Müller, Heinrich - 6. Das Begräbniß Jesu.

Müller, Heinrich - 6. Das Begräbniß Jesu.

Und siehe, am Abend, dieweil es der Rüsttag war, welcher ist der Vorsabbath, kam ein reicher Mann von Arimathia - der Juden Stadt, mit Namen Joseph, ein ehrbarer Rathsherr - Der war ein guter, frommer Mann und hatte nicht gewilligt in ihren Rath und Handel. Er wartete auch auf das Reich Gottes und war ein Jünger Jesu, doch heimlich aus Furcht vor den Juden. Der wagte es und gieng hinein zu Pilato und bat ihn um den Leib Jesu. Pilatus aber verwunderte sich, daß er schon todt war, und rief den Hauptmann und fragte ihn, ob er längst gestorben wäre? Und als er es erkundet von dem Hauptmann, befahl er, man sollte Joseph den Leichnam geben. Und er kaufte eine feine Leinwand, kam und nahm den Leichnam Jesu herab. Es kam aber auch Modernus, der vormals bei der Nacht zu Jesu gekommen war, und brachte Myrrhen und Aloen unter einander, bei hundert Pfund. Ta nahmen sie den Leichnam Jesu und banden ihn in leinene Tücher mit Spezereien, wie die Juden pflegen zu begraben. Es war aber an der Stätte, da er gekreuziget ward, ein Garten und in dem Garten ein neues Grab, das eigene Grab Josephs, welches er hatte lassen in einen Fels hauen, in welches Niemand je geleget war. Daselbst hin legten sie Jesum um des Rüsttags willen der Juden, weil der Sabbath anbrach und das Grab nahe war. Es folgten aber die Weiber nach, die mit ihm gekommen waren aus Galiläa, Maria Magdalena und Maria Joses. Die setzten sich gegen das Grab und schaueten zu, wo und wie sein Leib geleget ward. Und Joseph wälzte einen großen Stein vor die Thür des Grabes. Und sie kehrten um und bereiteten die Spezerei und Salben. Und den Sabbath über waren sie still nach dem Gesetz. Mark. 15, 42-47. Luk. 23, 50-56. Joh. 19, 38-42.

Gott allein kennet die Seinen und hat sie überall in jedem Stande. Zwei Joseph mußten dem Herrn dienen; der erste legte ihn in die Krippe, der zweite in das Grab; der erste war ein armer Zimmermann, der zweite ein reicher Rathsherr. Beide, Arme und Reiche, Geringe und Vornehme haben Theil an Jesu, und beide sollen ihm dienen, der Arme mit dem Scherflein, das er hat, der Reiche mit seinem großen Gut. Wem viel gegeben ist, von dem wird man viel fordern. Joseph und Nikodemus hatten viel und thaten viel, um Jesum zu ehren. Für Viele ist der Reichthum ein Strick am Fuß, durch den sie gehalten werden, zu Christo zu kommen. Darum gebietet die Schrift den Reichen dieser Welt, daß sie nicht stolz seyen, auch nicht hoffen auf den ungerechten Reichthum, sondern auf den lebendigen Gott, der ihnen darbietet Allerlei reichlich zu genießen. Nicht das Gut selbst verdammet, sondern der Muth, der am Gute hängt. Vielmehr ist Reichthum ein Segen Gottes, so du ihn nach seinem Willen gebrauchst. Wir mögen ihn auch ansehen als einen Strick anderer Art, als gesagt ist, als einen solchen, den Gott herabläßt vom Himmel, daß er den Menschen daran hinaufziehe, als ein Mittel, reich zu werden an himmlischen Schätzen. Wer Christo damit dienet, legt ihn am besten an und genießt sein ewiglich. Die Welt aber dienet dem Teufel damit, gönnet dem Herrn in seinen Dienern und Gliedern kaum einen Heller davon, darum fahret sie auch hin in das ewige Feuer, das bereitet ist dem Teufel und seinen Engeln. Joseph und Nikodemus waren Rathsherren. Zum Reichthum findet sich gemeiniglich die Ehre. Ist eben nicht zu tadeln, daß man die Reichen vor Andern in Ehrenämter setzt, wo man sie tüchtig findet und sie den Herrn fürchten. Sie können dann um so mehr Gutes thun. Und wer etwas Eigenes hat, greift so leicht nicht Fremdes an, wiewohl es auch heißt: Je mehr man hat, je mehr man haben will. Der Gottesfurcht kann man am sichersten trauen. Bei Joseph und Nikodemus fand sich beides, Reichthum und Gottesfurcht. Bei ihnen war auch Glaube. Sie warteten auf das Reich Jesu, doch war Nikodemus nur bei Nacht zu Jesu gekommen, und Joseph war nur heimlich ein Jünger aus Furcht vor den Juden. War ein Zeichen von Schwachgläubigkeit. Der starke Glaube bricht herfür durch Bekenntniß, Lob und gute Werke, dadurch tritt er ans Licht. Der schwache Glaube verkriecht sich und will nicht hervor. Jener ist großmüthig und fürchtet sich nicht, dieser fürchtet sich; jener rühmt sich Christi, dieser schämt sich, vor der Welt zu ihm sich zu bekennen; jener hat Christum lieber als Alles, dieser hat sich selbst noch lieber als Christum; jener stehet auf Gott und vertraut, dieser siebet auf sich und zagt. Aber wie schwach und gering Anfangs der Glaube der beiden Männer war, jetzt wächset, grünet und fruchtet er. Jetzt treten sie öffentlich hervor und sprechen: Wir sind seine Jünger. Sie treten zusammen, den Herrn, den sie heimlich geliebt hatten, herrlich zu begraben und sich dadurch zu ihm zu bekennen. Der Glaubensweg geht aus der Tiefe hinauf, aus der Schwachheit erhebt er sich zur Kraft.

Zu den beiden Männern gesellen sich die Weiber, die Jesu nachgefolgt waren aus Galiläa, von denen der Evangelist die zwei Marien besonders nennt, Maria Magdalena und Maria, die Mutter Jakobi des Kleinern und Joses. Diese Weiber liebten Jesum im Leben, folgten und dieneten ihm und thaten ihm Handreichung.

Sie stunden unter seinem Kreuze und geleiteten ihn auch zum Grabe. Ihre Liebe war so groß, daß sie weder Noth noch Tod von Christo trennen konnte. Das ist der rechten Liebe Art, daß sie Alles fahren läßt, wenn sie nur Jesum behalten kann; sie spricht mit Assaph: Das ist meine Freude, daß ich mich zu Gott halte. Und fühlt sie nicht Freude, so hat sie doch Trost bei Jesu. Nikodemus und Joseph sparten keine Kosten, den Leichnam Jesu zu balsamiren. So thut die Liebe; sie wendet gerne all das Ihrige an Christus und ehret ihn in seinen Gliedern. Darnach legten sie ihn in das Grab, das Joseph sich hatte bauen lassen in seinem Garten. Da wollt' er täglich vor Augen haben das Ende alles Fleisches. Auch außerdem fehlt im Garten nicht, was unsere Sterblichkeit abbildet. Was bist du, Mensch, mit aller deiner Herrlichkeit? Eine Blume im Garten, die heut blühet, morgen verwelket; am Morgen roth, am Abend todt. Der Mensch ist in seinem Leben, wie Gras, er blühet, wie eine Blume auf dem Felle. Wenn der Wind darüber geht, so ist sie nimmer da, und ihre Stätte kennet sie nicht mehr. Aber im Garten hat Joseph sich auch aufrichten können mit dem Trost der Auferstehung der Todten. Wie Alles im Frühlinge wieder hervorgrünet und anfängt zu leben, was im Winter gleichsam erstorben lag, so wird unser Gebein wieder hervorblühen am jüngsten Tage. Unsere Leiber fallen in die Erde als Saamen zur Auferstehung und lieblichen Fruchtbringung. Daran gedenke! Sterbensgedanken bringen die beste Lust, wenn man sie versüßet mit dem Trost der Auferstehung zum Leben. Es war am Vorsabbath, daß Jesus zu Grabe gelegt wurde, den Sabbath über ruhte fein Leib in der Erde, sein Geist aber war bei Gott und offenbarte sich den Geistern im Gefängniß (1 Petr. 3, 19.), wie denen im Paradies (Luk. 23, 43.). Seine Feinds hatten den Leib, nicht aber die Seele tödten können, und am dritten Tage geschah, wie er zuvor gesagt halte, er stand wieder auf von den Todten und lebet von Ewigkeit zu Ewigkeit.

Ich sing getrost mein Abschiedslied,
Und schlafe ein und lieg' in Frieden:
Mein Jesu, ich bin ja dein Glied,
So ist mir auch dein Grab beschieden,
Daß ich nach dieses Lebens Last
Da halte meine süße Rast:
Wenn dann der große Tag wird seyn,
Wälzst du vom Grabe mir den Stein,
Und läss'st mich auf vom Staube stehen,
Verklärt und rein mit dir ins Leben gehen.

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autoren/m/mueller_h/die_geschichte_der_leiden_jesu_-_6.txt · Zuletzt geändert: von 127.0.0.1
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