Luther, Martin - Vorrede zu den Schmalkaldischen Artikeln

Luther, Martin - Vorrede zu den Schmalkaldischen Artikeln

Da der Papst Paulus, des Namens der Dritte, ein Concilium ausschrieb im vergangenen Jahr, auf die Pfingsten zu Mantua zu halten, und hernach von Mantua wegruckt, daß man noch nicht weiß, wohin ers legen will oder kann, und wir uns auf unserm Theil versehen sollten, daß wir entweder auch zum Concilium berufen, oder unberufen verdammpt würden, ward mir befohlen, Artikel unsrer Lehre zu stellen, und zusammen bringen, obs zur Handlung käme, was und wie ferne wir wollten oder könnten den Papisten weichen, und auf welchen wir gedächten endlich zu beharren und zu bleiben.

Demnach habe ich diese Artikel zusammenbracht, und unserm Theil überantwortet. Die sind auch von den Unsern angenommen, und einträchtiglich bekennet und beschlossen, daß man sie solle (wo der Papst mit den Seinen einmal so kühne wollt werden, ohne lügen und trügen, mit Ernst und wahrhaftig, ein recht frei Concilium zu halten, wie er wohl schuldig wäre) öffentlich überantworten, und unsers Glaubens Bekenntniß fürbringen.

Aber weil sich der Römische Hof so greulich für einen freien Concilio fürchtet und das Licht so schändlich fleucht, daß er nun auch denen, die seines Theiles sind, die Hoffnung genommen hat, als werde er nimmermehr ein frei Concilium leiden, viel weniger selbs halten, daran sie sich denn, wie billig, fast ärgern, und nicht geringe Beschwerung darüber haben, als die dran merken, daß der Papst lieber wollte die ganze Christenheit verloren und alle Seelen verdammpt sehen, ehe er sich und die Seinen wollt ein wenig reformiren und seiner Tyrannei ein Maaß setzen lassen. So habe ich gleichwol diese Artikel indeß wollen durch öffentlichen Druck an den Tag geben, ob ich ja ehe sterben sollt, denn ein Concilium würde (wie ich mich ganz versehe und verhoffe) weil die lichtflüchtigen und tagscheuende Schelmen so jämmerlich Mühe haben, das Concilium zu verziehen und zu verhindern. Damit die, so nach mir leben und bleiben werden, mein Zeugniß und Bekenntniß haben fürzuwenden, über das Bekenntniß, das ich zuvor habe lassen ausgehen, darauf ich auch noch bisher blieben bin und bleiben will, mit Gottes Gnaden.

Denn was soll ich sagen? Wie soll ich klagen? Ich bin noch im Leben, schreibe, predige und lese täglich, noch finden sich solche giftige Leute, nicht allein unter den Widersachern, sondern auch falschen Brüdern, die unseres Theils seyn wollen, die sich unterstehen, meine Schrift und Lehre stracks wider mich zu führen. Lassen mich zusehen und zuhören, ob sie wohl wissen, daß ich anders lehre, und wollen ihren Gift mit meiner Arbeit schmücken, und die armen Leute unter meinem Namen verführen, was will ich doch immermehr nach meinem Tode werden?

Ja ich sollte billig Alles verantworten, weil ich noch lebe. Ja wiederumb, wie kann ich allein alle Mäuler des Teufels stopfen? Sonderlich denen (wie sie alle vergiftet sind), die nicht hören, noch merken wollen, was wir schreiben, sondern allein an dem sich üben mit allem Fleiß, wie sie unsere Wort in allen Buchstaben aufs schändlichste verkehren und verderben mögen. Solchen lasse ich den Teufel antworten oder zuletzt Gottes Zorn, wie sie verdienen.

Ich denke oft an den guten Gerson, der zweifelt, ob man etwas Guts sollt öffentlich schreiben. Thut mans nicht, so werden viel Seelen versäumet, die man könnte erretten. Thut mans aber, so ist der Teufel da, mit unzähligen giftigen Mäulern, die Alles vergiften und verkehren, daß doch die Frucht verhindert wird. Doch was sie dran gewinnen, siehet man am Tage; denn sintemal sie so schändlich wider uns gelogen und die Leute mit Lügen haben wollen behalten, hat Gott sein Werk immer fort getrieben, ihren Haufen immer kleiner und unsern größer gemacht und sie mit ihren Lügen zu Schanden lassen werden, und noch immer fort.

Ich muß eine Historia sagen. Es ist hie zu Wittenberg gewest aus Frankreich ein Doctor gesandt, der für uns öffentlich sagt, daß sein König gewiß und über gewiß wäre, daß bei uns keine Kirche, keine Oberkeit, kein Ehestand sey, sondern ginge Alles unter einander, wie das Vieh und thät Jedermann, was er wollt. Nun rath, wie werden uns an jenem Tage für dem Richterstuhl Christi ansehen die, so solche grobe Lügen dem Könige und andern Landen durch ihre Schrift eingebildet haben für eitel Wahrheit? Christus unser aller Herr und Richter weiß ja wohl, daß sie lügen und gelogen haben, das Urtheil werden sie wiederumb müssen hören, das weiß ich fürwahr. Gott bekehre, die zu bekehren sind, zur Buße. Den andern wird’s heißen Weh und Ach ewiglich.

Und daß ich wiederkomme zur Sache: möchte ich fürwahr wohl gern ein recht Christlich Concilium sehen, damit doch viel Sachen und Leuten geholfen würde. Nicht daß wirs bedürfen, denn unsere Kirchen sind nun durch Gottes Gnaden mit dem reinen Wort und rechten Brauch der Sacramente, mit Erkenntniß allerlei Stände und rechten Werken also erleuchtet und beschickt, daß wir unserthalben nach keinem Concilio fragen und in solchen Stücken vom Concilio nichts Bessers zu hoffen noch zu gewarten wissen. Sondern da sehen wir in den Bisthumen allenthalben viel Pfarren ledig und wüste, daß einem das Herz möcht brechen. Und fragen doch weder Bischofe noch Domherren darnach, wie die armen Leute leben oder sterben, für welche doch Christus ist gestorben und sollen denselben nicht hören mit ihnen reden, als den rechten Hirten mit seinen Schafen. Daß mir grauet und bange ist, er möchte einmal ein Engelconcilium lassen gehen über Deutschland, das uns alle in Grund verderbet: wie Sodom und Gomorra, weil wir sein so frevelich mit dem Concilio spotten.

Über solche nöthige Kirchensachen wären auch im weltlichen Stande unzählige große Stück zu bessern, da ist Uneinigkeit der Fürsten und Stände. Wucher und Geiz sind wie ein Sündfluth eingerissen und eitel Recht worden, Muthwill, Unzucht, Übermuth mit Kleiden, Fressen, Spielen, Prangen, mit allerlei Untugend und Bosheit, Ungehorsam der Unterthanen, Gesinde und Arbeiter, aller Handwerk, auch der Bauern Übersetzung (Übertheuerung, Prellerei.) (und wer kanns alles erzählen?) haben also überhand genommen, daß mans mit zehn Conciliis und zwanzig Reichstage nicht wieder wird zu recht bringen. Wenn man solche Hauptstück des geistlichen und weltlichen Standes, die wider Gott sind, im Concilio würde handeln, so würde man wohl zu thun kriegen alle Hände voll, daß man dieweil wohl würde vergessen des Kinderspiels und Narrenwerks von langen Röcken, großen Platten, breiten Gürteln, Bischofs und Cardinals Hüten oder Stäben und dergleichen Gaukelei. Wenn wir zuvor hätten Gottes Gebot und Befehl ausgerichtet im geistlichen und weltlichen Stande, so wollten wir Zeit genug finden, die Speise, Kleider, Platten und Tafel zu reformiren. Wenn wir aber solche Kamelen verschlingen und dafür Mücken feigen, die Balken lassen stehen und die Splitter richten wollen, so möchten wir wohl auch mit dem Concilio zufrieden seyn.

Darumb hab ich wenig Artikel gestellet: denn wir ohne das von Gott so viel Befehl haben, in der Kirchen, in der Oberkeit, im Hause zu thun, daß wir sie nimmermehr ausrichten können. Was solls denn? oder wozu hilfts? daß man drüber viel Decret und Satzungen im Concilio machet. Sonderlich, so man diese Hauptstück, von Gott geboten, nicht achtet noch hält. Gerade als müßte er unser Gaukelspiel feiern, dafür, daß wir seine ernste Gebot mit Füßen treten. Aber unsere Sünden drücken uns und lassen Gott nicht gnädig über uns seyn, denn wir büßen auch nicht, wollen dazu noch allen Greuel vertheidingen.

Ach lieber Herr Jesu Christe, halt du selber Concilium, und erlöse die Deinen, durch deine herrliche Zukunft. Es ist mit dem Papst und den Seinen verloren. Sie wollen dein nicht. So hilf du uns Armen und Elenden, die wir zu dir seufzen und dich suchen mit Ernst, nach der Gnade, die du uns gegeben hast, durch deinen heiligen Geist, der mit dir und dem Vater lebet und regieret, ewiglich gelobet, Amen.

Quelle: Meurer, Moritz - Der Tag zu Schmalkalden und die Schmalkaldischen Artikel

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