Müller, Heinrich - Von Annehmung der Strafpredigten.

Müller, Heinrich - Von Annehmung der Strafpredigten.

Wahrheit rumort.

Der Pfaff ist zänkisch. Lieber, beweis es. Er sticht und schilt immer. Mein, wo fühlst du die Stiche und wo thun sie dir wehe? Im Gewissen. Was kann der Pfaff dazu, daß dein Gewissen dich sticht und beißt; steht er doch auf der Kanzel und rührt dein Gewissen mit keinem Finger an. Der Prediger straft das Böse, kaum fällt das Wort ins Ohr, so ist alsbald dein Gewissen ein schneller Zeuge wider dich, klagt dich an, überweiset und verdammt dich. Das muß der arme Prediger Schuld tragen. Dein Herz zankt mit dir über deine Bosheit, so ist der Prediger zänkisch. Dein Herz will dir keinen Frieden lassen, ehe du Buße thust und dich bekehrst, so ist der Prediger friedhäßig, Den Prediger willst du beschicken und stillen. Warum beschickst und stillst du dein Gewissen nicht? Ach! dein eigen Gewissen ist der schärfste Büßprediger wider dich. Die Vorpredigten, die der Priester von der Kanzel hält, stechen lang so scharf nicht, als die Nachpredigten, die dein Gewissen in dir hält. Mein Christ, ich will dir einen guten Rath geben: Wenn du merkst, daß dein Herz auf den Prediger zürnet, so stell es vor, frag und sprich: Mein Herz, weißt du dich deß unschuldig, das der Prediger gestraft hat? Saqts nein, was zürnst du denn? Weißt du nicht, wie hoch dem Prediger das Strafamt auf sein Gewissen anbefohlen? Hast du nicht gelesen, was Gott zum Ezech. Cap. 3, 17. 18. sagt: Du Menschenkind, ich habe dich zum Wächter gesetzt über das Haus Israel; du sollst aus meinem Mund das Wort hören und sie von meinetwegen warnen. Wenn ich dem Gottlosen sage: Du mußt des Todes sterben; und du warnst ihn nicht und sagst es ihm nicht, damit sich der Gottlose vor seinem gottlosen Wesen hüte, auf daß er lebendig bleibe: so wird der Gottlose um seiner Sünde willen sterben; aber sein Blut will ich von deiner Hand fordern. Ach, wolltest du wohl, daß der Prediger sammt dem Gottlosen sollte zum Teufel fahren, da er beide sich und die ihm zuhören, kann selig machen? Strafpredigten verdienen keinen Zorn, sondern Dank. Denk, wie wollte der Bosheit gesteuert werden, wenn man zu allen Greueln still schwiege? Sagts ja, ei so zürne mit dir selbst, warum hast du Böses gethan? Nicht, wer Böses straft, sondern wer Böses thut, hat Zorn verdient. Jener baut den Himmel, dieser die Hölle. Dank dem Prediger, der durch seinen Zorn in dir einen Zorn über deine Sünde erwecken will, damit du dem ewigen Zorn mögest entrinnen. Es ist ein Liebezorn, er meints gut. Ich will der Wahrheit nimmer feind sein, weil sie mein bester Freund ist und mir zum Himmel hilft.

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