Krummacher, Friedrich Wilhelm - XXXI. Der Reichstag.

Krummacher, Friedrich Wilhelm - XXXI. Der Reichstag.

„Der feste Grund Gottes,“ d. i. das gesunde, vom Geiste Gottes gepflanzte Glaubensleben trägt nach 2. Tim. 2, 19 die doppelte Inschrift: „Der Herr kennet die Seinen,“ und: „Es trete ab von der Ungerechtigkeit, wer den Namen Christi nennet.“ Nur soweit wir diesen beiden Signaturen in uns selbst begegnen, dürfen wir uns für berechtigt erachten, uns den Wiedergeborenen bei zu zählen. Das erstere der genannten Abzeichen ist die mit dem Bewußtsein, aufrichtig und ohne Falsch und Falte vor Gott zu wandeln, verpaarte Erfahrung, daß man persönlich ein Gegenstand der Beachtung Gottes sei, und, gerichtet von ihm, oder getröstet, oder behütet, oder errettet, in seiner unmittelbaren Führung stehe. Das andre bedeutet den entschiedenen inneren Gegensatz wider Alles, was Sünde und Uebertretung heißt: die lautere Willigkeit und Entschlossenheit, einzig den göttlichen Weisungen gemäß zu leben, die geheiligte, dem Herrn unterthänige Gemüthsrichtung, welche, wenn sie einmal in unbewachten Augenblicken verleugnet ward, aus dem Thränenbade einer gründlichen Buße immer wieder neu belebt und neu gefestiget hervorgeht. Wer unter den Frommen des alten Bundes trug jenen geistlichen Doppelstempel göttlicher Kindschaft in vollendeterer Ausprägung in sich, als der Mann, dem wir heute in der Vorahnung seines nahen Abzuges vom Schauplatz der irdischen Wallfahrt die letzten Anordnungen für sein Reich und dessen Verwaltung treffen sehn werden, und der vor dem Momente, in welchem nach dem prophetischen Gesichte Daniels „die Bücher der göttlichen Allwissenheit“ aufgethan werden sollen, insofern nicht zu erschrecken braucht, als dieselben ihm etwas Verhehltes und Bemänteltes kaum werden vorrücken können, indem er, selber ein aufgeschlagenes Buch vor Gott, in seinen aufrichtigen Geständnissen und Bekenntnissen seinen Lebenslauf in allen Stadien, desselben, gleichsam mit eigner Hand in jene Bücher eingetragen hat.

I. Chronika 28, l. Und David versammelte gen Jerusalem alle Obersten Israels, nemlich die Fürsten der Stämme, die Fürsten der Ordnungen, die dem Könige aufwarteten, die Fürsten über Tausend und über Hundert, die Fürsten über die Güter und Heerden des Königes und seiner Söhne mit den Kämmerern, die Kriegsleute und alle tapferen Männer. Und David, der König, stand auf seinen Füßen und redete zu ihnen.

Ein feierlicher Reichs- und Rechenschaftstag gab dem Regiment Davids einen würdigen Abschluß. Beachten wir, was diese Versammlung veranlaßte, und wie sie verlief.

1.

Die wunderbare Erhörung des Gebets, mit dem der König dem richterlichen Gott in die über Israel geschwungene' Ruthe fiel, so wie die in dieser Erhörung kund gewordene göttliche Billigung seines Tempelbau-Planes mußte der Seele Davids natürlich einen erneuerten Aufschwung geben. Der 30. Psalm eröffnet uns einen Blick in seine damalige gehobene Stimmung. „Ich erhebe dich, Herr,“ beginnt sein Gesang, „denn du hast,“ (indem du mir meine Missethat verziehest,) „mich erhöhet, und gabst nicht zu, daß meine Feinde schadenfroh über mich triumphirten. Ich schrie zu dir, und du heiltest mich,“ (halfst mir durch.) „Du führtest meine Seele aus der Hölle,“ (der ich mich nahe fühlte,) „und belebtest mich aus- denen, die zur Grube fuhren. Lobsinget ihr Frommen dem Herrn und preiset sein heiliges Gedächtniß. Einen Augenblick nur“ (der Schrecken und Trauer) „führt sein Zorn herbei; seine Huld aber Leben und Freude. Einen Abend lang währet das Weinen; aber am Morgen kehret der Jubel ein.“ Die angedrohte dreitägige Pestilenz wurde nemlich nach 2. Sam. 24, 15 zu einer eintägigen verkürzt, indem sie von Tagesanbruch bis zur Stunde des Abendopfers währte. „Ich sprach,“ fährt der Sänger fort, „da mir's wohl ging: Ich werde ewiglich nicht wanken. O Herr, durch dein Wohlgefallen hattest du meinen Berg (den Sitz meiner Herrschaft, mein Reich,) stark gemacht. Da du aber dein Antlitz verbargst“ (in dem Ungewitter des über mich hereinbrechenden Gerichts,) „erschrack ich,“ und zwar darüber ward ich bestürzt, daß ich bei dem Volkszählungs-Anschlag in Uebermuth als ein Eignes und Selbsterrungenes das mir zugeeignet hatte, was allein dein, und eine Gabe deiner Gnade war. „Zu dir, Jehova, rief ich; zu dem Herrn flehte ich um Gnade, sprechend: Was nützt dir mein Blut, daß ich hinab fahre in die Grube?“ Beim Anblick des Engels auf der Tenne Aravna hatte, wie wir wissen, der König dem Herrn sein Leben als Opfer für das Volk dargeboten. „Wird auch der Staub dich preisen und deine Wahrheit verkünden,“ (wie nemlich ich, dein armer Knecht, dies thun werde, wenn du Gnade vor Recht ergehn lassest?) „Höre, o Herr, und sei mir gnädig, Herr, sei mein Helfer!“ So David mit reumüthig zerknirschtem Herzen. Und der Herr erhörte ihn, schonte seines Dieners, und gebot der Seuche in ihrer Verheerung Stillstand. „Du hast mir meine Klage verwandelt in einen Reigen, du hast den Sack (das Bußgewand) mir ausgezogen, und mit Freude mich gegürtet, auf daß dir meine Seele lobsinge und nicht mehr verstumme. Herr, mein Gott, in Ewigkeit will ich dich preisen!“

Nach solcher beglückenden Erfahrung der fortdauernden Huld seines Gottes ging der König mit neu gefrischtem Muthe an die abschließende Vollführung aller seiner noch unerledigten Entwürfe für den inneren Ausbau seines Reiches. Was ihm aber sonderlich am Herzen lag, waren die Einleitungen und Vorbereitungen zum Tempelbau. Dazu berief er, weil Israel mehr ein Ackerbau treibendes und ein Hirtenvolk war, Fremdlinge herzu. Namentlich waren es handwerks- und kunstgeübte Phönizier aus Tyrus, welche übrigens schon länger dem Volke Gottes und dessen Glauben sich genähert und im heiligen Lande sich angesiedelt hatten. Es waren deren mehr denn hundertfünfzigtausend. Diese bestellte er zu Steinbrechern, Trägern, Maurern, Zimmerleuten, Bildhauern, und Etliche unter ihnen zu Aufsehern über dieselben. Ueberdies beutete er die Minen seines Landes aus, und verschrieb Cedernholz vom Libanon, sowie Gold, Silber und Edelgestein in großer Menge aus Arabien. In diesen und andern friedlichen Beschäftigungen wurde der König jedoch, wenn auch vorübergehend nur, durch einen neuen für sein Herz überaus betrübenden Vorgang unterbrochen. Adonia, sein vierter Sohn von der Hagith, der nächste nach Absalon, und an Stattlichkeit wie an Ehrgeiz diesem gleich, warf sich ehe man sich's versah zum Nachfolger seines königlichen Vaters auf, indem er sich schon mit fürstlichem Prunk umgab, und unter den Vornehmen des Reiches auch wirklich einen ansehnlichen Anhang zu gewinnen wußte. Selbst Joab, der die ihm Seitens Davids widerfahrene Zurücksetzung hinter Amasa, obwohl er dieselbe mit dem Blut seines Nebenbuhlers gerächt hatte, nicht verwinden konnte, und sich vor einer nachträglichen Bestrafung, die Salomo, wenn er König würde, über ihn, den mit mehrfachen Morden Beladenen, verhängen könnte, sich sichern wollte, trat auf Adonias Seite. Der Priester Abjathar sogar, den die Erhebung Zadoks über ihn tief verdrossen hatte, und der darum die letztwillige Bestimmung Davids über die Thronfolge gern durchkreuzt gesehn hätte, ließ sich verleiten, in den Geheimbund mit einzutreten.

Der König, dem Meldung von dem Allem geschah, erachtete die Sache nicht für bedrohlich, und ließ, freilich mit einem Vertrauen und einer Vaterzärtlichkeit, die das Maaß überschritten, den geliebten Sohn gewähren. Nicht aber also die Getreuen Davids, zu denen außer seiner Leibwache auch der Priester Zadok, der heldenmüthige Feldhauptmann Benaja, des Priesters Jojadas Sohn, und der Prophet Nathan gehörten. Als diese Kunde davon erhielten, daß Adonia seine Parteigänger nach dem Brunnen Rogel beschieden habe, um sich dort bei Gelegenheit eines Opferfestes förmlich als Thronerben ausrufen zu lassen, entschlossen sie sich, das hochverrätherische Unternehmen um jeden Preis im Keime zu ersticken. Nathan setzte vorab die Mutter des Salomo, welchen David längst zum Thronfolger ersehen hatte, von der Verschwörung in Kenntniß. „Hast du nicht gehört,“ sprach er, „daß Adonia, der Sohn der Hagith, König geworden ist, und unser Herr weiß nichts davon?“ und ertheilte ihr dann den Rath, sie möge unverweilt ihren Gemahl aus seiner Sorglosigkeit wecken, und ihn veranlassen, mit der ihm zu Gebote stehenden königlichen Macht kräftig für das dem Salomo zugeschworene Recht einzutreten. Bathseba befolgte Nathans Rath; hatte aber kaum in ehrfurchtsvollster Haltung dem Könige die Sache vorgetragen, als der Prophet selbst in das Gemach hereintrat und Alles, was jene berichtet hatte, nachdrucksvoll bestätigte. Da sprach der König: „So wahr der Herr lebt, der meine Seele erlöset hat aus aller Noth, ich will heute thun, wie ich dir, Bathseba, geschworen habe bei dem Gott Israels, und geredet, daß Salomo, dein Sohn, nach mir König sei und auf meinem Stuhle sitze.“ Und Bathseba neigte ihr Knie, und sprach: „Heil meinem Herrn Könige David ewiglich!“ Der König aber ertheilte unverweilt dem Zadok, dem Nathan und dem Benaja den Befehl: „Geht im Geleite meiner Trabanten und der Würdenträger meines Hauses, hebt meinen Sohn Salomo auf mein Maulthier, und führt ihn hinab gen Gihon“, (einem Vororte Jerusalems, sogenannt nach einer am Fuße des Tempelberges entspringenden und in den Teich Siloah sich ergießenden Quelle). „Daselbst,“ fuhr David fort, „sollen Zadok und Nathan ihn mit dem Oele der heiligen Hütte zum Könige über Israel salben, und unter Posaunenschall den Huldigungsruf: Heil dem Könige Salomo! erschallen lassen. Nachdem dies geschehn, zieht wieder hinter ihm her zu mir herauf, so soll er sitzen auf meinem Stuhl und König sein an meiner Statt, und ich will ihm gebieten, daß er Fürst sei über Israel und Juda!“ So der König. „Amen!“ rief Benaja, der Sohn Jajadas. „Es sage also auch der Herr, der Gott meines Königes; und wie er mit meinem Herrn Könige gewesen ist, so sei er auch mit Salomo, daß dessen Stuhl noch größer werde, als der Stuhl meines Herrn, des Königes David!“

Der königliche Befehl wurde vollzogen, und tausendstimmig hallte der Ruf: „Heil dem Könige Salomo!“ im Volke wieder. Weit hin erscholl der festliche Jubel, und drang auch zu den Ohren Adonias und seines empörerischen Anhangs. Als diese aber die Bedeutung des Festlärms erfuhren, stoben sie jählings auseinander und suchten ihr Heil in der Flucht. Adonia selbst eilte der Tenne Aravna zu, und erfaßte die Hörner des Altars, den der königliche Vater dort errichtet hatte. Er hoffte hier vor der Rache seines Bruders Salomo eine Freistätte gefunden zu haben; aber es bestand keine göttliche Satzung, die ihm eine solche sicherte. Er fand sie jedoch in der verschonenden Großmuth des Bruders, der ihm eröffnete, daß, „wenn er redlich sei,“ kein Haar von seinem Haupte auf die Erde fallen solle, und dann mit den Worten: „Gehe in dein Haus,“ ihm befahl, sich in die Stille des Privatlebens zurückzuziehen.

2.

So war denn die Thronfolge Salomos in Jerusalem öffentlich verkündigt. Nichtsdestoweniger bedurfte sie noch einer feierlichen Bestätigung vor dem ganzen Volk und durch dasselbe. In der israelitischen Familie mußte laut göttlicher Verordnung das Erstgeburtsrecht unter allen Umständen gewahrt und heilig gehalten werden. Der älteste Sohn war in der Regel der Haupterbe. Die Ertheilung der Königswürde jedoch hatte nach 5. Moses 17, 15. der Herr selbst sich vorbehalten, und es stand dem Volke nur die Prüfung zu, auf welchen der hinterbliebenen Königssöhne der Finger Gottes als auf den erwählten hinweise. Dem David lag es überdies am Herzen, die Sache des Tempelbaus zur allgemeinen Volkssache zu machen, und ganz Israel für dieselbe zu begeistern. So wissen wir denn um die wesentlichsten Gründe, durch welche sich der König bewogen fand, vor seinem Abscheiden noch einmal die Vertreter des Volks aus allen Ständen und Ordnungen zu einem feierlichen Reichstage um sich zu versammeln. Sobald nun die Geladenen auf der Zionshöhe erschienen waren: Hofbeamte, Räte der Krone, Kämmerer, Aufseher über des Königes Güter, Gärten und Heerden, dazu die Stammeshäupter, die Kriegsoberen oder „Fürsten über Tausend und über Hundert“ und außer diesen so Viele als aus dem Volke Theil zu nehmen begehrten, trat David festen Schrittes und mit lautem Jubelruf begrüßt in deren Mitte. Und wann hätte je ein Großer der Erde in gehobenerer Stimmung seinem Volke gegenübertreten können, als er, der als auf seine Schöpfung auf ein Reich hinweisen konnte, das an Ansehn nach Außen und an Ordnung im Innern in der ganzen damaligen Welt nicht seines Gleichen fand? Von allen seinen Nachbarvölkern ebenso sehr gefürchtet, wie aufrichtig bewundert, ja beneidet, stand Israel mit der reichen Zahl seiner blühenden Städte und Flecken, mit seinen einsichtsvollen und geschickten Beamten, so wie mit seinem schlagfertigen und sieggekrönten Heere und seiner weisen Gesetzgebung als ein wahrer Musterstaat der Welt vor Augen. Aber statt darob stolz sein Haupt zu erheben, neigte David es tief vor dem Allmächtigen nieder, und gab in lauterster Selbstbescheidung von Allem dem allein die Ehre, dessen Gnade sein Leben und sein einiger Ruhm war.

Nachdem er die versammelte Menge huldreich gegrüßt, redete er sie mit lauter überall vernehmbarer Stimme also an: „Höret mir zu, meine Brüder und mein Volk! Ich hatte mir vorgesetzt, und schon dazu mich angeschickt, ein Haus zu bauen, darin die Lade des Bundes des Herrn ruhen sollte, und das ein Fußschemel der Füße unsres Gottes sei. Aber der Herr ließ mir sagen: Du sollst meinem Namen nicht ein Haus bauen; denn du bist ein Kriegsmann und hast Blut vergossen. Nun hat der Herr, der Gott Israels, mich erwählt aus meines Vaters Hause, daß ich König über Israel sein sollte ewiglich. Denn er hat den Stamm Juda erwählet zum Fürstenthum, (d. h. ihn an die Spitze aller übrigen Stämme gestellt,) und in Juda erwählte er meines Vaters Haus; unter meines Vaters Kindern aber hat er Gefallen gehabt an mir, daß er mich über ganz Israel zum Könige setzte; und unter allen meinen Söhnen, - denn der Herr gab mir der Söhne viele, - hat er meinen Sohn Salomo erwählt, daß er sitzen soll auf dem Stuhl des Königreiches des Herrn über Israel. Und er hat mir geredet,“ (ob in unmittelbarer Offenbarung, oder durch den Mund eines Propheten, wird nicht gemeldet): „Dein Sohn Salomo soll bauen mein Haus und meinen Hof; denn ich habe ihn mir erwählet zum Sohne, und ich will sein Vater sein, und sein Königreich bestätigen ewiglich, so er wird anhalten, daß er thue nach meinen Geboten und Rechten, wie es heute steht. Nun sage ich vor dem ganzen Israel, der Gemeine des Herrn, und vor den Ohren unsres Gottes: Haltet und suchet alle Gebote des Herrn unsres Gottes, auf daß ihr das gute Land besitzet, und es nach euch auf eure Kinder vererbet. Du aber, mein Sohn Salomo, erkenne den Gott deines Vaters, und diene ihm mit ganzem Herzen und mit williger Seele. Denn der Herr erforschet alle Herzen, und verstehet aller Gedanken Dichten. Wirst du ihn suchen, so wirst du ihn finden; wirst du ihn verlassen, so wird er dich verwerfen ewiglich!“ So der König mit tiefbewegter Seele. Nach dieser väterlichen Ansprache überreichte er seinem Sohne in feierlicher Weise eine Urkunde, und bezeichnete deren Inhalt mit den Worten: „Alles ist mir“ - (wahrscheinlich durch den Griffel eines Propheten,) - „beschrieben gegeben von der Hand des Herrn, daß mich's unterweisete alle Werke des Vorbildes,“ diejenigen Werke nemlich, welche einst laut 2 Moses 25, 9 dem Manne Gottes, Moses, in einem göttlichen Vorbilde gezeigt worden waren. Die Urkunde enthielt einen bis in's Einzelne ausgeführten Grundriß des künftigen Tempels. Ihr beigefügt war nächst der Priesterordnung ein Verzeichniß des bereits vorhandenen kostbaren Baumaterials. Nachdem er dies dem Calomo behändiget, fuhr er zu demselben fort: „Sei getrost und unverzagt, und mache es also. Fürchte dich nicht und zage nicht. Der Herr mein Gott wird mit dir sein, und die Hand nicht von dir abziehn, noch dich verlassen, bis du alle Werke im Hause des Herrn vollendet hast. Siehe hier die Ordnung für die Priester und Leviten, die zu sämmtlichen Aemtern im Hause Gottes bestellt sind. Sie sind mit dir zu allem Geschäft, und werden willig und weise sein zu allen Aemtern. Nicht minder werden's auch sein die Fürsten und alles Volk zu allen deinen Verrichtungen.“

Nach diesen väterlichen Worten an seinen Sohn wandte David sich zum Volke zurück und sprach: „Mein Sohn Salomo, der Einige, den Gott erwählet hat, ist noch jung und zart, aber das Werk ist groß: denn nicht eines Menschen Palast, sondern die Wohnung Gottes gilt es zu bauen.“ Hierauf gab er den Versammelten eine Uebersicht über das reiche Baumaterial, das er an Gold, Silber, Edelstein, Holz und Quadern hinterlasse, und rief' in die Menge hinein: „Wer ist nun heute freiwillig, seine Hand dem Herrn zu füllen?“ Und alle waren's, die Fürsten und Magnaten des Reichs voran. Großartige Beisteuern wurden zugesagt. „Das Volk,“ meldet die Geschichte, „ward fröhlich, daß Alle so freiwillig waren; denn sie gaben's von ganzem Herzen dem Herrn.“ Sonderlich aber freute sich David, der König, und seine Seele ergoß sich vor der ganzen Gemeine in einem begeisterten Lob- und Dankgebete. „Gelobet seist du,“ sprach er mit lauter Stimme, „du Gott Israels unsres Vaters Gott ewiglich. Dir (nicht mir, nicht uns) gebühret die Majestät und Gewalt, dir die Herrlichkeit, dir Sieg und Dank! Denn Alles, was im Himmel und auf Erden ist, ist dein. Dein ist das Reich, und du bist erhöhet über Alles zum Obersten. Dein ist Reichthum und Ehre. Du herrschest über Alles. In deiner Hand steht Kraft und Macht. Bei dir steht's, Jedermann groß und stark zu machen. Nun, du unser Gott, wir danken dir, und rühmen den Namen deiner Herrlichkeit.“ Auf diese Lobpreisung folgte dann ein demüthiges Bekenntniß der eignen Nichtigkeit und Ohnmacht. „Was bin ich, und was ist mein Volk, daß wir sollten Kraft besitzen, freiwillig zu geben, wie es jetzt geschieht? Es ist Alles von dir gekommen, und wir geben's dir von deiner Hand. Denn wir sind Fremdlinge und Gäste vor dir, wie unsre Väter alle. Unser Leben auf Erden ist wie ein Schatten, und ist kein Aufhalten an ihm. Herr unser Gott, all' dieser Haufe, den wir bereitet haben, dir und deinem heiligen Namen ein Haus zu bauen, ist von deiner Hand gekommen, und ist Alles dein. Ich weiß, mein Gott, daß du das Herz prüfest, und Aufrichtigkeit ist dir angenehm. Darum habe ich dir Alles aus lauterem Herzen freiwillig dargebracht, und habe jetzt mit Freuden gesehn dein Volk, das hier versammelt ist, daß es dir auch freiwillig gegeben hat.“ Den Schluß des Gebets bildeten die herzlichen Bitten: „Herr, du Gott unsrer Väter Abraham, Isaak und Israel, bewahre ewiglich solchen Sinn und Gedanken im Herzen deines Volkes, und schicke ihre Herzen zu dir. Und meinem Sohn Salomo gib ein rechtschaffenes Herz, daß er deine Gebote, Zeugnisse und Rechte halte, daß er Alles thue, und baue diese Wohnung, die ich bestimmt habe!“ Nach diesem köstlichen Ergusse, der ohne Zweifel mit einem vieltausendstimmigen „Amen“ besiegelt ward, forderte David die ganze Gemeine auf, mit ihm den Herrn, ihren Gott, zu loben. Und in gewaltigem Chore stieg das Lob zum Himmel empor. „Die ganze Gemeine pries den Herrn, den Gott ihrer Väter, und Alle beugten sich und beteten an den Herrn, und verneigten sich ehrfurchtsvoll vor dem Könige.“ Es folgte nun ein feierliches Opferfest, und nach demselben ein sogenanntes Opfermahl, ein Liebesmahl, bei welchem Jehova als Gastgeber gedacht, und die Speise, das Fleisch der geschlachteten Opferthiere, als Symbol und Unterpfand der göttlichen Gnade mit heiliger Freude genossen wurde. Das Volk befand sich in gehobenster Stimmung. Wie hätte es anders sein können? Schon der Verklärungsglanz, welcher vom Angesichte des Königes strahlte, mußte erhebend und begeisternd auf Alle wirken. Salomo ward nun zum andern Mal, wenn auch nicht priesterlich gesalbt, so doch in feierlichster Weise als Thronerbe ausgerufen, und die ganze Gemeine, „alle Obersten und Gewaltigen,“ so wie auch „alle Kinder des Königes David“ an deren Spitze huldigten ihm, und „thaten sich unter ihn“ als unter ihren von Gott selbst ersehenen zukünftigen König und Gebieter.

Der Herr hätte dem David die Vollkommenheit der gnadenreichen und unbeschränkten Vergebung, die er ihm nach seiner schweren Versündigung angedeihen ließ, nachdrücklicher nicht besiegeln können, als dadurch, daß er den Sohn der Bathseba nicht allein zum Erben der Krone Israels, der herrlichsten aller Erdenkronen erhöhte, sondern ihn gar sammt seiner Mutter, „dem Weibe des Uria,“ der Geschlechtslinie des großen Davidssohnes, des zukünftigen Weltheilandes einverleibte. Ebensowenig konnte der Herr dem David ein unzweideutigeres Zeugniß seines Wohlgefallens an dem Ganzen seiner königlichen Regierung ertheilen, als damit, daß er ihm vergönnte, dieselbe so bedeutungsvoll und glänzend abzuschließen, wie es eben mit diesem letzten Reichstage und dessen gottverherrlichendem Laufe geschehn war.

Was an diesem großen Tage vorwiegend das Herz Davids bewegte, hat er in dem 138. Psalme ausgesprochen. Die ganze göttliche Heils-, Hülfs- und Gnadenkette, die durch sein langes Leben sich hindurchzog, lag an jenem Tage in hellster Beleuchtung vor ihm aufgedeckt, und sein Auge haftete vorzugsweise an dem hervorstrahlendsten Ring derselben: an der großen in den Gang der Weltgeschichte so tief und gewaltig eingreifenden Verheißung, welche 2. Sam. 7 ihm und seinem Hause zu Theil geworden war, und die er schon in der heiligen Volksbegeisterung für den Tempelbau und in der göttlichen Bestätigung der Thronfolge Salomos als mit den ersten leisen Schritten sich der Verwirklichung entgegen bewegen zu sehn glaubte. Wie die Vergangenheit mit den Tausenden leuchtender Fußtapfen der Barmherzigkeit Gottes, so that sich auch beglänzt, von dem Lichte einer andern Welt, die Zukunft bis zu ihren entlegensten Firnen vor ihm auf. Was Wunder, daß da das Herz ihm schwoll, und seinem Busen ein Lobgesang wie dieser entströmte: „Preisen will ich dich, o Herr, von ganzem Herzen. Allen falschen Göttern zu Trotz will ich dir lobsingen. Anbeten will ich zu deinem heiligen Tempel,“ - (als dessen irdisches Bild das Heiligthum auf Zion sich erheben wird,) - „und ich will preisen deinen Namen um deiner Huld und Wahrheit willen. Denn über allen deinen Namen,“ - (d. i. über Alles, was bisher von dir zu rühmen war,) - „hast du dich verherrlicht durch dein Wort, das Wort der Verheißung. Da ich rief“ - (um die Fortdauer meines Hauses und die Ehre deines Namens in demselben betete,) - „antwortetest du mir (durch die große Zusage) und gabst mir in meiner Seele stolze Kraft,“ (d.i. hohen Muth.) „Preisen werden dich, o Herr, alle Könige der Erde“ (d. i. alle Völker, deren Häupter und Vertreter die Könige sind,) „wenn sie hören werden die Worte deines Mundes; und sie werden singen auf den Wegen des Herrn, daß die Ehre des Herrn groß ist. Denn erhaben ist der Herr, und stehet auf das Niedrige. Den Hohen aber (den Stolzen) erkennet er von Ferne“ (und wird ihn erniedrigen.) „Wenn ich wandle inmitten der Noth, so belebst du mich. Wider den Zorn meiner Feinde streckst du deine Hand aus, und hilfst mir mit deiner Rechten. Der Herr wird vollenden für mich,“ (nemlich das eingeleitete und begonnene Werk, dessen schließliche Vollendung in der Erscheinung Christi und seines Reiches eintreten wird.) „Herr, deine Huld währet in Ewigkeit. Die Werke deiner Hände wollest du nicht lassen;“ d. i. du wirst sie unfehlbar zum Ziele führen.„

Wie herrlich steht David an diesem Reichstage wieder vor uns! Nicht-allein erscheint er durch Gottes Gnade von allen seinen Wunden heil, und rein von allen seinen Flecken; es verwirklichte sich in ihm gar das Bild jenes geheimnißvollen Vogels, der, nach jener egyptischen Sage, wenn er alt geworden, sich in die Flamme stürzt, um nicht erneuert und verjüngt nur, sondern zu noch ungleich höherem Glanze, als der frühere, verklärt mit strahlendem Gefieder aus seiner eigenen Asche wieder emporzusteigen. In Davids Erscheinung sehen wir hier die Wandlung abgeschattet, die einst allen aufrichtig Gläubigen bevorsteht, wenn es im umfassendsten Sinn des Worts von ihnen heißen wird: „Das Alte ist vergangen; siehe, es ist Alles neu geworden!“ Die Schlacken, die den Prozeß seiner Entwickelung, zum Himmelreich begleiteten, liegen hinter ihm, und nur das geläuterte Gold blieb ihm zurück. Alle seine Fehle zerstoben vor der Gnade des Allmächtigen wie eine Wolke, und nur die Gerechtigkeit, die der Heilige Geist in ihm gewirkt, steht, aus allen Trübungen und Entstellungen, die sie erfuhr, siegreich errettet, in schöner und ebenmäßiger Entfaltung vor uns. Für das Diesseits war an David das göttliche Erziehungswerk vollendet. - O, wohl Allen, die sich rückhaltlos der Führung, Zucht und Pflege des Herrn überlassen! Sie mögen ohne Sorge sein auch da, wo ihnen die Wasser der Anfechtung bis an die Seele gehen. Er hilft ihnen durch Alles hindurch, aus Allem heraus, und lastet sie nicht, er habe denn aus ihnen etwas gemacht, „zu Lobe seiner herrlichen Gnade.“ Freilich ist nach des Propheten Ausspruch wie „um alles Herrliche“ hienieden, so auch um das Leben aus Gott, „ein Hülle.“ - Aber der Tag bleibt nicht aus, da die Schale bricht und die Hülle sinkt, und der still gepflegte und gereifte edle Kern zum Preise Gottes und zur Verwunderung der Menschen unvergleichlich schön in die Erscheinung herausstrahlt.

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