Luther, Martin - Predigt am 10. Sonntag nach Trinitatis

Luther, Martin - Predigt am 10. Sonntag nach Trinitatis

Lukas 19, 41-48

Und als er nahe hinzu kam, sahe er die Stadt an, und weinte über sie, und sprach: Wenn du es wüßtest, so würdest du auch bedenken zu dieser deiner Zeit, was zu deinem Frieden dienet. Aber nun ist's vor der einen Augen verborgen. Denn es wird die Zeit über dich kommen, daß deine Feinde werden um dich und deine Kinder mit dir eine Wagenburg schlagen, dich belagern, und an allen Orten ängsten, und werden dich schleifen, und keinen Stein auf den anderen lassen, darum, daß du nicht erkannt hast die Zeit, darinnen du heimgesucht bist. Und er ging in den Tempel und fing an auszutreiben, die darinnen verkauften und kauften, und sprach zu ihnen: Es stehet geschrieben: Mein Haus ist ein Bethaus; ihr aber habt es gemacht zur Mördergrube. Und er lehrte täglich in Tempel. Aber die Hohenpriester und Schriftgelehrten und die Vornehmsten im Volke trachteten ihm nach, daß sie ihn umbrächten, und fanden nicht, wie sie ihm tun sollten; denn alles Volke hing ihm an, und hörete ihn.

Dies Evangelium sollen die Christen fleißig merken, daß sie daraus lernen Gott fürchten. Denn es ist der schrecklichen Evangelien eins in Lukas; sollte deshalb uns also zu Herzen gehen, daß wir es nie vergessen. Denn hier hören wir, was für ein großer Zorn und Ernst über Jerusalem ergangen ist. Daraus können wir gewiß schließen: Wer in seiner Bosheit sicher fein und in Sünden fortfahren will, der soll sich nicht in den Sinn nehmen, daß er der Strafe entlaufen werde. Denn so Gott der trefflichen, hoch begnadeten Stadt nicht verschonet hat, weil sie Gottes Wort gehabt, und doch sich nicht gebessert hat: so denke nur jedermann, und lasse in Zeiten von Sünden ab und bessere sich; sonst wird gewißlich die Strafe und der Zorn nicht außen bleiben.

Nun ist aber der Zorn und Jammer, so über diese Stadt und Volk ergangen, so groß, daß es dem Herrn Christus selbst zu Herzen geht und er bitterlich darüber weint, daß die schöne Stadt so jämmerlich umkommen und zerrissen werden soll, daß nicht ein Stein auf dem anderen bleiben soll, und wünscht: Ach Jerusalem! Wenn du es wüßtest, und solchen künftigen Jammer glaubtest, der über dich kommen wird, so würdest du gewiß nicht so sicher sein, sondern auch weinen, und bedenken, was zu deinem Frieden dienet, und bitten, daß dir Gott wollte gnädig sein.

Obwohl nun der Herr allein von Jerusalem redet, so will er doch damit gewarnt und gedroht haben allen denen, die Gottes Wort haben, und es doch vergeblich hören und verachten, daß sie nicht sicher sein, noch sich darauf verlassen sollen, als sollte es ihnen Gott schenken. Nein, die Strafe wird sich finden, so wahr Gott lebt. Darum soll nun man sich vor allen Sünden, sonderlich aber vor der hüten, die da heißt, Gottes Wort oder die Zeit der Heimsuchung, verachten, das ist, Predigt hören, und doch sich nicht bessern, sondern in Sünden immerdar fortfahren, man predige und sage, was man wolle. Die Strafe auf solche Sünde bleibt gewiß nicht außen, ob sie gleich eine Zeitlang aufgehalten wird.

So wird nun in diesem Evangelium uns vorgehalten ein sonderliches Beispiel des schrecklichen Urteils Gottes über seine liebste und heilige Stadt Jerusalem und sein eigen Volk, welche Stadt unseres lieben Herrn Gottes eigen Haus, und das Volk sein eigen Hausgesinde gewesen ist. Denn Jerusalem ist gleich als ein halber Himmel gewesen, da Gott selbst mit seinen Engeln gewohnt hat, da aller Gottesdienst geordnet, da alle Patriarchen gelebt und ihr Begräbnis gehabt, da endlich Christus, der Sohn Gottes, selbst gewandelt, gestorben, begraben, auferstanden und den Heiligen Geist gegeben hat. Das also diese Stadt mit Heiligkeit dermaßen überschüttet, daß ihresgleichen auf der ganzen Welt nicht gewesen ist, noch sein wird, bis an den jüngsten Tag. Dennoch solches alles unangesehen, da sie Gottes Wort nicht annehmen und demselben nicht folgen wollte, hat unser Herr Gott so fest über seinem Wort gehalten, daß seine liebste Stadt auf das greulichste hat müssen verwüstet werden. Wieviel weniger wird er es anderen Städten schenken, die Jerusalem das Wasser nicht reichen können, und andern Völkern, die ihm nicht so nahe zugehören, als die Juden, die seine Blutsfreunde waren.

Darum sollen man bei diesem Beispiel Gottes Zorn merken, und sich vor Verachtung des Wortes hüten, daß man nicht sage, wie wir häufig tun: Ei, Gott wird nicht so zornig sein, er wird nicht so hart strafen. Denn so er die heilige Stadt Jerusalem, sein höchstes Kleinod auf Erden, also zerreißen lassen hat, daß kein Stein auf dem anderen geblieben ist, darum daß die Juden das Evangelium hörten und sich nicht besserten: so darfst du nicht denken, daß er es uns schenken werde, wenn wir in dergleichen Sünde auch liegen. Denn Jerusalem wurde so verwüstet, daß man nicht sagen könnte, daß dort je ein Haus gestanden hätte.

Es hat aber Gott diese greuliche Strafe eben dazumal gehen lassen, da das jüdische Volk sich mit Haufen gen Jerusalem auf das Osterfest versammelt hatte und fast in die hunderttausend Menschen (wie es die Historien Zeugen) da gewesen sind. Denn Gott gedachte ein groß Feuer anzuzünden, darum brachte er die Brände all zu Haufen. Da er sie nun wie einen großen Scheiterhaufen, ja, wie einen Wald, hatte zusammen gerafft, führte er die Römer über sie, daß sie es ansteckten und verbrannten. Josephus sagt, daß von der Zeit der Belagerung an, bis die Stadt erobert, in die zehnmal hunderttausend erschlagen und an der Pest gestorben, und 97000 gefangen worden sind. Die sind so verachtet und unwert gewesen, daß man 30 Menschen für einen Schilling verkauft hat. Also mußte Christus gerächt werden, den sie um 30 Silberlinge verkauft hatten.

Dies ist nun die klägliche jämmerliche Strafe, welche Gott über sein Volk verhängt und damit ein Ende gemacht hat, welches er doch mit so großer Herrlichkeit und Wunderzeichen aus Ägypten geführt, in das Land Kanaan gesetzt, ihr Vater gewesen, so freundlich mit ihnen geredet und umgegangen ist. Da sie aber sein Wort verachteten und ihm nicht folgen wollten, hat er solchen Zorn und greuliche Strafe über sie gehen lassen.

Solchen Jammer sieht der Herr, daß er nicht weit sei, weint deswegen und spricht: «Wenn du es wüßtest, so würdest du auch bedenken zu dieser deiner Zeit, was zu deinem Frieden diente. Aber nun ist es vor deinen Augen verborgen.» Darum gehst du sicher hin, als hätte es nicht Not mit dir. Aber es wird nicht lange so bleiben, es wird müssen brechen; und ist schon vor der Hand, ohne daß es noch verborgen ist und du es nicht siehst.

Hier möchte einem einfallen, warum doch unser Herr Gott die Strafe verbirgt? Warum läßt er sie nicht alsbald gehen? Antwort: Er tut es darum, daß er seine Geduld damit beweisen, und sehen will, ob wir uns bessern und Gnade suchen wollen. Denn wenn er sobald sollte mit dem Donner und Blitzen dazwischen schlagen, so könnte keiner von uns sieben Jahre alt werden. Darum hält er mit der Strafe an sich, uns Zeit und Raum zu lassen, daß wir uns bessern. Solches steht Gott wohl an, der preiset damit seine Barmherzigkeit gegen uns. Der Teufel aber ist ein zorniger Geist, der tut es nicht; wenn er einen könnte mit einem Strohhalm totschlagen, er täte es, und würde sich nicht lange aufhalten lassen. Aber Gott ist gnädig, darum will er die Strafe aufhalten, aber nicht nachlassen.

Das macht die Leute sicher, daß sie sich nicht allein bessern, sondern je länger je ärger werden. Wie man sieht: Ein Ehebrecher, Wucherer, Dieb, weil die Strafe nicht sobald kommt, läßt sich denken, es habe noch lange nicht Not. Aber hüte dich, laß dich nicht verführen noch betrügen. Denn hier hörst du, daß Gott die Strafe wohl aufhalte und verberge; aber ist sie nicht aufgehoben. Darum kehre beizeiten um, tu Buße und bessere dich. Das meint hier Christus, da er spricht: «Nun aber ist es vor deinen Augen verborgen»; als sollte er sagen: Laß dich nicht betrügen, daß die Strafe verborgen ist. Du wirst mich töten und mein Blut vergießen, wie du mit anderen Propheten vor mir auch getan hast. Ich schweige still dazu, lasse es geschehen und leide es. Solches macht, daß du denkst, es werde immer so gehen und ungestraft bleiben. Deswegen tut niemand mit Ernst dazu, daß er frömmer würde und sich besserte. Aber sieh dich vor, du bist vor der Strafe nicht sicher. Wenn du zu überreden wärest, daß du es glauben könntest, so würdest du danach denken, wie du vor der Strafe fliehen kannst. Aber du glaubst es nicht; darum gehst du so sicher hin, läßt die Zeit deiner Heimsuchung, darin du gewarnt wirst und wieder zu Gnaden kommen könntest, vorüber rauschen, bist sicher und besserst dich nicht. Das ist eben die Sünde, darum Gottes Zorn dich überfallen und übereilen wird.

Hier lerne mit Fleiß und merke, was Gott für die größte Sünde achtet, die er am wenigsten dulden und leiden kann, nämlich, daß sein Volk die Zeit seiner Heimsuchung nicht erkannt hatte. Denn der Herr schweigt hier aller anderen Sünden, und gedenkt allein dieses, daß sie sicher dahin gegangen und sich nicht allein an der Propheten Ermahnung und Drohung gekehrt, sondern sie auch verfolgt, und viel unschuldiges Blut vergossen haben, bis daß, wie die Schrift sagt, Jerusalem hier und da voll Blut ward (gleich wie heutigen Tages Deutschland sich versündigt mit viel Verfolgung des Wortes und seiner Diener). Neben dieser Sünde gingen mit Macht Ehebruch, Hurerei, Wucher, Geiz, Stehlen, Schwelgen, Saufen und was da noch ist.

Solche Untugend, sagt Christus hier, wollte ich mit dem Wort strafen, und auch lehren, daß ihr sollt fromm sein und euch bessern. Um dieser Ursache Willen habe ich zuvor meiner Propheten, Johannes und meine Apostel geschickt; ja, ich selbst bin aufgetreten, habe gepredigt, Wunderzeichen getan, und alles vorgenommenen, was euch zur Besserung dienen möchte. Nun sollten alle anderen Sünden, so groß und viel ihrer auch sind, euch nicht schaden, sondern vergebenen und in Ewigkeit nicht mehr gedacht werden; Jerusalem sollte wohl stehen und von den Feinden unangefochten bleiben: wenn ihr nur die Zeit teurer Heimsuchung erkennet. Denn ich komme zu euch nicht mit dem Schwert, nicht mit der Keule, sondern sanftmütig und ein Heiland. Ich predige und schreie: tut Buße, bessert euch und seid fromm. Hört doch und folgt, ehe der Zorn mit Macht kommt. Also suche ich euch heim.

Ja wohl, da wird nichts aus. Alle eure Sünden macht ihr damit größer, daß ihr auch die Heimsuchung nicht erkennt, annehmt und leiden wollt. Darum geht es, wie das Sprichwort lautet: wem nicht zur raten ist, dem ist auch nicht zu helfen. So gehen auch die Juden mit unseren Herrn und Gott um. Er läßt euch durch mich Vergebung der Sünden anbieten, will euer gnädiger Gott sein, alles gern vergessen und vergeben: nur, daß ihr noch aufhört von den Sündern und nehmt sein Wort an. Ihr aber macht weiter, lästert mich, sagt: Ich habe den Teufel, heißt meine Predigt eine Ketzerei, wollt mich dazu an das Kreuz schlagen, werdet auch nicht eher zufrieden sein, ihr habt es denn ausgerichtet. Das ist aber erst der Teufel, wenn Gott nicht allein Sünde vergeben und gnädig sein, sondern auch große, hohe Gaben schenken will, daß man ihm den Rücken Wende und seine Gnade noch auf das greulichste lästert. Wenn es so weit kommt, kann ich nicht mehr halten, es muß die Strafe folgen. Denn wo man Vergebung der Sünden und Gottes Gnade nicht leiden kann, da ist weder Rat noch Hilfe.

Und das ist die Hauptursache, daß der Zorn Gottes so überaus groß und schrecklich ist. Denn weil die Juden sein Wort weder sehen noch hören wollten, also hat Gott danach ihr Schreien, Beten, Gottesdienst und anderes auch weder sehen noch hören wollen, und ist sein Zorn nicht eher gestillt, bis Jerusalem zugrunde getilgt ist, daß kein Stein auf dem anderen geblieben ist. Das haben sie so gewollt. Das ist nun das schreckliche Beispiel, welches der Evangelist uns zur Besserung geschrieben hat, daß wir Gottes Wort nicht verachten und die Zeit unserer Heimsuchung nicht sollen ohne Frucht vorüber lassen.

Das ist besonders zu merken, daß der Herr spricht: «Aber nun ist es vor deinen Augen verborgen.» Denn so geht es oft, daß man nicht denkt, daß Gott strafen werde; sondern weil Gott aus Güte mit der Strafe verzieht und auf Besserung wartet, denkt die Welt, er werde immer still verschweigen. Aber hütet euch, spricht Christus; ob ihr die Strafe gleich nicht sehet, so haltet es doch für gewiß, wenn ihr euch nicht bessert, so wird die Strafe nicht außen bleiben. Denn wenn Gott auch eine Zeitlang verzieht, hat er gleich wohl überall so viel Netze und Stricke gelegt, so viel Mausefallen um der bösen Buben willen gerichtet, daß es unmöglich ist, daß du ihm entlaufen solltest.

Zu dem hat er Vater und Mutter, Herr und Frau im Haus das Regiment befohlen, daß sie sollen auf böse Kinder und Gesinde Achtung haben. Wer nun dieses alles nicht beachten will, dem befiehlt er der weltlichen Obrigkeit, die Obrigkeit ist aber ein grober Prediger, hat so eine harte Stimme, daß er dir den Kopf vom Hals wegnehmen kann. So ist der Teufel auch noch da, der kann (wo du dich nicht bessern willst) aus dem Verhängnis welches Gott über dich verhängt, dich strafen mit Pestilenz, Hunger, Wasser, Feuer. Darum niemand denken soll, er könne es führen und der Strafe entlaufen. Willst du nicht fromm sein und Gottes Wort dich nicht lassen weisen, so muß dich der Henker oder der Teufel ohne deinen Dank weisen und führen lassen; aber bestimmt mit deinem Schaden und Verderben.

Darum sollst du keinen Unterschied machen zwischen der Strafe, die verborgen ist und die gewiß ist. Daß sie nun verborgen ist, daß betrügt die Leute. Wie Salomon auch sagt: Es sei nicht gut, daß die Leute nicht sofort bestraft werden und unser Herr Gott so lang still schweigt; denn sie werden nur desto mutwilliger.

Ein Dieb, der heute stiehlt, wenn es ihm gelingt, stiehlt er morgen wieder, und denkt, es werde immer so weiter gehen; solches bringt ihm zuletzt an den Galgen. Daß er aber bedächte, beizeiten aufzuhören und nicht mehr zu stehlen, da wird nichts draus. Also tun Ehebrecher, Wucherer, und in der Summe alle Sünder: je besser es ihnen gelingt, je hitziger und fleißiger sie darauf werden. Denn sie sehen und kennen diese Worte nicht, obgleich die Strafe verborgen ist, daß sie dennoch gewiß ist. Wie es sich allewege findet, daß, dem Sprichwort nach, der Krug so lange zum Brunnen geht, bis er einmal zerbricht.

Darum hüte dich, und laß dich nicht betrügen. Ob die Strafe schon verborgen ist, bis sie doch gewiß und wird nicht außen bleiben. Wie die Heiden aus der Erfahrung gelehrt und darum gesagt haben: Wenn unser Herr Gott kommen und strafen wolle, so ziehe er wollene Socken an, daß er leise gehen und man ihn nicht hören kann. Das ferner, und sei darum nicht sicher, ob unser Herr Gott nicht schnell zuschmeißt; sondern fürchte dich und sieh dich vor. Denn er hat so viel Engel, so viel Knechte, so viel Plagen, Krieg, Hunger, Pestilenz, daß er dich wohl treffen kann. Er kann die Luft voll Feuer machen und dich verbrennen. Er kann dich im Wasser ersäufen, mit Gift, durch unreifes oder ungesundes Obst erwürgen. In der Summe, der Stricke und Netze sind tausend und aber tausend, die Gott den bösen Buben und unbußfertigen Sündern stellen läßt.

Das ist nun die Ursache, daß unser lieber Herr Christus so treulich warnt, weint und spricht: Sieh dich vor, Jerusalem; weil die Strafe verborgen ist, meinst du, sie werde außen bleiben; aber du irrst dich. Denn die Strafe ist darum nicht verborgen, daß du frei sein sollst; sondern daß du nur desto gewisser getroffen werden sollst, wenn du die Zeit deiner Heimsuchung nicht erkennen willst. Willst du nun solches verziehens nicht mißbrauchen, sondern recht gebrauchen, so höre beizeiten auf zu sündigen, halte dich hierher zum Wort, so wird dir Rat geschafft; wo nicht, so mußt du verderben.

Auf solche Weise Predigt uns der Liebe Petrus 2. Petrus 3,15. «Die Geduld oder Langmütigkeit unseres Herrn,» spricht er, «achtet für eure Seligkeit.» Das ist, laßt euch dünken, es sei euer Heil, es geschehe euch zum Besten, daß ihr nicht verdammt werdet. Denn so Gott immer straft, wie und nach dem wir verdienen, so würde, wie ich oben gesagt, unser keiner über sieben Jahre kommen. Nun, er tut es nicht, sondern ist langmütig, hält an sich und verzieht mit er Strafe. Das, spricht Petrus, achtet dafür, es geschehe um eurer Seligkeit willen, daß ihr sagen sollte: Ach Herr! Ich habe leider viel und oft gesündigt, jetzt in dem, jetzt in einem anderen. Nun kommt die Strafe nicht, sondern verzieht. Was bedeutet es aber? Gewiß anderes nicht, denn daß, ob die Strafe gleich verborgen ist, sie doch gewiß kommen wird. Darum, lieber Vater, vergib, ich will ablassen und mich bessern. Dieser Spruch vom Petrus ist sehr wohl zu merken, daß die Geduld Gottes unsere Seligkeit sei.. «Denn Gott,» spricht er kurz zuvor, «will nicht, daß jemand verloren werde, sondern daß sich jedermann zur Buße kehre.» Deswegen wo Gott die Strafe verzieht, geschieht es uns zum Besten. Wer aber nicht ablassen, sondern in Sünden fortfahren und solcher Geduld Gottes mißbrauchen will, da muß der Krug letztlich brechen. Wie man sieht: weil der Dieb nicht beizeiten aufhören will zu stehlen, wird er zuletzt dem Henker zu Teil; ein unzüchtiges Weib, die von ihrer Büberei nicht ablassen will, wird endlich zu Schanden vor jedermann. Sonderlich aber hat es Gott mit der Stadt Jerusalem bewiesen, ob er wohl die Strafe verbirgt und aufhält, daß er doch endlich kommen will und den Ungehorsam uns nicht schenken.

Darum lerne jedermann Gott fürchten, jedermann, Groß und Klein, jung und alt, lerne, wenn er unrecht tut und davon nicht ablassen will, daß die Strafe nicht werde außen bleiben. Denn da steht Jerusalem zum ewigen Beispiel, die heilige, schöne Stadt, welcher auch die heidnischen Geschichten das Lob geben, daß sie die herrlichste, berühmteste Stadt in den Morgenländern gewesen; da die ist dahin und zu Grunde vertilgt, daß niemand weiß, wo ein Haus gestanden ist, darum, daß sie von Sünden nicht ablassen und sich an das Wort nicht hat kehren wollen. Dies Beispiel hält uns der Herr im heutigen Evangelium vor, daß wir es zu Herzen nehmen sollen und uns bessern; oder wissen, wenn wir von Sünden nicht ablassen, dem Wort nicht folgen und es mit Glauben annehmen wollen, daß Gott mit der Strafe nicht will außen bleiben, ob er gleich eine Zeitlang damit verzieht; welches uns, wie gesagt, zum Besten geschieht, daß wir der Zeit wohl brauchen und von Sünden ablassen sollen. So du aber dich nicht bessern, sondern nur darum desto frecher werden und deinen Mutwillen desto mehr nachkommen willst; so wisse, daß das böse Stündlein, ehe denn du dich versiehst, kommen wird, da dich unser Herr Gott auch schreien lassen wird, aber nicht hören.

Denn mit den Juden tat er auch also. Die Belagerung wehrte nur kurze Zeit, von Ostern bis auf den Herbstmond da hatten sie in der Stadt alle Tage so ein Opfern, so ein Singen und Beten, daß es wie ein Wunder war. Aber es war alles umsonst. Gott hatte seine Ohren zugestopft und wollte nicht hören. Aber es wollte bei dem verstockten Volk nicht sein. Darum, da er die Strafe offenbarte, verbarg er sich auch und wollte sich nicht finden lassen. Wie Hosea dem Königreich Israel auch droht am 5. Kapitel Vers 6: «sie werden kommen mit ihren Schafen und Rindern, den Herrn zu suchen, aber nicht finden; denn er hat sich von ihnen gewandt»; und Jesaja Kapitel 1,15: «Wenn ihr eurer Hände werdet aufrecken und beten, will ich es nicht hören.»

So laßt uns nun dies Beispiel mit Fleiß merken, auf das, weil doch Gott mit der Strafe endlich nicht außen bleibt, wir ihn fürchten; und weil er nicht sobald zuschlägt, sondern Frist gibt, bis wir uns bekehren, wir ihn auch als einen gnädigen Vater lieb haben, und sagen: oh lieber Vater, du läßt die Sünde gewiß nicht ungestraft; so verleihe mir deine Gnade und Heiligen Geist, daß ich mich möge bessern und der wohlverdienten Strafe entlaufen. Wer also sich zur Buße begibt, der soll Gnade finden.

Jerusalem würde noch heute so stehen wie zuvor, wenn die Juden sich erkannt, gedemütigt, und gesagt hätten: Lieber Gott, wir haben ja Unrecht getan, daß wir so böse Buben gewesen und deine lieben Knechte, die Propheten, gewürget haben. Nun, du hast uns jetzt durch deinen lieben Sohn daß heilige Evangelium gegeben, gibt Gnade, daß wir uns bekehren und frömmer möchten werden. Wenn sie das getan hätten, hätten sie keine Not gehabt; die Römer hätten mit all ihrer Macht sie wohl müssen zufrieden lassen und daheim bleiben. Weil sie aber in Sünden fortfuhren, und sagten: O, es hat nicht Not; meinst du, daß Gott die Stadt so werde zu Boden lassen gehen, da er selbst wohnt und sonst keinen Gottesdienst haben will? O nein, da wird nichts aus. Da ging es ihnen so, daß kein Stein auf dem anderen blieb. Und steht nun das arme, zerstörte, verwüstete, Jerusalem zum Beispiel da aller, die mutwillig böse sind und sich nicht bessern wollen, daß sie die gleiche Strafe auch leiden werden.

Den anderen aber, die Gottes Wort annehmen und sich bessern, wird diese Geschichte vorgehalten zum Trost und Unterricht, daß sie lernen: wenn Gott die Strafe verbirgt, daß es ihnen geschehe zu ihrem Frieden und Besten, Gott wolle ihnen ihre Sünden gnädiglich vergeben, wo sie davon aufhören und sich bessern. Denn daß wir sündigen, ist kein Wunder; aber Sünde verteidigen, und unbußfertig und verstockt darin verharren, das kann Gott nicht dulden, es muß eher alles zu scheitern gehen; sonderlich aber, wenn er mit der gnädigen Heimsuchung des Wortes kommt und uns gern zur Buße rufen will.

Also ist das arme Jerusalem dahin, und hat nichts als den großen Titel, daß sie Gottes Stadt, sein eigen Haus und seine eigene Wohnung hieß. Das machte die Juden sicher, daß sie dachten: Sollte Jerusalem untergehen? Das könnte nicht sein, es ist Gott mehr daran gelegen; darum, wenngleich die ganze Welt käme würde sie uns nicht können anhaben, Gott wird seine Wohnung nicht lassen Wüste werden. Auf diesem Titel hin und auf die Gnade sündigten sie, fragten nach keiner Predigt. Das stieß dem Faß den Boden aus und brachte sie in alles Unglück.

Weil nun Gott aus besonderen Gnaden uns heutigen Tages auch heimsucht mit seinem Wort, wir aber alle uns sehr übel dagegen stellen, die Bischöfe verfolgen es, wir mißbrauchen es zu unserem Geiz, Hoffart und anderen Sünden: so habe ich die Sorge, Deutschland werde eigentlich eine große Schlappe leiden müssen, es geschehe gleich durch den Türken, oder sonst durch Krieg, Hunger und andere Plagen. Darum laßt uns dies Beispiel wohl zu Herzen nehmen, daß Jerusalem so jämmerlich ist verwüstet worden, weil es Gottes Wort nicht angenommen, sondern verachtet hat: auf das wir lernen Gottes Worten ehren, gern hören, und wir schon sündigen, daß wir doch umkehren und uns bessern. Das ist das erste Stück des heutigen Evangeliums.

Danach meldet der Evangelist, wie Jesus in den Tempel gegangen und da angefangen habe, die auszutreiben, die darin kauften und verkauften, und gesagt: «Mein Haus ist ein Bethaus, aber ihr habt es gemacht zur Mördergrube»

Dieses tut Christus aus einer besonderen Gewalt, und ist es zu achten gleich wie andere Wunderzeichen, die wir ihm nicht können nachtun. Sonst sollten so viele große und gewaltige Junker, die ihren Nutzen davon hatten, ihn abgehalten, und solches nicht gestattet, noch von ihm gewichen, der ohne Schwert, allein mit einer Geißel (wie die anderen Evangelisten melden) solches gewagt hat.

Daß sie nun solche Gewalt und Schaden leiden und dazu still schweigen, das ist eine Anzeigung, daß der Herr ebenso ein Wort mit ihnen geredet hat wie er mit den Juden redete im Garten, da sie alle hinter sich zurückfielen auf die Erde. Darum soll niemand diese Geschichte dahin deuten, daß die Prediger Hand anlegen und dergleichen, wie Christus hier, Gewalt brauchen wollten. Denn wo Christus nicht mehr denn menschliche Gewalt hier brauchen hätte wollen, würde er allein, gegen so viele, wenig haben ausgerichtet.

Wir sollen aber nicht allein auf das Werk, sondern auch auf die Ursache sehen. Die hängt der Herr mit den Worten dran, da er sagt: «Mein Haus ist ein Bethaus, aber ihr habt es zur Mördergrube gemacht.» Was mag den Herrn so zu einem harten Wort bewegen? Denn sie haben keinen Mord in Tempel begangen, sondern ihren Handel getan, nämlich, daß sie da ihre Wechselbank gehabt, mit dem Vieh groß und klein, wie man es zum Opfer bedurfte, Markt gehalten. Denn die Juden, die fern von Jerusalem wohnten, konnten nicht von zu Hause mitbringen was sie opfern wollten. Da waren der Hohenpriester Diener geschickt, daß immer Vieh vorhanden war und vielleicht auch Geld zum Opfer. Denn der Tempel hatte seine besondere Münze, wie man hin und wieder in den Historien findet.

Dieses alles scheint mehr zu loben, denn zu tadeln. Denn weil Gott selbst solchen Gottesdienst geordnet und befohlen hatte, wer wollte es für Unrecht achten, daß man ihn so um fördert und treu dazu hilft, daß er wohl gehe. Aber es hatte eine andere Meinung. Die Pfaffen gaben es wohl also vor, daß sie es täten, den Gottesdienst damit zu fördern; aber am Gottesdienst wäre ihnen so viel nicht gelegen, wenn es nicht soviel Geld eingebracht hätte. Darum ist es ihnen um das Geld und nicht um unseren Herrn Gott zu tun gewesen. Solcher Geiz hat sie getrieben, daß sie nichts haben predigen können, denn von opfern; haben solchen Gottesdienst eben gerühmt, wie die Pfaffen und Mönche ihre Meßopfer, daß man dadurch Sünde ablege und zu Gottes Gnaden komme. Das hat die Leute mit Haufen herbei gebracht und getrieben, daß sie den rechten Gottesdienst (der da heißt, Gott fürchten und auf seine Güte trauen, und fleißig sich zum Wort Gottes halten) vergessen haben; sind in Sünden mit aller Sicherheit fortgefahren; haben dabei gedacht, wenn sie nur Schlachten und opfern, soll es keine Not haben. Wie man in den Propheten sieht, daß sie um solcher Ursache Willen sehr heftig wieder ihr Opfer predigen.

Das ist die rechte Sünde, die da heißt Morden, da nicht der Leib, sondern die Seelen in Ewigkeit ermordet werden, nämlich, wenn man die Leute auf ihre eigenen Werk lehrt und Vertrauen, und nicht auf Gottes Güte und Barmherzigkeit. Das konnte Christus nicht leiden. Wir sollen es auch nicht leiden, sondern wehren, soviel wir können, durch das Wort (denn sonst ist uns nichts befohlen): daß die Leute davon abtreten und auf ihre eigenen Werke und Verdienst Vertrauen, als wollten sie dadurch Sünde ablegen und selig werden; und sich von Herzen begeben und ihr Vertrauen setzen allein auf Gottes Barmherzigkeit, der um Christus Willen uns Sünde vergeben, gerecht und selig machen will. Danach soll man die Leute auch heißen Fromm sein, nicht ihren eigenen Gedanken, sondern dem Wort Gottes folgen, und sich nach denselben halten. Wer solches tut, der braucht des Tempels und seines Amtes recht. Wer es nicht tut, der mißbraucht es und ist ein Seelenmörder.

Eben diesen Titel gibt auch Hosea den Priestern dem Königreich Israel, und scheint fast, als habe der Herr auf solchen Spruch Hosea gesehen, denn so spricht er Kapitel 6,9.: «die Priester samt ihren Gesellen sind wie Strauchdiebe, so da lauern und würgen auf dem Wege, der hinab gen Sichem geht.» Will damit den Schaden anzeigen, den sie mit falscher Lehre anrichten. Denn da sie das Volk auf das Opfer Christi weisen sollten, weißen sie auf das Kühe- und Ochsen Schlachten, als wäre es damit alles ausgerichtet und man bedürfte sonst nichts mehr zum ewigen Leben. Solches alles machte wohl eine volle Kirche und Keller, denn sie hatten ihren Teil dazu. Aber die Leute kamen nicht allein um das Geld dadurch, sondern auch um die Seelen und Seligkeit. Das kann Christus nicht leiden, stürzt deswegen alles über einen Haufen.

Wie aber dazumal wunderbarlicher Weise getan hat, also sieht man, daß Gott in der Kirche immer solche Strafe wieder die Rottengeister und falschen Prediger noch gehen läßt. Darum wird es mit den gottlosen Bischöfen, Pfaffen und Mönchen, die um ihres Geizes Willen Messe und andere Abgötterei halten, sich auch eines Tages finden, daß sie Gott austreiben und ihnen ihren Jahrmarkt umstoßen wird, es tue der Türke oder jemand anders.

Das sei vom heutigen Evangelium auf diesmal genug. Gott, der Vater aller Barmherzigkeit, wolle um Christus Willen, durch seinen Heiligen Geist, unsere Herzen zur einer Furcht erwecken, und uns bei dem Wort gnädig erhalten, und vor allem Jammer leiblich und ewig behüten, Amen.

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