf das Seine, diese auf das Gemeine. Ich will nichts mein eigen nennen, als Gott und seine Gnade, die soll mir kein Teufel nehmen. Das Irdische soll also mein sein, daß ich ihm gebieten kann, wie jener Hauptmann seinen Knechten; heraus Ducaten, Gulden, Schilling, gehe hin und schaffe dem Hungrigen Brod, dem Durstigen Trank, dem Kranken Arznei und Pflege. Es soll also mein sein, daß ich dennoch auch mein bleibe und nicht sein werde; mein Knecht und nicht mein Herr.

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