Müller, Heinrich - Weinstock und Rebe

Müller, Heinrich - Weinstock und Rebe

Jesus sprach zu seinen Jüngern: Ich bin ein rechter Weinstock und mein Vater ist ein Weingärtner. Einen jeglichen Reben an mir. der nicht Frucht bringet, wird er wegnehmen, und einen jeglichen, der da Frucht bringet, wird er reinigen, daß er mehr Frucht bringe. Joh. 15. 1. 2.

Das ist ein lieblich Bild und deutet alles Leiden, so Christo und den Jüngern widerfahren soll, daß es nichts Anderes sey, denn die fleißige Arbeit und Wartung, die ein Weingärtner thut an seinem Weinstock und dessen Reben, daß er wohl zunehme und trage. Der Herr will uns damit lehren, daß wir Trübsal und Leiden der Christen sollen viel anders ansehen, denn wie sichs fühlet und vor der Welt scheinet, daß es nicht geschehe ohne göttlichen Rath und Willen, und kein Zeichen des Zorns und der Strafe sey, sondern der Gnade und väterlichen Liebe, und uns zum Besten dienen müsse. Da gehört nun die Kunst zu, daß man solches gläube und für wahr halte, daß, was uns wehe thut und verdreußt, soll nicht heißen: wehe und leid geschehen, sondern Nutz und Frommen gethan; daß wir es gleich achten, als sehen wir einen Weingärtner hacken und arbeiten an seinem Weinstock. Wenn der Weinstock vernehmen und sprechen könnte, und sähe den Winzer daher kommen und mit Karst und Hacken auf ihn einhauen um die Wurzel her, oder mit der Hippen oder Weinmesser das Holz von den Reben schneiden, würde er solchem Sehen und Fühlen nach müssen sagen: Ach, was machst du? Nun muß ich verdorren und verderben, weil du zufährst und nimmst mir die Erden und setzest das Eisen an die Reben, zerreißest und zerhackst mich allenthalben, daß ich muß bloß und dürr in der Erden stehen, und gehest so gräulich mit mir um, als man keinem Baum oder Gewächs thut. Aber dagegen würde der Winzer sagen: „Du bist ein Thor und verstehst es nicht, denn ob ich gleich Reben an dir abhaue, so sind das nur unnütze Reben, die dir Kraft und Saft nehmen, und ob ich gleich Blätter wegnehme, so sinds doch nur solche, die hindern, daß die Sonne zu dir dringe; darum nur weg damit, es geschieht dir zum Besten.“ - „Ja.“ sprichst du, „das verstehe ich nicht, daß es mir soll zum Besten dienen, und fühle viel anders.“ - „Aber ich,“ spricht der Weingärtner, „verstehe es, und thue es eben darum, daß es soll dein Nutz und Frommen sehn, daß die wilden Reben dir nicht Kraft und Saft aussaugen, auf daß du desto besser und mehr tragen und guten Wein geben könnest.“

Es muß aber der Weingärtner so hacken, schneiden und blatten, daß er nicht den Stamm oder die Wurzel treffe, noch der Reben und des Laubs zu viel wegnehme. Also sey dessen gewiß, Gott thut dir nicht zu viel nehmen und auflegen; er weiß wohl, wie weit es zum Frommen dient. Sorge du nur, daß du als kein Wasserrebe erfunden werdest, der da keine Frucht, sondern nur Heerlinge trägt. Solche Reben sind die faulen, falschen Christen, die wohl Christo durch die Taufe einverleibet sind. aber keine Frucht bringen. Solche werden zu ihrer Zeit vom Weinstock abgeschnitten und verdorren, und man sammelt sie und wirft sie ins Feuer und müssen brennen. Davor behüt uns, lieber Herr Gott! (Luther.)

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