Luther, Martin - Vorrede auf den Prediger Salomo.

Luther, Martin - Vorrede auf den Prediger Salomo.

Dieß Buch heißt auf Ebräisch Koheleth, das ist einer, der offentlich in einer Gemeine redet. Denn Kahal heißt eine Gemeine, versammlet bei einander, die man auf Griechisch Ekklesia nennet. Es ist aber das Buch freilich nicht durch den König Salomo selbs mit eigener Hand geschrieben oder gestellet, sonder aus seinem Munde durch andere gehöret, und von den Gelehrten also zusammen gefaßt; wie sie denn selbst am Ende bekennen, da sie sagen: Diese Worte der Weisen sind Spieß und Nägel, gestellt durch die Meister der Gemeine, und von einem Hirten dargeben, das ist, es seind zu der Zeit von Königen und Volk etliche auserwählete verordent gewest, dieß und ander Bücher, von Salomo, dem einigen Hirten, dargereicht, also zu stellen und ordenen, daß nicht ein Iglicher hat müssen Bücher machen, wie ihn gelustet; wie daselbst sie auch klagen, daß Büchermachens kein Ende ist, und verbieten andere anzunehmen.

Solche Leut nennen sich hie Meister der Gemeine, daß die Bücher haben müssen durch ihr Hand und Ampt angenommen und bestätigt werden. Denn das judisch Volk hatte ein äußerlich Regiment, von Gott eingesetzt, darumb solchs wohl gewiß und recht geschehen künnt. Also ist auch dieß Buch der Sprüch Salomo zusammen gestückt durch Andere, und hinten dran etlicher weiser Männer Lehre und Sprüch hinzugesetzt. Item, das hohe Lied Salomo stehet auch als ein gestückt Buch, von Andern aus Salomo Munde genommen. Daher auch kein Ordenung in diesen Büchern gehalten ist, sonder eins ins ander gemengt, wie sie es nicht alles zu einer Zeit noch auf einmal von ihm gehört haben, wie solcher Bücher Art sein muß.

Nun dieß Buch sollt billig den Titel haben, daß es wider den freien Willen geschrieben wäre. Denn es alles dahin zeucht, daß aller Menschen Rath, Anschläge und Fürnehmen umbsonst und vergeblich seind, und immer anders hinaus gehet, denn wir wollen und denken: auf daß er uns lerne gelassen stehen, und Gott lassen alleine alle Ding, über, wider und ohn unsern Wissen und Rath thun. Darumb mußt du nicht dieß Buch also verstehen, als schelte es die Creaturn Gottes, wenn es spricht: es sei alles eitel und Jammer rc.; denn Gottes Creaturn sind alle gut, Gene. 1 und 1. Tim. 4, auch lehret es selbst, daß Einer soll guten Muth haben mit seim Weibe, und des Lebens brauchen rc., sonder daß die Anschläge und Fürnehmen der Menschen mit den Creaturen zu fahren, allzumal feihlen, und vergeblich seind, wenn man sich nicht läßt benügen an dem, das fürhanden gegenwärtig ist, sonder will aufs künftig sie meistern und regiern. So gehts allwege den Krebsgang, daß man nicht mehr denn verlorne Sorge und Mühe gehabt hat, und geschieht doch, was Gott will und denkt, nicht was wir wollen und denken. Summa, da Christus spricht, Matth. 6: Sorget nicht für den morgend Tag; denn der morgend Tag wird seine selbs Sorge haben. Es ist gnug, daß ein iglich Tag sein Uebel hat. Dieser Spruch ist die Glosse und Inhalt dieses Buchs. Sorgen für uns gehört Gott zu: unser Sorgen feihlt doch, und gibt eitel verlorne Mühe.

Quelle:
Dr. Martin Luther's
sämmtliche Werke.
Drei und sechzigster Band:
Vierte Abtheilung
Vermische deutsche Schriften
Eilfter Band.
Frankfurt a.M. und Erlangen,
Verlag von Heyder & Zimmer.
1854

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autoren/l/luther/v/luther-vorrede_auf_den_prediger_salomo.txt · Zuletzt geändert: von aj
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