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Hus, Jan - De Ecclesia

Hus, Jan - De Ecclesia

(Wir geben hier den Hauptinhalt dieser bedeutendsten von Hus theologischen Schriften im Auszuge, wobei wir, wenn auch nicht überall die äußerliche Ordnung, in welcher die einzelnen hier aufgenommenen Gedanken in jener Schrift aufeinander folgen, wohl aber die innere Verbindung, in der sie mit einander zusammenhängen, befolgen, und fast durchaus der eigenen Worte und eigentümlichen Wendungen des Verfassers uns bedienen.)

Die Menschen scheiden sich im Hinblick auf ihre ewige Bestimmung in solche, welche durch die gnadenvolle Erwählung von Seiten Gottes entweder zur zeitlichen Gerechtigkeit und Erlangung der Sündenvergebung, oder zur Erlangung der himmlischen Seligkeit vorher bestimmt - praedestinati sind, von denen die letzteren niemals aus der Gnade fallen können, die ersteren dagegen des ewigen Lebens nur dann, wenn sie im Guten beharren, teilhaftig werden; und in solche, welche zur ewigen Verdammnis vorhergewusst - praesciti sind. Die Berührung ist ein freier Gnadenact Gottes, zu welcher das Verdienst des Menschen nichts tut und nichts tun kann; aber die Gnade Gottes beruft nur diejenigen, welche er vermöge seiner Allwissenheit als tugendhaft vorhersieht. Vergleichbar ist es umgekehrt mit den Vorhergewussten zur Verdammnis.

Die Gesamtheit aller Prädestinierten, der vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen, ist die wahre heilige allgemeine - katholische - Kirche. Sie ist der mystische Leib Christi, wovon er das Haupt; sie ist die Braut Christi, die er aus Liebe erlöst hat durch sein Blut, um sie dereinst ohne Flecken und Falten, ohne Tod und Sünden ruhmreich zu besitzen. Die gegenwärtigen Prädestinierten, so lange sie hier auf Erden zur Heimat wallen, bilden die streitende Kirche, welche Christi Kriegsdienst übt gegen die Welt, das Fleisch und den Teufel; die im Fegefeuer weilenden und auf das Eingehen in die Seligkeit harrenden Prädestinierten heißen die schlafende Kirche; die Seligen, welche sich in der ewigen Heimat befinden, machen die triumphierende Kirche aus. Alle diese drei Teile der einen Kirche sind verbunden durch das Band der Liebe, in welcher sie einander nicht verlassen, und einer auf den anderen unablässig wirken.

Die Kirche in ihrer äußeren Erscheinung umfasst die Prädestinierten wie die Präsciten. Denn nicht alle, welche in der Kirche, sind auch von der Kirche, wie es im menschlichen Körper manches gibt, was nicht vom Körper ist, „velut sputum, stercus, apostema“. Vierfach ist, mit Rücksicht auf Schein und Wahrheit die Beschaffenheit der Wanderer nach der heil. Kirche. Einige sind darin dem Namen und der Wirklichkeit nach, das sind die Prädestinierten und anerkannten Gläubigen, die Christo gehorchen; andere der Wirklichkeit, aber nicht dem Namen nach, nämlich solche, die von den Satrapen des Antichrist aus der Kirche gestoßen sind, wie die Pharisäer unsern Erlöser als Gotteslästerer und Häretiker zum Tode verurteilt haben; noch andere dem Namen, aber nicht der Wirklichkeit nach, die heuchlerischen Präsciten; endlich welche weder dem Namen, noch der Wirklichkeit nach, die heidnischen Präsciten. Die Kirche in ihrer äußeren Erscheinung ist die Tenne des Herrn, in welcher gute und böse, Prädestinierte und Präscite gemischt sind, wie Unkraut unter dem Weizen, wie Spreu unter den Körnern; die einen, um in die Scheuer des himmlischen Vaterlandes einzugehen, die andern, um durch unauslöschliches Feuer gebrannt zu werden. Die Präsciten erscheinen in Christi Gleichnissen als törichte Jungfrauen, als schlimme Hochzeitsgäste, als der Mensch ohne hochzeitliches Kleid, als fauler Baum, als schlechte Fische, als Böcke u. dergleichen.

Das einzige Haupt der Kirche ist Christus, und zwar das außerhalb stehende Haupt (caput extrinsecum) nach seiner Gottheit, und das innerhalb stehende Haupt (caput intrinsecum) nach seiner Menschheit; jenes war Christus von Anbeginn der Welt, dieses seit seiner Menschwerdung. Christus ist der wahre römische Pontifex, der Hohepriester und Bischof der Seelen. Daher nannten sich die Apostel nicht heiligste Väter oder Häupter der Kirche, sondern Christi Knechte und Diener der Kirche, und noch Gregor der Große wollte nicht allgemeiner Bischof genannt sein. Später hat sich das geändert. Bis auf die Schenkung des Kaiser Constantin war der römische Bischof den übrigen gleich; nachfolgende Kaiser, wie z.B. Ludwig bestätigten jene Schenkung dem heiligen Petrus und dessen Stellvertretern, den Päpsten. Seit dieser Zeit betrachtet sich und gilt der Papst als Haupt (capitaneus) der streitenden Kirche und Statthalter Christi auf Erden, so dass die streitende Kirche auf Erden in gewissem Sinne drei Häupter hat: Christus als Gott, Christus nach seiner Menschheit und den zeitlichen Statthalter Christi.

Aber in Wahrheit lässt sich nicht behaupten, der Papst als solcher sei Stellvertreter Christi und Nachfolger des Apostelfürsten Petrus, ebenso wenig als wie, die Kardinäle als solche seien Nachfolger der Apostel. Der Papst ist nur dann als Christi und Petri Nachfolger und Stellvertreter zu betrachten, wenn er Petrus in dessen Glauben, in dessen Demut und Liebe nachkommt, und die Kardinäle sind nur dann wahre Nachfolger der Apostel, wenn sie diesen in deren Tugenden und Vorzügen nacheifern. Dieses kann aber von andern, die weder Päpste noch Kardinäle waren, eben so wohl gesagt werden. Der heilige Augustinus hat der Kirche mehr genützt als viele Päpste, und in der Lehre vielleicht mehr geleistet als alle Kardinäle von Anfang bis jetzt; wie sollten nun Männer wie dieser, wie Hieronymus, Gregorius, Ambrosius, nicht wahrere und bessere Nachfolger und Stellvertreter der Apostel gewesen sein, als z.B. unser heutiger Papst zusammen mit seinen Kardinälen, die weder durch ein heiliges Leben, noch durch Lehre und Weisheit dem Volke voranleuchten? Im Gegenteil, wenn der Papst und die Kardinäle ihren Beruf nicht erfüllen, wenn sie, anstatt ihren erhabenen Vorbildern nachzustreben und die Nachfolge Christi allein im Auge zu haben, vielmehr ihren Sinn und ihr Streben auf weltliche Dinge richten, wenn sie in Kleiderpracht, in prunkvollen Aufzügen, in übertriebenem Aufwand selbst den Laien es zuvortun wollen, wenn sie durch Habgier und Ehrsucht den Gläubigen Anstoß geben; dann sind sie Nachfolger und Stellvertreter nicht Christi, nicht Petri, nicht der Apostel, sondern des Satan, des Antichrist, Judas Ischariots.

Eben so kann auch nicht gesagt werden, der Papst als solcher sei Haupt der Kirche. Der Papst vermag eben so wenig als irgend ein anderer Mensch von sich mit Bestimmtheit zu wissen, ob er nicht etwa ein Präscitus sei; als ein solcher aber kann er nicht nur nicht Haupt der Kirche sein, sondern ist nicht einmal wahres Glied derselben. Der heil. Petrus hat, wie dies Paulus bezeuget, noch nach seiner Sendung geirrt; Papst Leo war ein Ketzer; ja man sehe sich nur in der Gegenwart um und denke an Gregor XII., den man vor Augen hat und der samt seinem Gegner von der Kirchenversammlung zu Pisa verdammt worden ist.

Das Papsttum ist auch gar nicht notwendig zum Heile und Gedeihen der Kirche. Wenn man wegen der über die ganze Erde verbreiteten Christenheit sagt: „es muss einen Papst geben“, so kann dieses „muss“ nur in jenem Sinn verstanden werden, in welchem in der Schrift geschrieben steht: „es muss Ärgernis kommen“ - doch wehe dem Menschen, durch welchen Ärgernis kommt! In der ersten christlichen Kirche hat es nur zwei Weihegrade gegeben, Diakonen und Presbyter, alles andere ist aus späterer Satzung entsprungen und ist menschliche Einrichtung; aber Gott kann seine Kirche auf den alten Zustand zurückführen. So wie die Apostel und treue Priester des Herrn die Kirche in allen zum Heile nötigen Dingen geleitet haben, bevor das Amt des Papstes eingeführt worden ist; so würde es auch sein, wenn, was sehr möglich ist, wieder kein Papst sein würde, bis zum Tage des jüngsten Gerichtes. Gepriesen sei also Gott, der seinen eingebornen Sohn der streitenden Kirche zum Haupte gegeben, auf dass er am besten ihr vorstehe, sie vollkommen leite, und ihr Dasein, Bewegung und Leben der Gnade einflöße, auch wenn kein zeitlicher Papst da ist, oder ein Weib auf dem päpstlichen Stuhle sitzt.

Was vom Papste und den Kardinälen, das gilt auch von den Prälaten und dem Klerus. Es gibt einen doppelten Klerus, einen Klerus Christi und einen Klerus des Antichrist. Jener ruht auf Christo und dessen Gesetze, arbeitet unermüdlich für die Ehre Gottes und denkt einzig der Nachfolge Christi. Dieser dagegen stützt sich, obgleich er sich in das Gewand des Klerus Christi einhüllt, auf Privilegien, die nach Stolz und Gewinnsucht schmecken, lässt sich angelegen sein, menschliche Satzungen zu verteidigen, strebt ein üppiges prächtiges Leben zu führen. Nicht das Amt macht den Priester, sondern der Priester das Amt; nicht die Stelle heiligt den Menschen, sondern der Mensch die Stelle; nicht jeder Priester ist heilig, aber jeder Heilige ist Priester. Gläubige Christen, welche die Gebote erfüllen, sind groß in der Kirche Gottes, die Prälaten aber, wenn sie die Gebote verletzen, sind die geringsten, und wenn sie Präscite sind, haben sie gar nicht Teil am Reiche Gottes. Wenn man reden hört, die Laien seien gehalten, von den Prälaten zu glauben, dass sie die Häupter der Kirche; so muss im Gegenteile gesagt werden, die Laien seien nichts gehalten von den Prälaten zu glauben, als das wahre. Die göttliche Sendung macht zum Papst, Bischof, Priester, Prediger; ob aber jemand von Gott gesandt sei, lässt sich daraus schließen, dass er nicht seinen Ruhm, sondern Gottes Ehre sucht, nicht seinen Vorteil, sondern der Kirche Wohlfahrt anstrebt, nicht für seine Befriedigung, sondern für das Heil des Volkes wirkt. Wenn daher ein Untergebener an seinem Vorgesetzten einen solchen Wandel nicht wahrnimmt, so ist er nicht gehalten zu glauben, dass jener ein solcher sei nach der zeitlichen Gerechtigkeit, oder gar nach der Prädestination.

Hieraus ergibt sich, wie es mit dem kirchlichen Gehorsam beschaffen sein soll. Die Gehorsamkeit ist der Willensakt einer vernünftigen Kreatur, wodurch sie sich freiwillig und nach eigenem Urteile - voluntarie et discrete - ihrem Vorgesetzten unterwirft. Darum hat jeder Untergebene den Befehl seines Vorgesetzten zu prüfen, ob solcher erlaubt und ehrbar sei; denn fände er, dass der Befehl zum Verderben der Kirche gereichte, dem Seelenheile nahe träte, dann hätte er nicht zu folgen, sondern zu widerstreiten. Jeder treue Sohn Christi muss daher, wenn ihm ein Befehl vom Papste zukommt, erwägen, woher er stammt, ob er Anordnung eines Apostels und der Gesetze Christi, oder wenigstens mittelbar darin enthalten ist, und wenn dieses der Fall, so muss er demütig und ehrfurchtsvoll Folge leisten; wenn das Gegenteil statt findet, dann darf er nicht Folge leisten, sondern muss mutig sich entgegensetzen, um nicht durch Unterwerfung sich des gleichen Verbrechens schuldig zu machen. Diese Widersetzlichkeit ist in solchem Falle der wahre Gehorsam: „devianti papae rebellare est Christo domino obedire“ Und nicht nur widersetzen muss man sich, sondern selbst zurückweisen kann, ja soll man den Obern; denn es steht geschrieben: „Sündigt dein Bruder an dir, so gehe hin und strafe ihn!“ Dies gilt nicht bloß von den mindern Geistlichen gegenüber den höhern, sondern auch von den Laien gegenüber der Geistlichkeit; und wenn die Geistlichen das nicht dulden wollen und sprechen: Wie kommt es euch zu, über unser Leben und unsere Werke zu richten? so sollen die Laien erwidern: Wie kommt es euch zu, von uns Zehenten und Almosen zu verlangen?

Die Gewalt der Schlüssel, d.i. die Macht, die würdigen aufzunehmen, die unwürdigen auszuschließen, ist einzig bei Gott, als welcher zur Seligkeit vorherbestimmt oder die Verdammten vorher weiß. Der Priester hat nicht die Gewalt, von Schuld und ewiger Strafe zu entbinden; selbst der Papst hat diese Gewalt nicht, sonst müsste er unsündhaft und unfehlbar sein, und das ist nur Gott allein; der Priester hat nur den kirchlichen Dienst der Verkündigung - ministerium denunciationis -. Der Priester kann nichts binden noch lösen, wenn es nicht zuvor bei Gott geschehen; und Gott richtet sich nicht nach dem bindenden oder lösenden Urteilsspruch, sondern dieser hat der Gnade Gottes und der Reue des Sünders nachzufolgen. Das Bekenntnis des Mundes ist nicht unerlässlich zur Heilung der Seelen; Beweis dessen sind die kleinen Kinder, die von Natur stummen und tauben, die Bewohner der Wüste und die gewaltsam gemordeten. Die Sünden werden durch Reue und Bekenntnis des Herzens getilgt.

Quelle: Helfert, Josef Alexander - Hus und Hieronymus sprachlich angepasst durch Andreas

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