Müller, Heinrich - Vom geistlichen Seelenhunger.

Müller, Heinrich - Vom geistlichen Seelenhunger.

Hunger ist der beste Koch.

Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit, denn sie sollen satt werden. Matth. 5, 6. Du hörst so manch Trostwort in der Predigt, schmeckt dir aber nicht und geht nicht zu Herzen. Was kann dir lieblicheres gepredigt werden, als daß sich Christus dir zu eigen gegeben hat, mit Allem, was er hat und vermag, daß dein Unglück sein, sein Leben dein sei? Doch hast du keine Wonne davon im Herzen. Wie kommts? Weil du deine Seele mit Weltträbern schon angefüllt, bist du satt und fühlst keinen Hunger. Ein voller Bauch zertritt auch Honigseim, spricht Salomon. Wenn der göttliche Trost einem Weltherzen vorgelegt wird, ists eben, als wenn man einen Vollzapf, dem Bier und Wein möchte aus Nase und Mund gezapft werden, ein Trünklein süßen Weins vorsetzt, er stößt den Becher sammt dem Wein um; das Weltkind verachtet den Tröster sammt dem Trost, weil es die Fülle des Welttrostes hat. Aber, wenn Gottes Tröstung in ein geisthungrig Herz fällt, wird sie so begierig eingeschlungen, wie das Wasser vom heißen Stein. Wer ein weltgesinntes Herz mit göttlichem Trost will abspeisen, ist gleich dem, der dem Pferd Gold und Silber in die Krippe wirst: das Pferd sollte eher verschmachten, als Gold und Silber anrühren. Heu und Hafer ist des Pferdes Speise, nicht Gold und Silber. Es ist keine Seele geschickt zu schmecken, wie freundlich der Herr ist, als die durch Anfechtung und Trübsal von allem creatürlichen Trost ganz ausgeleert und entblößt ist. Nur ein zerbrochenes Herz will Gott heilen, ein verwundetes verbinden, ein mattes stärken, ein trauriges trösten. Ein blödes Gewissen ist das Gefäß, das Gott mit dem Honig seines Trostes anfüllt. Wenn das Herz seinen Jammer fühlt, wirds begierlich nach göttlichem Trost, wie ein hungriges krankes Kindlein nach den Mutterbrüsten. Hörts dann nur ein Wörtlein davon, so spürts immer mehr und mehr nach und kann nicht satt werden. Wenn der reiche Mann die Höllenstamme empfindet, dürstet ihn nach einem Tropfen Wassers; wenn die feurigen Pfeile des Satans auf uns zufliegen und die Höllenstammen aus Gewissen schlagen, daß wir klagen müssen mit David: Es umfangen mich die Todesbande, und die Bäche Belial erschrecken mich, und der Hölle Bande umfangen mich, und des Todes Stricke überwältigen mich, Ps. l8, 5. 6.; so seufzet das Herz nach Trost, wie ein dürres Land nach dem Regen. Läßt dann Gott die Tröpflein herabfallen, so erquickt sichs an, wie ein welkes Blümlein am kühlen Thau, es thut seinen Mund immer weiter auf, wollte gern mehr haben. Das ists, was Maria singt in ihrem Lobgesang: Die Hungrigen füllet er mit Gütern und läßt die Reichen leer. Luc. 1. 53. Gott und die Natur lassen nichts leer. Was schon voll ist, läßt Gott, wie es ist. Wein und Wasser dienen nicht in ein Faß, so auch Himmel und Erde nicht in ein Herz. Ist das Faß voll Wasser, muß der Wein draus bleiben. Ist das Herz voll Welttrost, muß Gottes Trost zurückstehen; was aber Gott leer findet vom irdischen, das füllet er mit himmlischen Trost an. Ich will mich nicht verwundern, wenn ich sehe, daß die nach dem Himmel nichts fragen, die im Irdischen ihren Himmel suchen und von der Hölle noch nichts empfunden. Mir müßte ja Jesus süß sein. Fragst du nun, warum? Weil mir die Welt immer bitterer wird. Was sie drückt, erquickt er. Ich erfahr es täglich, Gott sei gelobt!

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