Heliand - 63 - Joseph von Arimathiä.

Heliand - 63 - Joseph von Arimathiä.

Da nun gesunken war dem Sedel näher
Die heitre Sonne mit den Himmelsstralen
An dem trüben Tage, da kam ein Vertrauter des Herrn,
Ein kluger Mann, und Jünger Christs
Seit manchem Tage schon, obwohl es die Meisten
In Wahrheit nicht wusten, denn mit Willen hehlt' er es
Vor dem Judenvolke; Joseph war er geheißen.
Heimlich hielt er zu Christ, den verworfenen Haufen
Nicht im Frevel zu fördern; im Volk harrt' er
Des heiligen Himmelreiches. An den Herzog wandt er sich,
Den Boten des Kaisers, und bat ihn flehentlich,
Daß er ihn lösen ließe den heiligen Leichnam
Christs von dem Kreuze, wo er qualvoll gestorben war,
Der Gute, am Galgenholz, und in ein Grab ihn legen,
Der Erde anvertraut. Der Amtswalter mocht ihm
Den Willen nicht wehren, sondern gab ihm Gewalt,
Ihn zu vollführen. Da fuhr er hin sofort,
Und gieng zu dem Galgen, wo er Gottes Kind,
Den Leichnam hangen wuste des Herrn.
Er entnahm ihn dem neuen Stamm, von den Nägeln gelöst,
Fieng auf in den Armen, wie man den Fürsten soll,
Des Lieben Leichnam, bewand ihn mit Linnen,
Und trug ihn holdlich hin, wie der Herr es werth war,
Wo sie die Stätte hatten in starren Stein
Mit Meißeln gehauen. Da hatten Menschen noch
Keinen Freund begraben, wo sie das Gotteskind
Nach des Landes Weise, der Leiber heiligsten,
Der Erde befahlen und mit einem Fels beschloßen
Aller Gräber herlichstes.

Jammernd saßen
Die verarmten edeln Frauen, die das all mit angesehen
Seit des Guten grimmen Tod. Nun giengen von dannen
Die weinenden Weiber, des Weges wahrnehmend,
Wo sie zum Grabe künftig gehen möchten.
Sie hatten sich zu Sorgen hier ersehen genug,
Herbes Herzeleid. Marieen hießen
Die armen Frauen all. Der Abend brach nun an,
Die Nacht mit Nebel.

Die neidischen Juden waren
Am Morgen wieder in Menge versammelt,
Im Richthaus Rath zu pflegen. „Ihr wißt, wie dieß Reich
Durch den Einen Mann in Aufruhr gebracht ward,
In wilde Verwirrung. Nun liegt er wundensiech
Im tiefen Grabe. Vom Tod am dritten Tage
Verhieß er sich zu erheben. Noch hängen zu Viele
Der Leute an seinen Lehren. Drum laßt bewachen
Das Grab und acht geben, daß ihn die Jünger nicht
Aus dem Steine stehlen und sagen, erstanden sei
Der Starke dem Steingrab. Verstören würd es
Die Menge noch mehr, wenn sie das melden hörten.“

Da ward eine Schar der Juden beschieden
Der Wacht zu warten. Gewaffnet eilten sie
Zum Grab zu gehen, des Gotteskindes
Hülle zu hüten. Der heilige Tag
War den Juden vergangen: da saßen sie am Grabe
Die Wächter wartend, in wolkenloser Nacht
Unterm Heerschild harrend, bis der herliche Tag
Ueber den Mittelkreiß zu den Menschen käme,
Den Leuten zum Lichte.

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