Müller, Heinrich - Vom hohen Ehrenstand.

Müller, Heinrich - Vom hohen Ehrenstand.

Große Würden, große Bürden.

Freilich ja. Große Würden, große Sündenbürden. Die in hohen Aemtern leben, haben vor Andern Anlaß zu sündigen, sowohl, weil sie meinen, daß sie der gemeinen Strafe entzogen sein, als auch, weil sie vielmehr Reizungen haben denn Andere. Der Teufel ist nirgend geschäftiger als an der Herren Höfen, denn er ist auch ein großer Herr und Fürst der Welt. Gleich sucht sich; die hohen Bäume werden von de n Winden am meisten bewegt; hoher Stand ist beweglich, und zum Sündenfall geneigt; die großen Fische bestrickt das Netz, die kleinen können entrinnen. Wer in großen Ehren sitzt, ist gleich dem, der auf einem hohen Thurm stehet; wie leichtlich fällt er! Gleich dem, der auf einem schlüpferigen Wege geht; wie bald strauchelt er! Große Würden, große Strafbürden. Fürsten sind der Unterthanen Vorbilder, sündigen sie, so sündigt der Haufe mit. Wie können sie an den Unterthanen strafen, deß sie selbst schuldig sind? Strafen sie nicht, so straft Gott. Da müssen sie oft mit Schmerzen sehen, wie ihr Land und Leute jämmerlich verderbt werden. Wie Gott an den hohen Leuten nicht nur ihre guten Werke, sondern auch ihre guten Exempel belohnt, so straft er nicht nur ihre bösen Werke, sondern auch ihre ärgerlichen Exempel. Ein großer Herr, der Andere sündigen macht, muß so viel Klafter tiefer in die Hölle sinken, als viel er hat sündigen gemacht. Große Würden, große Amtsbürden. Die Schrift nennet das Amt , vom Dienst. Große Herren, große Knechte. Je höher du bist, je mehr dir anvertraut, je mehr bist du Andern verbunden, dir selbst genommen und aus der Freiheit in die Knechtschaft gesetzt. Hoher Stand, hohe Verantwortung. Große Herren müssen eben so wohl am jüngsten Tage von ihrem Leben Rechenschaft geben, als Andere, und noch dazu von ihrer Regierung. Große Würden, große Kreuzbürden. Was hat hoher Stand doch für Mühe, Unruh, Gefahr und Nachstellung? Niemand ist unsicherer, als der auf der Spitze steht. Hohe Berge zerschmettert der Blitz. Drum, mein Freund, trachte nicht nach hohen Dingen. Röm. 12,3. Warum willst du dir selbst eine Last aufbürden, da du frei sein kannst? Warum willst du lieber ein Knecht als ein Herr sein? Je größer auf Erden, je kleiner im Himmel. Was haben hohe Häupter mehr davon denn das? Mensch, du mußt sterben; heute König, morgen todt. Sie sind so wenig vorm Tode sicher, als die hohen Aehren vor der Sichel. Und nach dem Tod ist kein Unterschied zwischen Hohen und Niedrigen. Gehe ins Sarghaus, du wirst dürre Knochen finden, und keine Wahl darunter. Wie viel Hohe haben ein klägliches Ende genommen! Das laß dich schrecken. Solltest du einen Blick in die Hölle thun, würdest du sehen, wie die hohen Häupter bei den Teufeln oben an sitzen und den ersten bittern Trunk aus dem Taumelkelch thun müssen. Ich bin mit Gott zufrieden, und halts für eine Gnade, daß die Welt nicht höher mit mir hinaus will. Wäre mein Stand nach der Welt besser, vielleicht möcht er nach Gott ärger sein. Doch halt ich meinen Stand nicht für den geringsten. Ich bin ein Diener Christi, und Haushalter über Gottes Geheimnisse. Was kann höher sein? Gieb mir mein Gott, ein niedriges Herz beim hohen Stande, so werde ich dir gefallen!

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