Kapff, Sixtus Carl von - Am Feiertag des Märtyrers Stephanus.

Kapff, Sixtus Carl von - Am Feiertag des Märtyrers Stephanus.

Text: Apostelgesch. im 6. und 7. Kap.

Stephanus aber, voll Glaubens und Kräfte, tat Wunder und große Zeichen unter dem Volke. Da stunden Etliche auf von der Schule, die da heißet der Liberianer, und der Cyrener, und der Alexandrer, und derer, die aus Cilicien und Asien waren, und befragten sich mit Stephano; und sie vermochten nicht zu widerstehen der Weisheit und dem Geiste, aus welchem er redete. Da richteten sie zu etliche Männer, die sprachen: wir haben ihn gehört Lästerworte reden wider Mosen und wider GOtt; und bewegten das Volk und die Ältesten und Schriftgelehrten, und traten herzu und rissen ihn hin, und führten ihn vor den Rath und stellten falsche Zeugen dar, die sprachen: dieser Mensch höret nicht auf, zu reden Lästerworte wider diese heilige Stätte und das Gesetz. Denn wir haben ihn hören sagen: JEsus von Nazareth wird diese Stätte zerstören und ändern die Sitten, die uns Moses gegeben hat. Und sie sahen auf ihn Alle, die im Rate saßen, und sahen sein Angesicht wie eines Engels Angesicht. Als er aber voll Heiligen Geistes war, sah er auf gen Himmel und sah die Herrlichkeit GOttes und JEsum stehen zur Rechten GOttes, und sprach: siehe, ich sehe den Himmel offen und des Menschen Sohn zur Rechten GOttes stehen. Sie schrien aber laut, und hielten ihre Ohren zu, und stürmten einmütig zu ihm ein, stießen ihn zur Stadt hinaus und steinigten ihn. Und die Zeugen legten ab ihre Kleider zu den Füßen eines Jünglings, der hieß Saulus, und steinigten Stephanum, der anrief und sprach: HErr JEsu! nimm meinen Geist auf. Er kniete aber nieder und schrie laut: HErr! behalte ihnen diese Sünde nicht. Und als er das gesagt, entschlief er.

Gestern freuten wir uns über den Lobgesang der himmlischen Heerschaaren und stünden mit den seligsten Hoffnungen an der Krippe des Weltheilandes, von welcher aus wir ein wunderbares Licht strahlen sahen über die ganze Menschheit, ja bis in die fernsten Ewigkeiten hinein. Heute dringt aus dieser Menschheit ein wildes Mordgeschrei an unsere Ohren, und als das Ende eines Jüngers, dem Christi Geburt zum Leben geworden, sehen wir schrecklichen Hass der Welt, grausame Steinigung und Mord. Welch' unerwarteter Wechsel! Mitten aus den freudigsten Lebensgedanken heraus sollen wir den traurigsten Todesgedanken uns hingeben, und während wir gestern Alles verklärt sahen durch die Lebenssonne, die in Bethlehem aufging, will uns jetzt wieder Alles in Dunkel gehüllt erscheinen. Ist Hass bei der Welt und Martertod das Ende der Neugeburt durch Ihn, so ist ja seine Geburt eine Geburt zum Tode, und so nicht zur Freude. Wird nicht so unsere Weihnachtsfreude gestört durch die Geschichte des heutigen Tages?

Nein, nur zu größerer Wahrheit und Festigkeit wird sie dadurch gebracht. So gerne nehmen wir den Flug zu hoch, und möchten leben, ohne zu sterben, herrschen, ohne zu leiden, genießen und besitzen, ohne verleugnet zu haben. Aber so geht es nicht im Reiche GOttes. Wie das JEsuskind nicht in prächtigem Palast, sondern in der Armut eines Stalles geboren und bald verfolgt wurde durch den Hass des Herodes, so ist schon unsere Geburt in das Reich GOttes durch die Taufe ein Begrabenwerden mit Christo, ein Eingepflanztwerden mit Ihm zu gleichem Tode, und so fortwährend, wer Ihm nachfolgen will, der muss sein Kreuz auf sich nehmen. Tod und Leben gehöret zusammen. Wie unser leibliches Leben endet mit dem Tode und dann erst das wahre Leben kommt, so auch unser geistliches Leben muss durch das Sterben des alten Menschen hindurchgehen,

Deswegen fasst Paulus Beides zusammen in den Worten: „Christus ist mein Leben und Sterben mein Gewinn.“ Den ersten Theil dieses Spruches haben wir gestern betrachtet, heute steht Stephanus als ein leuchtendes Beispiel, dass Sterben ein Gewinn sei, vor unsern Augen. Sahen wir gestern den Himmel offen bei der Geburt JEsu, so sehen wir ihn heute offen beim Sterben eines seiner Jünger. So ist durch JEsum der Himmel aufgetan im Leben und im Sterben der Seinigen, und eben das ist die Frucht seines Lebens und Sterbens. Dieses Trostes bedurften wir in dem zu Ende eilenden Jahrgang besonders, da so viele Gräber unter uns sich auftaten. Wie manche Träne hat sich diesmal in unsere Weihnachtsfreude gemischt! Wie wohl tut es da, zu wissen, dass Sterben ein Gewinn ist für die, denen Christus das Leben ist. Auch wir müssen sterben, vielleicht bald, vielleicht wie Stephanus. Und während wir hier sind, ringt einer unserer Brüder mit dem Tode. Daher wollen wir oft und heute besonders über die Wahrheit nachdenken:

Ist Christus unser Leben, so ist Sterben unser Gewinn,

1) das geistliche Sterben,
2) das leibliche.

O hilf, Christe, durch dein Leiden Dem erlösten Geschlecht
Durch viel Trübsal zu den Freuden: Du allein machst uns gerecht.
Durch dein Blut und Marterkronen Lass uns ewig bei dir wohnen.

Amen.

I.

Wer das geistliche Sterben, d. h. das Sterben des alten Menschen nicht gelernt hat, für den kann das leibliche Sterben nie Gewinn, sondern nur Schrecken und Pein sein, und nur durch das Sterben des alten Menschen ist ein solch' herrliches Sterben des Leibes, wie wir es an Stephanus sehen, möglich. Was gab ihm die hohe Freudigkeit im Martertode, die wir an ihm bewundern? was machte sein Sterben zu einer seligen Geburt in's Leben? was anders, als dass er vorher gestorben war den Tod des alten Menschen. Nach unserem Texte war er voll Glaubens, und in diesem Glauben war Christus sein Leben geworden, seine Gerechtigkeit, seine Weisheit, sein höchstes Gut, das ihm lieber war, als die ganze Welt. Die Liebe Des, der auch ihn mit seinem Blute erkauft hatte, erfüllte sein Herz so, dass er um Christi willen Alles für Schaden achten konnte. Und so gab er alle Christo widerstrebenden Ansichten seines jüdischen Glaubens auf, suchte nicht mehr, wie bisher, eine eigene Gerechtigkeit aufzurichten, setzte sein Vertrauen nicht mehr auf äußerliche Gebräuche und Gesetzerfüllung, suchte nicht mehr bei Menschen Weisheit, sondern sein Ein und Alles, alles Heil, alle Wahrheit, alle Hoffnung fand er nur in Christo. Ihm brachte er sein eigenes Leben willig zum Opfer, so dass er es sich ganz geduldig gefallen ließ, als er ein großes Widersprechen von den Sündern erfahren musste, und mit großer Sanftmut sich in einer langen Rede bemühte, sie zu besserer Einsicht zu bringen, dann aber mit heiligem Mut ein herrliches Bekenntnis von Christo vor seinen erbittertsten Feinden ablegte und ohne alle Menschenfurcht ihren Unglauben strafte, obwohl er die Folgen davon wohl voraussah. So nahm er die Schmach Christi, ja das Kreuz Christi willig auf sich, und ließ von seinem Volke und dessen Vornehmsten sich ausstoßen und zum Tode verurteilen. Und als sie mit wilder Grausamkeit ihn zu Tode steinigten, da durften die heftigen Schmerzen und die blutenden Wunden ihn nicht erzürnen, mit keinem Laute beklagt er sich über das schreiende Unrecht und die schreckliche Todesart, sondern sein letztes Wort ist: „HErr! behalte ihnen diese Sünde nicht.“ Daraus sehen wir, dass das alte Leben der Natur in ihm gestorben war, dass er sein eigen Leben völlig Christo zum Opfer gebracht hatte. In unserer Natur liegt das Stieben, das Leben zu erhalten, nichts aufzuopfern, den Menschen zu gefallen, und wenn sie uns Böses antun, uns zu rächen oder doch GOttes Rache über sie hereinzurufen. Nichts von dem Allem sehen wir bei Stephane. Als ein Mann voll Glaubens und Heiligen Geistes hatte er alle Eigenliebe, alle Lust des fleischlichen Lebens, alle Ehre bei Menschen, allen Stolz und Zorn und Hass und alle Regungen der alten Natur Christo geopfert; sein alter Mensch war samt Christo gekreuzigt, so dass er nicht mehr der Sünde und nicht mehr sich selber diente, sondern ganz nur Christo.

Dieses Sterben seines alten Menschen war dem Stephanus selbst ein hoher Gewinn. Er konnte sagen: nicht Ich lebe, sondern Christus lebet in mir. Daher kam es, dass unser Text von ihm bezeugen kann, er sei voll Kräften, nämlich voll höherer göttlicher Geisteskräfte gewesen, und habe Wunder und große Zeichen unter dem Volke getan.

Je mehr wir unsere eigene Natur beherrschen, desto mehr kann uns auch die Herrschaft über die äußere Natur, die ursprünglich zum Bilde GOttes gehörte, wieder zu Theil werden, je mehr unser eigenes Leben in den Tod gegeben ist, desto mehr kann GOtt in uns und durch uns wirken. So auch, wenn wir unsere Weisheit aufgeben und GOtt in uns reden lassen, so kann der Geist uns in alle Wahrheit leiten und Weisheit uns geben, wie kein Mensch sie hat, noch haben kann aus sich selbst. Deswegen wird von Stephano bezeugt, dass seine Feinde nicht vermochten zu widerstehen der Weisheit und dem Geiste, der aus ihm redete. Denn er war voll Heiligen Geistes. Weil er selbst nichts mehr sein wollte, so konnte der Geist ihn ganz erfüllen, und was der Geist aus einem Menschen macht, das ist mehr, als alle Menschen aus sich selber machen können mit aller Weisheit und mit allem Tugendstreben.

Da sehen wir, dass wir durch die wahre Bekehrung nichts verlieren, sondern nur gewinnen. Das tritt uns noch stärker vor die Seele durch das, was unser Text weiter von Stephano erzählt: „sie sahen auf ihn Alle, die im Rath saßen, und sahen sein Angesicht wie eines Engels Angesicht.“ Woher kam diese wunderbare Verklärung, dieser Lichtglanz und diese hohe Majestät im Antlitz des von der Welt ausgestoßenen und dem Tode Preis gegebenen Mannes? Weil er sein menschliches Wesen in den Tod gegeben hatte, so konnte GOtt sein Wesen an ihm offenbaren, und so leuchtete noch im Leibesleben etwas von der Klarheit des verherrlichten Sohnes GOttes, in dem er lebte, aus ihm heraus, und es zeigte sich so die Würde und Herrlichkeit eines in GOtt innerlich verklärten Lebens auch äußerlich.

Das Alles überzeugt uns, wie sehr wir Recht haben, wenn wir von dem Sterben des alten Menschen sagen, dass es lauter seliger Gewinn sei für unsern inneren Menschen, also für unser wahres Leben. Das ermuntert auch uns, heute schon nach dem schönen Vorbild des Stephanus unser natürliches Leben, unsern alten Menschen sterben zu lassen mit Christo, um auch so in Ihm das wahre Leben, die rechte Weisheit, die vollkommene Gerechtigkeit und die Verklärung unseres ganzen Wesens zu erlangen.

Dazu ermuntert uns besonders auch die Geburt Christi. Wir haben gestern bedacht, dass die Menschwerdung GOttes uns zeigt, wie unrein unsere Menschheit von Natur ist, und dass daher unsere höchste Aufgabe die ist, das ungöttliche Wesen unserer Menschheit zu verläugnen und dagegen das göttliche Wesen der reinen Menschheit JEsu in uns aufzunehmen. Wie der HErr JEsus sich seiner göttlichen Hoheit entäußerte oder entleerte, und Alles aufgab, was Er in seiner Gottheit hatte und was Er als Mensch hätte haben können, so sollen wir das, was wir nach unserer Natur lieben und begehren, Ihm zum Opfer bringen, und auch das, was wir haben, so haben, als hätten wir es nicht, und genießen, als genössen wir es nicht. Und wie JEsu Geburt eigentlich eine Geburt zum Tode war, denn Er nahm unsere Menschheit an, um in ihr zu sterben zur Versöhnung für unsere Sünden, so soll auch unsere Neugeburt in Ihm eine Geburt zum Tod des alten Menschen sein mit allen seinen Lüsten und Begierden, Ansichten und Absichten, mit seiner Selbstsucht und Eigenliebe, mit seinem Hochmuth und Neid, mit seinem Zorn und Hass, mit seiner Kreuzflüchtigkeit und Weichlichkeit, mit seinem Geiz und irdischen Sinn. Das Alles soll mit Christo gekreuzigt werden. Und solcher Tod des alten Menschen ist lauter Gewinn für uns. Denn es stirbt da nur das, was uns ewigen Tod bringt, es stirbt das, was um Ruhe und Frieden uns Tag für Tag betrügt, von GOtt uns trennt und so den Segen der Menschwerdung Christi uns verkümmert. Dagegen, wenn unser alter Mensch in den Tod gegeben wird, so kann Christus immer mehr eine Gestalt in uns gewinnen, uns mit dem reinen Schmuck seiner Gerechtigkeit zieren, mit göttlicher Weis hei) erfüllen und in's himmlische Wesen jetzt schon versetzen, so dass wir in sein Bild verkläret werden von einer Klarheit zu der andern. Sind so die Kräfte seines ewigen Lebens aus ihm in uns übergegangen, so ist

II.

auch das leibliche Sterben uns ein Gewinn. Davon gibt der Märtyrertod des Stephanus uns einen besonders tiefen Eindruck. Für unsere Natur hat ein solcher Tod, wie er ihn starb, etwas Schauerliches, ja Entsetzliches. Unter dem Zähneknirschen einer wilden Rotte, unter dem tobenden Geschrei roher Feinde sich hinausstoßen lassen durch Faustschläge und Fußtritte, und wie von wütenden Hunden herumgezerrt und gerissen zu werden, – das ist keine Kleinigkeit für ein Menschenherz, und durch schwere Steinwürfe mit Beulen und Wunden bedeckt und von den heftigsten Schmerzen gequält zu werden, und unter solchen Schrecken den Geist aufzugeben, das ist auch für die Tapfersten eine harte Aufgabe. Da scheint Alles schrecklich trübe und dunkel. Aber welch freundliches Licht leuchtete dem Stephanus! „Er sähe auf gen Himmel und sähe die Herrlichkeit GOttes und JEsum stehen zur Rechten GOttes und sprach: „siehe, ich sehe den Himmel offen und des Menschen Sohn zur Rechten GOttes stehen.“ Welch' ein Blick war das! Wie mächtig wurde dadurch seine Seele hinaufgezogen in die obere Heimat, so dass er. nicht mehr hier unten hätte bleiben mögen! Denn wer das gesehen, was er sah, dem erscheint unsere irdische Welt als eine öde Fremde, als dunkles Jammertal, und alle Freuden, Güter und Herrlichkeiten der Erde, so wie alle Leiden und Schmerzen erscheinen ihm als nicht wert und nicht zu achten gegen der Herrlichkeit, die an uns soll offenbaret werden. Da verliert der Tod alle seine Schrecken; er ist ein erwünschter Bote, der in die Heimat führt, nach der sich die Seele mit unaussprechlicher Sehnsucht gezogen fühlt.

So war dem Stephanus der Abschied von der Erde so leicht, wie dem Elias, als dieser den feurigen Wagen erblickt hatte. Stephanus hatte mehr gesehen, er hatte den Sehn GOttes selbst in seiner verklärten Herrlichkeit gesehen, und bei Ihm zu sein, das war jetzt sein einziger Wunsch. So war jeder Steinwurf ihm ein Schritt näher zur Heimat, und als er die letzten Bande seiner Leiblichkeit gelöst fühlte, da durfte er mit himmlischer Wonne seinen Geist in die Hände JEsu befehlen. Der Tod war dann nichts mehr, als ein sanftes Entschlafen, wie unser Text sagt: „er entschlief, „ auch unter Steinwürfen und Martern konnte er sanft entschlafen.

Ein solcher Tod ist ein seliger Gewinn, er erlöst vom Jammer der Erde und führt ein in ewige, unaussprechliche, herrliche Freude. O Geliebte! was muss es sein, zu JEsu zu kommen, Ihn zu schauen in seiner göttlichen Herrlichkeit, und durch solches Schauen ein Spiegel seiner Herrlichkeit zu werden, seinen Glanz in sich überströmen zu sehen und so verklärt zu werden in sein Bild. Von dieser Wonne ist die höchste Seligkeit der Erde, die des Umgangs mit JEsu, zwar ein Vorschmack, aber doch wird die Aufnahme in den Himmel Alles übertreffen, was wir hier Seliges und Herrliches uns vorstellen können. Auch die hohe Weihnachtsfreude unserer Kinder gibt nur einen schwachen Begriff der Freude über die himmlischen Lichter und himmlischen Schönheiten, zu denen ein seliges Sterben führt. Wenn es uns hier unten beglückt, Eine geliebte Seele wieder zu sehen, was muss das Wiedersehen im Himmel sein, und was muss es sein, so unzählig Viele aus allen Nationen und aus allen Jahrhunderten in verklärter Herrlichkeit zu sehen, und sie lieben zu dürfen und von ihnen geliebt zu werden mit einer Liebe, wie es hier unten keine gibt. Und dann mit der Gemeine der Erstgeborenen, die im Himmel angeschrieben sind, mit den Geistern der vollkommenen Gerechten, mit der Menge vieler tausend Engel (Hebr. 12, 23.) vereinigt zu sein und mit ihnen vor dem Throne GOttes anbeten, und die verborgenen Herrlichkeiten, die JEsus gibt, genießen zu dürfen, - ach, was muss das sein!

O wenn wir das Alles bedenken, so ist uns der Tod nichts Anderes, als die Öffnung einer Türe aus dunkler Nacht in strahlendes Freudenlicht; wie wenn unsere Kinder vor der Türe draußen warten, bis das Zeichen erklingt, dass jetzt die Weihnachtsbescherung ganz bereit sei, und wie sie dann, wenn die Türe aufgeht, von Freude überströmt werden, so ist für die, denen Christus das Leben ist, der Tod die Öffnung der Himmelstür, die Erhöhung in das wahre Glück und die wahre Ehre, die Geburt zum wahren Leben.

Dieser Blick in den offenen Himmel, den unser Glaube jetzt schon uns eröffnet, er hat dem Stephanus das Sterben zur Freude gemacht, und ihm nach vielen Hunderten, die auch, wie er, mit dem Märtyrertod ein schönes Bekenntnis abgelegt haben. Es ist keine Qual, die nicht von den Feinden Christi auf seine Jünger gehäuft worden wäre: aber unter den furchtbarsten Martern blieben sie fest und beständig und gaben willig ihr Leben dahin. Manchen gab der HErr auch solche Blicke, wie dem Stephanus, dass die glühenden Kohlen ihnen wie Rosen, die zerreißendsten Schmerzen wie Salbungen erschienen, dass Einer mitten unter den schrecklichsten Foltern schlief und träumte, er gehe unter Blumen in einem herrlichen Garten spazieren, und dass Andere dem Martertod wie einem Hochzeitmahl entgegengingen, z. B. eine schwache Sklavin, Blandina, die vom Morgen bis an den Abend mit allen Arten von Martern so gepeinigt wurde, dass ihr ganzer Leib zerrissen und geöffnet war, und die Peiniger, ermüdet, keine neue Qual mehr wussten. Nach allen diesen Martern wurde sie zuletzt in ein Netz gewickelt, einem wilden Stier vorgeworfen, der sie mit seinen Hörnern hin und her schleuderte, bis sie den Geist aufgab. Und bei diesem Tod war sie so freudig, wie bei einem Hochzeitmahl.

Ähnlich wie Stephanus starb auch Laurentius, gleichfalls Diakon, wie er. Er wurde auf einem eisernen Rost durch langsames Feuer zu tot gebraten. Nachdem er lange mit der einen Seite am Feuer gelegen war, sagte er: man wende mich, ich bin auf der einen Seite genug gebraten. Nachdem man ihn gewendet hatte, blickte er gen Himmel, betete für die Stadt, die ihn so behandelt hatte, und gab den Geist auf. Von Ignatius lesen wir im heutigen Christenboten, dass er am 20. Dezember in Rom den wilden Tieren vorgeworfen und von ihnen gefressen wurde. Zu diesem Tode musste er von Antiochien her, wo er Bischof war, mehrere Monate lang reisen, und zwar in schwere Fesseln geschmiedet und von grausamen Soldaten gepeinigt. Aber er war voll Freudigkeit und konnte den Tag seiner grausamen Hinrichtung fast nicht erwarten. Auch ein Kind, Cyrillus in Cäsarea, ging mit Freuden der grausamen Hinrichtung entgegen. Er sagte: „den Tod fürchte ich nicht, er führt mich zu einem besseren Leben. Feuer und Schwert tut mir nichts, ich gehe zu einem besseren Hause.“ Als die Umstehenden aus Mitleid weinten, sagte er: „ihr solltet euch lieber freuen, aber ihr wisset nichts von der Stadt, wohin ich gehe.“

So haben viele Hunderte in allen Zeiten Sterben für Gewinn geachtet, unter Lobliedern die größten Martern erstanden und aus Foltern und Flammen in den offenen Himmel hineingeblickt. O Geliebte, diese Beispiele sollen nicht umsonst an uns sein. Auch uns soll Sterben ein Gewinn sein; sterben müssen wir Alle einmal - wie bald, wissen wir nicht, vielleicht heute noch, vielleicht aber auch in den Verfolgungszeiten, die noch kommen werden. Wie schrecklich traurig wäre es dann, wenn das Sterben uns eine Pein, ein Schrecken wäre, wenn das Leben uns lieber wäre, als ein Tod zu JEsu Ehre, wenn wir vielleicht gar den HErrn verleugnen würden, um nicht sterben zu müssen. Aber damit Sterben unser Gewinn sei, damit wir nicht nach dem leiblichen Tod den schrecklichsten Tod, den andern, ewig fortsterben, darum ist es nötig, dass wir heute schon sterben mit Christo, dass unser alter Mensch gekreuzigt werde mit Ihm; dies aber geschieht in der Wiedergeburt, ohne die wir dem Tode verfallen bleiben. Daher sagte ein ostindischer Missionar in einer Predigt als eine Art Rätsel: „Jeder, der nur Einmal geboren ist, muss zweimal sterben, wer aber zweimal geboren ist, stirbt nur Einmal.“ Ein Mann, der wider seinen Willen zuhörte, konnte dies Wort erst nicht begreifen, und als er's begriffen, nicht mehr vergessen, und als er zum zweiten Mal geboren war, da konnte er es nicht verschweigen, sondern wurde selbst ein Missionar.

So wollen wir denn heute schon recht ernstlich darauf bedacht sein, dass Christus unser Leben sei und dass der ganze Segen seiner Menschwerdung und seines Todes uns zu Theil werde. Seine, Geburt war zwar eine Geburt zum Tode, aber sein Tod war die höchste Geburt zum Heben, sein Tod war der Eingang in's Alleiheiligste für uns, und wer jetzt seine alte sündliche Natur in den Tod gibt und Christi Leben anzieht, dem ist der leibliche Tod eine fröhliche Heimat, eine selige Geburt zum ewigen Leben, wobei er freudig singen kann:

Christus, der ist mein Leben
Und Sterben mein Gewinn,
Ihm will ich mich ergeben,
Mit Freud' fahr' ich dahin.
Mit Freud' fahr' ich von dannen
Zu Christ, dem Bruder mein,
(dürfen wir Alle so sagen?)
Dass ich mög' zu Ihm kommen
Und ewig bei Ihm sein. Amen.

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