Harms, Ludwig - Betstunden vor Weihnachten 1863 (Eph. 3, 17).

Harms, Ludwig - Betstunden vor Weihnachten 1863 (Eph. 3, 17).

Die Gnade unseres HErrn Jesu Christi, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen.

Laßt uns beten: HErr, unser Gott, wir sind nun eingetreten in die liebe Weihnachtswoche und wollten gern ein gesegnetes Weihnachten feiern, nicht ein Weihnachten nach der Welt Weise als ein Götzenfest, sondern ein Weihnachten nach Gottes Weise als ein solches Fest, wo alle Gedanken und Freuden durch diesen einen Gedanken und durch diese eine Freude verschlungen werden: Also hat Gott die Welt geliebt, daß Er Seinen eingebornen Sohn gab, auf daß Alle, die an Ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben. Laß uns doch, lieber HErr, nicht auf die Weise der Weltkinder, sondern auf die Weise der Gotteskinder Weihnachten feiern, und gieb Gnade, daß dieses Wort unser ganzes Herz durchdringe: Sei willkommen, Du edler Gast, den Sünder nicht verschmähet hast und kommst in's Elend her zu mir, wie soll ich immer danken Dir? Zeuch in mein armes Herze ein, Du allerliebstes Jesulein, und laß es Deine Ruhe sein, daß ich nimmer vergesse Dein. Amen.

Text: Ephes. 3, 17.

Darum bitte ich, daß Christus wohne durch den Glauben in eurem Herzen, und durch die Liebe eingewurzelt und gegründet werde.

Der Apostel Paulus beschreibt uns in dem eben vorgelesenen Verse ein Herz, von welchem allein gesagt werden kann, daß es ein rechtes Weihnachten feiert. Ich will gar nicht sprechen von den irdischen Dingen, welche, man möchte in mancher Beziehung sagen leider, mit der Feier des Weihnachtsfestes verbunden sind und die immer mehr verderbenbringend wirken. Es gehört dahin besonders das überviele Geschenke machen, wodurch der Sinn leider nur zu sehr von der wahren Weihnachtsfeier abgelenkt und auf die verkehrte Weihnachtsfeier hingeleitet, und aus dem himmlischen ein weltliches Weihnachten gemacht wird. Daß ein Herz, dem Gott die große Weihnachtsgabe, Seinen lieben Sohn, geschenkt hat, es nicht lassen kann, Andern wieder eine Weihnachtsfreude zu machen, finde ich natürlich; und ich will nicht als Feind der Weihnachtsgeschenke auftreten, habe ich es doch selbst erfahren, welche Freude dieselben machen. Aber warnen will ich vor dem Geschenke Weihnachten, wobei aus dem himmlischen Weihnachten ein weltliches gemacht wird. Nehme sich doch ja ein Jeder davor in Acht, daß er nicht durch seine Geschenke Neid, Habsucht, Zank und Streit in die Herzen der Menschen streue. Bedenke vielmehr ein Jeder dabei, was der Gesang sagt: Keiner Gnade sind wir werth; dennoch hat in Seinem Worte Er sich gnadenreich erklärt und die theure Lebenspforte durch Sein Blut selbst aufgethan; Jesus nimmt die Sünder an. Wer nun aber Weihnachten als ein rechtes Gottesfest feiern will, der muß es als ein himmlisches Fest feiern, und darum wollen wir nun auch ganz absehen von dem Treiben der Weltkinder zu Weihnachten. Es ist ganz natürlich, du gehst Weihnachten zur Kirche; denn es ist himmlische Freude, Gottes Wort zu hören, mit den Brüdern und Schwestern zu beten, mit ihnen geistliche liebliche Lieder zu singen, an den Altar zu treten, um das heilige Abendmahl zu empfangen, wenn du es nicht schon in der Adventszeit genossen hast. Wenn du das nun thust, feierst du dann schon ein himmlisches Weihnachten? Darauf antworte ich dir: Nein, damit ist die Sache noch nicht gethan. Es ist freilich wahr, ohne das kann Keiner ein himmlisches Weihnachten feiern; natürlich solche Fälle ausgenommen, wo Einer krank ist und deßhalb nicht in die Kirche kommen kann, da giebt der HErr auch den Segen auf dem Krankenbette, wenn das Herz darnach verlangt; - aber dein Kirchengeben, deine Feier des gemeinschaftlichen Gottesdienstes ist noch nicht hinreichend zu einer himmlischen Weihnachtsfeier. Sondern dazu ist erforderlich dies Eine - Christus muß durch den Glauben in deinem Herzen wohnen und durch die Liebe fest eingewurzelt und gegründet sein. Es hängt das mit dem vorhin Gesagten genau zusammen. Es ist unmöglich, daß ein Mensch, in dessen Herzen Christus wohnt, in dessen Herzen Er durch die Liebe eingewurzelt und gegründet ist, von der Kirche und von dem Gottesdienste fernbleiben kann; und könnte er es, so wohnt Christus nicht in seinem Herzen. Aber obgleich ein Gläubiger nicht leben kann ohne Gottesdienst, und die beiden Stücke: Glaube und Gottesdienst, immer bei ihm unzertrennlich verbunden sind wie Leib und Seele, so ist es doch sehr gut möglich, daß Jemand den Gottesdienst mitmacht und doch keinen Glauben und keine Liebe im Herzen hat. Daher merke dir: Der wahre Haupt- und Kernpunkt der rechten Weihnachtsfeier ist der, Christus muß durch den Glauben in deinem Herzen wohnen und durch die Liebe fest eingewurzelt und gegründet sein. Darum merke dir nun dies- Du hast Jesum nur insoweit, als du an Ihn glaubest und Ihn liebest; und du bist so fern von Ihm, als du fern bist vom Glauben an Ihn und von der Liebe zu Ihm. Nur ein gläubiger Christ kann sagen: Jesus ist mein Jesus, ich glaube an Ihn und habe Ihn von ganzem Herzen lieb. Jesus wohnt in deinem Herzen nur durch den Glauben. Hast du den Glauben nicht, so magst du getauft sein, Christus wohnt doch nicht in deinem Herzen; du magst zum Abendmahl gehen, die Predigt hören, ein Gebet plappern, Jesus wohnt doch nicht in deinem Herzen. Wenn zu dem Gebrauch der Gnadenmittel nicht der Glaube kommt, so ist derselbe unnütz und schafft keine Frucht. Daher ist das der Punkt, worüber du dir klare Rede und Antwort geben mußt. Glaubst du an den HErrn Jesum, so wirst du auch sagen müssen: In meinem Herzen wohnt Jesus so wahrhaftig, als ich an Ihn glaube. So weit du deines Glaubens gewiß bist, so weit wohnt Jesus in deinem Herzen. Ohne den Glauben ist dir Jesus ein fremder Jesus, und das hilft dir nichts, Er muß dein eigener Jesus sein, und das wird Er durch den Glauben. Dieser Glaube ist nun der Art, daß er mit kindlichem, zweifellosen Herzen alles das, was Jesus gethan, gelitten und erworben hat, als für sich gethan, gelitten und erworben ansieht. Zu Weihnachten erschallt die Botschaft: Jesus ist geboren; der Gläubige spricht: Jesus ist für mich geboren. Zu einer andern Zeit heißt es: Jesus ist am Kreuze gestorben und hat Sein Blut vergossen; der Gläubige spricht: Jesus ist für mich gestorben und hat Sein Blut für mich vergossen. Zum dritten Mal erschallt die Predigt: Jesus ist auferstanden und gen Himmel gefahren; der Gläubige spricht: Jesus ist für mich auferstanden und für mich gen Himmel gefahren. Ein ander Mal erschallt die Predigt: Jesus hat durch Sein bitteres Leiden und Sterben Vergebung der Sünden, Leben und Seligkeit erworben; der Gläubige spricht: Jesus hat das alles für mich erworben. In einer andern Predigt heißt es: Jesus hat das ganze Gesetz erfüllt: der Gläubige spricht: Jesus hat das Gesetz für mich erfüllt. So gehört Alles dem Gläubigen, was Jesus gethan, gelitten und erworben hat. Darin besteht der rechte Glaube, daß er sich mit zweifelloser Gewißheit Alles zueignet, was Jesus gethan, gelitten und erworben hat. Jesus ist mein Eigenthum mit Allem, was Er ist und hat, das Alles gehört mir durch den Glauben. Kannst du das mit zweifelloser Gewißheit sagen: Alles, was Jesus gethan, gelitten und erworben hat, das ist mein, dann hast du den rechten Glauben. Nimmst du das an und hast du das angenommen, so folgt weiter: Christus ist durch die Liebe in deinem Herzen fest eingewurzelt und gegründet. Das ist gewiß, den Christus, der in Bethlehem geboren ist, habe ich noch nicht lieb; aber das ist auch gewiß, den Christus, der in Bethlehem für mich geboren ist, habe ich lieb von ganzem Herzen. Das ist gewiß, den Christus, der gestorben ist auf Golgatha, habe ich noch nicht lieb; aber das ist auch gewiß, den Christus, der für mich gestorben ist auf Golgatha, habe ich herzlich lieb. Das ist gewiß, den Christus, der Vergebung der Sünden erworben hat, habe ich noch nicht lieb; aber den Christus, der Vergebung der Sünden für mich erworben hat, habe ich lieb. Wie todter Glaube keine Liebe entzünden kann, so kann nur lebendiger Glaube Liebe entzünden. Es ist nicht möglich, daß ich den nicht lieben sollte, der für mich als wahrer Gott und Mensch in der Krippe liegt. Es ist nicht möglich, wenn ich z. b. den einen Vers im Glauben bete:

Das ew'ge Licht geht da herein,
giebt der Welt ein'n neuen Schein,
es leuchtet mitten in der Nacht
und uns zu Lichtes Kindern macht;

oder den andern:

Den aller Weltkreis nie beschloß,
der liegt in Marien Schooß,
der ist ein Kindlein worden klein,
der alle Ding' erhält allein; und

wenn du dann im Glauben hinzufügen kannst:

Das hat Er Alles uns gethan,
Sein' groß' Lieb' zu zeigen an;
deß freu' sich alle Christenheit
und dank' Ihm deß in Ewigkeit;

- es ist nicht möglich, sage ich, wer das im Glauben beten und singen kann, daß der nicht mit allen Kräften seiner Seele den lieben sollte, der für uns ein Mensch geworden ist. So liegt das ganze Geheimniß der seligen Liebe zu Jesu darin, daß ich glaube: Jesus ist mein Jesus, für mich geboren, für mich gelitten, für mich gestorben. Ist solcher Glaube in deinem Herzen, dann kann nichts deine Liebe zu Jesu aus deinem Herzen reißen, wie nichts den Baum aus dem Erdreiche reißen kann, der seine Wurzeln tief in dasselbe geschlagen hat. Durch den Glauben muß Jesus in deinem Herzen wohnen, dann ist es gewiß, daß Er durch die Liebe fest eingewurzelt und gegründet wird.

Laßt uns niederknieen und beten: Lieber HErr Jesu, Dein heiliger Apostel Paulus hat gebetet für die Gemeine in Ephesus und hat seine Kniee gebeugt vor Dir, wie er sagt: Derhalben beuge ich meine Kniee gegen den Vater unsers HErrn Jesu Christi, der der rechte Vater ist über Alles, was da Kinder heißt im Himmel und auf Erden, daß Christus in eurem Herzen wohne durch den Glauben, und durch die Liebe fest eingewurzelt und gegründet werde. Lieber HErr Jesu, so liegen wir nun hier auf unsern Knieen vor Dir, und wollten auch gern hier in Hermannsburg ein gesegnetes Weihnachtsfest feiern und den Segen empfangen, den der Apostel für seine Epheser erfleht. Und weil ein gesegnetes Weihnachten nicht möglich ist, wenn Du, o Jesu, nicht durch den Glauben in unserm Herzen wohnest und durch die Liebe fest eingewurzelt und gegründet bist, so bitten wir Dich, gieb uns den heiligen Geist, daß wir zum Heil unserer Seele die Gnadenmittel gebrauchen, die Du im Fest und schon jetzt uns darreichst. Gieb nur, daß wir auch mit zweifellosem, kindlichen Glauben sagen können: Christus ist für mich geboren, für mich gestorben, für mich auferstanden und gen Himmel gefahren, für mich hat Er Vergebung der Sünden erworben. Alles, was Du gethan, gelitten und erworben hast, das hast Du für mich gethan, gelitten und erworben; und daraus laß hervorbrechen diese brünstige, herzliche Liebe gegen Dich. Diese Liebe laß sich vertiefen in Dein innerstes Herz, daß Niemand uns den Glauben aus dem Herzen reißen könne, daß uns im Leben und im Sterben nichts von Dir trennen könne. Hilf, daß wir sagen können: Ich bin gewiß, daß weder Tod noch Leben, weder Engel noch Fürstenthum, noch Gewalt, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes, noch keine andere Kreatur mag uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christo Jesu ist, unserm HErrn. HErr, HErr, gieb uns den Weihnachtssegen, daß Du wohnest durch den Glauben in unserm Herzen und durch die Liebe fest eingewurzelt und gegründet seiest um Deines Namens willen, Amen.

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