Harms, Ludwig - Am ersten Weihnachtstage 1864.

Harms, Ludwig - Am ersten Weihnachtstage 1864.

Die Gnade unseres HErrn Jesu Christi, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen.

Text: Ev. Luc. 2, 1-20.

Es begab sich aber zu der Zeit, daß ein Gebot vom Kaiser Augustus ausging, daß alle Welt geschätzt würde. Und diese Schätzung war die allererste, und geschah zu der Zeit, da Cyrenius Landpfleger in Syrien war. Und Jedermann ging, daß er sich schätzen ließe, ein Jeglicher in seine Stadt. Da machte sich auch auf Joseph aus Galiläa, aus der Stadt Nazareth, in das jüdische Land, zur Stadt Davids, die da heißt Bethlehem, darum, daß er von dem Hause und Geschlechte Davids war, auf daß er sich schätzen ließe mit Maria, seinem vertrauten Weibe, die war schwanger. Und als sie daselbst waren, kam die Zeit, daß sie gebären sollte. Und sie gebar ihren ersten Sohn, und wickelte ihn in Windeln, und legte ihn in eine Krippe, denn sie halten sonst keinen Raum in der Herberge. Und es waren Hirten in derselben Gegend auf dem Felde bei den Hürden, die hüteten des Nachts ihrer Heerde. Und siehe, des HErrn Engel trat zu ihnen, und die Klarheit des HErrn leuchtete um sie; und sie fürchteten sich sehr. Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht, siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; Denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus der Herr, in der Stadt Davids. Und das habt zum Zeichen, ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt, und in einer Krippe liegend. Und alsobald war da bei dem Engel die Menge der himmlischen Heerschaaren, die lobten Gott, und sprachen: Ehre sei Gott in der Hohe, und Friede auf Erden, und den Menschen ein Wohlgefallen. Und da die Engel von ihnen gen Himmel fuhren, sprachen die Hirten untereinander: Laßt uns nun gehen gen Bethlehem und die Geschichte sehen, die da geschehen ist, die uns der HErr kund gethan hat. Und sie kamen eilend, und fanden beide, Mariam und Joseph, dazu das Kind in der Krippe liegend. Da sie es aber gesehen hatten, breiteten sie das Wort aus, welches zu ihnen von diesem Kinde gesagt war. Und Alle, vor die es kam, wunderten sich der Rede, die ihnen die Hirten gesagt hatten. Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen. Und die Hirten kehrten wieder um, priesen und lobten Gott um Alles, das sie gehört und gesehen hatten, wie denn zu ihnen gesagt war.

Das liebe selige Weihnachtsfest, meine Lieben, welches wir heute durch Gottes Gnade wieder feiern, ist doch ein gar wunderbares und herrliches Fest, ein Fest, das, wenn man so davor steht, seines Gleichen nicht hat. Es ist ein Fest voll Hoheit und voll Niedrigkeit, voll Reichthum und voll Armuth. Es ist ein Fest, welches das ganze Herz des Menschen gefangen hält mit Staunen und Anbetung, so daß ich wirklich nicht begreife, wie ein Mensch Weihnachten feiern kann ohne seine Kniee zu beugen vor dem Kinde in der Krippe. Da liegt vereint die größte Hoheit mit der tiefsten Niedrigkeit. Denn ist nicht Jesus, Gottes Sohn der Allerhöchste? und ist das Kind in der Krippe nicht der Allerniedrigste? Da liegt vereint der größte Reichthum mit der größten Armuth. Denn ist Jesus, Gottes Sohn, dem der ganze Himmel gehört und der die ganze Welt erhält, ist Er nicht der Allerärmste geworden, so daß Er auf Heu und Stroh liegen muß, ohne ein Kissen zu haben? Und wenn du den einen Vers betrachtest: Den aller Weltkreis nie beschloß, der liegt in Marien Schooß; Er ist ein Kindlein worden klein, der alle Ding erhält allein; mußt du da nicht abermals anbeten, knieen und niederfallen vor dem, den der Himmel nicht umschließt und der nun in der Mutter Schooß liegt, der Himmel und Erde in Seiner Hand hält und der nun Seine Glieder in der Krippe ausstreckt? Dabei liegt auf Weihnachten ein besonderer Reiz, der daher kommt, daß Gott ein Kind geworden ist. Ich habe oft gesehen, wie ein mürrischer, grämlicher Mensch aufthaut, wenn er ein kleines lächelndes Kind sieht. Und muß nicht jeder Mensch, der das Kind in der Krippe sieht, aufthauen, und wenn er noch so mürrisch und finster wäre? Wahrlich, Weihnachten ist ein seliges Fest, ein Fest der reinsten, seligsten Freude; darum macht auch ein jeder Christ, - es liegt das in der Natur des Festes -, so weit er kann, allem Kummer und Leid ein Ende. Ich kann mir keinen wahren Christen denken, der Weihnachten noch zwei Groschen in der Tasche hat, der nicht einen davon seinem armen Bruder gebe. Und ich weiß es nicht, wie es möglich ist, Weihnachten zu feiern ohne Andern eine Freude zu machen. Damit meine ich nicht die Gaben, die die Eltern ihren Kindern, oder die Kinder ihren Eltern schenken, - das ist auch schön und mag gern geschehen, vorausgesetzt, daß die Ehre Gottes nicht darunter leidet und die Ueppigkeit nicht gefördert wird; - sondern ich meine, daß ein Christ nicht Weihnachten feiern kann ohne dem etwas zu geben, der nichts von Vater und Mutter, von Hohn oder Tochter erhält, Weihnachten einen Menschen weinen sehen, das muß dem Christen unmöglich sein, da sein ganzes Herz ihn zum Geben treibt. Alles das macht Weihnachten zum wahren Kinderfeste, es ist das lieblichste Fest, da Gott Mensch geworden ist. Darum wollen wir heute preisen

die Weihnachtsseligkeit.

Zuvor aber laßt uns beten: Lieber HErr Jesu, wir haben eben gesungen: Sei willkommen, Du edler Gast, den Sünder nicht verschmähet hast, und kommst ins Elend her zu mir; wie soll ich immer danken Dir? Ja, lieber HErr Jesu, das ist das Wort, welches mir Tag und Nacht auf dem Herzen und auf der Zunge liegt: Sei willkommen, Du edler Gast! Sei willkommen in meinem Herzen, in meinem Hause, in meiner Gemeine, lieber HErr! Sei willkommen in Deiner werthen Kirche, da sollst Du Dein Werk treiben; sei willkommen in der Schule, auch da sollst Du wohnen. Sei willkommen auf der ganzen weiten Welt; denn wohl deckt Finsterniß das Erdreich und Dunkel die Völker, aber nun kommst Du und willst erleuchten Alle, die in Finsterniß und Schatten des Todes sitzen. Ach, HErr, Du Schöpfer aller Ding, wie bist Du worden so gering, daß Du da liegst auf dürrem Gras, davon ein Rind und Esel aß. Liebster HErr Jesu, wir haben Dich willkommen geheißen, o laß Dich nicht vergebens einladen.

Nein, Du darfst nicht draußen stehen bleiben, Du Gesegneter des HErrn, sondern Du mußt bei uns einkehren und bei uns bleiben in Zeit und Ewigkeit, daß wir an Deiner Hand zum Leben und zur Seligkeit eingehen. Amen.

1. Wir betrachten den Geber. Nun wer giebt denn die Weihnachtsseligkeit? Kein Anderer als Gott der Vater. Darum ist Weihnachten das Fest Gottes des Vaters, weil da Gott der Vater Seinen eingebornen Sohn gegeben hat. So ist der Geber Gott der Vater. Das könnt ihr auch dem ganzen Feste und der Seligkeit des Festes aufgeprägt sehen. Welches Werk ist besonders Gott dem Vater eigenthümlich? Dem Vater ist eigenthümlich das Werk der Schöpfung, der Erhaltung und der Regierung, und daraus sehen wir, daß Gott der Vater der Geber des Festes ist. Weihnachten ist ein Fest der Schöpfung, Erhaltung und Regierung. Ein Schöpfungsfest ist es zuerst. Sagt mir, ist Christi Geburt nicht ein Schöpfungswerk? Ja wohl, sie ist ein wunderbares Schöpfungswerk. Als Gott die ersten Menschen schuf, da nahm Er einen Erdenklos, bildete den Leib daraus und blies ihm dann Seinen lebendigen Odem ein, also wurde der Mensch eine lebendige Seele. Das war die erste Schöpfung. Aber die Menschen blieben nicht auf Gottes Wegen, sie fielen in Sünde und Schande. Gottes Rathschluß aber war, daß die Menschen selig werden sollten; wie sollte Er das ausführen? Anders ging es nicht, Gott selbst mußte kommen und in den Orden der Menschen eintreten. Und ob Er eintreten mußte in den Orden der Menschen, so durfte er doch nicht mit den Sünden derselben behaftet sein. Darum mußte Er ein wunderbares Schöpfungswerk vollbringen, ein noch viel größeres als das erste war. Er mußte einen Erlöser hervorbringen, der aus dem Wesen der Menschen hervorging und doch nichts von der Sünde der Menschen an sich hatte. Hätte Gott einen Erlöser schaffen wollen, wie Er einst Adam schuf, hätte Er einen Erdenklos genommen und einen Menschen daraus gebildet und hätte Er darin mit Seiner Gottheit gewohnt, was konnte der uns helfen? Wir hätten sagen müssen, Du gehörst nicht zu uns und kannst deßhalb unsere Sünde nicht tragen. Der Erlöser mußte Einer von den Unsern sein; darum mußte Er unser Wesen an sich haben und doch rein von Sünden sein. Wie war das möglich? Wo kein Mensch Rath wußte, da wußte Gott Rath. Wäre Jesus gezeugt und geboren wie alle andern Menschen von einem sündlichen Vater und von einer sündlichen Mutter, so müßte Er mit dem 51. Psalm sprechen: Ich bin aus sündlichem Samen gezeugt, und meine Mutter hat mich in Sünden geboren. Dann wäre Er selbst ein Sünder; ein Sünder kann aber unser Erlöser nicht sein. Er mußte erzeugt werden durch die Schöpferkraft Gottes; diese Kraft mußte über eine Jungfrau kommen. Wenn Eheleute Kinder zeugen, so geschieht das mit sündlicher Lust und Begierde; schafft aber der heilige Geist in Maria den Erlöser, so geschieht das ohne Sünde. Diese Schöpfung ist theils aus dem Alten, denn Jesus ist Manen Sohn, und doch ist sie ein Neues, denn Er ist auch Gottes Sohn. So haben wir es Gott dem Vater zu verdanken, daß Er uns einen Heiland gegeben hat. Gott der Vater hat Ihn geschaffen ohne Sünde, und doch ist Er unser Fleisch und Blut, denn aus Maria, die unserm Orden angehört, ist Seine Menschheit gebildet. Darum sage ich: Gott der Vater ist der Geber der Weihnachtseligkeit, denn Er hat den Messias geschaffen und hat das Wunderwerk, die Gottheit und Menschheit zu vereinigen in einer Person, zu Stande gebracht. Aber es ist nicht bloß ein Schöpfungswerk, sondern auch ein Erhaltungswerk. Denket euch, meine Lieben, da ist in der heiligen Schrift geweissaget, daß aus Davids Geschlecht der Messias geboren werden soll. Soll das aber geschehen, so ist es doch auch nöthig, daß das Geschlecht Davids erhalten wird, bis dieses Ziel erreicht ist. Diese Erhaltung des Geschlechts Davids ist ein wahres Wunder der göttlichen Vorsehung. Denkt euch einmal, wie oft hat dieses Geschlecht an einem seidenen Faden gehangen! Denkt nur an die eine Geschichte, als die gottlose Königin Athalja in Jerusalem regierte. Sie faßte den teuflischen Entschluß, allen königlichen Samen umzubringen und führte diesen Entschluß auch aus, indem sie ihre Kinder und Kindeskinder tödtete, um unumschränkte Königin in Jerusalem sein zu können. Solch ein Teufel war dieses Weib. O da denkt euch dies schreckliche Morden in der alten Königsstadt. Der Vorsatz der Königin schien ausgeführt zu sein, das Morden hörte auf und Athalja triumphirte: Nun ist das Geschlecht Davids ganz ausgerottet. Aber sie hatte die Rechnung ohne den Wirth gemacht. Denn das Weib des Hohenpriesters Jojadas, Josabeath, hatte den jüngsten Sohn, Joas, gerettet, versteckt und dann groß gezogen. Da hing das Leben des ganzen Geschlechts Davids an diesem Kinde Jons. Als der Knabe sechs Jahr alt war, da stellte ihn der Hohepriester Jojada dem Volke vor, und alles Volk jauchzte: Jons ist König! Glück zu dem König! Da schrie Athalja: Aufruhr! Aufruhr! Aber sie wurde getödtet am Hause des Königs, 1. Chronik. 22 u. 23. Und als Juda um seiner Sünde willen hingeführt wurde gen Babel, da ließ Nebucadnezar dem Könige Zedekia beide Augen ausstechen und seine Söhne tödten, so daß es wiederum schien, als ob das Geschlecht Davids ausgerottet sei; aber Gott hatte noch einen Sproß übrig bleiben lassen und dadurch wurde das Geschlecht erhalten. Diesen Sproß mußte Nebucadnezar, der Juden Feind, erziehn und somit helfen, daß Gottes Verheißung erfüllt wurde. Von da an ist das Geschlecht Davids nie wieder zu Ansehen gekommen. Zwar schien es noch einmal wieder aufzublühen unter Serubabel, der das Volk wieder nach Jerusalem führte; aber von Jahr zu Jahr kamen sie mehr und mehr zurück und endlich sehen wir, daß die Davididen sich ihr Brot mit den Händen verdienen müssen. Wer hat das Geschlecht so lange erhalten? Gott der HErr. Hätten sie nicht umkommen können in ihrem Gram, Kummer, Sorge und Noth? Wer erhält sie in allem dem? Ach das ist alles die Gnadenhand unsers Gottes. Jesus war noch nicht geboren; als der geboren war, da konnte das Geschlecht untergehen. Unter Augustus ist Jesus geboren. Dieses Kaisers Sohn hieß Tiberias, unter dem ist Jesus gekreuzigt. Dann brachen die Unruhen im jüdischen Volk aus und man sagte dem Kaiser, das kommt von dem Christus aus dem Geschlechte Davids. Da fragte Tiberias: Sind noch Nachkommen aus diesem Geschlechte vorhanden? Ja, war die Antwort. So schickt sie mir nach Rom. Und siehe es kamen drei Greise, der älteste im Alter von 120 Jahren, Bartholomäus genannt, mit dicken Schwielen in den Händen; der zweite war 91 und der dritte 90 Jahr alt. Sie hatten alle drei keine Kinder. Was habt ihr bisher getrieben? fragte der Kaiser. Da zeigten sie ihm ihre Hände mit den Schwielen. Und ihr seid die letzten aus dem Geschlechte Davids? Ja. Warum denn? Weil der Heiland geboren ist und nun das Geschlecht Davids nicht mehr nöthig ist auf Erden. Wenige Jahre darauf sind diese letzten drei Nachkommen Davids gestorben. Aber auch Wunder der Regierung sehen wir zu Weihnachten. Meine Lieben, ich will euch nur Eins anführen. Wo mußte Jesus geboren werden? In Bethlehem; denn so ist es vom Propheten Micha geweissagt. Wo war aber Maria, die Ihn unter ihrem Herzen trug? Die wohnte in Nazareth, und das liegt im Norden von Galiläa und Bethlehem im Süden von Judäa. Die Entfernung der beiden Städte von einander ist wenigstens 24 Meilen. Nun ist Maria hoch schwanger und schwangere Weiber denken nicht ans Reisen. Und das sollte Maria eingefallen sein, nach Bethlehem zu reisen? Wie sollte sie die Reise machen? Eine Kutsche hatte sie nicht, Posten und Eisenbahnen gab es noch nicht. Sie mußte also zu Fuß gehen, oder auf einem Esel reisen. Wahrlich, nie wäre es ihr in den Sinn gekommen! Aber sie mußte, denn sonst wäre die Weissagung nicht erfüllt und Gott wäre zum Lügner geworden. Wie geschah das? Gott gab dem Kaiser Augustus ins Herz eine Schatzung auszuschreiben; und dieser Kaiser wußte nichts von Maria, nichts vom Heiland, nichts von Bethlehem. Dadurch ward Maria gezwungen nach Bethlehem zu reisen. Und nun sehet wieder die Wunder der Regierung Gottes, - wir haben ja schon gestern Abend davon gehört -, Joseph mußte Maria ins Haus nehmen als sein Gemahl, ohne sie jedoch ehelich zu berühren. Nun hatte sie einen Geleitsmann, der sie nach Bethlehem bringen konnte. Und so machen sie sich denn auf die Reise. Wunderbar ist die Regierung des HErrn! Als sie dort angekommen waren, da konnten sie keinen Platz in der Herberge finden, sie mußten in einen Stall und da gebiert Maria den Messias. Line Wiege mußte das Kind haben, und es kriegt auch eine, die Krippe; Kissen müssen in der Wiege sein und auch dafür hat der liebe Gott gesorgt, Heu und Stroh sind Seine Kissen. Nun laßt uns

2. Die Gabe betrachten. Wer ist denn die Gabe? Das könnt ihr aus Luthers Gesang lernen: Es ist der HErr Christ, unser Gott, Der will uns führen aus aller Noth; will euer Heiland selber sein, von allen Sünden machen rein. Da liegt Er in der Krippe auf Heu und auf Stroh, gewickelt in Windeln. Ach wer weiß, wo Maria die hergekriegt hat. Sie hat vielleicht ein altes Hemd oder Tuch zerreißen müssen. Da lag die arme Maria in ihrer Kindesnoth, eine Hebamme war nicht da, Gott selber hat Hebamme spielen müssen, wie es auch im 22. Psalm heißt: Du hast Mich aus Meiner Mutter Leibe gezogen. Wo war die Magd, die Feuer anzünden mußte, um den Stall zu erwärmen, um Wasser, Thee und Kaffee zu kochen? Da war keine Magd zu finden. Ach wenn nur nicht Maria und das arme Kind verklamen1)! Seid nur nicht bange, der liebe Gott hatte schon für Alles gesorgt. Meine Lieben, es geht einem durch Mark und Bein, wenn man auf die Anstalten sieht, die jetzt getroffen werden vor und bei der Geburt eines Kindes. Die Hebamme muß schon acht Tage vor der Geburt ins Haus kommen und darf ja nicht wieder fort, so und so viel Kinderzeug muß gemacht werden und die Schaukelwiege mit den weichen Kissen steht bereit. Und kommt endlich das Kind, o da ist die Stube so warm, der Thee und Kaffee ist so süß und es mangelt an gar nichts. Seht so zärtlich werden die Menschenkinder auf Erden bewillkommt. Bei Jesu Geburt war keine Hebamme, keine Magd, keine Windeln, keine Wiege, kein Thee und Kaffee. Seht das ist der HErr Christ, unser Gott, da liegt Er auf Heu und Stroh. Das Herz hüpft einem im Leibe vor Freude, wenn man den Vers betet: Ach HErr, Du Schöpfer aller Ding, wie bist Du worden so gering, daß Du da liegst auf dürrem Gras, davon ein Rind und Esel aß. Und wir armen Menschen wollen in Sammt und Seide gehen, wollen Putz und Staat treiben! Wenn ihr dies Kindlein in der Krippe anseht, so bedenkt: Das ist die Weihnachtsgabe. O Menschenkind, Gott ist der n Bruder geworden, dadurch ist deine Menschheit mit der Gottheit verbunden und sitzt nun mit auf dem Thron der Herrlichkeit. O Jesus, wahrer Gott, den ich als meinen Gott anbete und als meinen Bruder gläubig umfasse, Dir sei Lob, Preis und Ehre in Ewigkeit! Da muß ich wohl singen: Das hat Er Alles mir gethan, Sein groß Lieb' zu zeigen an. Deß freu sich alle Christenheit und dank Ihm deß in Ewigkeit. Durch diesen Jesum bin ich zur Gotteskindschaft gekommen, denn es heißt: Er nimmt nirgend die Engel an sich, sondern den Samen Abrahams nimmt Er an. Warum ist denn Gott Mensch geworden? Wenn ich selig werden soll, so kommt Alles darauf an, daß meine Sünden getilgt werden, und das kann nur Gott, denn Er allein hat allmächtige Schultern. Aber Er muß auch Mensch werden, sonst kann Er nicht leiden und sterben. Mein Jesus ist wahrer Gott, nun kann Er meine Sünden tragen; mein Jesus ist wahrer Mensch, nun kann Er für mich leiden und sterben; und ich bin so glücklich und selig, denn durch Ihn habe ich Vergebung der Sünden, Leben und Seligkeit. Und da Er mein Blutsverwandter ist, so kommt mir Alles zu gute, was Er gelitten und gethan hat. Bin ich nicht ein seliger Mensch durch diese Weihnachtsgabe? Nun wollen wir uns noch

3. Die Empfänger näher ansehen. Das müssen wohl liebliche Leute sein, denen diese Gabe geschenkt wird? Wer sind denn die Empfänger? Wir armen Menschen sind es. Gottlob und Dank, ich bin der Empfänger, und ihr seid auch die Empfänger. Daß wir die Empfänger sind, das will ich euch aus Gottes Wort zeigen. Als der HErr Jesus geboren war, da kam die Engel im Himmel ein Regen und Bewegen an, sie können es im Himmel nicht mehr aushalten. Sie kommen auf die Erde und wollen das Kind in der Krippe besingen, darum stimmen sie den Lobgesang an: Ehre sei Gott in der Höhe, Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen. Das geht auch nicht anders, denn das Kind in der Krippe ist ihr HErr und die Diener müssen diesen ihren HErrn anbeten. Der ganze Himmel wird leer, alle eilen auf die Erde. Auf dem Felde finden sie Hirten, welche die Heerden hüten. Das waren sicher nicht die Eigenthümer des Viehs, sondern nur für Geld gemiethete Leute; die Eigentümer lagen daheim in den Federn. Diese Hirten waren fromme Leute, die auf den Trost Israels warteten. Und was sehen sie auf einmal? Der Himmel wird ganz hell vom Lichtglanz; dann kamen tausend und aber tausend glänzende Engel und das Lobgetön will gar kein Ende nehmen. Aber noch mehr geschieht, ein Engel kommt zu ihnen und sagt: Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volt widerfahren wird, denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der HErr, zur Stadt Davids. Da sehet ihr, wer die Empfänger sind: Euch, euch! sagt der Engel. Ach, der arme Engel, er kann nicht sagen: Mir, mir ist der Heiland geboren. Nur den Menschen ist Er geboren, wir sind die Empfänger. Uns giebt der liebe Vater im Himmel Seinen liebsten Sohn Jesus Christus. Und wozu sollen wir diese Gabe haben? Daß alle Sünden weggenommen werden und wir Vergebung der Sünden, Leben und Seligkeit empfangen. Nun, meine Lieben, habe ich gar keine Furcht mehr seitdem ich glaube, Jesus Christus ist mein Heiland und mein Bruder. Will mich die Furcht anpacken, so sehe ich in die Krippe und mein Ohr hört die Worte: Dir ist der Heiland geboren; dann werde ich so fröhlich und selig, daß ich von Kummer nichts mehr weiß. Ich kann den Kummer, den das böse Herz mir macht, den die bittersten Feinde mir machen, den die undankbaren Menschen, die nicht zu Jesu wollen, mir machen, den der Satan mir macht mit seinen Anfechtungen, ich kann ihn durch dies untrügliche Mittel, indem ich in die Krippe schaue, verscheuchen, denn da tönt es immer in mein Ohr: Dir ist heute der Heiland geboren. Und was hat es denn für Noth, wenn ich einen Heiland habe? Dieser Heiland heißt Jesus und macht Sein Volk selig. Ich habe wohl Kummer, aber da ist mein Jesus, der allen Kummer vertreibt. Oder wenn sich die Leute in der Gemeine nicht bekehren wollen, so gehe ich zu der Krippe und da schallt mir das Wort entgegen: Euch ist heute der Heiland geboren; zu diesem Euch gehört auch meine Gemeine, und nun fange ich wieder frisch an zu beten. So kann die Freude gar nicht weichen. Aber meine Lieben, wenn ich mich auch trösten kann über allen Kummer und über alles Herzeleid, so liegt mir doch noch ein Wort ganz besonders auf dem Herzen, das ist das Wort: Die allem Volk widerfahren wird. Da muß ich mit Schmerzen denken an die 700 Millionen Heiden, die noch in Finsterniß und Schatten des Todes sitzen, und mein Herz fragt: Hüter, ist die Nacht schier hin? Sehet, meine Lieben, wer das recht bedenkt: Ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren soll, dem wird Weihnachten ein solches Fest, wo er den Heiden hilft, daß sie Jesum kennen lernen. Darum wüßte ich nicht, wie ich Weihnachten feiern sollte ohne zu beten für die Heiden, ohne meine Gaben zu bringen für die Heiden. Ich bin so glücklich durch den Heiland geworden, darum wollte ich so gern, daß die Heiden ebenso glücklich würden. So wird aus der rechten Weihnachtsfeier ein Missionsfest. Dies zeigt sich auch bei den Hirten, Als sie das Kind gesehen hatten, da gingen sie hin und breiteten das Wort aus, was ihnen gesagt war. Sie konnten die Freude nicht für sich behalten; so müssen wir es auch machen. Das ist eben die Arbeit der heiligen Mission.

Nun laßt uns noch beten: HErr Gott Vater, allmächtiger Schöpfer, Erhalter und Regierer Himmels und der Erden, laß uns Deine Vaterhand küssen in herzlicher Dankbarkeit dafür, daß Du ein so milder Geber bist, der uns die herrlichste Gabe gegeben hat, Deinen lieben Sohn. Und Du liebes Kind in der Krippe, HErr Jesu, sei gelobt und gepriesen, daß Du eine so selige Gabe hast sein wollen. Lieber HErr, wir sagen noch einmal:

Sei willkommen, Du edler Gast,
den Sünder nicht verschmähet hast,
und kommst ins Elend her zu mir,
wie soll ich immer danken Dir?

O, bleibe bei uns, wir können Dich nicht entbehren. Und was sollen wir Empfänger sagen? Gott der Vater ist der Geber, Er muß weggeben das Liebste, was Er hat; Gott der Sohn ist die Gabe, Er muß sich weggeben lassen: und wir sind die seligen Empfänger. Da will ich mein Herz weit aufthun und Dich bitten, Gott Vater, leg Deinen Sohn Jesum in mein innerstes Herz durch den heiligen Geist; ich will Ihn bewahren, diesen höchsten Schatz und nie wieder verlieren; ich will ganz mit ungetheiltem Herzen dem HErrn Jesu angehören. Und wir bitten Dich, Du lieber treuer Gott und HErr, werde immer mehr unsers Herzens Freude, unsers Hauses Freude, der Gemeine Zierde und die Wonne der ganzen Christenheit. Wir wollen es machen wie die Hirten, wollen allen Leuten, so viel wir können, den Heiland bringen. Beten wollen wir, daß die Herzen der Heiden aufgethan werden, arbeiten wollen wir, daß Boten des Friedens zu ihnen kommen, auf daß Alles Eine Heerde und Ein Hirte werde. Wir danken Dir für den Weihnachtssegen; o, präge denselben tief unserm Herzen ein, daß ihn Keiner von uns verliere. Amen.

1)
plattdeutsch für klamm werden, erkälten
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