Luther, Martin - Letzte Predigt. Gehalten am VI. Sonntag nach Epiph. (14. Februar 1346) über Matth. 11, 25-30 zu Eisleben.

Luther, Martin - Letzte Predigt. Gehalten am VI. Sonntag nach Epiph. (14. Februar 1346) über Matth. 11, 25-30 zu Eisleben.

Das ist ein schönes Evangelium und hat viel Dinge in sich begriffen; aber wir wollen jetzt zum Theil davon reden, so viel wir können und Gott Gnade verleiht.

Der Herr lobt und preist seinen himmlischen Vater allhier, daß er verborgen habe solches den Klugen und Weisen, das ist, daß er das heilige Evangelium den Weisen und Klugen nicht hat kund gethan, sondern den Kindern und Jungen offenbart, die nicht reden und predigen können, noch klug und weise sind. Hiermit hat er angezeigt, daß er den Weisen und Klugen feind sei und Lust und Liebe habe zu denen, so nicht klug und weise, sondern wie die jungen Kinder sind.

Aber das ist vor der Welt sehr thöricht und ärgerlich geredet, daß Gott den Weisen so feind sein sollte und sie also verdammen; so wir doch meinen, Gott könne nicht regieren, er müsse kluge und weise Leute dazu haben. Aber es hat diese Meinung: Die Weisen und klugen in der Welt machen's also, daß ihnen Gott nicht günstig oder gut sein kann, denn sie haben das Herzeleid, machen's in der christlichen Kirche wie sie es selbst wollen, alles, was Gott thut und macht, das müssen sie bessern, daß also kein ärmerer, geringerer, verächtlicherer Discipel1) nicht auf Erden ist, als Gott; er muß aller Jünger sein, Jedermann will sein Schulmeister und Präceptor2) sein. Das sieht man von Anbeginn der Welt an allen Ketzern. Arius3) und Pelagius4), und jetzt zu unserer Zeit die Wiedertäufer und Sacramentirer und alle Schwärmer und Aufrührer, die sind damit nicht zufrieden, was Gott gemacht und eingesetzt hat, können es nicht bleiben lassen, wie er es geordnet, meinen, sie müssen auch etwas machen, auf daß sie etwas Besseres seien vor andern Leuten und rühmen können: Das habe ich gemacht; es ist zu schlecht und gering, ja zu kindisch und närrisch, was Gott macht und stiftet, ich muß etwas dazu thun.

Das ist die Natur der schändlichen Weisheit auf Erden, sonderlich in der christlichen Kirche, da ein Bischof auf den andern, ein Pfarrherr auf den andern hackt und beißt und einer den andern hindert und stößt; wie man allezeit im Kirchenregiment solches mit großem Schaden erfahren hat. Dieselbigen sind die rechten Meister Klüglinge, davon Christus hier redet, die das Pferd am Hintern zäumen und nicht auf dem Wege bleiben wollen, so uns Gott selbst vorgestellt, sondern immer etwas Sonderliches haben und machen müssen, daß die Leute darnach sagen: Ei, es ist nichts mit unserm Pfarrherrn oder Prediger; das ist der rechte Mann, der wird's thun.

Ist's aber nicht verdrießlich, und sollte Gott darüber nicht ungeduldig werden? Sollte er an Solchen großen Gefallen haben, die ihm so gar zu klug und weise sein und allezeit ihn zur Schule führen wollen? Wie in demselbigen Kapitel hernach folgt: Die Weisheit muß sich rechtfertigen lassen von ihren eigenen Kindern. Ei, es steht fein, wenn das Ei klüger sein will als die Henne; eine schöne Meisterschaft muß das sein, wo die Kinder ihren Vater oder Mutter, die Narren und Thoren weise Leute regieren wollen. Siehe, das ist die Ursache, daß allenthalben die Klugen und Weisen in der Schrift verdammt werden.

Der Papst hat gleich auch also gethan. Als5), da Christus das Predigtamt und das Sacrament seines Leibes und Blutes bestätigt und eingesetzt, wie es die Christen brauchen sollen, ihren Glauben damit zu stärken und zu kräftigen, da schreit der Papst: Nein, nein, es muß also nicht sein, es ist nicht weislich gehandelt! Denn sein Decret sagt, es sei nicht fein, daß das Sacrament zu Stärkung des Glaubens der Christen soll gereicht werden, sondern es müsse ein Opfer sein, wenn der Priester die Messe liest für die Lebendigen und die Todten: als6), wenn ein Kaufmann über Land reisen will, so soll er zuvor sich eine Messe lesen lassen, alsdann werde es ihm glückselig ergehen.

Also, daß Gott die Taufe hat eingesetzt, das ist dem Papst ein geringes Ding und bei ihm bald verloren und kraftlos geworden; dagegen macht er seine Schürlinge7), die da Kappen8) und Platten tragen, die müssen mit ihren Orden und Möncherei der Welt helfen, daß, wer in solchen Orden tritt, der habe eine neue bessere Taufe, dadurch nicht allein ihm, sondern auch andern Leuten, wo sie wollen selig werden, geholfen werde. Das ist des Papstes Weisheit und Klugheit. Also geht's unserm Herrgott in der Welt, daß allewege, was es stiftet und ordnet, das muß vom Teufel und den Seinigen verkehrt, dazu gelästert und geschändet werden, und hält doch die Welt dafür, daß Gott sich solches solle gar wohl gefallen und gut sein lassen, daß ein jeglicher Narr ihn meistern und regieren wolle.

In weltlichen Sachen und Regiment geht's zwar auch also zu, wie auch Aristoteles davon schreibt, daß etliche Leute mit großer Weisheit und Verstand begnadet sind und nicht gemeine Leute; wie Gott oft einen feinen, hohen, verständigen Mann gibt, der mit Weisheit und Rath landen und Leuten dienen könnte. Aber solche fliehen vor den Geschäften, und man kann sie schwerlich zur Regierung bringen. Aber darnach sind andere, die wollen's sein und thun, und können's doch nicht thun, die heißt man denn im weltlichen Regiment Naseweise und Meister Klügel. Diese schilt man sehr, und man ist ihnen auch billig feind, und muß Jedermann klagen, daß man vor den Narren nirgends auskommen kann, sie sind zu keiner Sache nütze, denn daß sie nur Haar eintragen9). Darum sagen auch die Leute von ihnen: Hat uns der Teufel mit Narren beschmissen? Und Aristoteles, der solches in Regimenten gesehen, daß wenig rechte, tüchtige Leute sind zur Regierung, macht einen Unterschied zwischen rechten Weisen und Klugen, und andern, die er nennt id est, opinione sua sapientes, die sich's dünken lassen, sie seien klug und weise; gleichwie man auf deutsch sagt: Der Dünkel macht den Tanz gut. Diese meinen, dieweil sie im Regiment sitzen und eine hohe Person führen, so müssen sie klug sein. Und ein solcher Narr im Rath hindert die andern, daß sie mit keinem Schaden fortkommen können, denn er will in Teufels Namen klug sein mit Gewalt, und ist doch ein Narr.

So man nun solchen im weltlichen Regiment billig feind ist, die da wollen klug sein und sind's doch nicht; wie vielmehr sind das verdrießliche10) Leute, denen beide, Gott und Menschen billig gram sind, die in der heiligen, christlichen Kirche klug sein wollen und sind's nicht. Denn diese hindern das Predigtamt, daß die Leute nicht zu Gott kommen können. Als da ist gewesen zu unsrer Zeit Münzer11) und die Sacramentirer, die dem Evangelio seinen Lauf hindern und wehren, verführen die Leute, meinen, sie sind allein klug und weise, weil sie im Amt und Regiment der Kirche sitzen.

Also will auch der Papst ein sehr kluger Mann sein, ja der allerweiseste, allein darum, daß er hoch sitzt und vorgibt, er sei das Haupt der Kirche; damit ihn der Teufel so aufbläht, daß er meint, was er nur sagen und vornehmen darf12), das sei eitel göttliche Weisheit und Jedermann müsse es annehmen und folgen, und soll Niemand weiter fragen, ob es Gottes Wort sei oder nicht. Wie er in seinem großen Narrenbuch13) darf unverschämt sagen, es sei nicht zu vermuthen, daß eine solche Hoheit (als er sein will) irren könne rc. Also auch Kaiser, Könige und Cardinäle, dieweil sie hoch sitzen, so meinen sie, daß sie nicht irren noch fehlen können. Eben solche Weisheit hatte Caiphas auch, da er mit den Juden zu Rathe ging: Ihr groben Narren, ihr habt keine Köpfe, ihr wißt und versteht nichts; ist's nicht besser, daß Ein Mann sterbe, denn daß das ganze Volk verderbe? (Joh. 11,49 f.). Das war ein weiser, kluger Rath, daß besser wäre, Einen Menschen erwürgen, denn das ganze Land verderben. Wie ging aber dieser Rath hinaus? Eben damit brachte er's dazu, daß das ganze Land verderben und untergehen mußte. Also thun alle solche Naseweise in der christlichen Kirche und im weltlichen Regiment.

Das ist's nun, daß der Herr Christus hier spricht, er sei den Naseweisen feind, er wolle sie nicht leiden in seiner christlichen Kirche, sie heißen Papst, Kaiser, Könige, Fürsten, Doctoren, die ihm sein göttliches Wort meistern und mit ihrer eigenen Klugheit in den hohen, großen Sachen des Glaubens und unserer Seligkeit regieren. Solcher Exempel haben wir selbst viel erfahren in kurzer Zeit, daß solche Klüglinge sich unterstanden, Einigung oder Reformation anzurichten, dadurch in der christlichen Kirche Einigkeit würde, und solches mit köstlichem Vorgeben zu Markt brachten, sagten: so und so sollen's der Kaiser, die Könige, Fürsten und Herren machen, so könnte man Landen und Leuten helfen und viel Gutes in der Christenheit schaffen. Aber was man durch solche eigene Anschläge und Klugheit ausrichtet und schafft, des sieht man wohl.

Und am allermeisten und allezeit hat solche Weisheit und Klugheit der Papst und die Cardinäle getrieben, so Gottes Meister haben sein wollen und selbst die Christenheit regieren. Aber das will Gott nicht leiden: er will nicht Schüler sein, sie sollen Schüler sein. Er ist die ewige Weisheit und weiß wohl, was er thun oder lassen will. Sie meinen, dieweil sie obenan im Regiment sitzen, darum seien sie die Klügsten, sehen tiefer in die Schrift, denn andere Leute; darum stürzt sie auch Gott greulich, denn er will's und kann's und soll's auch nicht leiden. Und macht's doch also, daß das Evangelium den Hohen und Weisen verborgen bleibt, und regiert seine Kirche viel anders, denn sie gedenken und verstehen, ob sie sich gleich dünken lassen, sie wissen und verstehen's alles, und weil sie im Regiment sitzen, so könne Gott ihres Rathes und Regierens nicht gerathen14).

Und lautet gleich als sei es neidisch geredet, daß er eben also spricht: „Ich danke dir, himmlischer Vater“; so doch gar kein Neid noch Haß in seinem Herzen gewesen; denn, so er sich selbst mit Leib und Leben für uns hat gegeben, wie konnte da ein Neid sein? Aber der Verdruß und Unlust kommt daher, daß die elenden, thörichten Leute die göttliche Majestät meistern wollen; das kann und soll er auch nicht leiden, und alle fromme Herzen danken ihm dafür, denn des Klügelns und Meisterns wäre auch sonst kein Ende. Der Teufel reitet die Leute, daß sie aus der heiligen Schrift und Gottes Wort einen hohen Namen, eigenes Lob und Ehre suchen und mehr sein wollen, denn andere Leute. Aber wir sollten hier sagen: lieber himmlischer Vater, rede du, ich will gern ein Narr und Kind sein und schweigen; denn sollte ich das Regiment aus meinem eigenen Witz15), Weisheit und Vernunft führen, so stäke der Karren längst im Drecke und wäre das Schiff längst zu Trümmern gegangen! Darum, lieber Gott, regiere und führe du es selbst, ich will mir gerne meine Augen ausstechen, die Vernunft zuthun16), und dich allein durch dein Wort regieren lassen.

Aber das kann man bei der Welt nicht erhalten. Die Rottengeister stehen darum auf, suchen im Grunde nichts andres, denn daß sie bei dem Volk große Ehre haben mögen, daß man von ihnen sage: Das ist der rechte Mann, der wird's thun! und daß sie sich selbst auch mit solchem Ruhm kitzeln17) und brüsten können: Das hast du gethan, das ist dein Werk, du bist der treffliche Mann, der rechte Meister. Das taugt nun für alle Hunde nicht18). Denn rechte Prediger sollen nur allein Gottes Wort fleißig und treulich. lehren und dessen Ehre und Lob allein suchen. Desgleichen sollen auch die Zuhörer sagen: Ich glaube nicht an meinen Pfarrherr, sondern er sagt mir von einem andern Herrn, der heißt Christus, den zeigt er mir, auf dessen Mund will ich sehen, und sofern er mich auf denselben rechten Meister und Präceptor19), Gottes Sohn führt.

Also würde es recht in der Kirche stehen und wohl regiert heißen und allenthalben Einigkeit bleiben; sonst bleibt allewege die Unlust, so auch in der Welt bleibt. Und wie ein Rath in einer Stadt einen solchen Narren, der oft die ganze Stadt irre macht, nicht gern leidet, sondern ihn heraus stößt, daß sich auch solches das ganze Land freut, also soll's auch hier in der christlichen Kirche zugehen, daß Niemand soll gepredigt oder gelehrt werden, denn allein der Sohn Gottes. Der ist's allein, von dem gesagt ist (Matth. 3, 17): „Das ist mein lieber Sohn, den sollt ihr hören“, und keinen andern Menschen, er sei Kaiser, König, Papst, Cardinal.

Darum sagen wir also: Ich lasse geschehen, daß Kaiser, König, Papst, Cardinal, Fürsten und Herren klug und weise sind; aber ich will an den Christum glauben: der ist mein Herr, den mich Gott hat hören heißen und von ihm lernen, was rechte, göttliche Weisheit und Klugheit sei. Da reit denn der Bapst und was ihm anhangt: Nein, nein, du sollst solches nicht thun, du sollst der Obrigkeit gehorsam sein und thun, was wir dir gebieten. Ja, sage ich, das soll ich thun, aber sei du zuvor eins mit dem Herrn, der allhier spricht: „Es ist mir alles übergeben von meinem Vater“ rc. Darum, lieber Papst, Kaiser, König, Herr und Fürst, fahre nicht so einher! Ich will dich gern hören in weltlicher Regierung, aber daß du willst in der Christenheit sitzen als ein Herr und Gewalt haben zu schließen20), was ich glauben und thun soll, das nehme ich nicht an; denn du willst klug und weise sein an dem Ort, da du ein Narr bist und dir nicht offenbart ist. Denn hier ist der Herr, den man allein hören soll in diesen Sachen, wie er auch hier spricht: Niemand kennt den Vater, denn nur der Sohn, und wem es der Sohn will offenbaren„; das sind die Albernen und Einfältigen, so sich selbst nicht weise noch klug wissen, sondern sein Wort hören und annehmen. Ist's nun sein Wort, das du mir vorhältst und gebietest, so will ich's gern annehmen, wenn's gleich ein junges Kind redet, oder auch der Esel, so mit Bileam redet, und will hier keinen Unterschied haben der Person, so solches redet, sie sei klug oder ein Narr; denn es soll heißen und ist beschlossen: Mir ist alles übergeben, ich bin der Mann, der allein lehren und regieren soll, trotz allen Klugen und Weisen, die sollen ihre Augen blenden lassen und ihre Vernunft zuthun.

Denn unsere Weisheit und Klugheit in göttlichen Sachen ist das Auge, so der Teufel im Paradies uns aufgethan hat, da Adam und Eva in's Teufels Namen auch wollten klug sein. Gott hatte sie selbst gelehrt und sein Wort ihnen gegeben, daran sie halten sollten, wo sie wollten recht klug sein; so kommt der Teufel, der macht's besser, that ihnen die Augen zu, daß sie Gott nicht sahen, da sie den Teufel nicht sehen konnten. Das ist die Plage, so uns noch immer anhängt, daß wir in's Teufels Namen weise und klug sein wollten.

Aber hierwieder sollen wir lernen, was das ist: Mir ist alles gegeben, das ist, ich soll regieren, lehren, rathen, heißen und gebieten in meiner Kirche. Und hiermit bekennt er öffentlich, daß er sei wahrhaftiger Gott; denn kein Engel noch etwa eine Creatur hat diesen Ruhm, daß ihm alles gegeben sei. Der Teufel wollte sich wohl einmal in den Stuhl setzen und Gott gleich sein, er warb aber darob bald vom Himmel gestoßen. Darum sagt Christus: Mir ist alles gegeben, das ist, mir, mir soll man gehorchen. Hast du mein Wort, so bleib dabei, und siehe Niemand an, wer dich anders lehrt oder heißt; ich will dich wohl regieren, schützen und retten; Lasse den Bapst, Kaiser, Gewaltige, Gelehrte klug sein, aber folge du ihnen nicht, wenn ihrer gleich tausendmal mehr und alle viel klüger wären. Thue das nicht, das auch kein Engel im Himmel thun darf21), daß er sich hierin in der Herrschaft und Gewalt unterstünde, selbst klug zu sein oder in Gottes Regiment zu walten und herrschen, und haben doch die elenden, armen Leute, Bapst, Kaiser, Könige und alle Rotten, nicht Scheu, sich solches anzumaßen: aber Gott hat seinen Sohn zu seiner rechten Hand gesetzt und gesagt (Ps. 2,7): Du bist mein Sohn, dir habe ich alle Welt und alle Völker zu eigen gegeben; den sollt ihr Könige und Herren hören, wollt ihr klug sein, und ihm huldigen als euerm Herrn, und wissen, was er euch sagt, daß ich's euch sage.

Dieses sollen wir Christen lernen und erkennen (ob es die Welt nicht thun will) und Gott auch dafür dankbar sein (wie Christus selbst allhier seinem himmlischen Vater fröhlich dankt), daß er uns so reichlich gesegnet und gegeben hat, daß wir ihn selbst hören können. Vorzeiten wären wir gelaufen an der Welt Ende, wenn wir einen Ort gewußt, da wir hätten mögen Gott reden hören; aber das sieht man nicht, daß wir jetzt täglich solches in Predigten hören, ja alle Bücher dessen voll sind. Du hörst's daheim im Hause; Vater und Mutter, Kinder singen und sagen davon; der Prediger in der Pfarre22) redet davon: da solltest du die Hände aufheben und fröhlich sein, daß wir zu den Ehren gekommen sind, daß wir Gott durch sein Wort mit uns reden hören.

O, sagt man, was ist das, predigt man doch alle Tage und oft einen Tag vielmal, daß man sich schier müde daran hören muß? Was haben wir mehr davon? Wohlan, so fahre hin, lieber Bruder; magst du des nicht, das Gott täglich mit dir redet, daheim in deinem Hause und in deiner Pfarrkirche, so sei nur immerhin klug und suche dir ein anders. Zu Trier ist unsers Herrgotts Rock, zu Aachen sind Josephs Hosen und unserer lieben Frau Hemd, da laufe hin, verehre dein Geld und kaufe Ablaß und des Bapstes Trödelmarkt23)! Das ist köstliches Ding, darum hat man müssen weit laufen und großes Geld verzehren, Haus und Hof stehen lassen.

Sind wir aber nicht toll und thöricht, ja vom Teufel geblendet und besessen? Da sitzt der Kauz24) zu Rom mit seinem Gaukelsack25) und lockt alle Welt zu sich mit ihrem Geld und Gut rc., da26) ein Jeglicher zu seiner Taufe, Sacrament und Predigtstuhl laufen sollte; denn wir sind ja damit hoch genug geehrt und reichlich beseligt, daß wir wissen, daß Gott mit uns redet und mit seinem Wort uns speist, gibt und seine Taufe, Schlüssel27) rc. Aber da sagen die rohen, gottlosen Leute dagegen: Was Taufe, Sacrament, Gottes Wort! Josephs Hosen, die thun's!

Das ist der Teufel in der Welt, daß die hohen Personen, Kaiser, König, solches nicht achten und sich durch die Erzbuben und Lügner, den Papst und seine Plättlinge und Schürlinge28), also gröblich betrügen und narren lassen und ihres Unflathe gar voll schmeißen. Aber wir sollen Gottes Wort hören, daß der unser Schulmeister sei, und nichts wissen von Josephe Hosen oder des Papstes Narrenwerk.

Das ist das erste Stück vom Evangelio, wie Christus und Gott der Vater selbst den Klugen und Weisen feind ist, denn sie ihm auch großen Verdruß thun. Sie zerreißen die Sacramente und Kirchen und regen sich an seine Statt, wollen selbst Meister sein. Denen sind alle Engel im Himmel und alle Christen auf Erden feind, und sollen zu ihnen sagen: Willst du mir Christum weisen und sein Wort lehren, so will ich dir gern zuhören, sonst nicht, und wenn du ein Engel vom Himmel wärest, wie S. Paulus Gal. 1,8. sagt: Si quis aliud Evangelium docuerit, etc.29) Ob nun darob die großen Herren, Kaiser, Papst, Cardinal und Bischof feindlich zürnen, thun uns in Bann, wollten uns alle gerne brennen und morden, das müssen wir leiden und sagen: Um Papstes, Bischöfe, Fürsten willen nicht gelassen! Christus sagt: „Kommt zu mir, die ihr mühselig seid“. Als wollte er auch sagen: Haltet euch nur an mich, bleibt bei meinem Wort und laßt gehen, was da geht; werdet ihr darob verbrannt, geköpft, so habt Geduld, ich will es euch so süß machen, daß ihr's wohl sollt vertragen. Wie man von der Jungfrau S. Agnes schreibt, da sie zum Kerker geführt ward und sollte umgebracht werden, war ihr gleich, als ginge sie zum Tanze30). Woher kam ihr das? Ei, allein von diesem Christo, durch den Glauben an die Worte, so er hier sagt: „Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken“. Geht's euch übel, so will ich euch den Muth geben, daß ihr noch dazu lachen sollt, und soll euch die Marter nicht so groß sein, der Teufel nicht so bös, wenn ihr auch auf feurigen Kohlen ginget, so soll euch dünken, als ginget ihr auf Rosen. Ich will euch das Herz geben, daß ihr lachen sollt, wenn der Türke, Papst, Kaiser rc. auf's allergreulichste zürnen und toben: allein, kommt zu mir. Habt ihr Beschwerung, Tod oder Marter, so Bapst, Türke, Kaiser euch angreift, erschreckt nicht, es soll euch nicht schwer zu tragen, sondern leicht und sanft werden; denn ich gebe den Geist, daß solche Last, so der Welt unerträglich wäre, euch eine leichte Bürde wird.

Denn es heißt alsdann, so ihr um meinetwillen leidet: „mein Joch und meine Bürde“, die ich euch mit Gnaden auflege, daß ihr wißt, daß Gott und mir solch euer Leiden wohlgefällt und ich selbst euch tragen helfe, dazu Kraft und Stärke gebe. Wie auch der 31. Psalm (V. 25) und der 27. (V. 14) sagen: „Seid getrost und unverzagt, alle, die ihr des Herrn wartet“; das ist, die ihr um seinetwillen leidet: euer eigenes Unglück, Sünde, Tod, und was euch der Teufel und Welt dazu anlegt, laß's alles an euch laufen und stürmen; bleibt ihr aber nur getrost und unverzagt mit euerm Harren und Warten des Herrn durch den Glauben, so habt ihr schon gewonnen und seid dem Tode entlaufen, dem Teufel und der Welt weit überlegen.

Siehe, das heißt nun die Weisen der Welt verworfen, auf daß wir lernen, nicht selbst weise uns dünken zu lassen, und alle hohe Personen aus den Augen setzen, und schlicht die Augen zugethan, an Christi Wort und halten und zu ihm kommen, wie er uns auf's freundlichste lockt, und sagen: Du bist allein mein lieber Herr und Meister, ich bin dein Schüler.

Das und viel mehr wäre von diesem Evangelio weiter zu sagen, aber ich bin zu schwach, wir wollen's hierbei bleiben lassen.

1)
Schüler
2) , 19)
Lehrer
3)
Arius, seit 313 Presbyter in Alexandrien (gest. 336) lehrte, daß der Sohn unter dem Vater, wie ein Geschöpf unter seinem Schöpfer stehe.
4)
Pelagius lebte zur Zeit Augustins und lehrte, daß der Mensch nicht allein auf Gottes Gnade angewiesen sei, sondern durch eigene Kraft die Sünde meiden könne.
5)
Zum Beispiel
6)
zum Beispiel
7)
geschorenen Leute, Mönche
8)
Kutten
9)
Sie tragen einem nur Haare, d. h. Werthloses, (als Ertrag) ein.
10)
Verdruß erregende
11)
Thomas Münzer, der an der Spitze der Zwickauer Schwarmgeister (1521) stand und dann die aufständischen Bauern anführte, am 30. Mai 1525 zu Mühlhausen enthauptet.
12)
Luther schrieb: sagen thar, d. i. keck ist zu sagen, von „thürren“, d. i. wagen.
13)
im päpstlichen Rechtsbuch
14)
entrathen, entbehren.
15)
Verstand
16)
Nichts sehen, nichts meistern, sondern glauben.
17)
Sich schmeicheln, sich einen Gefallen thun.
18)
Es taugt zu Nichts, nicht einmal Hunden vorgeworfen zu werden: eine sprichwörtliche Redensart, wie sie Luther auch in einer von ihm selbst verfaßten Sammlung solcher Redensarten aufführt.
20)
beschließen
21)
zu thun wagt
22)
Pfarrkirche
23)
Am lustigsten macht sich Luther über diesen Reliquienunfug in der „Neuen Zeitung vom Rhein“
24)
Kauz - Name des Vogels (Käuzchen), hier mit Bezug darauf angewandt, daß dieser Vögel herbeilockt, wie Luther in der Schrift an den Adel geschrieben hat: „man muß die lieben Heiligen zu Geldkutzen (= Geldkauzen) aufsetzen“, um nämlich durch sie die Leute herbeizuziehen und ihnen das Geld abzunehmen (einer der ältesten Drucke liest dort „Geldfangen“; oben ist irrig corrigiert: „Geldgötzen“).
25)
Der geheimnißvolle Sack, in welchem der Gaukler seine angeblichen Zaubermittel herumführt und aus welchem er sein Zeug produciert.
26)
während doch
27)
Vergebung der Sünde
28)
die Platten tragen und geschoren sind
29)
„So jemand ein andres Evangelium lehren würde u. s. w.“
30)
Agnes, nach der Legende die Tochter reicher christlicher Eltern zu Rom, hatte schon als Kind das Gelübde ewiger Keuschheit abgelegt und wurde, weil sie die Werbungen des Symphronius, des Sohnes des Stadtpräfecten, ablehnte, schließlich enthauptet.
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