Müller, Heinrich - Vom Zustand der Christen auf Erden.

Müller, Heinrich - Vom Zustand der Christen auf Erden.

Wie eine Rose unter den Dornen. Hohel. 2, 2.

So finde ich die Christenheit auf Erden. Ein wohlriechendes Röslein ist sie, geht aber nicht auf Rosen, sondern auf Dornen; muß sich vom Teufel und seinen Schuppen jagen und plagen lassen. So ists. Jesum Christum kann die Welt nicht leiden. Die Juden haben ihn gekreuzigt in seiner Person, die Welt kreuzigt ihn noch in seinen Gliedern. Ist Jesus der gesegnete Weibssaame in dir, so ist der verfluchte Schlangensaame wider dich, giebt dir einen Mordstich nach dem andern. Du suchst bei Christo gute Tage? Ist recht. Aber so du die Tage gut nennest, die dem Fleische wohl thun, betrügst du dich nur und handelst ja so thöricht, wie der Trauben am Dornbusch und Feigen am Distelstrauch sucht. Christus kommt nicht, dem Fleisch gut Gemach und Wohlleben, sondern Kreuz und Unlust anzurichten; die Christo angehören, kreuzigen ihr Fleisch sammt den Lüsten und Begierden. Gal. 5, 24. Bist du Christi Jünger, so mußt du auch sein Nachfolger im Kreuz sein. Wo ich bin, sagt er, da soll mein Diener auch sein. Dies geht sowohl auf den Stand der Erniedrigung, als auf den Stand der Erhöhung. Denn wer mit ihm herrschen will, muß zuvor mit ihm leiden. Wo findest du Jesum im Stand der Erniedrigung? Nicht im Reichthum sondern im Mangel: er hatte nicht, wo er sein Haupt hinlegen konnte, Alles war sein; nicht in großen Ehren, sondern in Schmach und Schanden: er war ein Spott der Leute und Verachtung des Volks; nicht in Freud und Wonne, sondern in Blut und Thränen. Der Knecht ist nicht über seinen Herrn, noch der Jünger über seinen Meister. Schändlich würde es stehen, wenn der Knecht zu Pferde säße, der Herr zu Fuß ginge; wenn der Jünger sich wollte mit Rosen kränzen lassen, da der Herr mit Dornen umflochten ist. Du bist ja nicht besser als dein Jesus; was suchst du denn auf Erden ein bessers Glück zu haben, als er gehabt? Wenn dem Urias gesagt ward, er sollte hinab in sein Haus gehen, und sich ergötzen mit seinem Weibe, gab er zur Antwort: Die Lade und Israel und Juda bleiben in Zelten, und Joab, mein Herr, und meines Herrn Knecht liegen zu Felde, und ich sollte in mein Haus gehn, daß ich esse und trinke und bei meinem Weibe liege? So wahr du lebst und deine Seele lebt, ich thue es nicht. Wenn dir die Welt zuruft, tritt zu uns, hab einen lustigen Tag mit uns, bei Christo ist lauter Trauern, gieb du zur Antwort! Mein Jesus hat getrauert bis in den Tod, und ich sollte fröhlich sein? Mein Jesus hat geweint, und ich sollte lachen? Nein, Welt, das thue ich nicht. Christen müssen Kreuzträger sein, drum, willst du ein Christ sein, schicke dich zum Kreuz. Die Kirche ist der Leib, Christus das Haupt; wie kann dem Leib wohl sein, wenn das Haupt leidet? Bist du ein Glied am Leibe Christi, so mußt du auch Theil haben an den Schmerzen Christi, sonst bist du nicht ein lebendiges, sondern ein todtes Glied. Ich will mich nicht weigern, mit Christo zu leiden. Es ist mir die höchste Ehre, daß ich seinem Bilde ähnlich werde. Unfruchtbare Bäume werden weder gesteinigt noch zerbrochen, weder gerüttelt noch geschüttelt, endlich aber abgehauen und ins Feuer geworfen; hab ich ein gewisses Kennzeichen bei mir selbst, daß ich ein auserwählter Baum im Garten Christi bin. Gott will mir mit dem Kreuzrüthlein die Bußthränlein aus den Augen stäupen. Wie das Eisen das ungesunde Geblüt aus den Adern, so zieht das Kreuz die Sündenlüste aus dem Herzen. Was das Feuer dem Gold und das Polirzeug dem Stein, das muß mir die Trübsal sein. Trübsal erleuchtet mich, daß ich Gott erkenne. Joseph ward nicht erkannt von seinen Brüdern, da er ihnen wohl that, sondern da er sie ängstete. Trübsal erhebt mein Herz zu Gott; je mehr die Wasser der Sündfluth wuchsen, je höher stieg der Kasten. Die Kreuzmyrrhe bewahrt mich vor der Sündensäule, ist zwar bitter, doch heilsam. In den bittern und salzigen Wassern fängt man die größten Fische, in den süßen nur kleine; je größeres Kreuz, je größerer Heiliger. Der Wind muß das Korn von der Spreu, und das Kreuz den Gerechten vom Ungerechten scheiden; die Gottlosen bestehen im Kreuz nicht, sind wie die Spreu, die in der Luft zerflattert; das Korn fällt zu den Füßen seines Herrn, die Gerechten fallen im Kreuz zu Gottes Füßen, und lassen sich in seinen Willen. Ein solches Körnlein war Christus: Vater, nicht was ich will, sondern was du willst. Ein solch Körnlein will ich auch sein. Im Kreuz wird ein Jeder erkannt; was zum Israel Gottes gehört, geht durchs Kreuzmeer hindurch; was aus dem Weltegypten ist, das sinkt nieder. Gott muß uns züchtigen. Züchtiget er uns nicht hie als ein Vater, so züchtigt er uns dort als ein Richter. Ich will das Vaterrüthlein küssen, damit ich dem Richterzorne entrinne. Nicht will ich Gott bitten, daß ich ohne Kreuz sei, sondern daß ich mein Kreuz geduldig tragen möge.

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