Krummacher, Friedrich Wilhelm - XX. Die große Verheißung.

Krummacher, Friedrich Wilhelm - XX. Die große Verheißung.

Zu den erfreulicheren Zeichen unsrer im Allgemeinen dem Glauben so wenig geneigten Zeit gehört der unleugbare Fortschritt, der in der theologischen Wissenschaft von der blos philosophischen und spekulativen Betrachtung des Wunders zu einer geschichtlichen Anschauung und Beurtheilung desselben sich kund gibt. Man gewöhnt sich, nicht mehr zuerst nach der Möglichkeit, sondern vor Allem nach der geschichtlichen Glaubwürdigkeit der biblischen Wunder zu forschen. Man fragt: sind sie von zuverlässigen Berichterstattern, von Augen- und Ohrenzeugen bezeugt, deren Redlichkeit, Besonnenheit und Gewissenhaftigkeit keinem Verdacht unterliegen? Und je länger je mehr befestigt sich die Ueberzeugung, daß wir es in den Evangelisten und Aposteln in der That mit Männern dieser Gattung zu thun haben. Man räumt ein, daß Wunder geschehen seien; aber nun gehn die Ansichten von dem Wesen dieser Wunder, so wie von der Kraft, durch welche sie hervorgebracht wurden, wieder weit auseinander. Während man sie hier aus einem gesteigerten menschlichen Vermögen herzuleiten sucht, schreibt man sie dort natürlichen Mitteln und Einwirkungen zu, welche als solche der damaligen Welt noch ein Geheimniß gewesen seien, und so wird dann wieder ein unmittelbares Eingreifen göttlicher Allmacht bei denselben in Frage gestellt, ja geradezu verneint, und der alte Unglaube verharret in seiner Veste.

Die leuchtende Wunderkette, welche sich in der Schrift vor uns enthüllt, zieht sich Ring in Ring durch Jahrtausende hindurch, und gehört nicht etwa nur einem dunkeln, bildungslosen Zeitalter, sondern großen Theils einem solchen an, da nicht blos in Rom und Griechenland noch Wissenschaft und Kunst in schöner Blüthe standen, sondern auch unter den Juden eine nüchterne Verständigkeit phantastischen Mythenbildungen keinen Raum gestattete. Und dennoch ward die Wirklichkeit und Wahrheit namentlich der Wunder Jesu und seiner Apostel von Juden und Heiden so wenig in Zweifel gezogen, daß erstere, um sich den Folgerungen der ihnen abgedrungenen Anerkennung derselben zu entziehn, nur zu der erheuchelten Annahme ihre Zuflucht zu nehmen wußten, die Wunder seien durch dämonische Kräfte hervorgebracht, und daß die Heiden im zweiten Jahrhundert nach Christo ihrem Zauberer Apollonius von Tyana im Gegensatz zu den Wundern des Herrn, aber unverkennbar in Aehnlichkeit der letzteren noch größere Werke, als Christus sie that, andichteten, um das Volk, welches mithin die Juden um ihren Wunderthäter nicht zu beneiden brauche, vom Uebertritt zum Christenthum abzuhalten.

Woher nun die Abgeneigtheit so Vieler in unsren Tagen gegen den Wunderglauben, als daher, daß man die Kluft zwischen Himmel und Erde in's Unermeßliche ausdehnt, und den Schöpfer der Welt als einen lebendigen, persönlichen und freien nicht mehr kennen will. Gebühren demselben aber diese Attribute, welche den Begriff der Gottheit schlechthin bedingen, wie nahe legt sich dann der Gedanke, daß der Hohe und Erhabene durch die Gesetze, denen er seine Schöpfung unterwarf, sich nicht selbst habe binden, sondern vielmehr unumschränkter Herr in seinem großen Hause habe bleiben wollen, indem er in dem Organismus des Weltalls auch für ein Walten mit höheren Kräften, als sie demselben ursprünglich innewohnen, sich Raum beließ, und der Natur eine Einrichtung gab, vermöge deren sie, seiner Weisheit oder Liebe allezeit dienstbar, auch Abweichungen von ihrem gewohnten Laufe ertragen könne, und dies unbeschadet der Gesetze, nach denen wir dieselbe sich bewegen sehn, und denen eine gottgewollte Elasticität oder Dehnbarkeit zugeschrieben werden muß. Er, der da „macht mit den Kräften im Himmel und auf Erden, was er will,“ wird einst die Welt, die wir gegenwärtig kennen, völlig umgestalten und verklären, und alsdann wird es Niemandem mehr in Frage stehen, ob er ein Gott sei, der Wunder thun könne. Dieses Erneuerungswerk, dessen wir warten, wird dem erstaunenswürdigsten seiner Wunder, nemlich dem der ersten Schöpfung des Weltalls aus Nichts durch den bloßen Wink seines allmächtigen Willens, ebenbürtig zur Seite stehen; ja lauter noch, als über das Werk des Anfangs, werden darob „die Morgensterne ihn loben, und alle Kinder Gottes ihm zujauchzen.“ Dieses einleitende Wort diene uns zur Stärkung unsres Glaubens an den Vorgang, von dem wir heute hören werden. Die Herablassung Gottes zu uns, den armen Sterblichen, ist unser Heil, ist unser Leben. Wir werden auf's neue Zeugen derselben sein, indem wir einem Wunder in der menschlichen Gemüthswelt, einer Einsprache des lebendigen Gottes begegnen werden, deren Thatsächlichkeit durch ihre Erfolge über allen Zweifel erhoben worden ist.

2. Sam. 7, 11. Der Herr verkündiget dir, daß er dir ein Haus bauen will.

Der Heil verkündende Stern, den einst Bileam, nachdem der Herr ihm das innere Auge geöffnet hatte, aus Jakob aufgehn sah, war seit jenen altersgrauen Tagen dem geistigen Gesichtskreise der Kinder Israel nicht viel näher gekommen. Wohl bildete er den Mittelpunkt aller ihrer nationalen Hoffnungen. Auch erkannte Israel ihn verhüllt in sämmtlichen Typen und Bildern seiner Gottesdienste wieder. Jetzt hatte aber die Stunde geschlagen, in der er eines bedeutenden Theils seiner Hüllen entkleidet werden sollte, und David ward vom Herrn dazu ersehn, theils als persönliches Vorbild, theils als Träger neuer Offenbarungen, das Werkzeug bei dieser Entschleierung abzugeben. Heute sehen wir ihn einer höchst merkwürdigen göttlichen Mittheilung gewürdigt. Beachten wir deren Inhalt, und dann die Wirkung, die sie im Gefolge hat.

David hatte die Friedenstage, die der Herr ihm gönnte, rastlos und rühmlichst ausgekauft, indem er Jerusalem gebaut und verschönert, die Priesterordnungen, die der Auflösung nahe gekommen waren, wiederhergestellt, zur Hebung der Gottesdienste Sänger und Musiker bestellt, geistbegabte Männer, wie Assaph, Heman, Echan und andre als Sangmeister ihnen vorgesetzt, und überdies mit der Heeresorganisation sich befaßt, und den Richterämtern ringsum im Lande seine landesväterliche Fürsorge zugewendet hatte. Auch hatte er den Bau seines Herrschersitzes auf der Zionshöhe vollendet, und demselben nach außen wie nach innen die der königlichen Würde angemessene Einrichtung gegeben. In dieser seiner Hofburg treffen wir ihn heute. Einsam, in die Beschauung aller der Gnaden vertieft, womit der Herr bis dahin sein Leben krönte, sitzt er da. Seine Seele ist in Dank zerflossen. Nur Eins will ihn bekümmern. Es drängt ihn, dem Propheten Nathan, seinem Freunde und Berather, es zu offenbaren. Zum ersten Male treffen wir hier mit diesem Gottesmanne zusammen. Noch manchmal wird er uns im Leben Davids und zu seiner Seite begegnen. Er war's, der auch nach 1. Chron. 30. 29 später eine nicht auf uns gekommene Geschichte der Regierung sowohl Davids wie Salomos schrieb, und an der Erneuerung und Veredlung des öffentlichen Gottesdienstes unter David einen wesentlichen Antheil hatte. Nathan, zum Könige beschieden, erscheint, und wird von ihm mit den Worten empfangen: „Siehe, ich wohne in einem Cedernhause, und die Lade Gottes wohnet unter den Teppichen,“ (in einem dürftigen Gezelte). Mit sichtlicher Wehmuth sprach er's; und was wünschten wir mehr, als daß namentlich im Blick auf die geistliche Wohnung Gottes, die Kirche, Davids Gedanken diejenigen aller Großen der Erde wären! Nathan hat, was seinen königlichen Freund bewegt, bald errathen, und der Gedanke eines würdigen Tempelbaus findet auch in seiner Seele begeisternden Wiederhall. „Gehe hin,“ spricht er zum Könige, „und thue, was du in deinem Herzen hast; denn der Herr ist mit dir!“ Er mußte dies glauben, da Davids Vorhaben ja nur die Verherrlichung des Herrn bezweckte.

Was ereignete sich jedoch? Gleich in der nächsten Nacht kommt zu Nathan in einem Gesichte das Wort des Herrn. Und was enthält's? Eine Ablehnung des davidischen Plans, und eine Verneinung der Genehmigung des Propheten. Hier bietet sich uns ein schlagendes Zeugniß für die Thatsächlichkeit unmittelbarer göttlicher Offenbarungen dar. David und Nathan vereinigten sich nach bestem Wissen und Gewissen zu einem wirklich frommen und heiligen Werke, und plötzlich leisten sie auf einen Lieblingsplan Verzicht, zu dessen Ausführung Alles zu rathen schien. Warum gaben sie das edle Vorhaben auf? Aus eigner Bewegung nimmermehr; sondern lediglich, weil Gott der Herr ihnen darein geredet, und unmittelbar sein Veto gesprochen hat. Und wie sollte der lebendige, persönliche Gott, der den Menschen den Mund' geschaffen hat, nicht selbst zu Menschenkindern reden können? Kein einziger stichhaltiger Grund ist dawider aufzubringen. Wird aber gefragt, weshalb Gott einem Unternehmen, das dem Herzen Davids nur zur Ehre gereichte, seine Billigung versagte, so hören wir in dem ersten Buch der Chronika Kap. 29, der Herr habe zu David gesprochen: „Du sollst meinem Namen nicht ein Haus bauen, weil du ein Kriegsmann bist, und viel Blut vergossen hast!“ Zu einem Argwohne, als habe sich in die löbliche Absicht des Königes auch eine menschliche Eitelkeit oder Prunksucht mit eingemischt, ist nicht der geringste Grund vorhanden. Es war aber zu Friedenswerken, und namentlich zu einem Tempelbau, die Zeit noch nicht geeignet, indem noch große und heiße Kämpfe mit den umwohnenden Heidenvölkern in naher Aussicht standen. Vernehmen wir aber, was der Herr in jenem Nachtgesichte dem Propheten kund that. Auch für uns ist dies von höchster Bedeutung.

Früh Morgens erscheint Nathan wieder vor David, und theilt ihm mit, was in der Nacht ihm widerfahren, und von dem Herrn aufgetragen fei. „Der Herr sprach zu mir,“ berichtet er, „gehe hin und sage zu meinem Knechte David: So spricht der Herr: Solltest du mir ein Haus bauen, daß ich darinnen wohnte“? Hierauf meldete Nathan weiter, daß der Herr ihm, dem Könige, sagen lasse, er bedürfe eines Hauses nicht. Seitdem er die Kinder Israel aus Egypten geführt, habe er leitend und helfend unter ihnen gewandelt, in dem unansehnlichen Gezelte sich ihnen geoffenbart, und zu keinem der Stämme Israels je gesagt: „Warum baut ihr mir nicht ein Cedernhaus?“ Allezeit sei er auch mit ihm, dem David, seinem Knechte, gewesen, ohne daß derselbe ihm erst ein Haus habe bauen müssen. Er habe ihn von den Schafhürden genommen und zum Fürsten über sein Volk gesetzt, und gleicherweise werde er auch ferner bei und mit ihm sein. Seinem Volke Israel aber wolle er selbst einen Ort setzen und es pflanzen, daß es an seiner Stelle ansäßig wohne und nicht mehr in der Irre gehe, noch zu erzittern brauche. Die Kinder der Bosheit sollten Israel nicht ferner drängen, wie vorhin. „Und“, so fährt Nathan mit gehobener Stimme und großer Bewegung seines Herzens fort, „der Herr verkündet dir, meinem Könige, daß er dir ein Haus bauen will.“ Mit gesteigerter Spannung horcht der König bei diesen letzten Worten auf; denn schon dämmert ihm der geheimnißvolle Sinn derselben vor der Seele. Nathan spricht: „Zu dir sagt der Herr: Wenn nun deine Zeit hin ist, daß du mit deinen Vätern schlafen liegest, so will ich deinen Samen nach dir erwecken, und ihm will ich sein Reich bestätigen. Der soll meinem Namen ein Haus bauen, und ich will den Stuhl seines Königreichs bestätigen ewiglich. Ich will sein Vater sein und er soll mein Sohn sein. Wenn er eine Missethat begeht, will ich ihn mit Menschenruthen und mit der Menschenkinder Schlägen strafen; aber meine Barmherzigkeit soll nicht von ihm entwendet werden, wie ich sie entwendet habe von Saul, den ich vor dir habe weggenommen. Dein Haus aber und dein Königreich soll beständig sein ewiglich vor dir, und dein Stuhl soll in Ewigkeit bestehen.“ -

Der Doppelsinn dieser Worte des Herrn an David ergibt sich bald, selbst abgesehn davon, daß das: „Wenn er eine Missethat thut,“ auch die Uebersetzung zuläßt: „Wenn ich ihn zur Sünde machen werde.“ Zunächst enthalten die Worte allerdings eine Verheißung des Fortbestandes der Dynastie oder des Herrscherhauses Davids. Sein Königreich solle ein erbliches sein, und sein erster Nachfolger auf dem Thron sein Sohn Salomo, der damals noch nicht geboren war, und welchen er, Jehova, dazu ersehen habe, daß er ihm, dem Herrn, ein Haus, d. i. einen Tempel baue. Er werde des Königes Vater, und das Reich desselben mithin sein Reich, das Reich Gottes sein. Aber ein ewiges und alle Zeit überdauerndes Reich. Dieser letzte Zusatz eröffnet eine weite großartige Fernsicht, und zwar auf ein Reich, das nicht von dieser Welt ist, indem die Weltreiche ja alle der Vergänglichkeit unterworfen sind, und auf einen König, der, ob auch dem Fleische nach dem Geschlechte Davids entsproßen, nichtsdestoweniger einer andern, höhern, übermenschlichen Ordnung und Wesenssphäre angehört.

Wie geschieht nun dem David bei dieser Eröffnung des Propheten? Mit großer Bewegung seiner Seele hat er derselben zugehorcht. Welche Worte: „Ich der Herr will dir ein Haus bauen“; - „dein Stuhl soll in Ewigkeit bestehn“; - „dein Königreich wird kein Ende nehmen“; - „Ich, Jehova, werde des zukünftigen Königes, des ewigen Herrschers, deines Nachkommen Vater und er wird mein Sohn sein!“ Ja, David versteht. Der bedeutungsvollste und ergreifendste Augenblick seines Lebens ist gekommen. Stumm in sich versenkt sitzt er da. Die Schleier der fernen Zukunft haben sich vor ihm gelüftet. Er sieht die Verheißung, die schon dem Vater Abraham gegeben war, mit einem Male an sein eignes Haus geknüpft. Abrahams Same, der große Zukünftige, in welchem „alle Völker der Erde sollten gesegnet werden,“ taucht als ein Sprößling seines Stammes vor seinem inneren Auge auf. Er muß seinem tiefbewegten Herzen Luft machen. Nachdem er den Nathan entlassen, erhebt er sich von seinem Sitz, und eilt in die heilige Hütte, um dort Angesichts der Bundeslade, dieses Symbols des Throns und der Gegenwart Jehova's, in den Schooß des Herrn auszuschütten, was sein Herz erfüllt.

Wir vernehmen sein Gebet. „Herr, Herr“ beginnt er, „wer bin ich und was ist mein Haus, daß du mich bis hierher gebracht hast? Und du hast das noch zu wenig geachtet, Herr, Herr, und hast dem Hause deines Knechts noch von einem fernen Zukünftigen geredet. - Dies - (nehmlich das Zukünftige,) ist eine Weise - (eine Satzung oder Ordnung) eines Menschen, der Gott der Herr ist,“ also nicht eines sterblichen, sondern eines Gottmenschen. Einige Ausleger fassen diese Stelle als Ausruf staunender Verwunderung, und übersetzen: „Und das ist ein Gesetz des Menschen, Herr, Jehova d. h.: einem Menschen und dessen Hause stellest du eine solche Satzung, daß du ihm Aussicht auf eine ewige Dauer eröffnest?!“ Aber auch bei dieser mehr verkünstelten Deutung besagt das Wort: „Ein sterblicher Mensch kann es nicht sein, von dem Du so große Dinge ausgesagt hast. Er muß von oben stammen.“ Ganz unverkennbar schwebt dem David der Messias vor Augen, der verheißene Gottessohn. Auch ein Weiteres noch stellt dies, wie wir gleich sehn werden, außer Frage.

Neigen wir nun wieder dem Gebete des Königs unser Ohr! Er spricht: „Du kennest deinen Knecht,“ d. i. es bedarf hier ja nicht vieler Worte. „Um deiner schon den Vätern gegebenen Zusage willen und nach deinem Herzen hast du solche große Dinge gethan, daß du sie deinem Knechte offenbarest.“ Hierauf ergießt sich David in einer begeisterten Lobpreisung Gottes, als welcher sein Volk je und je mit Gnaden überschüttet habe, und fortfahre, es zu segnen. „Wo ist ein Volk auf Erden,“ ruft er aus, „wie dein Volk Israel, um welches willen Gott hingegangen ist, sich ein Volk zu erlösen, und sich einen Namen zu machen, und solche große und schreckliche Dinge zu thun, und dir, o Herr, Herrlichkeit zu schaffen vor deinem Volke, welches du dir erlöset hast von Egypten, von den Heiden und ihren Göttern. Und du hast dein Volk Israel zubereitet und bestätiget, dir zum Volke in Ewigkeit, und du, Herr, bist ihr Gott geworden.“ Dann kommt David mit wallendem Herzen wieder auf das „fern Zukünftige“ zurück, welches der Herr ihm persönlich in Aussicht stellte. „Herr Gott,“ betet er, „richte auf und bestätige bis in Ewigkeit das Wort, das du über deinen Knecht und sein Haus geredet hast, und thue, wie du sagtest. So wird deine Name groß werden in Ewigkeit, daß man sagen wird: Der Herr Zebaoth ist der Gott über Israel. Und das Haus deines Knechtes David wird bestehn bleiben vor dir. Denn du Herr Zebaoth hast das Ohr deines Knechtes geöffnet, (um ihm ein Geheimnis zu vertrauen,) und hast gesagt: Ich will dir ein Haus bauen! Darum hat dein Knecht sein Herz gefunden, (d. i. tief innerlich sich gedrungen gefühlt,) dies Gebet zu dir zu beten. Nun Herr Herr, du bist Gott, und du hast solches Gute über deinen Knecht geredet. So hebe nun an und segne das Haus deines Knechts, daß es ewig vor dir sei: denn du Herr hast es geredet, und mit deinem Segen wird deines Knechtes Haus ewiglich gesegnet werden.“

Dies des Königes Gebet. So, wie es seinem Herzen entströmte, hat er es nachmals aufgezeichnet. Nie mehr vergaß er, was der Herr ihm hatte eröffnen lassen. Durch sein ganzes Leben klang es nach, und das Räthselhafte darin löste sich ihm unter fortgehender Erleuchtung mehr und mehr. Die hehre Königsgestalt seines großen zu ewiger Herrschaft verordneten Nachkommen trat durch fortlaufende Offenbarungen immer deutlicher nach allen Seiten hin vor seine Seele. Im 110. Psalm nennt er ihn, der der menschlichen Herkunft nach sein Sohn werden sollte, schon im Sinne der Majestät seinen „Herrn,“ indem er spricht: „Der Herr hat gesagt zu meinem Herrn: Setze dich zu meiner Rechten, bis daß ich deine Feinde zum Schemel deiner Füße lege.“ Gegen das Ende seiner Tage ist es wieder die durch Nathan ihm überbrachte göttliche Botschaft, die tröstlich in seiner Seele auftaucht, und ihm den Abschied von der Erde versüßt. Mit freudiger Erhebung bricht er in seinem Schwanenliede u. a. in die Worte aus: „Der Gott Israels hat zu mir gesprochen, Israels Fels hat mir verheißen einen gerechten Herrscher unter den Menschen, einen Herrscher in der Furcht Gottes, gleich der wolkenlos heraufsteigenden Sonne, die mit schöpferischem Glanze das Gras wachsen macht;“ d. i. sein Regiment wird in immer weiterem Umfange Leben, Segen und Gedeihen um sich her verbreiten. Und aus welchem Geschlecht wird er einst als Menschensohn hervorgehn, der große Lebens- und Friedensfürst? David spricht: „Mein Haus ist fest bei Gott; denn er hat mir einen ewigen Bund gesetzt.“

So hatte denn an David selbst die große Verheißung, die ihm zu Theil geworden, ihre mächtige Wirkung nicht verfehlt; und wie weit über ihn hinaus hat dieselbe sich ausgedehnt! Von jener Zeit an hieß in ganz Israel der ersehnte und erwartete Gründer eines ewigen Friedensreiches, der „Davidssohn.“ Alle Propheten wissen fortan von ihm als von dem heilbringenden „Zweig aus der Wurzel Isais.“ An der Stammlinie Davids haftet nunmehr die Hoffnung des Volks. Auf Bethlehem ruhte das Auge der Sehnsucht. Immer unzweideutiger gibt sich aber auch ein Wissen um die himmlische Herkunft des Davidssprößlings kund, und seine Wesenseinheit mit Gott, und sein „Ausgang von Anfang und Ewigkeit her“ lebt in der Anschauung der Erleuchteten Israels mit derselben Klarheit, wie seine menschliche Abstammung. Und als endlich die Zeit seiner Erscheinung vor der Thüre ist, ergeht an die Davidstochter Maria die Botschaft des himmlischen Herolds: „Du wirst einen Sohn gebären, der wird groß sein, und ein Sohn des Höchsten genannt werden, und Gott der Herr wird ihm den Stuhl seines Vaters David geben.“ Und bald daraus hören wir den alten Priester Zacharias „voll Heiligen Geistes“ frohlocken: „Gelobet sei der Herr, der Gott Israels: denn er hat besucht und erlöset sein Volk und hat uns aufgerichtet ein Horn des Heils in dem Hause seines Dieners David“ Und als der Erschienene in Jerusalem einzieht, umtönt ihn aus der begeisterten Bevölkerung heraus der Huldigungsruf: „Hosianna, dem Sohne Davids, gelobt sei der da kommt im Namen des Herrn!“ Später aber vernimmt er wiederholt aus dem Munde Heil und Hülfe Suchender den Nothschrei: „Herr Jesu, du Sohn Davids, erbarme dich meiner!“ Lauter Nachklänge dies der göttlichen Offenbarung, die David einst durch Vermittelung des Propheten Nathan vernahm; nur daß dieselbe später durch den Geist Gottes mehr und mehr geklärt, erweitert und ausgebildet wurde.

So lebte Christus schon Jahrhunderte, ja Jahrtausende vor seiner Erscheinung in der Erwartung der Freunde Gottes. Adam, Abraham, Moses und Unzählige nach ihnen hatten bereits Kunde von ihm empfangen und getrösteten sich derselben von ganzem Herzen. „Viele Könige und Propheten,“ spricht der erschienene Davidssohn selbst, „haben begehrt zu sehn, was ihr sehet, und haben es nicht gesehn.“ Ein Zug der Sehnsucht nach ihm ging durch ganz Israel und trug sich selbst auf viele Heiden über. Jetzt steht die Sonne, deren Aufgang David im Geist gegrüßt, schon seit achtzehn Jahrhunderten am Himmel der Welt; und wer mag ausreden die Fülle des Heils und des Segens, womit sie bis heute die arme Erde beglückt und bereichert hat? Freilich zieht sie auch Nebel, wie sie Nebel zerstreut; aber sie selbst wandelt in ungetrübter Reinheit ihren Weg, und bleibt rein und fleckenlos auch da, wo unter ihren Strahlen, weil dieselben auf Moor und Sümpfe fallen, nur giftige Dünste sich entwickeln. Wie Viele jedoch selbst unter denen, die glaubenslos ihr den Rücken wenden, nehmen an ihren wohlthätigen Einwirkungen ungleich reicheren Antheil, als sie selbst wissen und wissen wollen. Das Beste, dessen die Welt sich erfreut in Bildung und Gesittung, in geordnetem Staats- und trautem Familienleben, verdankt sie sammt den Hoffnungen, die ihr die Grabesnacht erhellen, der „Sonne der Gerechtigkeit mit Heil unter ihren Flügeln,“ welche über Gottlose und Gerechte ihr wohlthätiges Licht verbreitet. O daß doch ein Jeder ganz in ihren Strahlenkreis treten, und dem heiligen Wanderzuge sich anschließen möchte, der zu allen Zeiten still und glaubensfroh durch die große Menschenwüste dahinzog, und dessen Schiboleth das „Hosianna dem Sohne Davids“ ist.

Auf das herrliche Dankgebet, in welchem David nach Empfang der großen Verheißung in der heiligen Hütte vor dem Herrn sein Herz ausschüttete, bezieht sich unverkennbar der einer späteren Zeit angehörige, aber im Geiste Davids von Ethan dem Esrahiten, gedichtete 89. Psalm. Der Sänger will in demselben singen von der Gnade des Herrn, und „mit seinem Munde die Treue verkündigen, die der Herr von Geschlecht zu Geschlecht bethätige.“ „Eine ewige Gnade,“ singt er, „wird aufgehn, und du Herr wirst deine Wahrheit treulich halten im Himmel. Du sprachst: Ich habe -einen Bund gemacht mit meinem Auserwählten; ich habe David, meinem Knecht, geschworen: Ewiglich will ich deinen Samen bestätigen, und deinen Stuhl bauen von Geschlecht zu Geschlecht. Und die Himmel, Herr, werden deine Wunder preisen, und deine Wahrheit in der Versammlung der Heiligen.“ Nachdem der Sänger hierauf die Macht und Heiligkeit Jehovas angebetet, preiset er selig das Volk, das im Lichte seines Angesichtes wandelt. „In deinem Namen,“ spricht er, „frohlocken sie immerfort, und durch deine Gerechtigkeit sind sie herrlich; denn du bist ihre mächtige Zier, und durch deine Gnade erhöhest du unser Horn.“ Auf David zurückkommend, fährt er fort: „Dazumal, (da du die große Verheißung ihm gabst,) redetest du im Gesicht zu deinem Frommen und sprachest: Ich habe Hülfe gelegt auf einen Helden, und einen Jüngling aus dem Volk erhoben. Ich fand David meinen Knecht; mit meinem heiligen' Oel salbte ich ihn. Meine Hand soll mit ihm beständig sein, und mein Arm ihn stärke!,. Der Feind soll ihn nicht drängen, und der Ungerechte ihn nicht plagen. Ich zermalme vor ihm seine Widersacher und schlage seine Hasser. Aber meine Wahrheit und Gnade soll bei ihm sein, und sein Horn soll durch meinen Namen erhöhet werden. Auf das Meer lege ich seine Hand, und auf die Ströme seine Rechte. Er wird mich nennen also: Du bist mein Vater, mein Gott und der Fels meines Heils. Auch will ich ihn zum Erstgeborenen machen, zum Höchsten über die Könige der Erden,“ (in der Person des Messias). „Ich will ihm ewiglich bewahren meine Gnade, und mein Bund soll ihm beständig bleiben. Auf ewig setze ich seinen Samen, und seinen Thron gleich den Tagen des Himmels.“ - In den zunächst folgenden Versen erinnert der Sänger an das, was der Herr in der Offenbarung, deren er den Nathan würdigte, dem David für den Fall verheißen hatte, daß sein Same (d. h. sein nächster Nachkomme,) sich einer Missethat schuldig machen würde: wie er nemlich darum seinen Bund nicht brechen, noch an dem etwas ändern werde, was Großes und Verheißungsreiches von seinen Lippen gegangen sei. „Herr,“ fährt er fort, „du sagtest: Eins habe ich geschworen in meiner Heiligkeit, ich will David nicht belügen. Sein Name soll ewig sein, und sein Thron vor mir bestehn wie die Sonne. Wie der Mond soll er ewig befestiget sein, und der Zeuge in den Wolken ist beständig.“ Nun aber gedenkt er auch des Widerspruchs, in welchem die vielfach bedrohte und drangsalsvolle Zeit, in der er seinen Psalm sang, mit der herrlichen Verheißung zu stehn schien, welche dem David und seinem Samen gegeben war. „Herr,“ ruft er aus, „wo ist deine vorige Gnade, die du geschworen hast dem David in deiner Treue?“ Er betet zum Herrn, daß er diesen Anschein eines Widerspruchs beseitigen wolle; doch lehnt er sich fest wie an einen unwandelbaren Felsen an Gottes Wort, und schließt im Glauben mit der Doxologie: „Gelobet sei der Herr in Ewigkeit, Amen!“

Ethan, der Levite, verfaßte diesen Psalm in seinem hohen Alter, da unter Rehabeam das Königreich Davids zerrissen ward, und des gottlosen Wesens schon gar viel ringsum im Schwange ging und in noch größerm Maßstabe als Folge mannichfaltiger Zerrüttungen hereinzubrechen drohte. Echan gewährt uns aber ein wohlthuendes und erhebendes Beispiel, wie die dem David gewordene Verheißung im Volke fortlebte, und die Frommen sie zu ihrem Troste auszubeuten wußten. Die Aussicht in das himmlische Jenseits war ihnen, wie uns bewußt, noch schwer umwölkt; aber eben darum ihr Hoffen um so lebhafter auf die diesseitige Erscheinung des Messiasreiches gerichtet. Mit dieser Hoffnung aber hielten sie unter allen Verhältnissen Stand, weil dieselbe auf das Wort des lebendigen Gottes sich gründete. Wahrlich, jene Alten beschämen uns, die wir jetzt auf den göttlichen Verheißungen Siegel glänzen sehn, von denen jene kaum noch eine Ahnung hatten. Treten wir in die Fußtapfen ihres Glaubens, und eigne auch unser Herz sich das Gebet des 119. Psalmes zu: „Herr, Laß meinen Gang gewiß sein in deinem Wort; denn dein Wort ist nichts als Wahrheit, und alle Rechte deiner Gerechtigkeit währen ewiglich!“ -

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