Müller, Heinrich - Vom Erkenntniß Gottes.

Müller, Heinrich - Vom Erkenntniß Gottes.

Kennen gut, Lieben besser.

Merk es. Du kennst den Himmel, ich kenne was Bessers, den, der im Himmel wohnt. Ein Weiser rühme sich nicht seiner Weisheit, ein Starker rühme sich nicht seiner Stärke, ein Reicher rühme sich nicht seines Reichthums, sondern wer sich rühmen will, der rühme sich deß, daß er mich kenne, spricht der Herr. Jer. 9, 23. 24. Ich kenne Gottes Herz, und weiß, daß dasselbe allen meinen Jammer fühlt. Je härter er auf mich zuschlägt, je mehr erbarmt er sich; denn je härter er auf mich schlägt, je weher thuts ihm selbst. Sein Herz bricht ihm, er muß sich mein erbarmen. Ich kenne Gottes Auge, und weiß, daß dasselbe all meinen Jammer sieht; will mich kein Mensch ansehn, Gott sieht mich doch an in meiner Noth. So lieb hat er mich, daß er mich aus seinen Augen nimmer läßt. Ach Herr, sieh an meinen Jammer und Elend. Psalm 62. Ich kenne Gottes Ohr, und weiß, daß dasselbe merkt auf mein Schreien; stopfen Menschen ihre Ohren vor mir zu, Gottes Ohr steht mir doch immer offen; ihm komm ich nicht zu oft, ihm mach ichs nicht zu lang; er hört nicht allein die Rede meines Mundes, sondern auch die Angst und das Verlangen meines Herzens, Ps. 34, 16. die Thränen meiner Augen. Der Herr hört mein Weinen. Ich kenne Gottes Mund und weiß, daß er hält, was er zusagt; trifft mich eine Noth, ich halt ihm vor sein Wort, er wird ja an mir nicht zum Lügner werden. Ich kenne Gottes Hand, und weiß, daß sie mir meinen Kreuzkelch eingeschenkt. Wie kann die Hand des Vaters dem Kinde Gift einschenken? Ich weiß auch, daß die Hand des Herrn alles ändern kann; wo Menschenhand nicht zureicht, da ist doch Gottes Hand noch nicht verkürzt. Ich kenne Gottes Fuß, und weiß, daß er mir nimmer näher ist, als im Kreuz; je größer Noth, je näher Gott, dann am nächsten, wenn mich dünkt, er sei am fernsten. Aber was kennen? Liebe ist besser. Wer Gott liebt, ist mit ihm vereinigt. Liebe verbindet. Bin ich mit Gott eins, wer kann mir Leid thun? Trifft der Feind mich, er trifft Gott. Schlägt er auf mich, er schlägt auf Gott. Kannst du auch meinen Leib anrühren, daß das Kleid, damit der Leib bedeckt ist, nicht berührt werde? Ich habe Jesum in der Taufe angezogen. Kannst du auch ein Kind im Mutterleibe verwunden, daß es die Mutter nicht fühle? Gott trägt mich in seiner Liebe, als in einer Mutter. Fleisch wider Gott, wie will das ablaufen? Ich wagts nicht. Wer mit dem Kopf an die Mauer läuft, wird gewiß die Mauer nicht umstoßen, seinen Kopf aber wird er zerschmettern. Wer Gott kennt, muß ihn lieben. Und wer ihn nicht liebt, kennt ihn noch nicht. Er ist so süß und von unendlicher Lieblichkeit, daß wer ihn kennt, kann nicht anders als ihn lieben. Noch eins. Kennen gut, lieben böse. Ich kenn die Welt, und weiß, daß sie nichts anders ist als Eitelkeit und Trügerei; sie gibt nicht, was sie verspricht, und nimmt mehr als sie gibt; sie bildet sich anders, als sie ist, auswendig schön, inwendig häßlich, auswendig fröhlich, inwendig traurig, gleich den Aepfeln zu Gomorrha, den egyptischen Tempeln und betünchten Gräbern. Ihr Reichthum ist ein Koth, ihre Herrlichkeit ein Schatten, ihre Lust ein süßes Gist. Wer sie kennt, liebt sie nicht. Was kann Gutes an ihr sein, da sie ganz im Argen liegt? Gott will ich kennen lernen, daß ich ihn liebe; die Welt aber, daß ich sie verschmähe.

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