Müller, Heinrich - Die Geschichte der Leiden Jesu - 2. Jesus in Gethsemane.

Müller, Heinrich - Die Geschichte der Leiden Jesu - 2. Jesus in Gethsemane.

Da kam Jesus mit ihnen zu einem Hof, der hieß Gethsemane, da war ein Garten, darein gieng Jesus und seine Jünger. Joh. 18, 1. Matth. 26, 36. Mark. 14, 32. Luk. 22, 40,

Nachdem das Gespräch mit Petrus vollendet war, kommt der Heiland mit den Jüngern zum Oelberge, da wollte er sein Leiden anfangen. Das Oel ist ein Zeichen der Barmherzigkeit. Durch das Leiden Christi ist uns die Gnade und Barmherzigkeit Gottes erworben; denn hätte Christus nicht gelitten, so hätten wir auch nimmer einen gnädigen Gott. Unten am Oelberge war ein Meier-Hof, der hieß Gethsemane; der hatte diesen Namen Vom Oelpressen, weil daselbst die Oliven gekeltert wurden. Mein Herz, das Kreuz ist eine Kelter, eine Presse; die leget dir Gott auf, daß sie aus dem Herzen hervorrufst die heiligen Seufzer und aus den Augen die Thränen der Buße. Drum laß dich immer drücken und pressen vom Kreuze, es ist wohl gemeint, zu deinem Besten. Bei dem Meierhofe war ein Garten; darein gieng der Heiland, sein Seelenleiden anzutreten. Wir gehen oft in den Garten, unsere Lust zu genießen; Christus aber hat unsere Sündenlust im Garten büßen müssen. Im Garten hat Adam gesündiget und das Erbe verloren; im Garten hat Jesus gebüßet und das Erbe wieder erworben. Im Garten hat die höllische Schlange Eva verführt; im Garten mußte Christus der Schlange den Kopf zertreten. Adam hat durch seinen Ungehorsam den Garten entheiligt, Christus aber durch seinen Gehorsam ihn wieder geheiligt. Adam ward im Garden vor Gericht gezogen und mußte hören das Urtheil: Du sollst des Todes sterben! Christus muß auch im Oelgarten vor Gottes Gericht treten und das Urtheil erfüllen mit dem Todeskampf. Mein Herz, wenn du in einen Garten gehst, so suche da nicht bloß die Augenweide und Lust für den Leib, sondern auch Ergötzung für die Seele. Hat die Weltfreude dein Herz eingenommen, und du wolltest gerne eine göttliche Traurigkeit in 5ir erwecken, so tritt in den Paradiesgarten und bedenke, was Adam für ein Elend über dich gebracht hat. Ist dein Herz mit Angst umgeben und du wolltest gerne eine Freude ins Herz fassen, so tritt in den Oelgarten und bedenke, was für ein Heil Jesus dir hat erworben.

Ja, für Alles, das mich kränket,
Geben deine Leiden Kraft:
Nenn mein Herz sich drein versenket,
Schöpf' ich neuen Lebenssaft.
Deines Trostes Süßigkeit
Wendet mir das bitt're Leid,
Weil du mir das Heil erworben,
Da du bist für mich gestorben.

Judas, der ihn verrieth, wußte den Ort auch, denn Jesus versammelte sich oft daselbst mit seinen Jüngern. Als er dahin kam, sprach er zu ihnen: Setzet euch hier, bis ich dorthin gehe und bete. Betet, daß ihr nicht in Anfechtung fallet! Und nahm zu sich Petrum, Jakobum und Johannem, die zween Söhne Zebedäi. Joh. 18, 2. Matth. 26, 36. 37. Mark. 14, 32. 33. Luk. 22, 40.

Der Heiland nimmt seine Jünger mit sich in den Garten, doch läßt er die meisten derselben vorn in demselben bleiben. Ohne Zweifel hat der Herr wohl gewußt, daß sie im Geiste noch nicht stark genug wären, sein bitteres Seelenleiden mit anzuschauen. Also leget Gott Niemand mehr auf, als er kann ertragen. Drei Jünger aber erwählte er, die er ganz mit sich hinein in den Garten nimmt, Petrus, Jakobus und Johannes. Diese drei hatten seine Herrlichkeit gesehen auf dem Berge Thabor und waren dadurch im Geiste so gestärket, daß sie dieß Leiden konnten mit ansehen. Mein Herz, willst du beten, so nimm auch drei Geleitsleute mit: Petrus, Jakobus und Johannes. Petrus ist der Glaube, der sich fest gründet auf Jesum, als auf einen Fels, denn ohne den Glauben hat das Gebet keine Kraft. Jakobus ist der Kampf. Du mußt mit Gott kämpfen und nicht ablassen, bis du gesegnet wirst (1 Mos. 32.). Johannes ist das heilige Leben, das sich bemühet, immer bei Gott in Gnaden zu stehen. Die unbußfertigen Sünder werden von Gott nicht erhöret. Das Gebet ist uns nöthig, daß wir nicht in Anfechtung fallen, wie der Heiland zu seinen Jüngern saget. Er wollte sagen, ihr habet Fleisch und Blut, das wird euch reizen und anfechten zum Abfall; der Teufel wird auch nicht feiern und suchen, welchen er verschlinge; darum wachet, seyd munter und habet gute Acht auf euer Herz, daß es euch nicht betrüge, noch verführe! Betet, daß euch Gott im Glauben erhalte! - Fürsicht und Gebet sind die beiden Waffen, damit wir wider den Teufel, wider alle Anfechtung und wider alles Leiden streiten.

Ich sehe dich mit Beten
Dort an den Oelberg treten;
Herr, der Gebet erhört,
Bin ich zur Andacht träge,
So hilf, daß ich erwäge,
Was mich ein solcher Anblick lehrt.

Er lehrt mich deinen Willen;
Mich dringt, ihn zu erfüllen,
Dein Beispiel, dein Gebot.
Sprich du bei allem Schmerze
Mir auch das Wort ins Herze:
Wer betet, fällt in keiner Noth.

Er nahm zu sich Petrum und Jakobum und Johannem, und fieng an, zu trauern, zu zittern und zu zagen, und sprach zu ihnen: Meine Seele ist betrübt bis in den Tod. Bleibet hie und wachet mit mir! Matth. 26, 37. 38. Mark. 14, 33. 34.

Weil nun der Heiland die Sünden der Menschen auf sich genommen hat, so folget darauf die Traurigkeit alsobald nach. Er fieng an, zu trauern. Und zwar, weil er aller Menschen Sünde hat allein getragen, so hat er auch alle Traurigkeit derselben in seinem Herzen gefühlet. Denket doch, wie manche tausend traurige Herzen werden in der Welt gefunden! Alle diese Traurigkeit hat Jesus empfunden. Und nicht diese allein; er hat empfunden alle die Pein, die alle Verdammten in Ewigkeit werden fühlen. Wann sonst ein Herz traurig ist, da hat es noch Trost von Gott, denn wann es keinen Trost von Gott hätte, es würde keinen Augenblick in der Traurigkeit aushalten; hier aber ist eine Traurigkeit ohne Trost; darum sagt der Heiland: Meine Seele ist betrübt bis in den Tod! - Wie oftmals hat unser Herz die Traurigkeit der Welt, die den Tod wirket, wie Paulus 2 Kor. 7, 10. saget! Wie Mancher quälet sich mm das Irdische so sehr, daß er sich wohl gar sollte zu Tode grämen! Diese unordentliche Traurigkeit hat hier Christus büßen müssen. Er büßet hier diese Traurigkeit, daß er auch in uns erwecke eine göttliche Traurigkeit über die Sünde; denn die Opfer, die Gott gefallen, sind ein geängsteter Geist, ein geängstetes und zerschlagenes Herz will Gott nicht verachten. Ps. 5l, 19. Wer hier nicht trauert über seine Sünde, der wird dort ewig trauern müssen in der Höllenqual.

Vor Trauern zitterte sein ganzer Leib und bebete, wie das Laub auf den Bäumen. Nimm dieß zu Herzen und schaffe doch, daß du selig werdest mit Furcht und Zittern! Wann dir einfällt eine Sündenlust, ein Sündengedanke, so sollst du darüber erzittern und gedenken: Ach, hat mein Jesus so zittern müssen über meine Sünde, wie sollte ich denn die Sündenlust vollbringen? Wie werden aber die Gottlosen, die das Leiden Christi verachten, am jüngsten Tage erzittern, wann der Richter aller Menschen aufstehen und die Gottlosen als ein Blitz (Matth. 24, 27.) schlagen wird in den Abgrund der Höllen?

Die Traurigkeit bringet den Heiland dahin, daß er nicht allein am Leibe zittert, sondern auch in der Seele zaget. Zagen heißt, wenn man alles Trosts, innerlich und äußerlich, von Gott und Kreaturen entblößet ist. Das ist eine Plage der Verdammten, die zwar nach einem Tröpflein Trostes verlangen (Luk. 16, 24.), aber nicht bekommen. Wie oft klagest du, du seyest trostlos, und hast doch Gottes Trost im Herzen; denn Gott tröstet auch dann, wann du keinen Trost empfindest (du bestehst ja nur durch den Trost und die Kraft Gottes). Aber hier ist Christus wahrhaft trostlos gewesen, denn Gott hat allen seinen Zorn über die Sünde der Menschen, ja, alle höllische Qual über sein Kind ausgeschüttet und ihn kein Tröpflein Trostes lassen empfinden. So wird es dir ergehen in alle Ewigkeit, wann du Christi Marter und Tod an dir ließest verloren seyn. Tröste dich aber damit, wann du ein trauriges und trostbedürftig Herz hast, daß dein Jesus durch seine Traurigkeit deine Traurigkeit geheiligt hat. Er trauerte, daß du nicht dürftest ewig trauern; er ward darum trostlos, daß dich Gott möchte mit reichem Troste überschütten.

Jesu, meines Lebens Leben,
Jesu, meines Todes Tod,
Der du dich für mich gegeben
In die tiefste Seelennoth,
In das äußerste Verderben,
Nur daß ich nicht möchte sterben,
Tausend - tausendmal sey dir,
Liebster Jesu, Dank dafür!

Und er gieng hin ein wenig und riß sich von ihnen bei einem Steinwurf weit und knieete nieder, fiel auf sein Angesicht und betete, daß, so's möglich wäre, die Stunde vorübergienge, und sprach: Abba. mein Vater! es ist dir Alles möglich, willst du, so nimm diesen Kelch von mir; doch nicht, wie ich will, sondern wie du willst! Matth. 26, 39. Mark. 14, 35. 36. Luk. 22, 41. 42.

Der Heiland geht in seiner Traurigkeit zum Gebet. Das Gebet ist die allerbeste Arznei für ein trauriges Herz; darum ermahnet der Apostel Jakobus (5, 13.): Ist Jemand traurig, der bete! Wenn man betet, so fällt die Angst vom Herzen. Wir gehen zum Gebet oft mit schwerem und traurigem Herzen, stehen aber vom Gebet wieder auf mit leichtem und fröhlichem Herzen. Das Gebet hat eine magnetische (anziehende) Kraft; es ziehet den göttlichen Trost ins Herz und dadurch werden wir erquicket. - Da der Herr beten will, reißt er sich von seinen Jüngern. Das Gebet suchet allezeit gern die Einsamkeit, es ist am liebsten verborgen. Die Thränen fließen auch nicht lieber und milder, als in der Einsamkeit, im Verborgenen. Wann du beten willst, sagt Christus, so gehe in dein Kämmerlein und schleuß die Thüre zu und bete zu deinem Vater im Verborgenen, und dein Vater, der ins Verborgene sieht, wird dirs vergelten öffentlich. Matth. 6, 6. Im Gebet reden wir mit Gott so vertraulich, als mit unserem besten Freunde. Ein vertrautes Gespräch läßt man nicht gerne anhören. Viel brünstiger ist das Gebet, wenn man allein ist, denn dann kann man sich viel besser gegen Gott benehmen mit Worten und Gebärden, als wenn man unter den Menschen ist. Von Menschen wird man oft verlacht und unser Gottesdienst für Heuchelei gehalten.

Der Herr, da er beten will, fällt erstlich nieder auf seine Kniee und darnach wirft er sich ganz zur Erden, fiel nieder auf sein Angesicht. Er zeiget hiemit die Inbrunst und Demuth im Gebet. Unsere Sünden drücken ihn nieder, als eine Last, daß er zur Erde sinket. Er krümmet und windet sich vor Gott, wie ein Wurm, ist willig und bereit, sich zertreten zu lassen. Er thut vor Gott, seinem himmlischen Vater, den tiefsten Fußfall, als der Mittler zwischen Gott und den Menschen, daß er uns mit Gott möchte aussöhnen. - Mein Herz, wann du beten willst, so laß es dir ein Ernst seyn. Ist dein Herz voller Inbrunst und Feuer, so wird sich auch der Leib darnach anstellen. Ach, es zeigt sich bald, ob ein Herz recht andächtig betet; alsdann fällt es nieder, beuget die Kniee und hebet die Augen gen Himmel. Der äußere Mensch erbildet sich nach dem innern; die Seele regiert den Leib nach ihrem Willen. Heute schämet sich Mancher, die Kniee zu beugen im Gebet, oder mit dem Augesicht zur Erde zu fallen. Lerne von Jesu, er ist von Herzen demüthig.

Jesus rufet: Abba, mein Vater! Abba war eine Redensart der lallenden Kinder, so ihrem Vater schmeichelten, wie noch heute unsere Kinder zum Vater sagen: Abba, Vater! herztrauter Vater! Also hie Christus. Er war in der höchsten Angst, dennoch aber erkannte er, ob Gott noch ein väterlich Herz zu ihm trage. Ein Vater hört nicht auf, Vater zu seyn, ob er auch das Kind stäupet. So ändert Gott sein Herz auch nicht, wann er uns gleich züchtiget. Wenn du beten willst, so greif Gott nach seinem väterlichen Herzen. Wann ein Kind kläglich rufet: ach, Vater, hilf! da kann das Vaterherz nicht umhin, es muß zutreten und dem Kinde helfen. Es ist aber der Geist Christi, der auch in dir rufet: Abba, lieber Vater! wie Paulus Röm. 8, 15. saget. Er ists, der dir Gott so liebreich vorbildet, daß du in allen Nöthen ein kindliches Vertrauen zu ihm fassen kannst.

Nimm diesen Kelch von mir! betet der Heiland. Er nennt sein Leiden einen Kelch. In diesem Kelch hat ihm Gott eingeschenket den Zorn über unsere Sünde, die Bitterkeit des Todes, die Galle und Angst der Höllen. Mein Herz, dein Kreuz ist auch ein Kelch, aber Gott hat dir darein eingeschenkt nicht Gift, sondern lauter Heil und Arznei, nicht Tod, sondern das Leben. David erkennts, da er Ps. l6, 13. saget: Ich will den heilsamen Kelch nehmen. Wenn dich Gott nicht wollte selig haben, er würde dir nimmer das Kreuz auflegen. Dein Jesus hat den ersten Trunk aus dem Kreuzkelche gethan, daß du dich nicht scheuest, auch daraus zu trinken, und daß dir alle Bitterkeit versüßet werde. Ein Kelch ist dein Kreuz. Ein Kelch hat ja einen Grund und Boden. Dein Kreuz wird ja einmal ein Ende nehmen. So lange es anhält, sprich: Das ist mein Kreuzesbecher, den hat mir Gott eingeschenket, ich will ihn trinken, bis er aus ist! Wird er nicht bälder leer, so wird er es doch in der Todesstunde. Da wird es heißen:

Sein Jammer, Trübsal und Elend
Ist kommen zum seligen End':
Er hat getragen Christi Joch,
Ist gestorben und lebet doch:
Die Seele lebt ohn' alle Klag',
Der Leib schläft bis zum jüngsten Tag.
An dem wird Gott ihn verklären
Und ewiger Freud' gewähren;
Hier ist er in Angst gewesen,
Dort aber wird er genesen,
Wird ewig in Freud' und Wonne
Dort leuchten hell, wie die Sonne.

Es ist dir Alles möglich! fähret Jesus fort. Bei Gott ist, schlechterdings (an und für sich) zu reden, Alles möglich. Er kann thun, was er will. Aber doch ist Gott auf zweierlei Art ein Ding unmöglich. Einmal ist Etwas unmöglich, wenn es aufhebet seine göttlichen Eigenschaften und also sein göttliches Wesen. Auf diese Weise ist es unmöglich, daß Gott sollte lügen, weil er in seinem Wesen wahrhaftig ist. Dann ist Gott unmöglich, wann es lauft wider sein Wort. Auf solche Art ists Gott unmöglich, daß er einen Unglaubigen selig mache, weil es lauft wider sein Wort: Wer nicht glaubet, der wird verdammt werden. So ist es auch unmöglich, daß er einen Glaubigen verdamme, denn sein Wort saget: Wer da glaubet, der wird selig werden. Er kann sein Wort nicht verläugnen. Auf diese letztere Art war es unmöglich, daß Gott den Kreuzeskelch Jesu abnehme. Der Heiland will sagen: Vater, du bist ein allmächtiger Gott. Es ist dir ja sonst Alles möglich; aber weil du von Ewigkeit Hast beschlossen, daß ich, dein Kind, das leiden soll, und du diesen Rath hast der Welt kund gethan durch die Propheten, so ists nun unmöglich, du kannst deinen Rath nicht ändern, kannst die Propheten nicht zu Lügnern machen; darum, mein Gott, ob ich gleich gerne los wäre des Leidens, so will ich es gerne leiden! Mein Herz, hier erkennest du die brünstige Liebe Gottes. Das ist die höchste Liebe Gottes, daß Gott sein Kind für dich dahin giebt in den Tod. Deß tröste dich und habe deinen Gott, der dich so herzlich liebt, wiederum lieb. Lasset uns ihn lieben, sagt Johannes (I. 4, 19.), denn er hat uns zuerst geliebet!

Bei dem Gebet des Herrn haben wir noch zu betrachten seine tiefe Gelassenheit. Diese giebt er zu erkennen, wann er spricht: Doch nicht, wie ich will, sondern wie du willst! Das will sagen: Liebster Vater! da es nicht kann geändert werden, so geschehe, was du willst! Dein Wille soll mein Wille und mein Wille soll dein Wille seyn. Das ist der Gehorsam, von welchem Paulus sagt: Christus ward seinem Vater gehorsam bis zum Tode, ja, bis zum Tod am Kreuze. Mit diesem Gehorsam hat er unsern Ungehorsam gebüßet. Wie oft läßt uns Gott zurufen: Thue das, leide das! aber wir widerstreben und wollen nicht. Das muß hier Christus bezahlen. Mein Herz, im Leiden unterwirf dich gänzlich dem Willen Gottes und sage: Nicht mein, sondern dein Wille geschehe! Dein eigener Wille suchet, was dein Fleisch und Blut liebet; aber was dein Fleisch und Blut liebet, das ist dir an der Seele schädlich. Gottes Wille dagegen sucht, was deinem Fleische bitter, aber dem Geiste heilsam ist. Du weißest nicht, was dir recht dienet; du willst oft das, was zu deinem Verderben gereichen würde; Gott aber suchet immer dein Bestes. Ists Gottes Wille nicht, so ist es auch nicht dein Heil; darum sage immer: Nicht mein, sondern dein Wille geschehe!

Du, Jesu! betest zu dem Vater,
Rufst: Abba, Abba! wie ein Kind.
Dein Vater ist auch mein Berather,
Sein Vaterherz ist treu gesinnt;
Drum halt ich mich getrost an dich,
Und rufe: Abba, höre mich!

Und er kam zu seinen Jüngern und fand sie schlafend und sprach zu Petrus: Simon, schläfest du? Könnet ihr denn nicht eine Stunde mit mir wachen? Wachet und betet, daß ihr nicht in Anfechtung fallet. Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach. Zum andernmal gieng er wieder hin und betete: Mein Vater, ist es nicht möglich, daß dieser Kelch von mir gehe, ich trinke ihn denn, so geschehe dein Wille! Matth. 26, 49-44. Mark. 14, 37-39.

Jesus kommt zu den Jüngern, als ob er von ihnen möchte Trost haben; aber sie schlafen vor großer Traurigkeit. Da redet er insonderheit Petrus an: Simon, schläfest du? Wo ist nun dein Muth, da du wolltest mit mir in den Tod gehen? Kannst du nicht eine Stunde mit mir wachen? Da sehen wir an den Jüngern die Schwachheit und Blödigkeit des menschlichen Herzens. Wann die Anfechtung nahe ist, wann die Noth und Gefahr groß ist, da schläft man, da ist man oft am sichersten. Darum sagt der Heiland: Wachet und betet! Ach, lieben Jünger, will er sagen, die Anfechtung ist vor der Thüre! Bald, bald werdet ihr mich Alle verlassen, und du, Petrus! wirst mich dazu verläugnen. Rüstet euch wider die Anfechtung mit einem brünstigen Gebete, daß ihr könnet bestehen und ritterlich siegen. Zwar ist der Geist willig, das Herz ist gut gesinnt, es will mit in den Tod gehen; aber das Fleisch ist schwach, es übereilet euch oft und wird euch übereilen, daß ihr den Vorsatz nicht vollbringet! Man muß aber nicht bloß einmal beten, sondern auch anhalten am Gebet; so that Jesus, er gieng zum andernmal und zum drittenmal hin und betete. Er giebt damit zu erkennen, daß zum Gebet erfordert werde Geduld und Beständigkeit. Mancher betet, und wann Gott nicht alsbald giebt, so wird er unmuthig, fällt ab und will nicht mehr beten. Der Glaube hält an und hält aus. Das ist des Glaubens Art, daß er an- und aushält. Haltet an am Gebet, vermahnet Paulus (Röm. 12, 12.). und Christus Matth. 7, 7. saget: Bittet, so wird euch gegeben, suchet, so werdet ihr finden, klopfet an, so wird euch aufgethan! Also müssen wir anhalten am Gebet. Kommt nicht alsbald, was wir bitten, so müssen wir suchen; finden wir nicht alsofort, was wir suchen, so müssen wir anklopfen.

Geduldig Lamm, wie hältst du stille
Und im Gebete dreimal an!
Dabei ist auch für mich dein Wille,
Daß ich soll thun, wie du gethan;
Hilft Gott nicht gleich aufs erste Fleh'n,
So darf ich wieder vor ihn geh'n.

Es erschien ihm aber ein Engel vom Himmel und stärkete ihn. Luk. 22, 43.

Eines erhält der Mensch allezeit in einem brünstigen Gebet, entweder äußerliche Hülfe oder innerlichen Trost. Entweder nimmt ihm Gott das Kreuz ab, oder giebt er ihm Kraft, das Kreuz zu tragen. Da er, der Heiland, um Trost bat, erschien ihm ein Engel vom Himmel und stärkete ihn. Er war ja die Kraft aller Dinge, die Starke aller Engel und Menschen; aber dennoch muß er sich hier von einem Engel stärken lassen, weil er auf eine Zeit lang von Gott und Menschen sollte verlassen feyn. Verzage nicht, wenn du auch ganz trostlos bist und nmßst mit Nssaph klagen: Ich habe keinen Trost, meine Seele will sich nicht trösten lassen. Ps. 77, 2. Denn alsdann ist dir Gott mit seinem himmlischen Trost am nächsten. Wenn Menschentrost untergehet, gehet Gottes Trost auf. Der Engel stärkete ihn. Liebstes Herz, das Gebet ist unsere Himmelsleiter, darauf die Engel hinauf- und herniedersteigen. Die Seufzer steigen hinauf als Engel und Boten und tragen die Noth- hinauf, Gottes Trost aber steiget herab als ein Engel und erquicket. Was sind tröstliche Bewegungen, tröstliche Gedanken, Trostsprüche aus dem Wort Gottes anders, als von Gott gesandt, gleichsam Engel, die im Gebete kommen und dich erquicken? Nie oft kommts, daß du in der Wüste sitzest und hörest Keinen, der dir ein tröstlich Wort giebt? Ehe du es aber meinest, kommt etwa eine fromme Seele und spricht dir einen Trost zu. Da schickt dir Gott auch einen Engel.

Wie Gott mich führt, so bleib' ich treu
Im Glauben, Hoffen, Leiden;
Steht er mit seiner Kraft mir bei,
Was will mich von ihm scheiden?
Ich fasse in Geduld mich fest:
Was mir Gott widerfahren läßt,
Muß mir zum Besten dienen!

Und es kam, daß er mit dem Tode rang und betete heftiger. Es ward aber sein Schweiß, wie Blutstropfen, die fielen auf die Erde. Luk. 22, 44.

Als der Heiland von dem Engel gestärket war, gieng er den härtesten Kampf an; es kam, daß er mit dem Tode rang, nicht so sehr mit dem zeitlichen, als mit dem ewigen Tode. Hier hat die Sünde, die des Todes Stachel ist, auf den Herrn zugesetzet. Es hatte der Heiland auf sich genommen alle Sünde aller Menschen, darum dringen auch auf ihn zu die Todesschmerzen aller Menschen, darum greist sein Her; an alle Qual, alle Marter, die in der HöUc ist. Mein Herz, ein Todcekampf stehet auch dir noch bevor; wann dein Ende kommt, dann kommt der letzte Feind und bietet dir einen Kampf. Wer Jesu Marter an ihm lässet verloren seyn, der wird in diesem Kampf erschrecken und vor Schrecken verzweifeln. Wer Jesum im Glauben fasset, an dem wird 5er Tod seine Macht nicht beweisen, denn er ist kraftlos gemacht, der Etachcl, die Sünde, ist ihm genommen. Darum kann ein glaubiger Christ sprechen: Tod, wo ist dein Stachel? Hölle, wo ist dein Sieg? Gott aber sey Dank, der uns den Sieg gegeben hat durch unser« Herrn, Jesum Christum!

Da der Herr mit dem Tode rang, hatte er keine bessere Wehr und Waffen, als das liebe Gebet. Er betete heftiger. Je heftiger die Todesangst dich angreist, je heftiger sollst du beten. Durch das Gebet herrschest du über Sünde, Tod, Teufel und alles Unglück. Ja, sagst du, wer kann dann beten, wenn einen der Tod ankömmt? Mein Herz, es hat hier die Schrift nicht aufgesetzet gewisse Worte, derer der Heiland in diesem Todeskampfe gebrauchet; daraus ist zu schließen, daß sein heftiges Beten in Seufzen bestanden. Kannst du in deiner Todesnoth nicht beten, so kannst du doch seufzen. Kannst du selbst nicht seufzen, so seufzet doch in dir derGeist Gottes, der vertritt dich bei Gott mit unaussprechlichem Seufzen. Ack, Herr, wenn ich nicht mehr beten kann, so nimm mein letztes Seufzen an! Und solch Seufzen ist das heftigste Beten, wann das Herz im Leibe weinet und will vor Angst zerschmelzen.

Der Tod griff Jesum so hart an, daß ihm das Blut quoll aus den Adern; es ward sein Schweiß wie Blutstropfen, die fielen auf die Erlen. Mein Herz, hat dein Heiland Blut geschwitzet über fremde Sünde, solltest du kein Thränenwasser weinen über deine eigene Sünde? Ach, wir fitzen und schlafen, lassen Jesum mit dem Tode nngen und blutigen Schweiß schwitzen. Wir sollten wachen und beten.

Jesu, hilf beten! Ach, laß es gelingen,
Richte Gedanken und Worte mir ein:
Lasse mein Beten im Sterben und Ringen
Heftiger kräftiger, kindlicher seyn!
Beten kann retten aus jeglichen Nöthen,
Und aus dem Tode selbst: - Jesu, hilf beten!

Und er stund aus vom Gebet und kam zu seinen Jüngern und fand sie schlafend vor Traurigkeit, und sprach zu ihnen: Ach, wollt ihr nun schlafen und ruhen? Siehe, die Stunde ist hier, daß des Menschen Sohn in der Sünder Hände überantwortet wird. Stehet auf, lasset uns gehen! siehe, er ist da, der mich verräth. Matth. 26, 45. 46. Luk. 22, 45.

Da Jesus im Gebete ausgerungen hatte, kam er abermal zu seinen Jüngern und fand sie wiederum schlafend. Da weckt er sie auf und sagt: Es ist genug! Nun ist es nicht Zeit, zu schlafen; nun soll man wachen und beten. Sehet, sagt er, die Stunde ist kommen, daß des Menschen Sohn in der Sünder Hände überantwortet wird. Der Heiland stehet sein Leiden vor Augen. Mein Herz, das ist dir tröstlich, denn so weiß dein Jesus auch die Zeit und Stunde deines Leiden. Er weiß, wann dein Kreuz soll anfangen, er weiß auch, wann es soll aufhören. Ich weiß, sagt er Offenb. 2, 9., deine Trübsal. Dein Leiden währet eine Stunde, die bald vorüber ist; hältst du das Leiden dieser Zeit gegen die Herrlichkeit des ewigen Lebens, so ist es gegen diese zu rechnen wie ein Augenblick, wie ein Pünktlein gegen unendlich viele Jahre.

Der Heiland spricht: Lasset uns gehen! Er hätte dem Kreuz wohl entgehen können, will aber nicht flüchtig seyn, sondern gehet dem Verräther entgegen. Er wollte ein freiwilliges Opfer werden für unsere Sünde. Fleisch und Blut fleucht dagegen vor dem Kreuz und spricht: Lasset uns dem Kreuz entgehen! Der Geist aber treibet dem Kreuz in die Arme und spricht: Lasset uns dem Kreuz entgegen gehen! Welchen das Kreuz also bereit findet, wider den hat es keine Macht.

Ein Christ kann ohne Kreuz nicht seyn,
Gott will's nicht anders haben:
Auch dieses Lebens Noth und Pein
Sind deines Vaters Gaben.

Soll's denn so seyn,
So geh' es ein,
Es kommt von Liebes„ Händen,
Gott kann nichts Böses senden.

Und alsbald, da er noch redete, siehe, da kam Judas, der Zwölfen Einer, welcher zu sich genommen hatte die Schaar und der Hohenpriester und Pharisäer Diener, mit Fackeln und Lampen, mit Schwertern und mit Stangen, und gieng vor ihnen her. Als nun Jesus wußte Alles, was ihm begegnen sollte, gieng er hinaus und sprach zu ihnen: Wen suchet ihr? Sie antworteten ihm: Jesum von Nazareth! Judas aber, der ihn verrieth, stund auch bei ihnen. Als nun Jesus sprach: Ich bins, wichen sie zurück und fielen zu Boden. Da fragte er sie abermal: Wen suchet ihr? Sie aber sprachen: Jesum von Nazareth! Jesus antwortete: Ich habe es euch gesagt, daß ich es sey. Suchet ihr denn mich, so lasset diese geben! Auf daß erfüllet würde das Wort, welches er sagte: Ich habe Derer keinen verloren, die du mir gegeben hast. Der Verrather aber hatte ihnen ein Zeichen gegeben und gesagt: Welchen ich küssen werde, der ist es, den greifet und führet ihn gewiß! Und alsbald trat er zu Jesu und sprach: Gegrüßet seyst du, Rabbi, Rabbi! und küssete ihn. Jesus aber spracht Mein Freund, warum bist du kommen? Juda, verrathest du des Menschen Sohn mit einem Kusse? Joh. 18, 3 - 9. Matth. 26, 4?-50. Mark. 14, 43-45. Luk. 22, 47. 48.

Da der Heiland noch mit den Jüngern redet, kommt Judas und hat bei sich die Schaar der römischen Kriegsknechte, die den Tempel bewachten, wie auch Diener der Hohenpriester, Schriftgelehrten und Aeltesten. Was sonst uneins ist, das tritt zusammen und wird leicht eins, wenn es wider Jesum gilt. Jesus aber gieng hinaus aus dem innern Garten ihnen entgegen. Als zuvor das Volk kam und wollte ihn zum Könige machen, entwich er und verbarg sich; da sie aber kommen und wollen ihn zum Kreuze holen, da gehet er ihnen in die Hände. Das ist auch seiner Jünger Art, Ehre fliehen und Schmach erdulden, Hoheit verachten und Niedrigkeit willig annehmen. Judas, der Verräther, führt den Trupp. Siehe! heißt es, da kam Judas; ein Verwunderungswort; denn das ist ja wohl zu wundern, daß der Jünger verräth seinen Meister, die Kreatur ihren Schöpfer, daß Judas aller Wohlthaten, von Christo ihm erwiesen, so gar vergißt. Mein Herz, wann du auch umgeben bist von falschen Brüdern, Undankbaren und Verräthern, da tröste dich mit dem Exempel Christi, stelle es Gott anheim, der wirds recht richten. Denn Jesus mußt auch klagen: Auch mein Freund, dem ich vertrauete, der mein Brod aß, tritt mich mit Füßen. Ps. 41, 10. Das gehet noch oft so zu, daß dein Hausgenoß endlich dein Feind wird. Es giebt der Judas-Herzen noch viele in der Welt. Wenn du von solchen angefochten und geplaget bist, so denke: Der Knecht ist nicht größer, nicht besser, als sein Herr. Hatte Jesus seinen Judas, lass es dir gefallen, daß du auch einen habest.

Judas küssete Jesum. So war es Brauch bei den Morgenländern, daß sie sich beim Begrüßen küsseten, zum Zeichen einer unverfälschten Liebe. Von den Juden haben auch die ersten Christen den Gebrauch genommen, daß sie bei Genießung des heiligen Abendmahls einander geküsset haben. Darauf zielet ohne Zweifel der Apostel, wann er schreibet: Grüßet euch unter einander mit dem heiligen Kusse! Weil aber Judas durch einen Kuß den Heiland vcrrathen, so haben sich die ersten Christen in der Passionszeit nicht geküsset, anzudeuten, sie verabscheuten den Judas-Kuß. Das Küssen ist ein Zeichen der Liebe, hier aber ist es ein Zeichen der Verrätherei; ist eben, als wollte man Einem mit der Arznei Gift geben. Wie verhält sich aber Jesus gegen den küssenden Judas? Mein Freund, sagt er; das war ein Stich in das Herz des Judas, damit ihn der Heiland noch zur Buße leiten will. Juda, du bist mein Freund, ist das Freundesthat, ist das der Dank für meine Wohltaten? Heutiges Tags, wann man beleidiget, sonderlich wann man verrathen wird, da würde man wohl nicht sagen: Mein Freund! Es würde heißen: Du Schelm, du Dieb, du Teufelskind! Liebes Herz, dein Verfolger thut dir Gutes. Du hast keinen ärgern Feind, als dich selbst, dein eigen Fleisch; darum, wer dich verfolgt, deinem Fleisch wehe thut, der thut dir Gutes. Der Heiland sagt sanftmüthig: Warum bist du kommen? Er will ihn zur Besinnung bringen. Was thust du? Juda, verrathest du des Menschen Sohn mit einem Kusse? So muß man seinem Feind begegnen, ob man sein Herz könne gewinnen und seine Seele zu Gott bringen. Das thut die Sanftmuth.

Du, sanfter Jesu! warst unschuldig
Und littest alle Schmach geduldig,
Vergabst und ließ'st nicht Rachgier aus.
Niemand kann Heine Sanftmuth messen,
Bei der kein Eifer dich gefressen,
Als der um deines Vaters Haus.
Mein Heiland, ach, verleih Mir
Sanftmuth und dabei Guten Eifer;
Jesu, hilf du, Hilf mir dazu,
Daß ich sanftmüthig sey, wie du.

Als nun Jesus wußte Alles, was ihm begegnen sollte, gieng er hinaus und sprach zu ihnen: Wen suchet ihr? Sie antworteten: Jesum von Nazareth! Jesus spricht zu ihnen: Ich bins - Judas aber, der ihn verrieth, stund auch bei ihnen. Als nun Jesus zu ihnen sprach: Ich bins! wichen sie zurück und fielen zu Boden. Da fragte er sie abermal: Wen suchet ihr? Sie aber sprachen: Jesum von Nazareth! Jesus antwortete: Ich habe euch gesagt, daß ich es sey. Suchet ihr denn mich, so lasset diese gehen. Aus daß das Wort erfüllet würde, welches er sagte: Ich habe Derer keinen verloren, die du mir gegeben hast. Joh. 18, 4-9.

Judas war dem Trupp vorangegangen. Da der Heiland mit dem Verräther gesprochen hatte, trat er zu den Knechten und sprach zu ihnen: Wen suchet ihr? Nicht, als ob er es nicht wüßte, sondern daß er Gelegenheit hätte, sich ihnen zu offenbaren. Sie antworteten: Jesum von Nazareth! Darauf sprach Jesus: Ich bins! Sie aber, da sie das höreten, wichen zurück und fielen zu Boden. Die Majestät des Heilands hat sie niedergeworfen, wie ein Blitzstrahl; denn ob er zwar im Stande der Erniedrigung seiner göttlichen Herrlichkeit sich entäußert hatte, so hat er doch zuweilen, wenn es sein Amt erforderte, einen Strahl derselben lassen hervorleuchten. Auch gedachten sie wohl an die Macht, in welcher er Wunder gethan, und wie es Denen ergangen, die dort den Propheten Elias (2 Kön. 1.) hatten wollen gefangen nehmen; sie versahen sich nichts Gutes, denn sie wußten nicht, daß er nicht gekommen, die Seelen der Menschen zu verderben, sondern zu erretten.Liebstes Herz, beuge dich im Glauben und Anbetung vor Jesu, daß du nicht in Schrecken und Angst vor ihm niederfallen müssest. Wer sich wider Jesum auflehnet, der muß fallen und wäre er noch so mächtig. Das haben schon Viele erfahren. Ich meine ja, das jüdische Volk hat einen schweren Abfall von Christo gelitten. Das Kreuz des Heilands ist ihnen ein Aergerniß geworden, ein Stein des Anstoßes, daran sie sich gestoßen und gefallen. Solcher verstockten Herzen giebt es noch Viele. Gott schlägt sie, aber sie fühlens nicht. - Der Herr fraget zum andernmal: Wen suchet ihr? Sie antworten: Jesum von Nazareth. Er spricht: Ich habe es euch gesagt, daß ich es sey; suchet ihr denn mich, so lasset diese gehen. Damit gab er seinen Jüngern einen sichern Schutz; er giebt ihn seinen Glaubigen noch immer. Lasset diese gehen! Wenn Gott nicht über dich verhänget Kreuz und Unglück, so muß dich Welt und Teufel wohl gehen lassen. Kein Häärlein müssen sie dir krümmen, wenn es Gott nicht haben will. Gott giebt dir alle Tage seine Schutzengel und befiehlt ihnen, daß sie dich bewahren auf allen deinen Wegen, und alle Steine aus dem Wege räumen, daß du nicht fallest. Wanns aber Gott verhänget, und die Menschen dich nicht wollen zufrieden lassen, so denke: Siehe, das ist Gottes Wille, er wird die Sache wohl ausführen, ich will ihn rathen lassen!

Darauf nun griffen die Kriegsknechte zu, (der Muth war ihnen wieder gekommen), und bunden ihn. Da stehet nun das unschuldige Lamm unter den Wölfen und muß sich gleichsam zerreißen lassen. Da stehet die Rose unter den Dornbüschen und muß sich von ihnen lassen verwunden. Da muß der Herr klagen: Der Bösen Rotte hat sich um mich gemacht! Das ist dir zu gut geschehen. Dank Jesu für seine Liebe!

Was ihn Alles trifft und schlägt.
Trifft ihn unsertwegen.
Daß er solche Bürden trägt,
Ist für uns zum Segen
Und beseelt uns vom Gericht,
Daß wir Friede haben
Und in seinem Angesicht
Herz und Seele laben.

Da traten sie hinzu und legten die Hände an Jesum und griffen ihn. Da aber sahen, die um ihn waren, was da werden wollte, sprachen sie zu ihm: Herr, sollen wir mit dem Schwert drein schlagen? Und Einer aus ihnen, Simon Petrus, hatte ein Schwert und zog es aus und schlug nach des Hohenpriesters Knecht und hieb ihm sein recht Ohr ab. Und der Knecht hieß Malchus. Jesus aber antwortete und sprach: Lasset sie doch so fern machen! Und rührete sein Ohr an und heilete ihn. Und zu Petro sprach er: Stecke dein Schwert in die Scheide, denn wer das Schwert nimmt, wird durch das Schwert umkommen. Soll ich den Kelch nicht trinten, den mir mein Vater gegeben hat? Oder meinest du, daß ich nicht könnte meinen Vater bitten, daß er mir zuschickte mehr denn zwölf Legionen Engel? Wie würde aber die Schrift erfüllet? Es muß also gehen. Joh. 18, 20.11. Matth. 26, 50. 56. Mark. 14, 46-52. Luk. 22,49-53.

Die um Jesu waren, hatten als reisende Leute Schwerter bei sich und fragten den Herrn, ob sie mit denselben seinen Feinden wehren sollten? Sollen wir mit dem Schwert drein schlagen? Fleisch und Blut ist schnell zur Gewalt und Rache; cs will nichts leiten, darum redet der fleischliche Mensch nur allezeit vom Rechten, Fechten, Schlagen, Kugelwechseln, und wie die Teufeleien alle heißen. Ein Christ aber weiß, daß er berufen ist nicht zum Rechten und Fechten, sondern zum Leiden. Dazu seyd ihr berufen, sagte später Petrus, sintemal auch Christus gelitten hat für uns und uns ein Fürbild gelassen, daß wir sollen nachfolgen seinen Fußstapfen, welcher nicht wieber schalt, da er gescholten winde, nicht drohete, da er litte. Wer streiten will, der streite mit sich, denn der sich selbst überwindet, der ist mächtiger, als Der. so fette Städte einnimmt. Petrus aber ist vorschnell, und ehe der Heiland noch antwortet, ist er fertig mit dem Schwert und haut nach des Hohenpriesters Knecht, dem Malchus, der sich sonder Zweifcl vor allen Andern hervorgethan, den Heiland zu binden. Der Eifer Petri ist ganz nicht zu entschuldigen. Er dachte wieder nicht, was göttlich, sondern was menschlich ist (Mark. 8, 33.), da er angreifen wollte die Diener der Obrigkeit; wider diese muß Niemand Etwas vornehmen, auch dann nicht, wenn sie Unrecht hat, sondern muß es dem Herrn befehlen. Wer aber Obrigkeit ist, soll ja dahin sehen, daß das Recht geschützet werde. Das that hier der Hoherath nicht, aber weil er doch die Obrigkeit war, darum sollte sich Petrus nicht wider ihn setzen. Er hatte keinen Beruf, das Schwert zu nehmen, deßhalb verweist es ihm Jesus ernstlich: Wer das Schwert nimmt (wider die Obrigkeit oder sonst zum Bösen), der wird durch das Schwert umkommen.

Weiter hält er ihm vor, daß er seines Schutzes gar nicht bedürfe. Meinest du, sagte er, wann ich Schutz haben wollte, daß ich nicht könnte meinen Vater bitten, daß er mir zuschickte mehr denn zwölf Legionen Engel? Freilich konnte er das; aber die Zeit war da, daß Christus leiden sollte; darum fährt er fort: Soll ich den Kelch nicht trinken, den mir mein Vater gegeben hat? als wollte er sagen: Warum sollt' ich Schutz haben von dir? warum vor dem Kreuze flüchtig werden? Mein Vater hat von Ewigkeit her beschlossen, daß ich leiden soll. Diesen Rathschluß kann und will ich nicht umstoßen. Mein Herz, dein Leiden kommt von Gott. Den Kreuzkelch schenket dir kein Teufel ein, kein böser Mensch, sondern Gott, und zwar schenket dir ihn Gott ein als dein Vater. Mein Vater, sagt Jesus, hat mir den Kelch gegeben. Kein Vater schenket seinem Kinde Gift in den Becher ein. Was dir dein Gott einschenket, ist lauter Heil; darum sollst du mit David (Ps. 1l6, 13.) sagen: Ich will den heilsamen Kelch nehmen und des Herrn Namen verkündigen. Hats Gott beschlossen, daß du leiden sollst, weder du, noch sonst ein Mensch wird es umstoßen. Gottes Rath stehet fest, du aber ergieb dich williglich in denselben. Gott ist und bleibet dein Vater auch im Kreuze. Ein Vater bleibet Vater, er küsse oder stäupe. Ist aber Gott dein Vater auch im Kreuz, so kann dir das Kreuz nicht schädlich seyn. Kein Vater suchet seines Kindes Verderben, sondern sein Bestes. Der Heiland sagt weiter: Wie würde aber die Schrift erfüllet? Als wollte er sagen: Es hat Gott der Welt durch die Propheten ankündigen lassen, daß ich leiden soll. Gottes Prophezeiung kann nicht zur Lügen werden. Was die Propheten haben qezeuget, das muß Alles erfüllet werden. Mein Herz, Gott hat auch dir in seinem Worte lassen verkündigen, daß du nicht eher könnest zur Krone kommen, du habest denn zuvor gekämpft, daß man durch viel Trübsal müsse in das Reich Gottes eingehen. Darum wünsche dir nicht, ohne Kreuz zu seyn, es kann ja Gottes Wort nicht lügen. Wann du willst ohne Kreuz seyn, so kannst du nicht ins Reich Gottes kommen. So sage vielmehr: Gott hat von Ewigkeit her verordnet, daß und was ich leiden soll, wohlan, ich bin zufrieden. Mein Gott, Hier bin ich, deinen Willen thuc ich gerne. Auch an mir werde die Schrift erfüllet, daß man durch Trübsal ins Reich Gottes eingehe.

Endlich spricht der Heiland: Es muß also gehen. Als wollte er sagen: Es kann das menschliche Geschlecht Gott nicht versöhnet werden, es geschehe denn zuvor seiner Gerechtigkeit für die Sünde ein Genüge. Was nun dazu geschehen muß, will ich gerne über mich ergehen lassen.

Liebes Herz, es stehet ein Muß vor deiner Thür. Es stehet nicht in deinem Willen, ob du willst, du mußst leiden. Darum sträube dich nicht, murre nicht, das hilft nicht vom Leiden, sondern es nimmt dir den Segen vom Leiden.

Noch zeigte der Herr dem Petro, wie man sich rächen müsse an seinen Feinden. Er rührete das Ohr des Malchus an und heilete ihn. Durch Wohlthat muß man sich rücken. Darum sagt Paulus: So deinen Feind hungert, so speise ihn; dürstet ihn, so tränke ihn. Wenn du las thust, so wirst du feurige Kohlen auf sein Haupt sammeln (Röm. 12, 20). Wer das Herz des Feindes kann gewinnen, der hat ein Großes gewonnen; das thut man aber nicht durck eigene Racke, sondern durch Sanfimuth und Wohlthar. Wohlthaten bewegen des Feindes Herz, daß er denket: Wie kannst du den Menschen hassen, der dir Gutes thut? Ein wildes Thier hat seinen Wohlthäter lieb, wie viel mehr soll es ein Mensch? Liebet eure Feinde, segnet, die euch fluchen, ihut wohl denen, die euch beleidigen, bittet für die, so euch verfolgen!

Regt sich der Rache schnöde Lust,
So tilge sie aus meiner Brust,
Tu höchste Liebe, und verleih'.
Daß ich den Feinden gern verzech',
Daß nie mein Eifer ihnen fluch',
Auch nirgends ihr Verderben fuch'.

Jesus aber sprach zu den Hohenpriestern und Hauptleuten des Tempels und den weitesten, die über ihn gekommen waren: Ihr seyd, als zu einem Mörder, mit Schwertern und mit Stangen ausgegangen. Ich bin täglich bei euch im Tempel gesessen und ihr habt keine Hand an mich gelegt. Aber dieß ist eure Stunde und die Macht der Zinsterniß. Da verließen ihn alle Jünger und flohen. Luk. 22, 53.

Es waren auch Etliche von den Hohenpriestern und Aeltesten herbeigekommen, um zu sehen, wie die Sache gehe. Zu diesen sprach Jesus das Obige. Er wollte sagen: Habe ich Etwas verbrochen; warum habt ihr nicht öffentlich, in der Stadt, am Tage mich gegriffen? Warum kommt ihr zur Nachtzeit? Bin ich doch täglich frei und offen unter euch gewesen. Die Kinder der Finsterniß scheuen das Licht und lieben die Finsterniß. Wer recht hat und recht thut, der kommt ans Licht und hat es gerne, daß seine Werke offenbar werden. Der Teufel aber, der Fürst der Finsterniß, hat eure Herzen verblendet, daß ihr mich nicht kennet, und wollet auch nicht wissen, daß all' euer Heil an mir gelegen ist. Dieß ist eure Stunde und die Macht der Finsterniß; die treibt euch, mich zu verfolgen und zu tödten. So verfolgt die Welt heute noch die Kinder Gottes, und das kommt daher, daß sie blind ist und nicht weiß, was sie an den Kindern Gottes für einen Segen hat. Daß die Welt noch stehet, daß man noch das tägliche Brod und das Leben hat, hat man allein wegen der Kinder Gottes (vergl. die Fürbitte Abrahams für Sodom 1 Mos. 48, 22-32.); das erkennet aber Der nicht, der einen Frommen verfolget; er ist blind, der Teufel hat ihn verblendet.

Als der Herr solche Schutzrede gehalten, wird er verlassen von allen Jüngern. Es wurde erfüllet, was er hatte zuvor gesagt: Siehe, es kommt die Stunde und ist schon kommen, daß ihr zerstreuet werdet, ein Jeglicher in das Seine, und mich allein lasset. Da hast du nun zu lernen, mein Herz, wie nichtig das Vertrauen sey, das sich auf Menschenhülfe gründet. Mancher verläßt sich auf einen Menschen und spricht: An diesem habe ich eine mächtige Stütze, ja, der muß mich vertheidigen und halten, wann die Noth noch so groß wäre. Aber ein Mensch ist ein Mensch, und was können denn Menschen helfen? Auch ist ja ihr Gemüth veränderlich, wohl alle Stunden; Menschen hatten selten Stand im Kreuz. Lachet dir das Glück zu, ver Freund lachet dir auch zu; verlässet dich das Glück, so verlässet dich der Freund auch. Christus hatte ihm die Jünger mit Wohlthaten aufs Höchste verbunden, und doch verließen ihn Alle. Du magst der Welt so wohl thun, als du immer willst, wann die Noth zum Manne tritt, so gehet sie von dir und verlässet dich. Das haben erfahren viele Heilige. David klaget Ps. 38, 12.: Meine Lieben und Freunde stehen gegen mir und scheuen meine Plage, und meine Nächsten treten ferne. Hiob (6, 15. 16, 20.) klagt: Meine Brüder gehen verächtlich vor mir vorüber, wie ein Bach, wie die Wasserströme vorüberfließen. Meine Freunde sind meine Spötter, aber mein Auge thränet zu Gott. Nun, liebstes Herz! halte dich an Jesum, der stehet fest bei dir. Paulus erkennts, wann er 2 Tim. 4, 16. 17. spricht: In meiner ersten Verantwortung stund Niemand bei mir, sie verließen mich Alle; der Herr aber stund mir bei und stärkte mich. David sagt Ps. 27, 10.: Mein Vater und Mutter verlassen mich, aber der Herr nimmt mich auf. Darauf gründe dich. Verlässet dich alle Welt, so verlässet dich doch Gott nicht. Ich bin nicht allein, sagte Jesus, der Vater ist bei mir. Er hat auch dir verheißen: Ich will dich nicht verlassen, noch versäumen! Hüte dich aber, daß du Jesum nicht verlassest. So oft du sündigest wider dein Gewissen, trennest du dich von Christo. Der Glaube verbindet dich mit ihm, der Unglaube reißt dich von ihm. Ach, wie Mancher gewinnt die Welt lieb und verlässet Jesum! Was, sagt er, sollte ich bei der Armuth bleiben und den Reichthum fahren lassen? Was sollte ich mich haltes zu der Niedrigkeit und die Ehre lassen? Aber, mein. Herz, was die Welt hat und giebt, ist Alles eitel. Gründlich muß die Welt dich und du die Welt verlassen. Was dir aber Jesus giebt, das bleibt feste. Halte bei ihm Stand auch im Kreuz, sage mit Paulus: Was soll wich scheiden von der Liebe Christi? Trübsal oder Angst? oder Verfolgung? oder Hunger? oder Blöße? oder Fährlichkeit? oder Schwert? In dem Allem überwinde ich weit um deß willen, der mich gcliebet hat. Bleibe bei Jesu!.

Ja, Herr Jesu! bei dir bleib ich,
So in Freude, wie in Leid;
Bei dir bleib ich, dir verschreib ich \\M ich für Zeit und Ewigkeit.
Deines Winks bin ich gewärtig,
Auch des Rufs aus dieser Welt,
Denn der ist zum Sterben fertig,
Der sich lebend zu dir hält.

Bleib mir nah auf dieser Erden,
Bleib auch, wenn mein Tag sich neigt,
Wenn es nun will Abend werden
Und die Nacht herniedersteigt.
Lege segnend dann die Hände
Mir aufs schwache, müde Haupt,
Sprich dann: Kind, hier geht's zu Ende,
Aber dort lebt, wer hin glaubt.

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