Müller, Heinrich - Von dem Aergerniß der Augen.

Müller, Heinrich - Von dem Aergerniß der Augen.

Dein Herz verführt dich.

Und du verführst dein Herz. So gehts grad auf. Womit, fragst du, verführ ich mein Herz? Mit den Augen. Wie der Wagen den Pferden, so folgt das Herz den Augen. Sagt nicht Hiob, daß das Herz nach den Augen wandele? Hiob 31, 7. Die Augen sind Thüren, dadurch die Sünd ins Herz geht, und nicht nur Thüren, dadurch sie eingeht, sondern auch Werkzeuge, die sie hinein holen. Wie gings Eva, deiner Großmutter? Sie sah, daß von dem verbotenen Baum gut zu essen war, drauf nahm sie von der Frucht. Gen. 3, 6. Da hats recht geheißen: Der Tod ist zu ihren Fenstern hineingefallen. Jer. 9, 21. Wie gings ihren Kindern? Sie sahen nach den Töchtern der Menschen, wie sie schön waren, und nahmen zu Weibern, welche sie wollten. Gen. 6, 2. Wo trägst du den Mörder? In den Augen; da trägt auch der Basilisk sein Gift. Wo den Ehebrecher? In den Augen. Sie haben Augen voll Ehebruchs, sagt die Schrift. 2. Pet. 2, 14. Jener, da seine Freunde den Verlust eines seiner Augen beweinten, fragt, ob sie um das Auge weinten, das er verloren, oder um das, das er noch übrig hatte? Weint lieber, sprach er, um den Feind, der noch dahinten, als um den, der bereits hinweg ist. Ist wohl geredt. Deine Augen sind deine ärgsten Feinde, sie verführen das Herz, das Herz verführt dich. Mit den Augen siehst und weinst du. Ach wie oft mußt du das Sehen beweinen? Der Schad ist groß, den die Augen bringen, darum hats die Natur weislich so gefügt, daß die Zeit zu schaden desto kürzer sein muß. Im Mutterleibe werden sie am letzten gebildet, im Tod am ersten gebrochen. Wie sorg- und vielfältig hat sie die Natur bedeckt! Mißbrauche ihrer nicht, entzieh den Augen, was im Herzen arge Lust erweckt. So dich dein Auge ärgert, reiß es aus und wirf es von dir. Es ist dir besser, daß du einäugig zum Leben eingehst, denn daß du zwei Augen habest, und werdest in das höllische Feuer geworfen, Matth. 18, 9. Wie es besser ist das Auge auszureißen, wenn man andergestalt den Leib nicht kann beim Leben erhalten, als das Auge behalten wollen, und darüber den ganzen Leib verlieren; fo ists besser, daß man die böse Lust in den Gliedern dämpft, und die Freunde fahren läßt, als daß man durch Vollbringung der sündlichen Lüste sich selbst in das höllische Feuer stürzet. Darum wenn mich die böse Lust reizt, mit meinen Augen verbotne Dinge anzuschauen, will ich thun, als ob ich kein Aug hätte, das ich zur Erlangung der verbotnen Dinge gebrauchen könnte; und wenn mich mein Freund, den ich so lieb hab, als mein Aug, zur Sünde reizen will, will ich ihm nicht folgen, sondern thun, als ob ich den Freund nicht hätte.

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