Müller, Heinrich - Vom geistlichen Tod und Leben.

Müller, Heinrich - Vom geistlichen Tod und Leben.

Todt und doch lebendig.

Rathe wer ist der? Ein wahrer Christ. Er stirbt, indem er lebt, und lebt indem er stirbt. Am Abend stirbt er, am Morgen wird er wieder lebendig. Sein Grab ist das Bett, seine Grabtücher die Betttücher, sein Tod der Schlaf, eine jede Nacht die letzte; im Schlaf ruht er und sammelt neue Kräfte, wie ein Todter im Grab, steht am Morgen viel munterer auf, als er am Abend zu Bette gegangen. Da hast du ein Bild des Todes und der Auferstehung. Noch eins: ein Christ, indem er stirbt nach dem Fleisch, lebt er desto kräftiger nach dem Geist. Er findet den Tod im Leben. So ihr nach dem Fleisch lebet, werdet ihr sterben. Und das Leben im Tod. Wo ihr aber durch den Geist des Fleisches Geschäfte tödtet, so werdet ihr leben. Röm. 8, 13. Je mehr das Fleisch stirbt, je kräftiger lebt der Geist, denn er hat so viel Hindernisse nicht vom Fleisch; je kräftiger der Geist lebt, je mehr erstirbt das Fleisch, denn ein jedes Leben rüstet und stärkt uns zum neuen Tod. Hingegen: je mehr der Geist stirbt, je kräftiger lebt das Fleisch. Wer kann ein wildes Pferd bezwingen, wenns keinen Zaum hat? Der Geist hält das Fleisch im Zaum und machts bändig. Je kräftiger das Fleisch lebt, je mehr stirbt der Geist; gießt man viel Wasser zum Lichtlein, so gehts aus: der Geist ist ein kleines Lichtlein in uns, das leicht verlischt. Adam ist ein Mörder, laß ihn in dir sterben. Jesus ist ein Herzog des Lebens, laß ihn in dir leben. Ich will sein wie ein Sterbender, der doch lebt; der Sünde will ich absterben und leben der Gerechtigkeit. Ich will mich befleißigen so zu leben, daß ich mich nicht fürchten darf, in diesem Augenblick zu sterben, und doch auch nicht schämen darf, länger zu leben. Ich will mich nicht fürchten, wenn mir die Welt den Tod dräut; sie wird mir doch das Leben nicht nehmen, ehe der Herr meines Lebens damit eins ist. Ich will gern folgen, wenn mich Gott in tiefe Herzensangst, als in den Tod hineinführt; er wird mich drin mit himmlischer Lebenskraft versehen. Ich will nicht erschrecken, wenn ich in Todesgefahr gerathe; kann mich doch Gott wunderlich nach seinem Willen am Leben erhalten. Das heißt: Todt und doch lebendig. Was ist denn lebendig und doch todt? Ein falscher Christ. Er denkt nicht an den Tod, macht seine Rechnung auf viel Jahre; indem schlägt ihn der Tod plötzlich nieder. Da jener reiche Kornwurm zu seiner Seele sagt: Liebe Seele, du hast einen guten Vorrath auf viel Jahre, habe nun Ruhe, iß und trink und habe guten Muth; sagt Gott ein Anderes dazu: Du Narr, diese Nacht wird man deine Seele von dir fordern, und weß wirds sein, das du bereitet hast? Er bildet sich ein, hat auch den Namen, daß er lebe, und ist doch todt, Offenb. 3, 1. Man findet keine geistlichen Lebenszeichen an ihm. Er verspricht ihm selber bei seinem Sündenwesen das ewige Leben, und hat doch nichts als den Tod zu erwarten. 1. Tim. 5, 6. Gleich jenen Weibern, die Christum im Grab suchten, zu welchen der Engel sprach: Was sucht ihr den Lebendigen bei den Todten? Luc. 24, 5. Also möchte man hier wohl sagen: Was suchst du das ewige Leben in den todten Werken? Kann man auch Trauben lesen von den Dornen, oder Feigen von den Disteln? Matth. 7. Mögen auch die Werke der Finsterniß zum Erbtheil der Heiligen im Licht bringen? Ach nein. Du betrügst dich selbst, bist lebendig und doch todt.

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