Müller, Heinrich - Vom Trost wider die Furcht des Todes

Müller, Heinrich - Vom Trost wider die Furcht des Todes

Bild gegen Bild.

Das eine ist schrecklich, das andere lieblich, und ist doch nur ein Bild. Der Tod hat eine andere Gestalt von vorne, eine andere von hinten. Vor ihm her geht Traurigkeit, hinten nach folgt Freude, vorne schwarz, hinten weiß. Vor ihm her geht Unlust, hinten nach folgt Wollust. Vorne bitter, hinten süß. Bittere Schalen, süßer Kern. Vor ihm her geht Höll und Teufel, hinten nach folgt der Himmel. Auf seinem Brustschild führt er einen Räuber, der Beute macht, mit dieser Ueberschrift: Ich mag dein nicht. Niemand läßt sich gern berauben. Am Rücken trägt er ein anderes Schild, darauf steht ein Held, der Beute austheilt, mit der Ueberschrift: Wie gern will ich. Haben wollen wir alle gern, was lieber als den Himmel? Den giebt der Tod; wovor graut dir denn? vor dem Himmel? Nicht, nicht. Im Himmel werden wir haben, mein Herz viel schoner Gaben. Wahr ists, der Tod, wenn er vorn angesehen wird, ist unter allem Schrecklichen das Schrecklichste. Kein Wunder, daß du dich vor ihm fürchtest; habens doch die heiligsten, weisesten, tapfersten Männer der Welt auch gethan. Aber die Furcht, die du fühlst als ein Mensch mußt du überwinden als ein Christ. Sprich zum Tode, wenn er dich antritt: Du siehst so aus, daß mir bald grauen möchte, aber kehre dich um, wie läßt dirs hinten? Ist deine Gestalt da auch so gräulich? Ach nein, was folgt auf ein selig Stündlein. Ruhe, Friede, Sicherheit, Freude, Leben, Seligkeit und volle Genüge. O Tod, du schreckst mich nicht; was du auf deinem Rücken trägst, habe ich lange gesucht. Ich bin müde, wünsche mir die Ruhe; ich habe so manchen Feind, möchte so gern einmal Frieden haben. Ich lebe in steter Gefahr,, möchte gar Schiffbruch leiden, sehne mich nach einem guten Hafen. Ich werde allenthalben geängstet, wann kommt doch einmal die Freude? Willst du bald fort, Tod? ach, nimm mich mit, je eher je lieber.

Quelle: Müller, Heinrich - Geistliche Erquickstunden

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