Müller, Heinrich - Von Bezähmung der Zunge.

Müller, Heinrich - Von Bezähmung der Zunge.

Schlüpfrig, schlüpfrig, sei behutsam.

Die Zunge sitzt am schlüpfrigen Ort. Was Wunder, daß der Mensch in seiner Rede oft strauchelt und fällt? Am glatten Ort ist kein sicher gehen, wo man nicht vorsichtig wandelt, und alle Tritte zählt. Ein kleines Glied ist die Zunge, aber richtet großen Schaden an. Ein klein Feuerlein, welchen Wald kann es anzünden? Sie ist eine Welt voll Ungerechtigkeit, ein unruhig Uebel, eine giftige Schlange; denn wie die Schlange ihr Gift unter der Zunge am Zahnfleisch verbirgt, so führt die Zunge ein Gift bei sich, daran Leib und Seele sterben. Sie ist ein wildes muthiges Pferd, läßt man ihr den Zügel los, sie führt in tausend Abwege, und ist kein Halten da; halt sie, liebes Herz, mit dem Zaum klüglicher und vorsichtiger Regierung an dich. Ein Schiff, obs wohl groß ist, und von starken Winden getrieben wird, lenkt man doch mit einem kleinen Ruder, wo der hin will, der es regiert. Wie wohl rudert David, wenn er spricht: Ich hab mir vorgesetzt, ich will mich hüten, daß ich nicht sündige mit meiner Zunge, ich will meinen Mund zähmen. Ps. 39, ?. Den Vorsatz faß auch im Herrn, so redest du recht. Die Natur hat deine Zunge angebunden mit einem Aederlein aus Herz, mit einem andern aus Gehirn. Nimm das in Acht, so handelst du klüglich. Vor allen Dingen reinige dein Herz. Wie keine Süßigkeit aus dem Meer, so kommen keine heilsamen Reden aus verderbtem Herzen. Weß das Herz voll ist, deß geht der Mund über. Ein guter Mensch bringt Gutes hervor aus seinem guten Schatz, und ein böser Mensch bringt Böses hervor aus seinem bösen Schatz. Matth. 12, 34.35. Du kannst leider! dein Herz so vollkommen nicht reinigen, daß nichts von der argen Wurzel sollte übrig bleiben. Daher geschiehts, daß sich auch heilige Leute in Worten verstoßen, wie von Mose geschrieben, daß ihm in der Verbitterung einige Worte entfahren seien. Ps. 106, 33. Ach das bedaure, und sei desto vorsichtiger; unterdeß hüte dich, daß nicht Mund und Herz in der Rede uneins werden. Was die Natur verbunden hat, mußt du nicht trennen. Worte zeugen vom Herzen, hüte dich, daß du kein falscher Zeuge seist. Was der Mund redet, soll das Herz empfinden, und was das Herz meint, soll der Mund reden. Darnach siehe auch zu, daß du nicht schnell und unbedachtsam seist im Reden, herauszustoßen, was dir nur auf die Zunge fällt. Nimm das Gehirn mit zu Rath, und überleg bei dir, was du reden willst, ehe du es redest. Ein guter Rath ist, den Jakobus gibt: Seid langsam zu reden. Jac. 1, 19. Ein Christ soll kein Wort aus seinem Munde gehen lassen, er habe denn zuvor bei sich bedacht, ob auch dadurch könne die Ehre Gottes verletzt, der Nächste geärgert, betrübt, oder in Schaden gesetzt, und sein eigen Gewissen verunruhigt werden. O daß ich könnte ein Schloß an meinen Mund legen, und ein fest Siegel auf mein Maul drücken, daß ich dadurch nicht zu Fall käme, und meine Zunge mich nicht verderbte! Sir. 22, 33. Hilf mir mein Gott, daß ichs thue!

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