Luther, Martin - Mittwoch nach Ostern.

Luther, Martin - Mittwoch nach Ostern.

Evangelium: Joh. 20,11-18.

So ist nun das mächtig groß, das er sagt: „Und zu eurem Vater“. Das ist eine ganze und reiche Brüderschaft, daß Gott nicht mit uns zürnt, uns richtet oder unser Tyrann und Henker ist, sondern unser Vater. Also thut er mit dem Wort den Himmel auf und schließt allen Gläubigen auf die väterlichste Gnade und Barmherzigkeit. Der arme Petrus sitzt in dem Saal, und wenn er den Namen Gottes nur hört, so erschrickt sein Herz davor. Denn er kann nicht anders denken: Gott ist der Sünder Feind und hat die Hölle geschaffen, die Sünder zu strafen; wie wir denn auch denken müssen. Soll nun S. Peter und wir auch einen andern Anblick überkommen, so muß es anders zugehen. Ein böses Gewissen kann nicht anders. Was aber gar ruchlose Leute sind, wohlan, die werden's einmal auch finden. So will nun Christus mit den Worten ein solches Herz gar auswaschen und spülen1) und spricht: Lieber, es ist nicht also, wie du dich läßt dünken; ich bin dein Brüder, so ist mein Vater auch dein Vater. Also nimmt er aus dem Herzen den zornigen Anblick und legt einen freundlichen und rechten Anblick an die Statt. So denke du ihm nach, wie eines Vaters Herz gegen seine Söhne und Kinder steht. Ich rede jetzt nicht von solchen Vätern, wie man ihrer auch etliche findet, die nicht würdig sind, daß man sie soll Menschen heißen, die der Kinder gar nicht achten. Sehen wir doch in den wilden Thieren, daß einem natürlichen Geschöpf von Natur eingepflanzt ist, daß sie ihre Jungen lieb haben; ich geschweig' der Menschen, die über das noch Witz und Vernunft haben. So gibt uns Christus mit diesem Wort alles, das der Vater hat und vermag, daß wir dasselbe zum Erbfalle2) sollen haben. Wenn einer das glaubt, was will daraus folgen? Nämlich das, daß ich denke: Wohlan, ist er Vater und kein schreckliches, zorniges Bild, vor wem will ich mich fürchten oder besorgen? Er ist ja größer, mächtiger, gewaltiger, denn die ganze Welt und alle Creaturen. Da sieht einer nichts denn väterliche Güte.

Nun, die solches nicht glauben, sind wir. So haben wir das zuvor, daß wir nicht geschickt sind zu solchem Erbe. Mein Herz sagt immer: Ich wollt's alles gern glauben, wenn ich wäre wie S. Peter oder S. Paulus. Also wollen wir immer mit Werken hinan; geschenkt wollen wir's nicht haben und sprechen: Ich glaube, daß Maria, S. Peter, S. Paul Brüder Christi sind; aber ich hab's nicht verdient, bin auch nicht würdig einer solchen großen Ehre. Das aber sind lauter Narrentheidinge. Hörst du nicht, daß es ein Geschenk ist? S. Peter ist ebensowohl ein armer, dürftiger Sünder als du. So sagt nun das Wort allen beiden, zu dir gleich so wohl als zu S. Peter, daß du Gottes Sohn und Gott dein Vater sei, daß dir Gott nicht mehr wolle schrecklich noch feind sein. S. Peter nun ergreift solches Wort und hat's auch. Willst du auch werden wie S. Peter, so thue auch also und ergreif das Wort. Lieber Herr Gott, ist es doch nicht um mehr zu thun, denn daß man's fasse und halte nur darauf und lasse sich's schenken! So glaube nur dem Worte und sei hoffärtig, poche und trotze darauf, denn der Schatz ist Pochens und Trotzens wohl werth. Christus will dein Bruder sein, so will Gott dein Vater sein, so müssen nun auch alle Engel deine Freunde sein, und es müssen lachen und sich mit dir freuen Sonne, Mond und Sterne; die Hölle muß ganz und gar zugeschlossen sein und muß nichts andres da sein, denn der väterliche und gnädige Wille Gottes.

Siehe, so schön und lieblich kann der Mann reden. Ich meine, das sei eine rechte Bruderschaft, daß er zu der lieben Maria anhebt und ihr befiehlt: Gehe hin und sprich zu denen, die mich verleugnet und treulos an mir geworden sind, daß sie meine Brüder sind und daß ich verschaffen will, daß mein Vater auch ihr Vater sein soll. Es ist nicht vonnöthen, daß du dies oder jenes thust, fastest, Kirchen bauest, Messe haltest, dich also oder also kleidest, hier oder dahin wallfahrten laufest. Thu unserm Herr Gott nur so viel Ehre und nimm es an, was er dir gibt, und glaube, was er dir zusagt. Dieser Wille des Vaters ist nicht schwer zu halten; dennoch thun wir's nicht. Das macht nichts anders, denn die Sünde, die uns so gar eingenommen und umgeben hat und so hart an uns hängt und klebt und uns dehnt (wie es Hebr. 12,1 nennt), daß einer immer gern etwas wollte wissen, das er gethan hätte, darauf er sich möchte verlassen. Ich kann es auch noch schwerlich fassen und bin dennoch darob also zerschmettert und zerschlagen, daß ich kaum bei dem Leben geblieben bin. Das ist der rechte Mühlstein, den man nimmer kann vom Hals bringen. Darum muß man immer daran lernen und sich üben, daß Christus unser Bruder und Gott unser Vater sei. Wenn's nun das Herz glaubt, so kann einer darnach den Hals fein frisch dahin strecken und sagen: Lieber Gott, ich muß das Leben lassen um deines Wortes willen, das will ich gern thun; denn ich weiß, daß du mein Vater bist: so kannst du mir das Leben wieder geben, ob ich gleich todt bin3).

1)
alle Gewissensbisse daraus wegschaffen
2)
Erbe
3)
1531, E. A. 18,18
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