Monod, Adolphe - Abschiedsworte - Der Heilige Geist.

Monod, Adolphe - Abschiedsworte - Der Heilige Geist.

(Den 2. März 1856.)

Welche Gnade, meine Geliebten, wenn wir sie so recht verstehen könnten, - welche Gnade ist es, dieses Brot und diesen Wein zu empfangen, welches uns der Herr selbst gibt, der gegenwärtig, obgleich abwesend, und abwesend gegenwärtiger ist, als wenn er gegenwärtig wäre: „Das ist mein Leib für euch gebrochen, das ist mein Blut für euch vergossen.“ Von nun an sind wir durch die enge Vereinigung mit dem Herrn, durch den Besitz seines Leibes und Blutes berufen, sein Werk zu tun. In seinem gemordeten Leib, in seinem vergossenen Blut sind wir berufen, jede Angst und jeden Schmerz des Fleisches zu erdulden; und erneuert durch den heiligen Geist in demjenigen, der uns durch das gegenwärtige, sichtbare Abendmahl zu seinem ewigen Abendmahl beruft, haben wir zum Werk Jesu die Kraft Jesu, die Gnade Jesu und die göttliche Natur, deren wir in Jesu Christo durch die Verheißungen des Glaubens teilhaftig geworden sind. Ach! wir sind kleingläubige Leute! Welches Schauspiel würden wir der Welt geben, wenn wir rechte Glaubensmenschen wären, wenn wir einen Glauben besäßen, der wie der Glaube des Hauptmanns, die Bewunderung oder das Erstaunen des Herrn Jesu selbst zu erregen vermöchte! einen Glauben der, indem er Jesum ergreift, in ihm das ewige Leben und alle Gnadenschätze ergreifen würde, die in diesem barmherzigen Heiland niedergelegt sind!

Wir beschäftigten uns, meine lieben Freunde, vor einigen Tagen damit, die Gedanken zu betrachten, in welchen der Christ ausruht, wenn er an dem Punkt anlangt, der soeben angedeutet wurde, und er am Ende seiner Laufbahn in all seiner Schwachheit zum Herrn sagt: „Ich habe das Werk vollendet, das du mir gegeben hast, dass ich es tun sollte;“ (so sagt er, wenn er nämlich in seiner Schwachheit getreu gewesen ist); - wir betrachteten, sage ich, die Macht und die Wahrheit dieses Wortes, durch welch der Herr sich uns geoffenbart hat, und mit welchem er Tag für Tag unsere Seelen nährt, so dass es für uns gleichsam ein beständiges Abendmahl ist, durch welches wir von dem Leben Jesu Christi leben und das Werk Jesu Christi vollbringen. Aber last es uns nicht vergessen, lasst es uns lernen aus den Erklärungen des Wortes Gottes, oder durch die demütigenden Erfahrungen unseres Lebens, dass dieses Wort, so mächtig und göttlich es auch ist, das den Hiob sagen ließ: „O wie mächtig sind die Worte des Ewigen,“ nur insofern Kraft hat, als es zum Nutzen unserer Seelen durch denselben heiligen Geist angewandt wird, der es auf die Blätter dieses Buches hat niederschreiben lassen, der in den Herzen eines Jesaias, eines Jeremias, eines Paulus, eines Johannes gearbeitet, und der, nachdem er sie zu seinen Werkzeugen ausgesucht, sie auch geleitet hat, um allen Geschlechtern der Menschen ohne jegliche Gefahr des Irrtums die ewige Wahrheit zu geben; dieses Wort muss noch einmal in unsere Herzen geschrieben und durch eben denselben Geist darin gleichsam angeheftet werden; sonst ist für uns ein Wort ohne Leben und Kraft. Wir könnten die Heilige Schrift Jahre lang lesen und wieder lesen, ohne einen wirklichen Segen davon zu haben, und wir würden erstaunen, dieses Wort so unkräftig, so wenig durch die Erfahrung gerechtfertigt zu finden, wenn der Heilige Geist es uns nicht erklärt und es auf uns anwendet, indem er unser Herz zu seiner Wohnung macht. Nun dieser selbe Geist, der uns das Wort Gottes erklärt und es auf uns anwendet, ist auch der Geist, der alles Übrige in uns vollbringt. Das Werk des Vaters, der uns aus Gnade errettet, das Werk des Sohnes, der uns durch sein Blut wieder erkauft hat, beide sind vergeblich ohne das Werk des Heiligen Geistes, der unsere Herzen öffnet, damit wir an den Vater und den Sohn glauben und diese Worte des Lebens zur Tat machen. Der Mensch, das menschliche Herz wird uns durch die Heilige Schrift, in der Alles groß, unendlich und ewig ist, als ein Schauplatz dargestellt, welcher die Aufmerksamkeit der heiligen Engel und des Herrn selbst erregt, und worauf beständig ein Krieg geführt wird zwischen den Mächten der Hölle und den Mächten des Himmels, ein Krieg, der nur die Erneuerung des Kampfes ist, welcher im äußeren und inneren Leben unseres Herrn Jesu Christi statt gehabt hat, worin auch unser Herr vollständig Sieger geblieben ist, und wodurch er uns die Kraft gegeben hat, in diesem Kampf unsererseits in dem, der uns geliebt bat, mehr als Sieger zu sein. Wir sind also entweder die Knechte und Haushalter des Geistes der Finsternis, oder die Knechte, die glücklichen Knechte und die reichen Haushalter des Geistes des Lichts und des Lebens, und es ist nun an uns, im Unglauben die eine oder im Glauben die andere Wahl zu treffen, denn es steht geschrieben: „Ich habe euch vorgelegt das Gute und das Böse, wählt.“ Aber doch ist hier ein Unterschied, der Barmherzigkeit Gottes würdig: während der Geist des Teufels, so erfinderisch er auch sein mag, um alle Pforten und Türen unserer Herzen aufzufinden, niemals fähig ist, sich ganz und gar mit unserem Geist zu vereinigen und eins mit ihm zu sein, lässt der Geist Gottes sich herab, in uns selbst einzudringen, und sich dergestalt mit uns zu vereinigen, dass wir die Tempel des Heiligen Geistes werden, und mit dem Geist Christi erfüllt, fähig gemacht werden, die Werke zu vollbringen, welche er vollbracht hat, und gewissermaßen sogar noch größere, wie er selbst gesagt hat, als er den heiligen Geist verhieß: Wer an mich glaubt, der wird die Werke auch tun, die ich tue, und wird größere denn diese tun.“1) Dies ist so wahr, dass Jesus Christus seinen Jüngern erklärt, gerade wegen dieses Geistes, den sie von ihm erwarten, sei es gut für sie, dass er von ihnen gehe: „Es ist euch gut, dass ich hingehe.“2) O mein Heiland, wie oft habe ich mit Petrus und Johannes gewünscht, dich bei mir zu haben, mich dir nahen, mit dir mich unterreden und dich befragen zu können! Aber hier sagst du mir selbst: Es gibt eine so köstliche Gabe; dass es, wenn ich sie habe, gut für mich ist, dass du hingehst, und diese Gabe hast du mir im heiligen Geist gegeben! - Wer kennt, wer schätzt genugsam die Gabe des Heiligen Geistes? Man kann nur so viel sagen: Gott verleiht der gläubigen Gemeinde unserer Zeit die Gnade, dass sie es fühlt, wie wenig sie diesen Geist gewürdigt und besessen hat, diesen Geist voll Schöpfungskraft, der nichts anderes ist als Gott selbst, der in uns Wohnung machen und alles erneuen will, dieser Geist, dem Nichts unmöglich ist! Glücklich, wer glaubt und nicht zweifelt! Wenn ich eine furchtbare Versuchung zu besiegen habe, so muss nicht ich selbst der Sieger sein, sondern der Geist Gottes, den ich durch das Gebet in mich rufe. Wenn ich Schmerzen zu tragen habe, die für das Fleisch unerträglich sind, so habe nicht ich sie zu tragen, sondern der Geist Gottes, den ich durch das Gebet in mich rufe. Wenn ich den Geist der Liebe anziehen soll, der unserer natürlichen Selbstsucht so ganz entgegengesetzt ist, so kann nicht ich diese Macht der Liebe ausüben, sondern der Geist Gottes, den ich mir im Gebet erfleht habe, und so ist es mit allem Übrigen. Wollten wir daran zweifeln, ob wir durch den heiligen Geist das Werk, zu dem wir berufen sind, vollbringen könnten, so müssten wir zuerst daran zweifeln, dass Gott in seinen Verheißungen getreu sei. und dass er die nötige Macht zur Erfüllung derselben habe. „O meine Freunde,“ sagte ein sterbender Christ, „wir haben selbst in unseren besten Tagen die Augen nur halb geöffnet;“ und ich wende dieses Wort ganz besonders in Bezug auf die Kraft und Macht des Heiligen Geistes an: hätten wir die Augen recht geöffnet, um ihn zu sehen und zu schätzen, würde es darunter uns so viel Seufzen und Klagen geben, und würde man uns nicht immer mit der Kraft der Gemeinschaft Christi zur Vollbringung unseres Werkes gerüstet sehen? Seht, meine Freunde, welche hohe Stellung der Heilige Geist in der Heiligen Schrift, in den Verheißungen des Alten Testamentes und in den Verheißungen Jesu Christi an seine Apostel einnimmt; seht, welchen Weg er macht von den Evangelien bis zur Apostelgeschichte; seht, welche ungeheure Veränderung er in den Aposteln selbst hervorbringt, um allen Jüngern aller Generationen zu zeigen, was er zu allen Zeiten zu tun vermag. Der Heilige Geist ist die große Verheißung des Neuen Testamentes; er ist es, der allem Übrigen die Krone aufsetzt. Wenn wir, die Auserwählten des Vaters, die Wiedererkauften des Heilands, mit dem heiligen Geist erfüllt sind, und von seinem Leben leben, dann, und nur dann kommen wir in den vollständigen Besitz unserer Erbschaft, bis wir in einer besseren Welt und unter einem heitereren Himmel die Fülle dieser Erbschaft empfangen, und, erlöst von all der anklebenden Schwachheit des Fleisches und der Erde, nur noch Tempel des Heiligen Geistes sein werden, so dass selbst unsere Leiber verklärte und geistliche Leiber heißen. Falle bald, du Leib des Staubes und der Sünde, und gib Raum diesem Leib der Verklärung, diesem geistlichen Leib, in welchem wir den Willen Gottes, so vollkommen wie Jesus Christus selbst erfüllen, und durch das Licht des Heiligen Geistes alle seine Gaben, alle seine Gnadengüter kennen werden; ja, wir werden sie kennen, um sie genießen, und vor Allem um lieben zu können, wie wir sind geliebt worden.

1)
Joh. 14,12
2)
Joh. 16,7.
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