Müller, Heinrich - Vom schänd- und rühmlichen Geiz.

Müller, Heinrich - Vom schänd- und rühmlichen Geiz.

Je älter, je geiziger.

Ist Wunder. Wenn die Natur alt wird, und alle Laster schier mit veralten, ist der einige Geiz in seiner besten Blüthe. Es bringt sonst das Alter mit sich eine Verminderung der natürlichen Hitze, und also auch eine Verminderung der unordentlichen Lüste, aber die Begierde reich zu werden, vermehrets bei den meisten. Mich wundert, daß der Geiz Lust habe in einem alten baufälligen Hüttlein zu wohnen, darin er seinen Schatz nicht so gar sicher kann verwahren. Aber, sagt der Geizige, bergab ist leicht zu tragen, mein Leben geht bergab. Weit gefehlet. Bist du ein Christ, so muß dein Leben bergan gehen; Unser Wandel ist im Himmel, sagt Paulus, Phil. 3, 20. Wie willst du mit der Geldlast bergan, zum Himmel, fortkommen? Sage mir, wem folgst du? der Welt oder Christo? Die Welt führet bergab, Christus bergan; folgest du der Welt? Geiz immer hin; folgst du Christo? Höre auf zu geizen. Und gesetzt, dein Leben gehe bergab, ach wie schwerlich läßt sich eine Last bergab tragen! Sie stürzt oft in den Grund hinein. Was schwer ist, sucht den Grund, der Geiz die Hölle. Ein Reicher wird schwerlich ins Himmelreich kommen. Matth. 19, 23. Mit dem Leben sollte auch deine Sorge abnehmen. Deine Schultern werden schwach, und bürdest dir immer größere Last auf. Du siehest den Tod vor Augen, und schaffest noch so großen Vorrath ein. Lieber, wer solls haben? Deine Kinder? Wer sorget für die jungen Raben? Denkst du nicht an Gott? Wer weiß wo deine Kinder morgen sind? Wer weiß, was für ein Wind in einem Tage zerstreuet, das du in vielen Jahren gesammelt hast? So kommts dann den Deinen nicht zu nütze. Höre auf zu geizen, Schlamms genug für einen Magen. Denk aus Grab. Ich aber will doch je älter je geiziger werden, nicht nach den Schätzen dieser Welt, die vergehen, sondern nach den Himmelsschätzen, die ewig bleiben. Du sprichst: ich bin reich, und habe genug. Die Reichen läßt Gott leer. Ich spreche: mir mangelt noch sehr viel; die Hungrigen füllet er mit Gütern. Mein Herz soll mich nicht bereden, daß ichs weit genug gebracht habe. Ich bin noch weit vom Ziel. Die Zeit ist kurz. Wir verwelken wie die Blumen, und verblühen, indem wir blühen. Wir finden uns, indem wir uns lassen, und müssen anfangen uns von neuem wiederum zu lassen. Wenn der Tod mein Herz bricht, so will ich sagen: Nun hab ich genug.

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