Müller, Heinrich - Vom vergönnten Zorn.

Müller, Heinrich - Vom vergönnten Zorn.

Zürne mit dir selbst.

Du zürnest mit andern. Was nützt es? Wirst ein zweifacher Mörder. Den Nächsten tödtest du, dich auch. Den Nächsten tödtest du mit dem Herzen, gönnst ihm das Leben nicht, sondern viel lieber den Tod und alles Unglück. Mit den Augen siehst du ihn sauer an, und verstellst dein Angesicht gegen ihn; mit der Zunge kränkst du seine Ehre, die ihm so lieb als das Leben ist, wünschest ihm den Tod und betrübest ihn mit manchem bittern Wort. Dich selbst tödtest du geistlich, denn dein Zorn trennt dich von Gott. Gott ist den Seelen, was die Seele dem Leib; ohne Gott ist die Seele todt. Wo der Zorn die Herrschaft nimmt, da geht Christus, die Sonne der Gerechtigkeit, unter. Christus ist der Seelen Leben, ohne ihn bist du geistlich todt. Du todtest dich leiblich. Wie zittern deine Hände und Lippen im Zorn, wie nimmt die thörliche Bleiche dein Gesicht ein, wie feurig sind deine Augen, wie stammelst du mit deiner Zunge, wie unordentlich ist die Bewegung deines ganzen Leibes! Sind alle Todeszeichen. Du tödtest dich ewig. Denn der Zorn gehöret mit zu den offenbaren Werken des Fleisches, von welchen Paulus sagt, daß die, so dieselben thun, nicht werden ins Reich Gottes kommen, Gal. 5,19-2l. Willst du ja zürnen? So zürne wider deine Sünde. Willst du strafen? Straf dich selbst. Willst du richten? Sei ein strenger Richter in deinem eignen Verbrechen. Dies ist der einzige Gewinn des Zorns, sonst schadet er mir. Wie spricht Seneca im 28. Brief: So viel du immer kannst, erforsch dich selbst, sei erstlich dein Ankläger, darnach dein Richter, am letzten dein Ab- und Fürbitter. Erzürn dich auch bisweilen selbst. Was der Hund dem Schäfer, das soll mir der Zorn sein. Ich will ihn nicht weit von mir lassen, sondern nahe bei mir führen; nicht auf Menschen, sondern auf Wölfe loslassen. Was hat er mit meinem Nächsten zu thun? Meine eigenen Laster soll er anbellen, beißen und strafen. Ich will ihn so gewöhnen, daß er wie ein Schatten, wohin ich mich kehren werde, mir folgen soll.

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