Melanchthon, Philipp - Unterricht der Visitatoren (Auszug, modernisiert)

Melanchthon, Philipp - Unterricht der Visitatoren (Auszug, modernisiert)

Von der Lehre

Wir finden an der Lehre unter anderem vornehmlich diesen Fehler, daß zwar einige vom Glauben, durch den wir gerecht werden sollen, predigen, doch nicht genug gezeigt wird, wie man zu dem Glauben kommen soll, und fast alle ein Stück christlicher Lehre unterlassen, ohne welches auch niemand verstehen kann, was Glauben ist oder heißt. Denn Christus spricht Luk. 24 1471: „daß man predigen soll in seinem Namen Buße und Vergebung der Sünden.“

Aber wie viele predigen jetzt allein von der Vergebung der Sünde und sagen nichts oder wenig von der Buße, wo doch ohne Buße keine Vergebung der Sünde ist! Es kann auch Vergebung der Sünde nicht verstanden werden ohne Buße. Und so man Vergebung der Sünde predigt ohne Buße, folgt, daß die Leute wähnen, sie haben schon Vergebung der Sünde erlangt, und werden dadurch sicher und furchtlos, welches denn größrer Irrtum und Sünde ist, denn alle Irrtümer vor dieser Zeit gewesen sind, und fürwahr zu besorgen ist, wie Christus spricht Matth. 12 [451: „daß das Letzte ärger werde denn das Erste.“

Darum haben wir die Pfarrer unterrichtet und ermahnt, daß sie, wie sie schuldig sind, das Evangelium ganz predigen, und nicht ein Stück ohne das andere. Denn Gott spricht 5. Mos. 4 [2]: „Man soll nichts zu seinem Worte hinzu oder davon tun.“ Und die jetzigen Prediger schelten den Papst, er habe viel Zusätze zu der Schrift getan; was denn leider allzu wahr ist! Diese aber, die die Buße nicht predigen, reißen ein großes Stück von der Schrift, und sagen jeweils von Fleischessen und dergleichen geringen Stücken, wiewohl sie um der Tyrannei willen auch nicht zu verschweigen sind zu rechter Zeit, um zu verteidigen die christliche Freiheit; was ist aber das anderes, als wie Christus spricht Matt. 23 1241: Eine Fliege seihen und ein Kamel verschlingen„!

Also haben wir sie ermahnt, daß sie fleißig und oft die Leute zur Buße ermahnen, Reue und Leid über die Sünde zu haben und zu erschrecken vor Gottes Gericht, daß sie auch nicht das größte und nötigste Stück der Buße unterlassen. Denn beide, Johannes und Christus, strafen die Pharisäer um ihre heilige Heuchelei härter a16 gemeine Sünder. Also sollen die Prediger an dem gemeinen Mann die grobe Sünde strafen; aber wo falsche Heiligkeit ist, viel härter zur Buße ermahnen.

Denn obwohl etliche meinen, man soll nichts lehren vor dem Glauben, sondern lehren, daß die Buße aus und nach dem Glauben folge, damit die Widersacher nicht sagen können, man widerrufe unsre vorige Lehre, so ist doch einzusehen, weil Buße und j Gesetz auch zu dem gemeinen Glauben gehören (denn man muß ja zuvor glauben, daß ein Gott sei, der da drohe, gebiete und schrecke usw.), so sei es für den gemeinen groben Mann nötig, daß man solche Stücke des Glaubens lasse bleiben unter dem Namen Buße, Gebot, Gesetz, Furcht usw., damit sie desto unterschiedlicher den Glauben Christi verstehen, welchen die Apostel justificantem fidem nennen, das ist, der da gerecht macht und Sünde vertilgt, welches der Glaube von dem Gebot und Buße nicht tut, und doch der gemeine Mann über dem Wort „Glauben“ irre wird und Fragen aufbringt, die keinen Nutzen haben.

Von den zehn Geboten

Darum sollen sie die zehn Gebote oft und fleißig predigen und sie auslegen und anzeigen, nicht allein die Gebote, sondern auch wie Gott strafen wird, die sie nicht halten, wie auch Gott solche oft zeitlich gestraft hat. Denn solche Exempel sind geschrieben, daß man sie den Leuten vorhalte, wie die Engel zu Abraham sprachen, da sie zu ihm sagten, 1. Mos. 18, wie Gott Sodom strafen wollte und mit höllischem Feuer verbrennen. Denn sie wußten, er würde es seinen Nachkommen sagen, daß sie Gott lernten fürchten.

So sollten sie auch etliche besondere Laster, wie Ehebruch, Sauferei, Neid und Haß, strafen und anzeigen, wie Gott dieselben gestraft habe. Damit zeigt er an, daß er ohne Zweifel nach diesem Leben viel härter strafen wird, wenn sie sich hier nicht bessern. I Also sollen die Leute zur Gottesfurcht, zur Buße und Reue gereizt und ermahnt und das sichere und furchtlose Leben gestraft werden. Darum sagt auch Paulus Röm. 2: „Durch das Gesetz kommt nur Erkenntnis der Sünde.“ Denn Sünde erkennen ist nichts anderes als wahrhaftige Reue.

Daneben ist denn nützlich, daß man vom Glauben predige, also, daß wer Reue und Leid um seine Sünde habe, daß derselbe glauben soll, ihm werden seine Sünden nicht um unseres Verdienstes, sondern um Gottes willen vergeben werden. Wo dann das reuige und erschrockene Gewissen davon Friede, Trost und Freude empfängt, daß es hört, uns sei die Sünde vergeben um Christi willen, das heißt der Glaube, der uns vor Gott gerecht macht, und sollen die Leute fleißig vermahnen, daß dieser Glaube nicht könne sein ohne ernstliche und wahrhaftige Reue und Schrecken vor Gott, wie geschrieben ist Ps. 111 [10] und Sirach 1 [16]: „Der Weisheit Anfang ist Gott fürchten“; und Jesajas Kap. 66 [2]: Auf welchen siehet Gott, denn allein auf ein erschrocken und reuig Herz!

Solches soll oft gesagt werden, daß die Leute nicht in falschen Wahn kommen und meinen, sie haben Glauben, so sie doch noch weit davon entfernt sind, und soll angezeigt werden, daß allein diejenigen in dem Glauben sein können, die wahrhaftige Reue und Leid tragen über ihre Sünde. Das andere, wo keine Reue ist, ist ein gemalter Glaube; denn rechter Glaube soll Trost und Freude bringen an Gott, solcher Trost und Freude wird aber nicht gefühlt, wo nicht Reue und Schrecken ist, wie Christus Matth. 11 [5] sagt: „Den Armen wird das Evangelium gepredigt.“

Diese zwei sind die ersten Stücke des christlichen Lebens, Buße oder Reue und Leid, und Glauben, dadurch wir Vergebung der Sünden erlangen und gerecht werden vor Gott, und soll in und beides wachsen und zunehmen.

Das dritte Stück christlichen Lebens ist: gute Werke tun, wie Keuschheit, den Nächsten lieben, ihm helfen, nicht lügen noch betrügen, nicht stehlen, nicht totschlagen, nicht rachgierig sein, nicht mit eigner Gewalt sich rächen usw. Darum sollen abermals die zehn Gebote fleißig gepredigt werden, denn darin sind alle guten Werke verfaßt, und heißen nicht allein darum gute Werke, daß sie dem Nächsten zugut geschehen, sondern auch, weil sie Gott geboten hat, weshalb sie Gott auch wohlgefallen. Gott hat auch kein Wohlgefallen an denen, die sie nicht tun, wie Micha 6 [10] steht: „O Mensch, ich will dir zeigen, was gut ist und was Gott von dir fordert; nämlich das Gericht tun, ja tun, was recht ist, Lust haben, dem Nächsten Gutes zu tun, und in Furcht vor Gott handeln.“

Das erste Gebot Gottes lehrt, Gott fürchten; denn Gott droht denen, die ihn nicht achten. Es lehrt auch, Gott glauben und trauen; denn Gott sagt, er wolle denen Gutes tun, die ihn lieben, das ist, die sich zu ihm des Guten versehen, wie Jes. 64 und i. Kor. 2 [9] steht, das kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat und in keines Menschen Herz gestiegen ist, das Gott bereitet hat denen, die ihn lieben.“

Das andere Gebot lehrt, daß man Gottes Namen nicht mißbrauche. Das ist aber Gottes Namen recht brauchen, ihn anrufen in allen Nöten in leiblichen oder geistigen, wie er geboten hat Ps. 50: „Rufe mich an in der Zeit der Not, so will ich dich erretten und du sollst mich preisen.“ Und Gott sagt im selben Psalm, daß das der rechte Dienst sei, mit dem man ihm dienen könne: ihn anrufen und bitten, daß er helfe, dabei auch ihm danksagen für seine Guttat; denn Gott spricht daselbst: „So sollst du mich preisen.“ Item [23]: „Wer Dank opfert, der preiset mich, und das ist der Weg, daß ich ihm zeige das Heil Gottes. “

Es sollen auch die Pfarrer und Prediger die Leute vermahnen zu beten; denn das ist die Erfüllung dieses Gebots; beten, das ist, Gott um Hilfe anrufen in allen Anfechtungen. Sie sollen die Leute unterrichten, was beten sei und wie man beten soll.

Vom Sakrament der Taufe

Taufe soll gehalten werden wie bisher, daß man Kinder taufe. Denn da die Taufe eben das bedeutet, was die Beschneidung bedeutet hat, und man die Kinder beschnitten hat, sollen sie auch die Kinder taufen, und wie Gott spricht, er wolle die Kinder, so beschnitten worden, in Schutz und Schirm annehmen; denn also sagt Gott 1. Mos. 17: „daß ich dein Gott sei und deines Samens nach dir.“ Item „und will ihr Gott sein“. Also sind auch in Gottes Schutz die Kinder, die getauft werden; darum soll Gott auf solche Zusage ernstlich angerufen werden.

Es sollen auch die groben Leute unterrichtet werden, daß die Taufe solche großen Güter mit sich bringt, das ist, daß Gott des Kindes Beschützer und Beschirmer sein und sich des Kindes annehmen will. Damit aber die Umstehenden dieses Gebet und Wort in der Taufe verstehen, ist gut, daß man deutsch taufe.

Es sollen auch zuweilen die Leute vermahnt werden, wenn man von den Sakramenten predigt, daß sie bedenken ihre Taufe, und unterrichtet werden, daß die Taufe nicht allein bedeute, daß Gott die Kinder wolle annehmen, sondern das ganze Leben, und daß also die Taufe nicht allein den Kindern ein Zeichen sei, sondern auch die Alten reize und vermahne zur Buße; denn Buße, Reue und Leid wird durch die Wassertaufe bedeutet. Dabei auch soll die Taufe den Glauben erwecken, daß denen, so Reue Ober ihre Sünden haben, die Sünden abgewaschen und verziehen sind; denn dieser Glaube ist die vollkommene Taufe.

Von dem Chrisma oder Cresem [Salbung] soll man sich nicht zanken; denn der rechte Cresem, damit alle Christen gesalbet werden von Gott selbst, ist der heilige Geist selbst, wie man denn liest Jes. 61 und Ephes. 1.

Von der rechten christlichen Genugtuung für die Sünde

Genugtuung für unsere Sünde ist keins unsrer Werke; denn allein Christus hat für unsere Sünden genuggetan. Und dieses Stück der Buße gehört zur Vergebung der Sünde und zum Glauben, daß wir wissen und glauben, daß uns unsere Sünde um Christi willen vergeben werde. Auf diese Weise ist vonnöten, diesen Artikel zu lehren. Denn es ist nicht genug, daß man wisse, daß Gott die Sünde strafen wolle und daß man Reue über die Sünde trage, sondern man muß auch wissen, daß Gott um Christi willen die Sünde vergeben will, und daß man solche Vergebung mit Glauben erlange, wenn man glaubt, daß Gott die Sünde um Christi willen vergeben will; denn es muß Reue und Glauben beieinander sein; denn Reue ohne Glauben bringt Verzweiflung, wie im Judas und Saul; so kann man auch wahrhaftigen Glauben ohne Reue nicht haben.

Das soll man den Leuten vorhalten: erstlich soll man die Leute zur Furcht reizen. Denn das ist ein großer Zorn Gottes über die Sünde, daß niemand kann genugtun für die Sünden außer Christus, der Sohn Gottes. Solches soll uns billig erschrecken, daß Gott so hart zürnt über die Sünde; und ist das Wort Christi wohl billig zu bedenken, Luk. 22 und 23: „So man das tut am grünen Holz, was will am dürren werden?“ Hat Christus also um unsrer Sünde willen müssen leiden, wie viel müssen wir leiden, so wir nicht wollen Reue haben, sondern Gott verachten?

Zum andern soll man die Leute zum Glauben reizen: Ob wir schon nichts als Verdammnis verdient haben, so vergibt uns doch Gott ohne unser Verdienst um Christi willen. Das ist Genugtuung; denn mit Glauben erlangt man Vergebung der Sünde, wenn man glaubt, daß Christus für uns genuggetan habe, wie Johannes sagt, 1. Epist. 2 [2]: „Derselbe ist die Versöhnung für unsere Sünde; nicht allein aber für die unsere, sondern auch für die der ganzen Welt.“

Von menschlichen Kirchenordnungen

Man sieht, daß viel Unrats aus unklaren Predigten von Kirchenordnung kommt. Darum sind die Pfarrherrn vermahnt, daß sie mehr Fleiß wollen haben, in bezug auf die Stücke, die nötig sind, als christliche Buße, wie oben berührt, Glauben, gute Werke, Gottesfurcht, Beten, nicht Gott lästern, die Eltern ehren, die Kinder erziehen, die Obrigkeit ehren, nicht neiden, nicht Haß tragen, niemand beschädigen oder totschlagen, Keuschheit, in der Ehe züchtig leben, nicht geizig sein, nicht stehlen, sich nicht vollsaufen, nicht lügen, niemand schmähen; denn solche Stücke sind mehr vonnöten als am Freitag Fleisch essen und dergleichen, wiewohl dasselbe vor Gott und im Gewissen recht ist. doch sollen die Leute dennoch unterrichtet werden, bescheiden von solchen Kirchenordnungen zu reden; denn etliche Kirchenordnungen sind gemacht um guter Ordnung und Friedens willen, wie Paulus spricht 1 Kor. 14: „Es soll alles ordentlich in der Kirchen geschehen.“ Darum sollen die Feiertage, als Sonntage und etliche mehr, wie jeder Pfarre Gewohnheit ist, gehalten werden; denn es müssen die, Leute etliche gewisse Zeit haben, wo sie zusammenkommen, Gottes Wort zu hören.

Es sollen sich auch die Pfarrherrn nicht zanken, Ob einer einen Feiertag hielte und der andere nicht; sondern es halte jeder seine Gewohnheit friedlich; doch daß sie nicht alle Feiertage abtun. Es wäre auch gut, daß sie einträchtig feierten die Sonntage, Annunciationis, Purificationis, Visitationis der reinen Jungfrau Maria; St. Johannis des Täufers, Michaelis, der Apostel, Magdalenae; dieselben Feste wären denn bereits abgegangen und könnten nicht bequem alle wieder aufgerichtet werden. Und insonderheit soll man halten den Christtag, Beschneidung, Epiphanias, die Osterfeier, Himmelfahrt, Pfingsten. Doch abgetan soll werden, was an unchristlichen Legenden oder Gesängen darinnen gefunden wird. Diese Feste sind geordnet. Denn man kann nicht alle Stücke des Evangeliums auf einmal lehren. Darum hat man solche Lehre über das Jahr verteilt; wie man in einer Schule ordnet, auf einen Tag Vergil, auf den andern Homer zu lesen. Man soll auch in der Woche vor Ostern die gewöhnlichen Feiern halten, darin man die Passion predigt. Und ist nicht vonnöten, daß man Solche alte Gewohnheit und Ordnung ändere, wiewohl auch nicht nötig ist, das Leiden Christi eben die Zeit zu behandeln.

Doch sollen die Leute unterrichtet werden, daß solche Feiern allein darum gehalten werden, daß man daran Gottes Wort lerne, und ob einem Handarbeit vorfiele, mag er dieselbe tun; denn Gott fordert solche Kirchenordnung von uns nicht anders denn um Lehrens willen, wie Paulus Koloss. 2 [16] sagt- „So laßt nun niemand euch Gewissen machen über Speise oder über Trank oder über bestimmte Feiertage.“

Über solche Satzungen, die gemacht sind um guter Ordnung willen, sind andere in der Meinung gemacht, daß sie sonderliche Gottesdienste sein sollen, dadurch Gott versöhnt und Gnade erlangt werde; als gesetzte Fasten, freitags nicht Fleisch essen. Nun lehrt Christus Matth. 15 [91, daß solche Ordnung nicht nütze sei, Gott zu versöhnen, denn er spricht: ,Sie dienen mir vergeblich, weil sie solche Lehre lehren, die nichts denn Menschenlehre ist.„ So lehrt auch Paulus, 1. Timoth 4 [1], wo man in der Meinung Ordnung mache, daß es Teufelslehre ist. Auch spricht Paulus Koloss. 2 [16]: „Es soll euch niemand richten um solcher Ordnung willen“; das ist, man soll nicht solche Satzung machen und nicht lehren, daß Sünde ein, solche Satzung zu brechen; man soll auch nicht lehren, daß es Gottesdienst sei, solche Satzung zu halten. Es haben's auch die Apostel gebrochen, Matth. [1 ff.]. Doch soll man den Leuten anzeigen, daß man solche Ordnung nicht breche bei den Leuten, die a“h nicht unterrichtet sind, daß sie nicht geärgert werden. Denn man soll nicht glauben zum Nachteil der Liebe, sondern die Liebe zu mehren gebrauchen; denn Paulus spricht 1. Kor. 13: „Wenn ich Glauben hätte, daß ich die Berge von einander heben möchte, und hätte nicht Liebe, so wäre ich nichts.“

Hier sollen auch die Leute unterrichtet werden, welche Unterschiede seien zwischen Kirchenordnung weltlicher Obrigkeit Gesetz; denn alle weltliche Obrigkeiten sollen gehalten werden, daß weltliche Obrigkeit nicht einen neuen Gottesdienst ordnet, sondern macht Ordnung für Friede und Liebe. Darum soll man sie alle halten, es wäre denn, wo sie geböten, zu tun wider die Gebote Gottes: als wenn die Obrigkeit geböte, das Evangelium oder etliche Stücke zu lassen. In diesen Fällen soll man halten die Regel Apg. 5 [29]: „Man soll Gott mehr gehorchen denn den Menschen.“

Seelenmessen und andere Kaufmessen sollen ferner nicht gehalten werden, denn sollten die Seelenmessen, Vigilien und dergleichen gelten, so könnte man die. Sünde durch Werke ablegen. Nun ist ja „Christus. allein das Lamm Gottes“, wie Johannes der Täufer spricht, Joh. 1 [29], „das der Welt Sünde wegnimmt“. Zudem, so sind die Messen für die Lebendigen und nicht für die Toten eingesetzt, den Leib und Blut Christi zu genießen und Christi Tod zu gedenken; nun kann ja niemand des Todes Christi gedenken, denn der im Leben ist.

Wes sich auch die Priester mit dem Kanon halten sollen, wissen sie wohl aus andern Schriften, ist auch nicht vonnöten, den Laien davon viel zu predigen. Etliche singen deutsche, etliche lateinische Messen, welches wir lassen geschehen; doch wird für nützlich und gut angesehen, wo das meiste Volk des Lateins unkundig, daselbst deutsche Messen zu halten, damit das Volk den Gesang und anderes, was gelesen wird, desto besser vernehmen könne, wie Paulus sagt, 1. Kor. 14: „Wenn du aber benedeiest mit dem Geist, wie soll der an statt des Laien steht, Amen sagen auf deine Danksagung, sintemal er nicht weiß, was, du sagst? du sagst wohl fein Dank, aber der andere wird davon nicht gebessert.“ Nun sagt ja Paulus dort auch: „Lasset es alles geschehen zur Besserung.“

An hohen Festen, als Christtage, Ostern, Himmelfahrt, Pfingsten oder dergleichen, wäre gut, daß zur Messe etliche lateinische Gesänge, die der Schrift gemäß sind, gebraucht würden; denn es ist eine Ungestalt, immerdar einen Gesang singen. Und ob man schon deutsche Gesänge will machen, daß sich des nicht ein jeglicher vermesse, ohne die Gnade dazu zu haben.

Obwohl nun gesagt ist, daß man (auf daß die Leute Gottes Wort hören und lernen mögen) etliche Feiertage halten möge und solle, so ist es doch nicht die Meinung, als sollte man Anrufen und Fürbitte der Heiligen dadurch bestätigen oder loben; denn Christus Jesus ist allein der Mittler, der uns vertritt, wie Joh. 2 [1] und Paulus Röm. 8 [34] anzeigen. Die Heiligen aber werden rechtschaffen in der Weise geehrt, daß wir wissen, daß sie zum Spiegel der göttlichen Gnade und Barmherzigkeit uns vorgestellt sind; denn gleichwie Petrus, Paulus und andere Heilige unsers Fleisches, Blutes und Schwachheit aus Gottes Gnaden durch den Glauben sind selig geworden: also empfangen wir Trost durch diese Exempel, Gott werde uns unsre Schwachheit auch zugute halten und schenken, wenn wir ihm wie sie trauen, glauben und ihn in unsrer Schwachheit anrufen.

Der Heiligen Ehre steht auch darin, daß wir uns im Glauben und guten Werken üben und zunehmen, wie wir von ihnen sehen und hören, daß sie getan haben. Darum sollen die Leute durch der Heiligen Exempel zum Glauben und guten Werken gereizt werden, wie Hebr. 13 steht: „Gedenkt an eure Vorgänger, die euch das Wort Gottes gesagt haben; ihren Ausgang schauet an und folget ihrem Glauben!“

Also vermahnt Petrus die Weiber in seiner 1. Epist. am 3. [5 f.]: „Sie sollen ihrer Mutter Sara folgen im Schmuck des Herzens, in sanftem und stillem Geist“; und spricht: „also haben sich vorzeiten auch die heiligen Weiber geschmückt, die ihre Hoffnung auf Gott setzten und ihren Männern gehorsam waren, wie die Sara Abraham gehorsam war, und hieß ihn Herr, welcher Töchter ihr seid, so ihr wohltut und euch nicht fürchtet vor dem einzigen Scheusal.“

Von Ehesachen

In der Ehe sollen die Pfarrherrn die Leute fleißig unterrichten, wie sie Gott eingesetzt habe; darum wir Gott um Hilfe bitten und hoffen sollen in allen Anstößen- der Ehe; denn weil Gott die Ehe eingesetzt und gesegnet hat, 1. Mos. 2. [18 ff.], so haben sich Eheleute aller Gnade und Hilfe zu Gott in allen ihren Nöten zu versehen und vertrösten. So spricht Salomo im 18. Kap. [22]: „Wer ein Weib findet, der findet was Gutes und schöpfet ein Wohlgefallen von Gott.“ Wie auch Zucht in der Ehe gehalten werden und eins gegen das andere Geduld und Liebe tragen und üben soll, Eph. 5 [22.ff.], daß sie auch nicht voneinander mögen geschieden werden und eins das andere verlassen, wie Matth. 19 [6.9] Christus selbst spricht.

Und dieweil wir finden, daß man die christliche Freiheit in vielen Stücken leichtfertig und trotzig mißbraucht und ohne alle Not Ärgernis und Unlust anrichtet, so sollen die Pfarrherrn in den Ehesachen, was die Gnade der Sippschaft und dergleichen betrifft, bescheiden und vernünftig, lehren und handeln; denn wie uns Paulus lehrt, Galat. 5 1131, ist die christliche Freiheit nicht dazu gegeben, daß ein jeglicher seine Lust oder Vorwitz darin suche oder büße, sondern daß er mit freiem Gewissen seinen Nächsten zum Dienst lebe und wandle. Ihr seid„, spricht er, „zur Freiheit berufen; allein lasset solche Freiheit nicht dem Fleisch Raum geben.“ Wo aber die Pfarrherrn in solchen Fällen irrig oder ungewiß wären, sollten sie sich bei andern Gelehrten Rats befragen, oder die Sache an M. G. H. [meines gnädigen Herrn] Amtleute oder Kanzlei gelangen lassen, laut des Befehls, der ihnen gegeben ist.

Von täglicher Übung in der Kirche

Weiter: weil an vielen Enden die alten Zeremonien überall abgetan sind und in den Kirchen wenig gelesen oder gesungen wird, hat man dieses nachstehend geordnet, wie man es in den Kirchen und Schulen und besonders an den Orten, wo viel Volks vorhanden, wie in Städten und Flecken, hinfort halten soll.

Erstens kann man täglich früh in der Kirche drei Psalmen singen, lateinisch oder deutsch. An den Tagen, an denen man nicht predigt, kann durch einen Prediger eine Lektion gelesen werden, nämlich Matthäus, Lukas, die erste Epistel S. Johannes, beide Petri, Sankt Jakob& Epistel, einige Episteln Sankt Pauls, wie beide an Timotheus, an Titus, an die Epheser und Kolosser. Und wenn diese aus sind, soll man wieder vorn anfangen. Wer die Lektion liest, soll dann die Leute vermahnen, ein Vaterunser zu beten für die allgemeine Not, für das besonders, was zu der Zeit vorfällt, wie um Frieden, Nahrung, besonders aber um Gottes Gnade, daß er uns behüte und regiere. Danach kann die ganze Kirche einen deutschen Gesang singen und der Prediger darauf ein Kollektengebet lesen.

Abends wäre es fein, wenn man drei Vesper-Psalmen sänge, lateinisch und nicht deutsch um der Schüler willen, die sich im Lateinischen gewöhnen sollen, danach die reine Antiphon, Hymnen und Responsorien. Danach könnte eine deutsche Lektion gehalten werden aus 1. Mose, Richter oder aus dem Buch der Könige. Nach der Lektion soll man ein Vaterunser beten lassen. Danach könnte man das Magnifikat singen oder Te deum laudamus oder Benedictus Quicumque vult salvus esse oder reine Preces, damit die Jugend auch bei der Schrift bleibe. Danach kann die ganze Kirche einen deutschen Gesang singen und der Priester endlich das Kollektengebet lesen.

In kleinen Flecken, wo es keine Schüler gibt, ist es nicht nötig, täglich zu singen. Es wäre aber gut, daß sie etwas sängen, wenn man predigen will. In der Woche soll man mittwochs und freitags predigen. Ein Pfarrer soll auch Fleiß anwenden, daß er zum Predigen nützliche und nicht schwere Bücher vornehme. Der Glaube soll auch so gepredigt werden, daß man die rechtschaffene christliche Buße, Gottes Gericht, Gottes Furcht und gute Werke (in der Weise, wie es hier angezeigt und erklärt ist) nicht vergesse. Denn ohne Buße kann man den Glauben nicht haben oder verstehen.

Am Feiertag soll man morgens und zur Vesper predigen, morgens das Evangelium, nachmittags, weil das Gesinde und junge Volk in die Kirche kommt, halten wir es für gut, daß man sonntags nachmittags stets die zehn Gebote, die Artikel des Glaubens und das Vaterunser predige und auslege. Die zehn Gebote, weil durch sie die Leute zur Gottesfurcht ermahnt werden, danach das Vaterunser, daß die Leute wissen, was sie beten. Danach soll man die Artikel des Glaubens predigen und den Leuten fleißig die drei wichtigsten Artikel anzeigen, die im Glauben enthalten sind: Schöpfung, Erlösung und Heiligung. Wir halten es für nützlich, daß man von der Schöpfung so lehre, daß die Leute wissen, Gott schafft noch, ernährt uns täglich, läßt wachsen usw. Dadurch sollen die Leute zum Glauben ermahnt werden, daß wir Gott bitten um Nahrung, Leben, Gesundheit und dergleichen leibliche Sorgen. Danach sollen die Leute von der Erlösung unterrichtet werden, wie uns die Sünde durch Christus vergeben wird. Dahin gehören alle Artikel von Christus, wie er geboren, gestorben, auferstanden ist usw. Der dritte Artikel, die Heiligung, handelt von der Wirkung des Heiligen Geistes. Da sollen die Leute vermahnt werden, Gott zu bitten, daß er uns durch seinen heiligen Geist regiere und behüte; auch soll gezeigt werden, wie schwach wir sind und wie gräulich wir fallen, wenn uns Gott nicht durch seinen heiligen Geist zieht und bewahrt.

Wenn am Sonntag die zehn Gebote, das Vaterunser und der Glaube gepredigt sind, eins nach dem andern, so -soll man auch mit Fleiß von der Ehe und den Sakramenten der Taufe und des Altars predigen. Es sollen auch die zehn Gebote, das Vaterunser und die Artikel des Glaubens um der Kinder und anderer einfältiger, unwissender Leute willen von Wort zu Wort vorgesprochen werden.

Es sollen sich die Prediger auch aller Schmähworte enthalten und die Laster in der Gemeinde derer, die sie hören, strafen und nicht von denen predigen, die sie nicht hören, wie vom Papst, den Bischöfen oder dergleichen. Außer wo es die Leute zu warnen und ihnen Beispiele zu geben nötig ist. Denn diejenigen haben den Papst noch nicht überwunden, die sich dünken lauen, sie hätten ihn überwunden.

An den Festen wie Christtag, Beschneidung, Epiphanias, Ostern, Himmelfahrt, Pfingsten oder anderen, die nach Gewohnheit jeder Gemeinde gehalten werden, soll man auch nachmittags von den Festen predigen. Wie oben steht, sollen die Feste Weihnacht, Beschneidung, Heilige Drei Könige, Ostern, Himmelfahrt, Pfingsten gehalten werden. Es sollen auch entsprechend, wie oben gesagt ist, die Feiern in der Karwoche, Gründonnerstag und Karfreitag, an denen die Passion gepredigt wird, gehalten werden.

Auch soll man die Leute vom Sakrament unterrichten daß sie nicht aus Gewohnheit dazu laufen, sondern daß sie sonst einmal im Jahre, wenn Gott sie ermahnt, zum Sakrament gehen, und dies an keine Zeit gebunden sei.

Es gibt unverständige Menschen, die gegen solche Feiern auftreten. Das soll nicht gestattet werden. Solche Feiern sind darum verordnet, weil man die Leute die ganze Schrift nicht auf einen Tag lehren kann, sondern die Stücke der Lehre sind verteilt, zu bestimmter Zeit zu lernen, wie man in den Schulen einen Tag Vergil, einen anderen Tag Cicero in der Regel liest. Wie aber Feiern ohne Aberglauben gehalten werden, das kann ein geschickter Prediger wohl sagen. Mit den Festen soll es auch friedlich gehalten werden, daß man davon nicht viel Zank mache. Da es nicht recht ist, daß die Gesänge an allen Festen gleich sind, wäre es gut, daß man an den größten Festen den lateinischen Introitus, Gloria in excelsis deo, Halleluja, die Sequenzen, Sanctus, Agnus dei sänge. Sonst lassen wir es am Sonntag bleiben, wie es jeder Pfarrer mit christlichen Zeremonien hält. Doch wäre es gut, daß man die Leute zum Empfang des Sakraments ermahnte. Es soll auch niemand zum Empfang des hochwürdigen Sakraments zugelassen werden, er sei denn zuvor verhört und gefragt, damit man, wie oben gesagt, dem Leibe Christi keine Unehre tue. Auch soll die verschiedene Weise der Messen, bis man sie in Übereinstimmung bringen kann, nicht sehr bewegen und ärgern. Auch im Papsttum gibt es eine große Ungleichheit und Mannigfaltigkeit in allen Stiften. Dazu wurden zuweilen drei, vier Messen auf einmal gesungen, daß ein großes Geschrei entstand, und dennoch hat es niemand bewegt.

Es soll auch mit den Leichen schicklich gehalten werden, daß ein Kaplan oder Kirchner mitgehe und die Leute auf der Kanzel ermahnt werden mitzugehen und beim Begräbnis den deutschen Gesang „Mitten wir im Leben“ singen lassen.

Wir hören auch, daß von den sechs Wochen unschicklich gepredigt wird, die die Frauen nach der Geburt halten. Dadurch sind einige Frauen, ungeachtet dessen, daß sie schwach waren, gezwungen worden, zur Arbeit zu gehen, davon in Krankheit gefallen und gestorben sein sollen. Darum haben wir für nötig gehalten, die Pfarrer zu ermahnen, von dieser und dergleichen Gewohnheiten bescheiden zu reden. Denn es sind die sechs Wochen im Gesetz Mose geordnet 3. Mos. 11. Wiewohl nun das Gesetz aufgehoben ist, so sind dennoch diese Stücke, die uns nicht allein das Gesetz, sondern auch die Natur lehrt, nicht aufgehoben, nämlich die natürlichen und sittlichen Dinge. Darum lehrt auch Paulus 1. Kor, [11, 14] selbst die Natur und zeigt an, daß man die Gesetze, die uns die Natur lehrt, zu halten schuldig ist. Darum sollen auch die Frauen so lange geschont werden, bis sie wieder zu Kräften gekommen sind ,was wohl nicht in weniger Zeit als in sechs Wochen geschehen kann. Es ist nicht Sünde, vor dieser Zeit auszugehen, aber es ist Sünde, dem Leib Schaden zuzufügen. Wie es auch keine Sünde ist, Wein zu trinken. Dennoch soll man einem Fieberkranken wegen der Krankheit keinen Wein geben. Also soll man auch in diesem Fall des Leibes Notdurft bedenken, Zucht halten und nicht die christliche Freiheit brauchen zum Schaden des Leibes oder zur Unzucht. Denn mit unzüchtigem, Brauch der christlichen Freiheit geht es ebenso zu, wie wenn ein Fürst eine Herde Schweine zu sich zu Tisch ruft. Die verstehen solche Ehre nicht, sondern verwüsten nur, was ihnen vorgesetzt wird, und machen eben den Herrn auch unrein. Wenn das Volk von der Freiheit hört, weiß es nicht, was solche Freiheit ist, und meint, es soll keine Zucht und keine guten Sitten achten. Damit wird Gott gelästert.

Vom rechten christlichen Bann

Es wäre auch gut, daß man die Strafe des rech christlichen Banns, von dem Matth. 18 [17] geschrieben steht, nicht ganz verschwinden ließe. Darum sollen diejenigen, die in öffentlichen Lastern, Ehebruch, Völlerei und dergleichen liegen und davon nicht lasten wollen, nicht zum heiligen Sakrament zugelassen werden. Doch sollen sie einige Male vorher vermahnt werden, daß sie sich bessern. Wenn sie sich nicht bessern, mag man sie danach in den Bann tun.

Diese Strafe soll auch nicht verachtet werden. Weil sie ein Fluch ist, von Gott über die Sünder geboten, to soll man ihn nicht gering achten. Denn solcher Fluch ist nicht vergeblich. Wie denn Paulus 1. Kor. 5 [5] denjenigen, der mit seiner Stiefmutter zu schaffen gehabt hat, dem Teufel zum Verderben des Fleisches übergab, auf daß der Geist an dem Tage des Herrn selig würde.

Es können auch die Gebannten in die Predigt gehen; denn man läßt auch Juden und Heiden in die Predigt gehen. Viele Pfarrer zanken sich mit den Pfarrkindern um unnötige und kindische Sachen wie das Pacemläuten und dergleichen. In solchen Dingen sollen die Pfarrer den Leuten als die Vernünftigen um des Friedens willen nachgeben und sie unterrichten, wo solches Läuten unrecht gebraucht, daß es nunmehr wohl geraucht wird. Denn obwohl es an einigen Orten Brauch ist, daß wider das Unwetter die Glocken geläutet werden, was anfänglich zweifellos gut gemeint war, vielleicht um das Volk dazu anzuregen, Gott zu bitten, daß er uns die Früchte der Erde bewahre und vor anderem Schaden behüte, weil aber dieses Läuten hernach mißbraucht und dafür gehalten worden ist, daß die Glocken das Wetter vertreiben sollen, vielleicht deshalb, weil man sie angefangen hat zu weihen, wäre es nicht schlecht, wenn die Prediger zur Sommerzeit das Volk ermahnten, wenn ein Gewitter anhebt und man läutet, daß diese Gewohnheit nicht darum gehalten werde, daß der Glocken Ton und die Weihe der Glocken Wetter oder Frost vertreiben, wie bisher gelehrt wurde, sondern daß man dadurch erinnert würde, Gott zu bitten, uns die Früchte der Erde zu behüten, und daß unser Leben und Nahrung wahrhafte Gaben Gottes sind, die ohne Gottes Hilfe nicht erhalten werden können. Es gebe auch Gott Gewitter zur Strafe, wie im Mose an vielen Orten gezeigt ist, dagegen ist gutes Wetter eine gute Gabe Gottes, wie Mose zum Volk sagt: wenn sie Gott fürchten und seinem Wort gehorchen werden, werde ihnen Gott Regen zur rechten Zeit geben, 4. Mos. 26 [4] und 5. Mos. 28 [12]. Würde das Läuten abgetan, so würde das Volk vielleicht desto weniger erinnert, daß das Wetter von Gott kommt, und würde Gott desto weniger anrufen. Es werden auch die Leute desto wilder, wenn sie nicht vermahnt werden, Gott um Leben und Nahrung zu bitten. Doch muß das der Prediger viel besser ausrichten als die Glocken, sonst wird ein Teufelströdel daraus wie nie zuvor. So ist das Pacemläuten an vielen Orten dazu, da, daß die Leute wissen, welche Zeit es am Morgen ist, auch zu welcher Zeit sie des Abends vom Felde nach Hause gehen sollen. Da einige unrechterweise meinen, der reinen Jungfrau Maria müsse gedient werden, sollen die Leute unterrichtet werden, es geschehe daher, daß man bete wider den Teufel, jähen Tod und alles, was an Gefahr tags und nachts vorfallen kann, wie die alten Hymnen und Gesänge der Kompleten und Primen anzeigen. Insonderheit aber, daß man Gott um Frieden bitten soll, daß Friede eine Gabe Gottes sei, wie der 127. Psalm [1] sagt: „Wo der Herr nicht die Stadt behütet, arbeiten umsonst, die daran bauen, wo der Herr nicht die Staat behütet, wacht der Wächter umsonst“. Und im 68. Psalm [2]: „Gott hat zerstreut die Völker, die zu Kriegen Lust haben“, und andere Sprüche mehr.

Man soll auch. die Leute unterrichten, was für ein köstlich Ding Friede sei. Denn im Krieg können die Annen keine Nahrung suchen, auch kann man die Kinder nicht erziehen. Es werden Jungfrauen und Weiber geschwächt. Es geschieht allerlei Mutwillen nicht allein von Feinden, sondern auch von Freunden. In Kriegen gehen Recht und Gericht, alle Zucht und Gottesdienst unter. Darum soll man Gott billigerweise täglich bitten, daß er uns nicht mit dieser harten Rute strafe. Von solchen Dingen ist es nötig, oft zu predigen, denn es sind die rechten guten Werke, auf die uns die Schrift auch überall hinweist.

Das ist aber darum geschrieben, daß sich die Pfarrer um solcher Sachen willen nicht zanken sollen. Nicht, daß man solches Läuten halten müsse. Wo es abgeschafft ist, ist es nicht nötig, es wieder einzuführen.

Von der Einsetzung des Superintendenten

Dieser Pfarrer soll Aufseher sein über alle anderen Pfarrer, die im Amt oder Revier des Ortes leben, sie Unterständen Klöstern, Stiften, dem Adel oder anderen. Diese sollen fleißig Acht geben, daß in den Gemeinden recht und christlich gelehrt, das Wort Gottes und das heilige Evangelium rein und treu gepredigt und die Leute mit den heiligen Sakramenten nach der Einsetzung Christi richtig versehen werden, daß sie auch ein gutes Leben führen, damit sich das schlichte Volk bessere und kein Ärgernis nehme. Sie sollen nicht Gottes Wort entgegen predigen oder lehren oder was zum Aufruhr wider die Obrigkeit dient.

Wo nun solches von einem oder mehreren Pfarrern oder Predigern vernommen oder getan würde, den oder die soll der Superintendent zu sich fordern und ihn anweisen, davon abzustehen, ihn in Güte unterweisen, worin er geirrt, zuviel oder zuwenig getan habe, es sei in der Lehre oder im Leben. Würde er davon nicht lassen oder abstehen wollen, besonders wenn es falsche Lehre oder Aufruhr erweckt, so soll der Superintendent solches unverzüglich dem Amtmann angeben, der solches sofort unserm Gnädigsten Herrn, dem Kurfürsten, melden soll, damit seine Kurfürstliche Gnade darin angemessene Vorsorge treffen kann.

Es wird auch für gut angesehen und angeordnet wenn künftig ein Pfarrer oder Prediger im Bezirk stirbt oder fortgeht und andere an ihre Stelle durch ihre Patrone angenommen werden, der oder die sollen vorher, ehe sie mit der Pfarre belehnt oder alt Prediger angestellt werden, dem Superintendenten vorgestellt werden.

Der soll verhören, examinieren, ob sie in Lehre und Leben geschickt und das Volk mit ihnen genügend versehen sei, damit mit Gottes Hilfe fleißig verhütet werde, Ungelehrte und Ungeschickte zur Verführung des armen Volkes aufzunehmen. In den letztvergangenen Jahren ist man oft und in starkem Maße des inne geworden, wie viel Gutes und Böses von geschickten und ungeschickten Predigern zu erwarten ist. Daher wird man billigerweise bewogen, darauf ein fleißiges Auge zu haben, um weitere Unrichtigkeit und Beschwerung aus Gottes Gnade zu verhüten und ihnen zuvorzukommen, damit Gottes Name und Wort in uns nicht gelästert werden.

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