Müller, Heinrich - Vom Widersinn des Geistes und des Fleisches.

Müller, Heinrich - Vom Widersinn des Geistes und des Fleisches.

Lust, Last.

So empfind ichs. Was mein Fleisch erlustigt, belästigt meinen Geist. Ich habe Lust reich zu werden, befind aber, daß das Herz dadurch beschwert wird. Je mehr Güter, je mehr Sorgen. Ich habe Lust zum hohen Ehrenstand, aber meiner Seele leg ich eine unerträgliche Bürde auf: hoher Stand, hohe Arbeit, Unlust, Mißgunst, Nachstellung. Warum sollt ich die Seele belästigen, das Fleisch zu erlustigen? Soll die Frau der Magd dienen? Wie lang währet des Fleisches Lust, und wozu nützt sie? Wenn ich todt bin, wo bleibt aller Reichthum? Fährt mir auch meine Herrlichkeit nach ins Grab? Heißts nicht am Ende so, wie die Weltkinder mit Reu bekennen: Was hilft uns nun die Pracht? Was bringt uns nun der Reichthum sammt dem Hochmuth? Es ist alles dahin gefahren, wie ein Schatten, und wie ein Geschrei, das vorüber fährt. Weish. 5, 8. 9. Noch eins, Lust, Last. So nenn ich mein Leben. Dem Fleisch eine Lust, dem Geist eine Last. Ists nicht so? Du hast Lust lang zu leben. Was gewinnst du damit? Eine Seelenlast; je länger du lebst, je mehr Körner trägst du zusammen, deinen Sündenberg groß zu machen. Mußt du nicht schon mit David seufzen: Meine Sünden gehen mir über mein Haupt, wie eine schwere Last sind sie mir zu schwer worden. Ps. 38, 5. Und mit Manasse: Meiner Sünden sind mehr, denn des Sandes am Meer. Und hast du noch eine Begierde länger zu sündigen? Geht wohl ein Augenblick dahin, daß du nicht sündigst, der du auch in deinen allerheiligsten Werken sündigest? So unbarmherzig bist du über dich selbst. Ach nein. Obgleich das Leben dem Fleische süß, gelüstet mich doch nicht länger zu sündigen; bittre Sünde, bittres Leben. Wir kehrens um. Last, Lust. Christi Leben ist dem Fleisch eine Last, dem Geist eine Lust; schwer im Aufnehmen, leicht im Tragen. Was dich drückt, hilft er tragen. Das geringste Stücklein liegt auf deinen Schultern. Wie die Flügel den Vogel nicht beschweren, sondern vielmehr tüchtig machen zum Fliegen; so beschwert Christi Joch das Herz nicht, sondern reißt es ab vom Irdischen, dadurch es beschweret wird; diese Last macht nicht trag, sondern munter, nicht klein- sondern großmüthig. Christi Tröstungen und seines Geistes Mitwirkungen machen alles leicht. Ein Tröpflein himmlischer Süßigkeit ist edler und lieblicher als alle Wollust der Welt. Eine Wunderlast. Je länger sie getragen wird, je leichter sie wird. Was dem Fleisch Wermuth ist, das macht die Liebe Jesu dem Geist zu lauter Honig. Christi Leiden ist auch dem Fleisch eine Last, dem Geist eine Lust. Wie rümpft und würgt sich der alte Adam, wenn er mit Christo aus Kreuz soll! Will nicht gern hinan; der Geist ist willig, weil es Christi Kreuz ist. Der legts auf, der will es tragen, der versüßts auch mit seinem Trost; fällt ein Tröpflein seines Trosts in den Kreuzkelch hinein, so ists durch und durch versüßt. Das Sterben ist dem fleischlichen Menschen eine Last. Wie krümmt und windet er sich, wenn das Treffen mit dem Tode angehen soll! Dem geistlichen Menschen aber ists eine Lust, der spricht mit Paulus: Ich habe Lust abzuscheiden. Denn er weiß wohl, daß im Tod nichts verloren, viel gewonnen wird. Ich will meiner Seele keine Last aufbürden, damit ich sie zu Gott in den Himmel erheben könne. Mein Fleisch aber will ich gern unter der Last halten, damit es betäubt aufhöre dem Geist zu widerstreben. Was mein Fleisch erlustigt, will ich verschmähen; was aber meinen Geist belustigt, will ich erwählen.

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