Heliand - 48 - Der lebendige Brunnen.

Heliand - 48 - Der lebendige Brunnen.

Da stand das Volk der Juden
Uebles im Herzen wie von Anfang hegend
Und widrigen Willen, wüsten sie des Volkes Herz
Dem Friedenskind Gottes nur feindlich zu stimmen.
Aber die Leute waren im Glauben uneins:
Die Aermern eher zu ihm geneigt,
Gar viel begieriger, des Gotteskindes
Geheiß zu vollbringen, was ihr Herr nur gebot,
Und dem Rechten holder als die reichen Leute:
Sie hielten ihn für den Herrn, für den Himmelskönig,
Und folgten ihm gerne.

Da gieng der Gottessohn
In das Weihthum wieder; ihn umwogte des Volks
Eine mächtige Menge. In der Mitte stand er
Und lehrte die Leute mit lichten Worten,
mit lauter Stimme. Da lauschten Alle,
Und Viele staunten, wie er dem Volk gebot:
„Wer da vom Durste bedrängt ist, der komme
Zu mir und trinke an der Tage Jeglichem
Süßen Brunnen! Ich sag euch wahrlich,
Wer lauter an mich glaubt von der Leute Kindern,
Unter diesem Volke, dem heiß ich fließen
Aus seinem Leibe lebende Flut:
Rinnendes Waßer aus rauschender Quelle
Wallt ihm ein Lebens Born. Dieß Wort wird erfüllt,
Den Leuten geleistet, die an mich glauben.“
Mit dem Waßer meinte der waltende Christ,
Der hehre Himmelskönig, den heiligen Geist,
Daß des Volkes Söhne den empfangen sollten,
Licht und Erleuchtung und ewiges Leben,.
Die hohe Himmelsau und die Huld Gottes.
Da geriethen die Leute um die Lehre Christs
In Streit: dort standen stolze Männer,
Hochmüthige Juden, die sich vermaßen
Den Herrn zu höhnen: sie hörten wohl, sagten sie,
Daß aus ihm redeten üble Wichte,
Unholde Geister, da er so Uebles lehre
Mit jedem Worte. Dawider sprachen Andre:
„Lästert den Lehrer nicht! Lebensworte kommen
Mächtig aus seinem Munde, und mancherlei Wunder
Wirkt er in dieser Welt. Wär er des Teufels Werk,
Unselger Geister, wie brächt es solchen Segen?
Drum ist es offenbar, von dem allwaltenden Gott
Kommt es, von seiner Kraft. Wohl erkennt ihr es auch
An seinen wahren Worten, daß er Gewalt besitzt
Ueber Alles auf Erden.“ Da hätten ihn die Abgünstigen
Gern auf der Stelle gefangen oder gar gesteinigt,
Müsten sie der Menschen Menge nicht scheuen,
Das Volk nicht fürchten. Da sprach das Friedenskind Gottes:
„Ich zeig euch des Guten von Gott doch so viel
In Worten und in Werken, und ihr wollt mich strafen,
Ihr Starrsinnigen, mich mit Steinen ertödten,
Vom Leben lösen,“ Die Leute entgegneten,
Die wüthigen Widersacher: „Nicht deiner Werke wegen
Thun wirs, daß wir den Tod dir ertheilen wollen,
Nur deiner Worte wegen, der widersinnigen,
Daß du dich so mächtig rühmst, und solche Meinreden führst
Und sagst vor den Juden, du seist Gott selber,
Der mächtige Herr, da du ein Mensch bist wie wir,
Von unserer Abkunft.“

Der allwaltende Christ
Wollte nun den Hohn nicht mehr hören der Juden,
Der Wüthigen Verwünschung. Aus dem Weihthum gieng er
Ueber des Jordans Strom, und seine Jünger mit ihm,
Die seligen Gesellen, die stäts bei ihm
Willig weilten: dort wust er ein ander Volk.
Da that nach Gewohnheit der waltende Christ;
Er lehrte die Leute, und glaubte wer wollte
An sein heilig Wort, das immer half
Der Menschen Männiglichem, der es zu Gemüthe nahm.

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