Müller, Heinrich - Vom Selbstbetrug der Welt.

Müller, Heinrich - Vom Selbstbetrug der Welt.

Die Welt will betrogen sein.

Wer kann ihr helfen? Ginge der Betrug ihr Zeitliches an, möchte mans verschmerzen. Aber Jammer, Jammer! Sie kommt drüber um ihrer Seelen Seligkeit. Du suchst, der dir das Wort des Herrn predige, triffst einen Eiferer Gottes an, der die Wahrheit von Herzen redet und der Menschen Seligkeit mit Ernst sucht. Was dünkt dich? Soll ers sein? Behüte Gott! Schaff ab, weg mit dem! Ei warum denn? Er eifert gar zu sehr, möchte dem Pharisäer den Schafpelz abdecken, daß das Wolfsherz hervorblickte. Es muß ein Politicus sein, der die Liebe nicht schüchtern macht, sondern fein an sich hält, da man Lust hat mit umzugehn, der sich in der Leute Weise schicken kann und alles fein mitmachen, wie es der Haufe macht, mit Saufen, Fressen, Wuchern, Geizen, Prangen, Alamodiren rc., ein Mansuet ist und Modestiner, der uns fein sanft predige, damit das Hündlein, das man Gewissen nennt, nicht aufwache und uns allzuhart anbleffe. So sollts sein? Aber Lieber, wo bleibt dann die Wahrheit? Wie gehts dann mit der Seligkeit? Was Seligkeit. Ach, wer Blut weinen könnte! Doch die Welt will betrogen sein, wer kann ihr helfen? Weichlinge darfst du so peinlich nicht suchen. An der Herren Höfe sind die Höflichen und gehen in Fuchsschwänzen. Aber hüte dich; Leisetreter sind keine Seligmacher; die Biene die keinen Stachel hat, bringt auch keinen Honig. Ja, sagst du, um einen guten Prediger ist mirs zu thun, der den Mund weidlich aufthue und die Wahrheit rede ohne Scheu. Mein, wie hör ich denn, daß du hassest, lästerst, verfolgst und Hungers sterben läßt, die deine Greuel aus Licht legen und dir eine Schamröthe nach der andern abjagen, dagegen erhebst und mit Gaben überschwemmst, die dir Lügen predigen und deinen alten Adam bei allen Sündengreueln mit lauter Trost ausfüttern? Ja, so muß es sein. Wers wohl meint und im Herrn eifert, findet keine Herberge, der Brodkorb wird ihm oft so hoch gehangen, daß ers verlaufen muß. Darum müssen andere kommen, die dir mit Lügen das deine abstehlen, und muß doch nicht Lügen, sondern eitel heilsame Lehre heißen. Das sind die lieben schönen Diebe und Lügner, sagt Dr. Luther, die alle Welt verzehren und sie zum Lohn dafür verführen. Recht so. Das schadet dir nicht. Du willst betrogen sein, wer kann dir helfen?

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