Müller, Heinrich - Von der brüderlichen Bestrafung.

Müller, Heinrich - Von der brüderlichen Bestrafung.

Salz und Zucker muß beisammen sein.

So wills Paulus haben: Eure Rede sei allezeit lieblich, und mit Salz gewürzet. Das Salz beißet, der Zucker heilet; die Bestrafung muß zugleich ernst und freundlich sein: der Ernst dient dazu, daß die Wunde gefühlt werde, und weh thue; die Freundlichkeit, daß der erregte Schmerz wiederum gestillt werde, und die Wunde wieder zugehe. Ohne Ernst wird aus der Bestrafung lauter Scherz und Schmeichelei; ohne Freundlichkeit lauter Störrigkeit und Verbitterung. Das Salz war bei den Alten ein Zeichen der Weisheit. Daher kommt das 2e. Klüglich und freundlich mußt du mit dem gefallenen Menschen umgehen. Die Klugheit nimmt wohl in Licht, ob der Nächste gesündigt habe aus Bosheit oder Schwachheit? Ob im Schrecken oder außer dem Schrecken? Bosheit muß ein ander Pflaster haben als Schwachheit; was den Schwachen verzagt macht, kann den Boshaften in seiner Bosheit noch stärken. Die Bosheit verdient Zorn; die Schwachheit Mitleiden. Wer wollte mit einem schwachen kranken Menschen zürnen? Im Schrecken ist auch der Mensch nicht bei ihm selbst, denn es entfährt ihm oft ein Wort, dessen er sich hernach kaum erinnern kann; wenn er wieder zu sich selbst kommt, und sich besser besinnt, ists ihm leid, wollte, daß ers nicht geredet hätte. Wer wollte einen solchen hart strafen? Seine eigene Reue ist ihm Strafe genug. Zucker fordern solche Wunden, nicht Salz. Darin haben sich Hiobs Freunde gewaltig verstoßen. Die Klugheit nimmt in Acht die rechte Zeit, sie straft nicht öffentlich den, der heimlich sündigt, denn ihre Bestrafung geht aus Liebe. Die Liebe aber deckt zu der Sünden Menge. Wer öffentlich straft, was heimlich gesündigt ist, richtet ein Aergerniß an, bessert nicht, sondern beschämt und verbittert seinen Nächsten. Die Klugheit straft den Nächsten nicht, wenn er in einer heftigen Bewegung des Zorns, oder in Ungeduld, oder beim Trunk seiner selbst nicht mächtig ist. Wie könnten sich die Hefen zum Grunde niederlassen, wenn man das Gefäß noch mehr rütteln wollte, als es schon gerüttelt wär? Den Trunknen strafen, heißt die Perle vor die Säue, und das Heiligthum vor die Hunde werfen; ihn bauest du nicht, dich selber aber machest du zu Schanden; daß du dein Mißfallen bezeugest mit Seufzen, Weggehen, wehmüthigen Geberden, ist gut, aber mit der Strafe halt ein, bis der ausgezogene Mensch wieder angezogen; den Menschen sollst du strafen, nicht die Sau. Die Klugheit straft den Nächsten vernünftig und bescheidentlich. Paulus vergleicht den gefallenen Nächsten einem verrückten Glied. Gal. s. Damit gehet man vernünftig um, daß mans an seinen rechten Ort füge; Vernunft bauet, Unvernunft reißt nieder. Wenn die Klugheit ihr Salz auf die Bestrafung gesprengt, so muß die Freundlichkeit ihren Zucker drein mengen, denn Salz ist gut, aber allzu salzig taugt nicht. Eine unangenehme Speise ißt man nicht gern. Willst du heilsamlich strafen, so straf mit freundlichen Worten und Geberden. Der Gerechte schlage mich freundlich, spricht David im 141. Psalm, und strafe mich, das wird mir so wohl thun als ein Balsam auf meinem Haupt. Was ein Balsam der Wunde, das ist eine freundliche Strafe dem verwundeten Gewissen. Das Strafamt ist ein Amt des Geistes. Und die Freundlichkeit ist eine Frucht des Geistes. Strafe ohne Freundlichkeit geht nicht aus dem Geist, sondern aus dem Fleisch. Die Liebe straft, die Liebe ist freundlich; eine unfreundliche Strafe gehet nicht aus der Liebe. Holdseliges Herz, holdselige Worte, denn weß das Herz voll ist, deß geht der Mund über. Harte Worte verhärten das Herz, sanfte Worte besänftigen das Herz, gleich wie Freundesworte ein Herz erfreuen. Doch muß aus der Freundlichkeit keine Schmeichelei und Falschheit werden. Honig und Milch führt Jesus unter seiner Zunge, Honig und Milch muß auch die Braut Jesu Hohel. 4,11. drunter führen, eine süße Lauterkeit und eine aufrichtige Freundlichkeit. Ich will drob sein, daß ich Salz und Zucker fein miteinander temperire, wenn ich meinen Nächsten strafen soll; fühlt er die Wunde nicht, so will ich das Salz einer scharfen Gesetzpredigt hinein streuen; thut ihm die Wunde wehe, so will ich sie mit dem Zucker des evangelischen Trostes wieder zuheilen.

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