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Heliand - 54 - Das Abendmal.

Heliand - 54 - Das Abendmal.

Da kam das Licht zurück
Am Morgen den Menschen. Den mächtigen Christ
Grüßten die Freunde und fragten, wo sie das Mal
Ihm am Weihtag anrichten sollten,
Daß er halten möchte die heiligen Zeiten,
Er und sein Ingesind. Da sandt er voraus
Die Jünger nach Jerusalem: „Wenn ihr gegangen kommt
In die hohe Burg, wo euch entgegen braust
Der Menschen Menge, so seht ihr einen Mann
In den Händen tragen mit helllauterm Waßer
Ein Füllgefäß: dem folget immer,
Zu welcher Wohnung er auch weiter schreite,
Und dem Herrn darin, der das Haus besitzt,
Sollt ihr dann sagen, ich hab euch gesandt
Mein Mal zu bestellen. Dann zeigt er euch ein stattlich Haus,
Einen hohen Söller, der ganz behangen ist
Mit schönem Schmuck. Da schaffet mir
Meine Wirthschaft dann, denn gewiss werd ich kommen
Selbst mit dem Ingesind.“

Da eilten ungesäumt
Gen Jerusalem die Jünger Christs,
Die Fahrt zu vollbringen. Da fanden sie
Sein Wort bewährt: es war kein Fehl daran.
Sie bereiteten das Gastmal, und der Gottessohn,
Der heilige Herr, kam zu dem Hause,
Wo sie die Landesweise zu leisten gedachten,
Gottes Gebot zu vollbringen wie bei den Juden
Gesetz und Sitte war seit der Väter Zeit.

Da gieng am Abend der allwaltende Christ
Im Saal zu sitzen. Die Gesellen rief er,
Die zwölfe, zu sich, ihm die zuverläßigsten
Im treuen Muthe von allen Männern
In Worten und Wesen. Auch wuste wohl
Ihres Herzens Gedanken der heilige Christ,
Da er sie beim Gastmal grüßte. „Ich begehrte sehr,
Hier zusammen mit euch zu sitzen,
Des Gastmals zu genießen, der Juden Pascha
Mit euch Theuern zu theilen. Nun thu ich euch kund
Des Waltenden Willen, daß ich in dieser Welt
Nicht mehr mit Menschen ein Mal theilen mag,
Mit Lebenden fürder, bevor erfüllt wird
Das himmlische Reich. Mir ist vor Händen nun
Schmerz und Schreckensqual: ich soll nun für diese Welt
Dulden, für dieses Volk.“ Wie da zu den Degen sprach
Der heilige Herr, da ward ihm sein Herz betrübt,
Die Seele verdüstert. Zu den Gesellen sprach
Der gute, zu den Jüngern: „Ich hab euch Gottes Reich
Verheißen, des Himmels Licht: ihr verhießt mir dagegen
Geleit und Huld. Nun verharrt ihr nicht dabei,
Wankt vor euern Worten. Wahrlich, ich sage euch,
Unter euch zwölfen bricht mir Einer die Treue,
Will mich verkaufen den Kindern der Juden,
Für Silber verhandeln sich Schatz zu erhaschen,
Gemünzten Mammon, und seinen Meister verrathen,
Den holden Herrn; was ihm doch zum Harme,
Zum Wehe werden soll. Wenn er das Weitre sieht,
Das Ende ahnt all seiner Arbeit,
Dann weiß er in Wahrheit, ihm wär ein ander Ding
Beßer bei weitem: daß er nie geboren wär
In dieses Lebens Licht, da er zu Lohn empfängt
Uebles Elend für argen Verrath.“

Da begann der Eine nach dem Andern zu schauen,
Sich sorgenvoll umzusehn mit schwerem Muthe.
Es härmt' ihr Herz, da sie den Herren hörten
So trauernd sprechen. Die Getreuen sorgten,
Welchen der Zwölfe er bezüchtigen werde
Der Schädigung schuldig, daß er den Schatz sich habe
Von dem Volk bedungen. Verdenken mochten sie
Solcher Falschheit der Freunde Keinen:
Dem Meingedanken entsagte Männiglich.
Doch befiel die Furcht, daß sie zu fragen nicht getrauten,
Bis endlich winkte der ehrwürdige Jünger,
Simon Petrus (er selber wagt' es nicht)
Johannes dem guten, der dem Gotteskinde
In jenen Tagen der Getreuen Liebster war,
Der meistgeminnte; dem mächtigen Christ
Durft er am Busen ruhen, an der Brust ihm liegen,
Mit dem Haupte lehnen, da er manch heilig Geheimniss,
Tiefe Gedanken vernahm. Der begann zu dem theuern
Fürsten und fragte: „Wer wäre, Herr, der Falsche,
Der dich verkaufen wollte, der Könige Mächtigsten,
Unter der Feinde Volk? Das erführen wir gern,
Willst dus uns wißen laßen.“ Da hielt sein Wort bereit
Der heilige Christ: „Seht her, wem ich hier
Meiner Mundkost reiche, der hat Meingedanken
In der Brust verborgen, der wird mich den erbitterten
Feinden überliefern, daß ich mein Leben so,
Mein Alter ende.“ Und alsobald nahm er
Der Mundkost vor den Männern, und gab sie dem meinthätigen
Judas in die Hand und gegen ihn gerichtet
Vor seinen Gesellen hieß er ihn ungesäumt
Vor seinem Volke fahren: „Vollführe was du vorhast,
Thu was du thun willst, trügerisch birgst du nun
Die Gesinnung nicht mehr. Die Entscheidung ist vor der Hand,
Meine Zeiten nahen.“ Wie da der Zweideutige
Die Mundkost empfieng und sie zum Munde führte,
Da entgieng ihm die Gotteskraft, Gramgeister fuhren
In seinen Leichnam, leidige Wichte,
Satanas selber umschnürte scharf
Sein hartes Herz, seit ihn des Herren Hülfe
Verließ in diesem Lichte. So wird den Leuten weh,
Die unter des Himmels Höhn den Herren wechseln.
Da raffte sich rasch auf des Verraths begierig
Judas und gieng, grimmen Sinn hegend,
Der Degen dem Dienstherrn, und düstre Nacht
Umfieng den verfehmten.

Der Fürst der Lebendigen
Verblieb beim Gastmal, und seine Jünger.
Da weihte der Waltende Wein und Brot,
Heiligt' es, der Himmelskönig. Mit den Händen brach er es,
Gab es den Jüngern und dankte Gott,
Dem Ewigen, der Alles erschuf,
Welt und Wonne, und sprach diese Worte:
„Glaubet lichthell, dieß ist mein Leib
Und dieß mein Blut: ich geb euch beide
Zu eßen und zu trinken. Auf Erden soll ich sie
Hingeben und vergießen und euch zu Gottes Reich
Mit meinem Leib erlösen, in das ewige Leben,
In das Licht des Himmels. Euer Herz verlange stäts
Gleich mir zu begehn was ich bei diesem Mal begieng.
Meldet das der Menge, es ist ein mächtig Ding:
Euern Herrn sollt ihr hiemit verherlichend ehren.
Behaltet es im Herzen als mein heilig Bild,
Daß es der Erde Kinder euch künftig nachthun
Und bewahren in der Welt, und es wißen Alle
Ueber diesen Mittelkreiß, daß es mir zur Minne geschieht,
Dem Herrn zur Huldigung.“

„Beherzigt stäts
Wie ich euch hier gebiete, daß ihr eure Brüderschaft
Fest wahrt hinfort. Habt frommen Sinn,
Minnt euch im Gemüthe, daß der Menschen Kinder
Ueber der Erde es all erkennen,
Daß ihr gänzlich seid meine Jünger, Christs.
Auch muß ich euch melden, daß der mächtige Feind
Mit heißgrimmem Haß euer Herz versuchen wird.
Satanas selber kommt eure Seelen
Mit Ränken zu berücken. Drum richtet zu Gott
Eures Herzens Gedanken: ich helf euch, wenn ihr betet,
Daß euch der Meinthätige das Gemüth nicht gefährde,
Schütz euch vor dem Feinde. Er fliß sich auch mich zu betrügen,
Obwohl sein Wille ihm nicht gewährt ward:
Sein Gelüst gelang ihm nicht.“

„Nicht länger verhehl ich euch,
Was euch nun schleunig soll für Sorge entstehen.
Ihr werdet mir versagen, ihr meine Gesellen,
Eure Degenschaft, eh die düstre Nacht noch
Von den Leuten läßt, und neues Licht kommt
Am Morgen den Menschen.“

Da ward der Muth den getreuen
Degen verdüstert, Schmerz bedrängte
Herb ihr Herz, und ihres Herren Wort
Sorgten sie schwer. Simon Petrus sprach,
Der Degen zu dem Dienstherrn in dreisten Worten
aus Huld zu dem Herrn: „Wenn die Helden dich all,
Die Leute dich verlaßen, doch will ich lebenslang
In allen Drangsalen mit dir dulden.
Wenn es Gott mir gönnt bin ich gerne bereit,
Daß ich dir zu helfen standhaft beharre.
Wenn dich im Kerker auch mit Ketten enge
Die Leute belegen, ich laße mich nicht schrecken,
In den Banden bei dir will ich verbleiben,
Mit dir Liebem liegen. Wenn sie vom Leben dich
Mit des Schwertes Schlägen zu scheiden gedenken,
Mein Fürst, mein guter, ich gebe mein Leben
Für dich im Waffenspiel. Ich würdige nicht
Zu weichen vor irgendwas, dieweil mir währt
Herz und Handkraft.“

Da entgegnete sein Herr:
„Wohl bewähnst du dich weiser Treuer
Und kühner That. Du hast kampflichen Sinn
Und guten Willen. Doch wird dir, wiße, geschehn,
Daß du so weichmüthig wirst, obwohl du es jetzt nicht wähnst,
Daß du deinen Dienstherrn diese Nacht dreimal verleugnest
Vor dem Hahnenschrei, als sei ich dein Herr nicht;
So verschmähst du meinen Schutz.“

Da versetzte Petrus:
„Wenn es in der Welt auch je so werden sollte,
Daß ich mit dir zumal verderben müste,
Schönen Tod erleiden, so käme der Tag doch nie,
Daß ich dich verleugnete, lieber Herr,
Dein Jünger, vor den Juden.“ Da sprachen die Jünger all,
Daß sie da vor dem Dingmahl mit ihm dulden wollten.

Da gebot ihnen der Waltende mit milden Worten,
Der hehre Himmelskönig: „Hegt mir nicht Bangen,
Betrübt euch nicht in Gedanken vertieft,
Härmt das Herz nicht um euers Herren Wort,
Fürchtet nicht zu viel. Unsern Vater will ich,
Ihn selber suchen: dann send ich euch
Vom Himmelreiche den heiligen Geist,
Der euch tröstend soll in Betrübnissen frommen,
Der Gedanken euch mahnen, die ich manchmal euch hier
In meinen Worten wies: Er gießt euch Weisheit in die Brust,
Lustsame Lehre, daß ihr gerne leistet
Die Worte und Werke, die ich euch in dieser Welt gebot.“

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