Harms, Ludwig - Auslegung der ersten Epistel Petri - Das 5. Capitel.

Harms, Ludwig - Auslegung der ersten Epistel Petri - Das 5. Capitel.

Vers 1-4. Die Aeltesten, so unter euch sind, ermahne ich, der Mitälteste und Zeuge der Leiden, die in Christo sind, und theilhaftig der Herrlichkeit, die geoffenbaret werden soll: Weidet die Herde Christi, so euch befohlen ist, und sehet wohl zu, nicht gezwungen, sondern williglich; nicht um schändlichen Gewinns willen, sondern von Herzensgrunde; nicht als die über das Volk herrschen, sondern werdet Vorbilder der Herde. So werdet ihr (wenn erscheinen wird der Erzhirte,) die unverwelkliche Krone der Ehren empfangen.

Im vorigen Capitel, welches wir in der letzten Vesperpredigt zu Ende gebracht haben, hatte der Apostel die christlichen Gemeinen besonders ermahnt, das Leiden, das sie um Christi willen duldeten, geduldig zu ertragen. Nur sollten sie darauf achten, daß sie um Wohlthat und nicht um Missethat willen leiden müßten. Nachdem er seine Ermahnungen, die er an die Gemeinen im Großen und Ganzen richten wollte, vollendet hat, wendet er sich nun wieder an die einzelnen Stände der Christenheit. In dem eben vorgelesenen Text ist enthalten eine Ermahnung an die Prediger. Der Apostel sagt: Die Aeltesten, so unter euch sind, ermahne ich, der Mitälteste und Zeuge der Leiden, die in Christo sind, und theilhaftig der Herrlichkeit, die geoffenbart werden soll. Was der Apostel da ausspricht in dem Worte Aelteste, das heißt jetzt Pastor oder Prediger; an andern Stellen der Schrift werden die Prediger auch Bischöfe genannt, das heißt ebenfalls Aelteste. Diese will der Apostel im Folgenden ermahnen.

Worauf gründet er sein Recht, daß er die Aeltesten ermahnen darf? Das sehet ihr in den Worten: Die Aeltesten, so unter euch sind, ermahne ich, der Mitälteste und Zeuge der Leiden, die in Christo sind. Seht da seine große Demuth. Er, der Apostel, dem sie von Gottes und Rechts wegen gehorchen müssen, er nennt sich ihren Mitältesten. Er will sagen, ihr seid Prediger, ich bin auch weiter nichts, ihr seid Aelteste, ich bin euer Mitältester und als solcher habe ich das Recht, euch zu ermahnen. Eben um dieses Grundes willen, also nicht aus dem Grunde, weil er zu befehlen hat, nimmt er das Recht zum Ermahnen; und das ist auch so ganz in der Ordnung. Die einfache Nächstenliebe erfordert es, den Menschen, der den Weg des Verderbens geht, zum Guten zu ermahnen. Thust du das nicht und der Mensch läuft in die Hölle, so ist das eben so gut, als hättest du ihn in die Hölle gestoßen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob es dein Bruder oder deine Schwester, ob es dein Vater oder deine Mutter, ob es dein Feind oder Freund ist, ob er es an. nimmt oder nicht, deine Pflicht ist es ihn zu ermahnen. Aber der Apostel hat noch andere Rechte: Er ist ein Zeuge der Leiden, die in Christo sind, und er ist theilhaftig der Herrlichkeit, die geoffenbart werden soll. Das sind zwei neue Gründe. Erstlich, er hat an sich erfahren, daß ein jeder rechte Prediger ein Zeuge der Leiden, die in Christo sind, sein muß, d. h. er muß sein Kreuz auf sich nehmen und Jesu nachfolgen. Nur ein Kreuzträger kann ein Diener Jesu sein. Gibt es aber noch Prediger, die nicht Kreuzträger sind, so muß er sie ermahnen, daß sie Jesu Kreuz auf sich nehmen. Er selbst hat die leiden um Christi willen erfahren.

Worin besteht denn dies Leiden? Das besteht darin, daß ein rechtschaffner Prediger geschmäht und verfolgt wird um Christi willen. Das ist zwar eine harte Schule, durch die er gehen muß und Fleisch und Blut widerstrebt dabei auf daß Aeußerste; aber man kann sich dennoch freuen, daß man um Christi willen leiden darf. Der natürliche Mensch wird sagen: Ja, wenn die Leute nur nicht Lügen redeten, wenn sie meine Wirksamkeit nur nicht störten, dann wollte ich das Andere, was meine Person anbetrifft, noch wohl verschmerzen. Diese Rede hat den guten Schein für sich, ist aber doch im Grunde genommen falsch. Siehe auf den HErrn Christum, was haben die Weltkinder dem nicht alle nachgesagt, einen Fresser und Säufer, der Zöllner und Sünder Gesell haben sie Ihn genannt, als einen Aufrührer und Gotteslästerer haben sie Ihn angeklagt. Muß man nicht sagen, das stört die Wirksamkeit des Heilande? Findet ihr nun jemals in der Bibel, daß der HErr sich darüber beklagt? Ihr findet vielmehr, daß er gar nicht darnach fragt, ob Sein Werk auch darunter leidet, sondern Er sagt, das ist Mein Theil, das muß ich tragen, weil Ich Gottes Sohn und Gottes Diener bin. Er vertheidigt sich nicht einmal, geht ruhig Seinen Weg und was hat es Ihm geschadet? Nichts, das Christenthum hat sich doch ausgebreitet über die ganze Erde. Darum nimm ganz still und ruhig hin die Lästerung, wodurch, wie es scheint, dein guter Name geschändet und deine Wirksamkeit gestört wird. Nur darauf habe acht, daß die Lästerung der Leute lauter Lügen sind, daß es keine Wahrheit ist, was sie reden. Damit tröste dich: Gott sitzt im Regimente und machet alles wohl, Sein Werk kann Niemand hindern, Sein Arbeit kann nicht ruhn, wenn Er, was Seinen Kindern ersprießlich ist, will thun. Sein Werk muß doch fortgehn, trotz Spott und Hohn. Weil der Apostel um Jesu willen die Dornenkrone getragen hat, darum soll er auch mit Ihm die Ehrenkrone tragen. Wer theilhaftig geworden ist der Leiden, die in Christo sind, der soll auch Antheil haben an der Herrlichkeit, die geoffenbart werden soll. Petrus, als ein treuer Bruder, will gern seinen andern Brüdern zu dieser Herrlichkeit verhelfen; da derselben aber das heilige Kreuz vorangeht und sie dasselbe noch nicht tragen, so ermahnt er sie, auch gern um Christi willen zu leiden. Dahin wird es aber gewiß kommen, wenn sie treu sind und immer treuer werden in ihrem Amt und Wirken. Das ist also der Grund, warum er das Recht hat, sie zu ermahnen: Er will sie gern in den Himmel haben. Darum müssen sie auch den Weg gehen, den Er ihnen zeigt.

Nun merkt nach dem Grunde, warum er ermahnt. Da könnte wohl der eine oder der andere denken, das geht die Prediger an, darum kannst du's nur überschlagen. Doch dem ist nicht also, diese Ermahnung ist nicht nur für die Prediger, sondern auch für die Gemeinen, damit die erkennen können, welches rechte und welches falsche Prediger sind, damit sie desto williger werden, dem rechten Prediger zu folgen. Der Apostel sagt: Weidet die Herde Christi, so euch befohlen ist, und sehet wohl zu, nicht gezwungen, sondern williglich; nicht um schändlichen Gewinns willen, sondern von Herzensgrund. Da sehet erstlich, daß die Gemeine nicht dem und dem Pastoren gehört, sondern daß sie die Herde Christi ist. Ich kann in gewisser Hinsicht sagen, daß ist meine Gemeine, aber nur also, daß sie mir von Christo übergeben ist. Wäre sie mir nicht von Christo befohlen, so könnte ich nicht sagen: Meine Gemeine. Christus ist der Erzhirte und hat mir, als Seinem Unterhirten, das Weiden dieser Gemeine befohlen. Darum treibt ein rechter Pastor an der Gemeine nicht sein Werk, sondern Christi Werk, er predigt nicht sein Wort, sondern Christi Wort. Ich darf der Gemeine nichts anders predigen, als was der HErr haben will, nicht menschliche Weisheit, nicht eigene Fündelein; sondern Gottes Wort, wie es in der Bibel steht, muß ich verkündigen. Seht das setzt aller Willkür der Prediger Thor und Riegel. Und dabei ist das das Beste: Ein jeder in der Gemeine kann prüfen die Predigt, ob sie mit Gottes Wort übereinstimmt. Weidet die Herde Christi, - also predigt Christi Wort und nichts anders, denn es ist Christi Herde und nicht die eurige, will der Apostel sagen. Und das müßt ihr thun, weil euch die Herde befohlen ist. Als ein rechter Prediger weiß ich: Ich stehe in meinem Amte an Gottes Statt und vor Gott soll ich einst Rechenschaft davon geben, wie ich mein Amt geführt habe. Stehe ich so, dann ist mir die Herde heilig und es ist mir das Schrecklichste, einen von denen zu verlieren, die Gott mir befohlen hat. Darum ist auch kein Amt schwerer, als das eines Predigers, und wer sich nicht Alles, was er dazu gebraucht, von Gott erbitten kann, der muß bald davon laufen. Ueber das darf der treue Prediger nicht thun, denn Gott hat ihm die Herde befohlen; er darf nicht davon laufen und er darf auch nichts anders predigen, als was Gott haben will, und das treibt ins Beten und Schreien zu Gott.

Weiter sagt der Apostel: Und sehet wohl zu, nicht gezwungen, sondern williglich. Der Prediger soll Gottes Wort predigen und die Sakramente verwalten, aber nicht gezwungen, - was will der Apostel damit sagen? Es wird doch Niemand gezwungen Prediger zu werden, wer es nicht werden oder nicht bleiben will, der läßt es bleiben; ich habe noch nie gesehen, daß einer mit der Peitsche zum Pastor gemacht ist, oder daß er mit Landdragoner zum Predigtamt getrieben ist. Meine Lieben, es gibt noch viele andere Dinge, wodurch die Menschen gezwungen werden zum Predigtamt. Viele können sagen: daß ich Pastor geworden bin, davon sind Vater und Mutter die Ursache, die wollten es gern, oder das habe ich dem und dem zu Gefallen gethan; und so gibt es verschiedene Rücksichten, die diesen oder jenen zum Predigtamt treiben. Wer Prediger werden will, dessen Herzenswunsch muß es sein; es darf nicht heißen: Mein Vater, meine Mutter, meine Verwandte wollten mich gern einmal auf der Kanzel sehen, wollten mich gern einmal predigen hören; nein, das eigene Herzensbedürfniß muß dazu treiben.

Da ist mancher Andere, der würde etwa sagen, wenn ich mein Amt lasse, so habe ich kein Brot für Frau und Kinder, dann müßte ich samt ihnen verhungern, Holz hauen und sägen, schustern und schneidern kann ich nicht, denn ich habe das Studieren gelernt. Wer das sagen muß, der führt auch das Amt gezwungen und liest ein solcher dieses Wort des Apostels, so soll er Gott bitten, daß der ihn zu einem rechten Prediger mache. Gott muß ihm ein williges Herz geben, das Amt zu führen bei aller Verantwortlichkeit und bei allem Kummer, der damit verbunden ist.

Weiter: Nicht um schändlichen Gewinns willen, sondern von Herzensgrunde. Man hat auf die Pastoren das Sprichwort gemacht: Sie suchen die Wolle der Herde. Nichts macht den Pastoren so untüchtig sein Amt zu führen, als der verfluchte Geiz. Benutzt ein Pastor dazu sein Amt, um sich Geld zu sammeln, so hat er damit selbst seine Wirksamkeit zerstört. Wird von einem Pastoren gesagt, daß er geizig ist, so kann er seine Gemeine nur verkaufen, denn er ist unfähig, länger ein Hirt dieser Gemeine zu sein. Zwar sagt die Schrift: Wer dem Altar dient, der soll sich auch vom Altar nähren, und das ist auch eine Sache, die sich ganz von selbst versteht, die ganz in der Ordnung ist; aber wenn ich mein Amt führe um schändlichen Gewinns willen, so tauge ich zu diesem heiligen Amte nicht. Denn ein Geiziger ist ein Mammonsdiener und wie kann ein Mammonsdiener Christi Diener sein? Wenn ich denke, die Gemeine sei dazu da, um für meinen Lebensunterhalt zu sorgen, so bin ich im dicken Irrthum. Die Sache verhält sich vielmehr so: Ich soll der Gemeine den Weg zum Himmel zeigen und dafür soll sie mir geben, was ich zur Nahrung und Nothdurft des Leibes und Lebens gebrauche. Wo ein Prediger ein rechter Prediger ist, da erkennt die Gemeine bald, daß er nicht seinen eigenen Vortheil sucht, sondern daß er ihre Seelen selig machen will, und da bleibt auch die Frucht nicht aus.

Weiter fügt der Apostel hinzu: Nicht als die über das Volk herrschen, sondern werdet Vorbilder der Herde. Pastorengeiz ist ein scheußlich Ding, aber Pastorenhochmuth ist eben so scheußlich. Pastorenhochmuth ist das, wenn die Pastoren herrschen wollen über die Gemeinen, während sie doch nach Christi Willen nicht herrschen, sondern dienen sollen. Es gibt Pastoren, die weiter nichts verlangen von ihrer Gemeine, als unbedingten Gehorsam und zwar aus dem Grunde, weil sie Christi Diener seien. Das ist verkehrt. Solchen Pastoren wäre es zuletzt auch wohl angenehm, wenn sie euch befehlen könnten, ob ihr des Morgens zuerst mit dem linken oder mit dem rechten Fuß aus dem Bette kommen sollt. Möchte doch Gott einen jeden Prediger bewahren vor diesem unglücklichen Hochmuth, der über die Gemeine herrschen will. Ich habe euch gar nichts zu befehlen; der Amtsrichter hat euch zu befehlen, und thut ihr nicht, was er euch befiehlt, so kommt der Gerichtsdiener und der Landdragoner und gibt euch Geldstrafe oder bringt euch in das Gefängnis. Diese Macht habe ich nicht, Dragoner und Steckenknechte kann ich nicht schicken, um euch dadurch zum Gehorsam zu zwingen. Und es ist auch gut, daß ein Prediger des Evangeliums solche Macht nicht hat. Ein solches Regiment soll in der Kirche des HErrn nicht sein, da soll das Evangelium gepredigt werden, da soll den Leuten Himmel und Hölle vorgestellt werden. Ob die Menschen den Himmelsweg wandeln wollen, das soll auf sie ankommen, denn Gott will keinen bei den Haaren in den Himmel ziehen, freiwillig soll man denselben begehren. Die rechten Prediger sollen Vorbilder der Gemeine sein. Das sind sie nur dann, wenn sie die reine Lehre predigen und dieser Lehre gemäß wandeln. Es darf bei einem Prediger nicht heißen: Thut nach meinen Worten, aber nicht nach meinen Werken. Die Leute lassen sich dadurch am ersten zum Himmel ziehen, wenn die Prediger mit ihrem Wandel beweisen, was sie in Worten predigen.

Wenn nun ein Pastor treu sein Amt führt, so meint ihr vielleicht, der finde auf Erden viel Ehre und Anerkennung. Davon weiß der Apostel nichts; aber Eins weiß er, nämlich: Wenn ihr treue Prediger gewesen seid, so werdet ihr, wenn erscheinen wird der Erzhirte, die unverwelkliche Krone der Ehren empfangen. Der Apostel weist die treuen Prediger nicht hin auf eine irdische Ehrenkrone; die Ehrenkrone, sagt er, sollt ihr dann haben, wenn der Erzhirte wieder kommt. Der Apostel weiß auch wohl, warum er das verspricht, nämlich darum, weil man als ein treuer Diener Christi auf Erden die Dornenkrone bekommt.

Weiter soll ein treuer Prediger auch auf Erden nichts verlangen. Seinen rechten Lohn wird ihm einst der große Erzhirte geben. Für Christen gibt es keinen Lohn auf Erden, auch nicht einmal für die treuen Prediger; droben aber soll uns gegeben werden die unverwelkliche Ehrenkrone als Gnadenlohn. Amen.

Vers 5-7. Desselbigen gleichen, ihr Jungen, seid unterthan den Aeltesten. Allesamt seid unter einander unterthan, und haltet fest an der Demuth. Denn Gott widerstehet den Hoffärtigen, aber den Demüthigen gibt er Gnade. So demüthiget euch nun unter die gewaltige Hand Gottes, daß Er euch erhöhe zu seiner Zeit. Alle eure Sorge werfet auf Ihn, denn Er sorget für euch.

Der heilige Apostel hatte in dem Vorigen den Aeltesten, d. h. den Predigern ihre Pflichten ans Herz gelegt und gesagt, was sie zu thun schuldig seien. Nachdem er das gethan, so fährt er nun fort: Desselben gleichen ihr Jungen, seid unterthan den Aeltesten. Waren die Aeltesten die Prediger, so sind die Jungen die Gemeinen. Hier legt also der Apostel den Gemeinen ihre Pflichten an's Herz. Er verlangt kurz und gut, daß die Gemeinen ihren Predigern gehorsam sein sollen, denn unterthan sein heißt nichts anders als gehorchen. Da verlangt der HErr eben solchen Gehorsam, wie von den Predigern bei dem Weiden der Herde Christi, nämlich den Gehorsam von Herzensgrund. Der Prediger vertritt bei der Gemeine nicht die Stelle einer obrigkeitlichen Person, er hat keine Dragoner und Kerkermeister, die ihm helfen, das sind Leute, die im Dienst der weltlichen Obrigkeit stehn. Bist du der Obrigkeit nicht gehorsam, so schickt sie dir Landdragoner und Steckenknechte in's Haus und du kriegst Execution und Einquartierung. Und die Obrigkeit hat Recht und Pflicht zum Strafen; nicht aber ein Prediger. In dieser Weise kann er das Wort des Apostels: Ihr Jungen seid unterthan den Aeltesten, nicht bei seiner Gemeine zur Geltung bringen.

Wenn die Gemeinen nicht gehorsam sein wollen, so können die Prediger keine Büttel und Gendarmen schicken; die Gemeine soll ja um des Gewissens willen zu Gott gehorsam sein. Sind die Gemeinen ungehorsam, so haben sie allerdings von den Predigern keine Strafe zu erwarten. Wenn ihr Gewissen sie nicht zum Gehorsam zwingt, der Stock soll sie nicht dazu treiben und die Peitsche auch nicht. Aber wenn ihr eurem Prediger nicht gehorsam seid, so sollt ihr einst eure Strafe haben, wenn der Gerichtstag Jesu Christi kommt, bis dahin habt ihr freie Hand. Daraus folgt nun: Dieser Gehorsam, den Gott hier von der Gemeine verlangt, bezieht sich nicht auf äußere Dinge. Ich kann z. B. nicht gebieten, ihr sollt eine Scheune bauen, ihr sollt dies und das thun, das ist meines Amts nicht. Worin ihr mir unterthan sein sollt, das ist die Predigt des göttlichen Worts. Wenn ich euch z. B. predige: Bekehrt euch von ganzem Herzen zu Gott, da ist es eure Pflicht und Schuldigkeit, euch zu bekehren; wenn ich euch sage, ihr sollt nicht wandeln in der Welt und ihrem Wesen, da ist es eure Pflicht und Schuldigkeit, daß ihr gehorsam seid; wenn ich euch die heiligen zehn Gebote auslege und darin zeige, was ihr thun und lassen sollt, so müßt ihr gehorsam sein; wenn ich euch den Glauben predige, so müßt ihr gehorsam sein und glauben und zwar nicht, weil ich es haben will, sondern weil Gott es geboten hat.

Wenn meine Predigt nicht mit Gottes Wort übereinstimmt, so dürft ihr mir nicht gehorsam sein, sondern müßt sagen: Deine Predigt stimmt nicht mit Gottes Wort überein, du bist ein falscher Prediger. Ist sie aber dem Worte Gottes gemäß und ihr seid doch nicht gehorsam, dann habt ihr euch gegen Gott aufgelehnt. Darum sagt der HErr zu Seinen Jüngern: Wer euch hört, der hört Mich, wer euch aufnimmt, der nimmt Mich auf, wer euch verachtet, der verachtet Mich. Meint ihr, daß ihr bloss dazu da seid, um zu hören, was der Pastor sagt und daß ihr das Thun dann lassen könnt? Da wäre es besser, ihr hättet gar keinen Pastor! Vom Hören allein werdet ihr nicht selig, ihr müßt das Gehörte auch ausführen. Was hilft es euch, wenn vom Glauben gepredigt wird und ihr glaubt nicht? was nützt es euch, wenn von der Bekehrung die Rede ist und ihr bekehrt euch nicht? Deshalb sagt der Apostel so ernstlich: Ihr Jungen seid unterthan den Aeltesten! Hört nicht bloß, was die Prediger sagen, sondern seid auch ihrem Worte gehorsam. Dadurch bereiten sich die meisten Menschen die Verdammnis, daß sie Gottes Wort hören und es nicht thun, deshalb muß es sie am jüngsten Tage verdammen. „Seid Thäter des Worts und nicht Hörer allein, auf daß ihr euch nicht selbst betrügt,“ von dieser Ermahnung ist die ganze Bibel voll, z. B.: Wer da will des Willen thun, der Mich gesandt hat, der wird inne werden, ob Meine Lehre von Gott sei, oder ob Ich von Mir selber rede; also thun sollen wir Gottes Willen. Der HErr sagt am Schlusse der Bergpredigt das ernste Wort: Es werden nicht Alle, die Mein Wort hören, in den Himmel kommen, sondern die den Willen Meines Vaters im Himmel thun; das HErr, HErr sagen ist ganz bequem, das Thun des göttlichen Willens ist nicht so leicht. Viele werden dann kommen und sagen: HErr, HErr, haben wir nicht in Deinem Namen geweissagt, haben wir nicht in Deinem Namen Teufel ausgetrieben, haben wir nicht in Deinem Namen große Thaten gethan? Der Herr aber wird ihnen antworten: Ich habe euch noch nie erkannt, weichet alle von Mir, ihr Uebelthäter! Und wie oft ermahnt nicht der heilige Apostel Jakobus zum Thun des Wortes Gottes.

Also nicht dem Pastor zu Gefallen, sondern eurer Seligkeit zu Gefallen sollt ihr dem Worte Gottes gehorsam sein. Wir sollen thun, was uns die Prediger sagen, damit wir selig werden und damit Gott die Ehre gegeben werde, die Ihm gebührt. Also in irdischen Dingen hat der Pastor nichts zu befehlen, die gehen ihn nichts an; aber im Geistlichen hat er zu befehlen, und wer ihm darin nicht gehorsam ist, der wird es am jüngsten Tage bitter bereuen. -

Der Apostel fährt fort: Allesamt seid unter einander unterthan, und haltet fest an der Demuth. Damit zeigt er, was die Glieder einer Gemeine sich unter einander schuldig sind. Alles samt seid unter einander unterthan, d. h. seid einer dem andern gehorsam. Da macht der Apostel keinen Unterschied zwischen Reiche und Arme, zwischen Herren und Knechte, zwischen Mann und Weib, zwischen Eltern und Kinder.

Also der Herr soll dem Knechte, der Mann dem Weibe, der Vater dem Kinde gehorsam sein, ist das nicht die verkehrte Welt? Das kann es nicht, denn die Bibel verlangt es also und die fordert immer das Rechte. Ich will euch zeigen, wie dieses zu verstehen ist. Ich habe eben gesagt, daß ich keinen andern Gehorsam von euch verlangen kann, als den in geistlichen Dingen; aber den kann ich auch von Gottes- und Rechtswegen verlangen. Nun will ich nehmen, ihr gebt euren Kindern einen sündlichen Auftrag, z. B. sie sollen Haide und Holz stehlen, die Kinder aber sind fromm und sagen: Vater und Mutter, nehmt den sündlichen Auftrag wieder zurück, wir können ihn nicht erfüllen, - wißt ihr nicht, Vater und Mutter, was da eure Pflicht ist? ihr müßt euren Befehl zurück nehmen, ihr müßt euren Kindern gehorsam sein. Ebenso ihr Herren und Frauen, wenn ihr euren Knechten und Mägden sündliche Befehle gebt, wenn ihr ihnen befehlt, daß sie das Gute lassen und das Böse thun sollen, und die Knechte und Mägde sagen: Herr! Frau! das geht nicht, denn es ist Sünde, so müßt ihr euren Knechten und Mägden gehorsam sein. Das ist der Gehorsam, den wir einer dem andern schuldig sind; das ist der Gehorsam, den ich, wenn ich auch ein alter Mann mit grauem Haupte bin, einem Kinde erweisen muß. Wer mir die Wahrheit sagt, und ob es ein Kind ist, dem muß ich gehorsam sein.

Es wird erzählt, daß es eine Gemeine gegeben habe, die durch ihr beständiges Frachtfuhrwesen zu einer Gemeine von lauter Fluchern geworden sei; denn man hat die Erfahrung gemacht, daß die Matrosen, Soldaten und Fuhrleute die ärgsten Flucher sind. Diese Gemeine kriegte einen treuen, frommen Prediger, und der predigte mit allem Ernst gegen das Fluchen. Aber statt besser zu werden, ward es dadurch immer ärger, wo sie den Pastor zu sehen bekamen, da fingen sie erst recht an zu fluchen. Da dachte der Mann, du sollst es einmal den Kindern in der Schule sagen, wie greulich das Fluchen ist, und er stellte auch den Kindern recht beweglich die Scheußlichkeit des Fluchens vor die Seele. Das schaffte Frucht. Wenn die Kinder zu Hause kamen und hörten die Eltern fluchen, dann sagten sie: Vater, Mutter, ihr müßt nicht fluchen, das ist Sünde, sie sagten ihnen auch wohl das zweite Gebot vor mit Luthers Erklärung. Die Folge davon war: Die Eltern schämten sich und ließen das Fluchen. Da sind auch die Eltern den Kindern gehorsam gewesen und die Gemeine ist hernach ein blühender Gottesgarten geworden.

Ihr wißt, es steht geschrieben: Das Weib soll dem Mann gehorsam sein und ihn auf betendem Herzen tragen. Einst sagte Sarah zu Abraham: Du sollst Ismael aus dem Hause jagen, denn er ist ein Spötter. Abraham, der seinen Sohn zärtlich liebt, will es nicht thun. Nun kommt Gott zu Abraham und sagt: Gehorche deinem Weibe in allen diesen Stücken, die sie dir sagt. Seht da muß Abraham der Sarah gehorsam sein. Merket euch: Wo uns Gottes Wort gebracht, wo uns die Wahrheit gesagt wird, da sollen wir allesamt unter einander unterthan sein. Durch den natürlichen Hochmuth sollen wir uns nicht vom Gehorsam abhalten lassen, wir dürfen nicht sagen: Wenn ich dem und dem gehorsam bin, dann werfe ich mich weg, dann werde ich unter die Füße getreten. Haltet fest an der Demuth, sagt der Apostel weiter und setzt hinzu, denn Gott widersteht dem Hoffärtigen, aber dem Demüthigen gibt Er Gnade. Wenn dir ein Kind die Wahrheit sagt, und du gehorchest nicht den Kinde, weil es ein Kind ist, woher kommt das? Bloß von deinem verfluchten Hochmuth; du denkst, das ziemt sich nicht, daß ein Mann einem Kinde gehorsam ist und das ist Hochmuth. Wärst du demüthig, ob es denn ein Kind oder ein Engel vom Himmel gesagt hätte, das wäre dir einerlei. Gehorchst du nicht, so wird Gott dein Feind, denn Er widersteht dem Hoffärtigen, aber dem Demüthigen gibt Er Gnade. Thust du, was Gott dir durch den Mund eines Kindes, eines Weibes, eines Knechts sagt, dann bist du demüthig: Und wahrlich, dadurch vergibst du dir nichts, wenn du einem Kinde um deiner Seligkeit willen gehorsam bist. Solche gehorsame, demüthige Leute sind die ehrlichen, aufrichtigen Christen; sie fragen nicht darnach, wer ihnen die Wahrheit gesagt, sondern ob es die Wahrheit ist, und die liebt und segnet Gott. Was folgt nun daraus? So demüthigt euch nun unter die gewaltige Hand Gottes, daß Er euch erhöhe zu Seiner Zeit. O ich bitte dich, weise nicht die Wahrheit zurück, weil sie dir der Mund eines Knechtes, einer Magd, einer Frau sagt! Bist du ein kluger Mann, weise nicht die Wahrheit zurück, wenn sie dir ein dummer Mensch sagt. Denke daran, daß die klugen Hühner auch Eier in die Nesseln legen; halte dich ja nicht selbst für klug. Folgst du der Wahrheit, dann folgst du Gott, denn der ist ein König der Wahrheit. Da sitzt einst der König David auf seinem Throne, von aller königlichen Pracht umgeben und es kommt zu ihm ein armer Prophet, ein geringer Mann, der nichts hat als ein rauhes Gewand, welches zusammen gehalten ist von einem ledernen Gürtel, Nathan ist sein Name. Der erzählt David das Gleichniß von dem reichen Mann, der einem armen Manne sein einziges Schäflein genommen hatte. Da springt David auf von seinem königlichen Thron und sagt: Der Mann soll es theuer bezahlen, er ist des Todes werth! Nathan spricht zu ihm: Du bist der Mann. Du hast dem Uria sein einziges Schäflein, sein Weib genommen, da du doch so viele hast und Uria hast du tödten lassen. Was sagt der König David? Er demüthigt sich unter die gewaltige Hand Gottes und sagt: Du hast Recht, ich habe schwer gesündigt. Darauf antwortet der Prophet: So hat dir Gott deine Sünde vergeben, du sollst nicht sterben. Wäre David hochmüthig gewesen, so hätte er gesagt: Du bist ein armer Prophet und ich bin ein reicher König, ich trage königliche Kleider und du trägst ein rauhes Gewand, wie kannst du es wagen, mir so etwas zu sagen! Aber David ist nicht hochmüthig. Ja wenn ihr euch unter die Wahrheit beugt, wenn ihr der Wahrheit gehorsam seid, einerlei von wem sie euch gesagt wird, so seid ihr Gott unterthänig, so demüthigt ihr euch unter Gottes gewaltige Hand, und der wird euch einst erhöhen zu Seiner Zeit.

Merkwürdig ist es, was der Stolz der Leute dafür Ausflüchte sucht. Ich habe einmal einen Lehrer gekannt, der meinte, die Würde eines Lehrers erfordere es, daß er niemals sein Unrecht bekenne, denn wenn er das thäte, so würde er den Respekt bei den Kindern verlieren. Wenn er z. B. einem Kinde schreiendes Unrecht gethan hatte, was doch einem jeden passieren kann, dann sagte er nie, mein Kind, vergib es mir, ich habe unrecht gehandelt. Er kam einst mit einem andern Lehrer über diesen Punkt ins Gespräch, und der sagte ihm, ich mache es ganz anders. Ich nehme mich in Acht, daß ich den Kindern nicht Unrecht thue, und geschieht es doch einmal, so sage ich: Mein Kind, vergib es mir. Früher konnte ich mit den Kindern nichts anfangen, Jetzt kann ich sie um den Finger wickeln, ja sie gehen für mich durchs Feuer.

Demüthigst du dich nicht, so ist es nicht möglich, daß dich jemand liebt. Demüthigt ihr euch, so wird euch Gott erhöhen und es euch zeigen, wie sehr die Demüthigung zu eurem Segen gereicht. Der Apostel schließt seine Ermahnung mit den Worten: Alle eure Sorgen werfet auf Gott, denn Er sorgt für euch. Ich soll lediglich der Wahrheit gehorsam sein und was daraus folgt, dem lieben Gott überlassen, denn der sorgt für mich.

Und wenn man das thut, so hat man zwei große unbeschreibliche Vortheile. Der erste Vortheil ist, daß man die Sorgen los wird. Wer das weiß, was das für ein schweres Ding ist, sich mit Sorgen zu plagen, der weiß es auch, wie glücklich man ist, wenn die Sorgen weg sind. Man ist dann, wie von Neuem geboren, alle Säcke, die einen drücken, sind weg. Und der zweite Vortheil ist, ich habe einen Andern an meine Stelle gestellt, der meisterhaft das Sorgen versteht, der so wunderschön für mich sorgt, als ich es nicht konnte. Bin ich denn nicht ein glücklicher Mensch, wenn ich die Sorgen los bin und Gott sorgt für mich? Was ist der doch unglücklich, der sich mit Sorgen herum schleppt und gebraucht nicht das Vorrecht der Kinder Gottes. Die Sorgen auf Gott zu werfen, dazu werden wir ja ermahnt und aufgefordert. Ihr sehet aus allem diesen, die Christen könnten hier schon glücklich und selig sein, wenn sie nur dem Worte Gottes gehorsam wären: Ihr könntet glücklicher sein als Kaiser und Könige, und wenn ihr's nicht seid, so ist das eure Schuld, ihr seid nicht gehorsam. Amen.

Vers 8-9. Seid nüchtern, und wachet, denn euer Widersacher, der Teufel, gehet umher wie ein brüllender Löwe, und suchet, welchen er verschlinge. Dem widerstehet fest im Glauben, und wisset, daß eben dieselben Leiden über eure Brüder in der Welt gehen.

Nachdem der Apostel im Vorigen die Christen ermahnt hat, daß sie alle ihre Sorgen auf Gott werfen sollen, weil Gott für sie sorgt, fährt er nun fort: Seid nüchtern und wachet, denn euer Widersacher, der Teufel, gehet umher wie ein brüllender Löwe und sucht, welchen er verschlinge. Wenn wir alle unsere Sorgen auf Gott werfen, so geschieht das im Gebet, und das ist es, was kein treuer Christ auch nur einen Tag unterlassen darf. Wenn du betest, dann hast du Gott zum Freunde und Hülfsmann und dann brauchst du nicht zu sorgen. Aber dabei darf der Mensch nicht die Hände in den Schoß legen, er darf nicht sagen, ich brauche nichts zu thun, Gott ist mein Hülfsmann und Freund; denn Gott hat ein für allemal den Befehl gegeben: Im Schweiß deines Angesichts sollst du dein Brot essen, und das gilt sowohl im Geistlichen, als im Leiblichen. Der Mensch also darf sich nicht auf die faule Seite legen, und wer es doch thut, dem gelten Gottes Verheißungen nicht, die darf sich nur der Treue aneignen. Wenn du aber nicht im Schweiße deines Angesichts arbeitest und dein Brot issest, dann gehörst du nicht zu den Treuen.

Du kannst das leicht an einem Beispiel sehen. Wenn z. B. ein Bauer sagen wollte: In der Bibel steht geschrieben: Gott läßt Gras wachsen für das Vieh und Saat zum Nutzen der Menschen, daß Er Brot aus der Erde bringe; - das hat Gott gesagt, nun kann ich die Hände in den Schoß legen, Gott will mir ja Alles geben. Was meinst du, wird der Bauer wohl eine Stiege einernten? Ich sage dir, nicht mal eine Garbe soll er einernten. Er hat nicht gesäet, darum soll er auch nicht ernten. Gott läßt das Brot nur für die Fleißigen aus der Erde wachsen, aber nicht für die Faulen.

Und so ist's auch im Geistlichen. Willst du da nicht arbeiten, so gibt dir Gott auch nichts. Gott will Seine Gaben nur den treuen Christen geben. Zu dem Beten im Geistlichen sollst du auch das treue Arbeiten hinzuthun, und da sagt nun der Apostel weiter: Seid nüchtern und wachet! Unsere Arbeit ist zuerst das Nüchternsein. Das steht entgegen dem Trunkensein, denn Trunkenheit ist das Gegentheil von Nüchternheit. Also im Geistlichen sollst du dich von aller Trunkenheit fern halten. Was leibliche Trunkenheit ist, wißt ihr, denn besoffene Leute sieht man an allen Ecken, und es scheint, als ob es zu dem Ruhm der jungen Leute gehöre, tüchtig einen nehmen zu können. Freilich ist das ein jämmerlicher Ruhm, recht viel Bier und Branntwein trinken zu können. Diejenigen, die darin ihren Ruhm suchen, machen nicht nur ihrem Gott, ihrem Seelsorger und ihren Eltern Kummer, sondern sie treten auch alles, was noch in ihnen ist vom Christenthum, mit Füßen. Kann ein Trunkener beten? Das ist nicht möglich. Aber merket euch, der geistlich Trunkene kann eben so wenig beten als der leiblich Trunkene. Nun sind alle Menschen, die sich von irgend einer Leidenschaft hinreißen lassen, geistlich Trunkene. Da läßt sich z. B. einer vom Zorn hinreißen, der ist ein geistlich Trunkener. Fragt ihn hernach, wenn der Zorn sich gelegt, was er gethan, geredet hat, er weiß es nicht mehr, denn er war in dem Augenblick nicht ganz bei Sinnen. So ist es bei der Leidenschaft des Zorns, so ist es bei allen andern Leidenschaften. Hier ist z. B. einer trunken von Traurigkeit, wie einst Thomas, dort einer von Freude. Alles dieses hindert den christlichen Wandel. Solche Menschen können weder recht beten, noch feste, gewisse Tritte thun auf dem Himmelswege.

Gott verlangt, daß wir nüchtern sein sollen im vollen, selbstbewußten Wesen. Wir sollen in nüchterner Weise unser selbst mächtig sein, um den guten Kampf des Glaubens kämpfen zu können. Dazu sollen wir wachen. Wie hat doch der HErr einst bei Seinem Kampf in Gethsemane Seine Jünger dazu ermahnt: Wachet und betet, daß ihr nicht in Anfechtung fallet, denn der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach; aber kaum hatte Er sie allein gelassen, dann schliefen sie doch wieder. So ist es überhaupt bei den Menschen, zu nichts sind wir so schwer zu bringen, als zum Wachen. In leichtfertiger Weise gehen die Menschen dahin und denken nicht daran, was Gott dem Herrn gefällt. Auf einmal fallen sie in Sünden und Schanden und dann erst sehen sie es ein, daß sie nicht gewacht haben. Wie mancher junge Mensch wacht nicht und läßt sich verführen in den Krug, zum Kartenspiel, Tanz und Straßenspektakel zu gehen; hernach kommt er zur Besinnung, muß dann bittere Thränen weinen und sich sagen: Nun bin ich mal wieder eine unfläthige Sau gewesen. Wie manches Mädchen, das in die Hurensünde gefallen und dann mit einem Hurenkinde zu Hause kam, von dem sich der Hurenvater abgeschworen oder mit einem Stück Geld losgekauft, hat geseufzt: Ach hätte ich doch gewacht, dann hätte ich nicht einen solchen schweren Fall gethan.

Dann ist's aber zu spät. Wachen und beten müßt ihr, und daß darum, weil wie der Apostel sagt: Euer Widersacher, der Teufel, umher geht wie ein brüllender Löwe und suchet, welchen er verschlinge. Der Teufel kann es nicht leiden, wenn er einen frommen Menschen sieht und sein ganzes Streben geht dahin, denselben zu stürzen und von seiner Frömmigkeit abzubringen. Und das ist das Schlimmste, bei den meisten Menschen gelingt ihm das. Der fromme Mensch gehört Jesu an, er ist aus dem Reiche des Teufels ausgetreten und will es nur mit Jesu allein zu thun haben. Der Teufel will aber, daß die Menschen seine Unterthanen sein sollen, daß sie ihm gehorchen sollen und nun thut er alles, was er nur kann, um sie zur Sünde zu verführen. Den Einen sucht er zu locken durch Huren- und Fleischeslust, den zweiten durch Bauchlust, den Dritten durch Putz und Staat, den Vierten durch Geld und Gut rc., so hat der Teufel für jeden Menschen seine besondere Lockspeise. Gerade wie der Fischer an seine Angel eine Vorspeise macht, wenn er Fische fangen will, - schnappt nun der Fisch nach dieser Lockspeise, so sitzt er fest an der Angel und der Fischer zieht ihn aufs Land.

So macht es auch der Teufel. Wenn er Menschen fangen will, so zeigt er nie die bloße Angel, nein, er hat einen Köder, eine Lockspeise, und die Menschen, die in diesem Stücke eben so dumm sind als die Fische, beißen zu und ehe sie sichs versehn, sitzen sie fest an der Angel und der Teufel zieht sie in die Hölle. Er geht umher, wie Petrus sagt, mit der Absicht, euch in sein finsteres Reich zu bringen. Er geht umher, er läßt sich keine Ruhe, ist gleichsam Tag und Nacht auf den Beinen, um die Menschen zu verführen. Dabei wird er verglichen mit einem brüllenden Löwen. Das soll uns anzeigen seine fürchterliche Wuth, seine Mordgier und die lassen ihn nicht eher ruhen, als bis er den Menschen verschlungen hat.

Wenn hier steht: Er geht umher wie ein brüllender Löwe, so heißt es an andern Stellen: Er kommt gekrochen als eine listige und giftige Schlange. Das ist nicht gegeneinander, nicht Widerspruch, sondern ergänzt sich. Erst kommt er als eine listige Schlange, und will ihm das nicht gelingen, dann kommt er als ein brüllender Löwe und seine Absicht ist, uns zu verderben. Wir können es bei dem HErrn Jesu sehen, dessen Passion wir jetzt feiern. Leset einmal nach her zu Hause Matth. 4. Zuerst sagt der Teufel zu dem HErrn: Bist Du Gottes Sohn, so sprich, daß diese Steine Brot werden, denn wie kann Gott Seinen Sohn hungern lassen. Als ihm diese erste Versuchung nicht gelingt, da führt er den HErrn mit sich auf die Zinne des Tempels und sagt: Bist Du Gottes Sohn, so laß Dich hinunter, dann wird Dich die Welt als den Heiland anbeten. Da ihm auch die zweite Versuchung mißlingt, so führt er den HErrn auf einen hohen Berg, zeigt Ihm alle Herrlichkeit der Welt und sagt: Das Alles will ich Dir geben, so Du niederfällst und mich anbetest. Aber das Alles hat ihm nichts geholfen, Jesus hat seine giftigen Anschläge zu nichte gemacht. Nachher kommt er als ein brüllender Löwe, er hetzt gegen Jesum auf Judas, die Hohenpriester und Schriftgelehrten, Pilatus und Herodes, und das altgemeine Gebrüll: Kreuzige, kreuzige Ihn! ist das Gebrüll des höllischen Löwen. Erst versucht es der Teufel mit List, und wenn das nicht helfen will, dann kommt er mit Gewalt.

Wie sollen wir ihn überwinden? Der Apostel antwortet: Dem widerstehet fest im Glauben. Man muß. wenn man gegen den Teufel mit Erfolg kämpfen will, nie das Geringste nachgeben. Geben wir auch nur einen Fingerbreit nach, so wird Satans Gewalt stärker. Haben wir ihm erst den kleinen Finger gegeben, dann nimmt er die ganze Hand und bald den ganzen Menschen. Der Teufel wird nie durch Nachgeben überwunden, wohl aber durch muthiges Kämpfen in der Kraft deß HErrn kann man ihn besiegen. Der Teufel macht es ebenso, wie Jetzt die so sehr beliebten Maschinen. Steckt man den Finger in die Kammräder derselben, so ziehen dieselben den Arm nach und machen zuletzt den ganzen Menschen todt. Widersteht dem Teufel, so flieht er von euch; widersteht ihr aber nicht, so kriegt er über euch Gewalt. So ist das einzige, was uns zum Siege verhelfen kann, ein unablässiger Kampf gegen den Teufel. Willst du z. B., wenn du als ein Christ zum HErrn dich bekehrt hast, oder wenn du Ihm das Gelübde der Treue geschworen hast bei Taufe und Confirmation, willst du des HErrn Eigenthum bleiben, gib in keinem Stücke dem Teufel nach. Ich will nehmen, du bist seit kurzem confirmiert und es ist deine Lust und Ehrensache, des Sonntags Nachmittags in die Kinderlehre vor den Altar zu gehen. Das thust du auch bis zum 16ten, 17ten Jahre, da kommt der Teufel auf einmal und sagt: Was, gehören Herren und Fräulein auch noch vor den Altar? Nein, die gehören nicht dahin, sondern die Jungen und Mädchen; voll genug ist's doch schon vor dem Altar, was brauchst du dich noch vom Pastor wie ein kleines Kind zurecht setzen zu lassen! Du bleibst weg vom Altar. Weißt du wohl, was dich dazu treibt? Es ist der leidige Hochmuth und die greuliche Faulheit. Warte nur, es dauert nicht lange, da kommt der Teufel und sagt: Willst du nicht einmal mit zu Tanze geben? Tanzen ist keine Sünde, ein bisschen Bewegen der Glieder, wie sollte das Sünde sein? Du thust es. Aber vom Tanzen wird man matt, darum mußt du Grog trinken, damit die schlaffen Glieder gestärkt werden; oder du setzest dich hinter den Kartentisch, um auszuruhen von den Strapazen des Tanzens.

Siehe, so weit bist du schon gekommen und das war darum möglich, weil du dem Teufel zuerst den kleinen Finger gegeben hast, darnach hat er dich ganz hingenommen. Zur Kirche gehst du Sonntags Vormittags und Nachmittags noch, du besuchst auch noch den Wochengottesdienst, aber bloß aus dem Grunde, um deine Eltern nicht zu betrüben, für deine Person gingest du lieber nicht hin. Ach, meine Lieben, des Satans Tücke sind zwar sehr groß und viel, er leget Netz und Stricke allenthalben. Hättet ihr dem Satan fest widerstanden, dann hätte er von euch fliehen müssen und ihr hättet nicht seine Beute zu werden brauchen. Wenn aber der Apostel hinzufügt: Und wisset, daß eben dieselben Leiden über eure Brüder in der Welt gehen, so zeigt er damit, daß es keinen Christen gibt, der nicht mit diesen Versuchungen und Anfechtungen des Teufels zu kämpfen hat, und das ist dabei einerlei, ob einer jung oder alt, arm oder reich, Mann oder Weib ist. Solche Leiden gehen über alle Christen, denn so lange wir in der Welt sind, sind wir noch mit der Sünde behaftet und von den Anfechtungen des Teufels umgeben. Hinter jeder Sünde steckt der Teufel. Wer nicht gegen die Sünde kämpft und dem Teufel widersteht, der muß fallen.

Es kommt Alles darauf an, ob ein Christ gegen diese Feinde kämpft oder nicht, ob er dem Teufel widersteht oder ob er sich ihm willig zum Knechte hingibt. O daß ihr doch alle recht kämpftet! Wenn ihr bis jetzt Satans Knechte gewesen seid, so macht euch doch los von dieser Tyrannei und ergebt euch dem HErrn Jesu, denn jetzt ist noch die Gnadenzeit, jetzt ist noch der Tag des Heils, jetzt kann noch ein jeder frei werden aus den Klauen der Sünde und des Teufels durch Christi allmächtige Hand. Anfechtungen muß ein jeder erfahren, wer aber tapfer widersteht, dem wird der Sieg gegeben, wer gegen den Teufel kämpft, vor dem muß er weichen, denn Jesus ist stärker als der Teufel und mit Jesu, in Jesu Kraft kämpft der Gläubige.

Nun fragt euch, meine Lieben, was habt ihr davon, wenn ihr dem Teufel dient? Vielleicht ein paar Jahre Sündenfreuden, aber das sind solche Freuden, die der wahre Christ nicht mag. Was ist das Ende, wenn ihr ein paar Jahre diese Sündenfreuden, diese Scheinfreuden genossen habt? Ich will es euch sagen: Der Pfuhl, der mit Feuer und Schwefel ewiglich brennt, wo ihr Wurm nicht stirbt und ihr Feuer nicht verlischt; oder wie es unser Katechismus ausdrückt: Die Verdammnis ist die ewige, unaufhörliche Verwerfung von dem fröhlichen Angesichte Gottes, zu unaussprechlicher Pein und Qual an Seele und Leib, unter der schrecklichsten Gesellschaft der bösen Geister in der Hölle. Das ist also die Folge von ein paar elenden Fleischesfreuden. Nie kann der Mensch wieder aus dieser entsetzlichen Gesellschaft, in der er sich so unglücklich fühlt, herauskommen, und das Fürchterlichste dabei ist, er muß sich vom Teufel auslachen lassen, daß er so dumm gewesen ist, sich von ihm verführen zu lassen. Dagegen, wenn ich den guten Kampf kämpfe, so muß ich mir die Anfechtung des Teufels gefallen lassen, muß manchen Hohn und Spott hinnehmen; aber habe ich das geduldig ertragen, so habe ich in mir einen Frieden, der höher ist als alle Vernunft und mein Theil ist einst der selige Gotteshimmel.

Was ist der Himmel? Unser Katechismus sagt: Es ist die vollkommene, unaufhörliche Nießung, Anschauung, Liebe und Lobung des wahren dreieinigen Gottes, in höchster Freude, unter der lieblichsten Gesellschaft des Himmels. Und diese ewige Seligkeit, dies Anschauen Gottes in der Gesellschaft der heiligen Engel und der vollendeten Seligen, die willst du preisgeben, um ein paar Jahre dem Teufel und der Sünde zu dienen? Es wird von den Ungläubigen den Gläubigen vorgeworfen, daß sie verrückt seien, weil sie mit der Sünde nichts zu thun haben wollen. Nun sagt mir, wer ist der Verrückteste, der, der den Himmel erwählt und die Hölle verabscheut, oder der die Hölle erwählt und den Himmel verschmäht? Das letztere thun die Weltkinder, darum sind sie die Verrücktesten, die es geben kann. Sage mir, wenn hier in der Kirche ein großes Feuer brennte, wen würdest du verrückt nennen, den, der sich in dies Feuer hinein legt oder den, der darum weg geht? Sicherlich doch den Ersten. Nun so verrückt sind die Weltkinder: Sie können in den Himmel eingehen und legen sich in die greuliche Hölle. -

Ihr wollt heute zur Beichte und morgen zum heiligen Abendmahl gehen, wollt Vergebung der Sünden und Kraft zu einem neuen heiligen Leben empfangen, ach, ich bitte euch, macht dem Dienst des Teufels ein Ende, dient allein dem HErrn Jesu. Nachdem ihr Vergebung der Sünden, Leben und Seligkeit empfangen habt, erneuert den Bund, den ihr schon bei eurer Taufe und Confirmation mit dem HErrn Jesu gemacht habt: Ich will entsagen dem Teufel und allen seinen Werken und allem seinem Wesen. Amen.

Vers 10-14. Der Gott aber aller Gnade, der uns berufen hat zu Seiner ewigen Herrlichkeit in Christo Jesu, derselbe wird euch, die ihr eine kleine Zeit leidet, vollbereiten, stärken, kräftigen, gründen. Demselben sei Ehre und Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen. Durch euren treuen Bruder Silvanum (als ich achte) habe ich euch ein wenig geschrieben, zu ermahnen und zu bezeugen, daß das die rechte Gnade Gottes ist, darinnen ihr stehet. Es grüßen euch, die samt euch auserwählt sind zu Babylon, und mein Sohn Marcus. Grüßet euch unter einander mit dem Kuß der Liebe. Friede sei mit Allen, die in Christo Jesu sind! Amen.

Der heilige Apostel schließt nun seine erste Epistel mit den eben vorgelesenen Worten und weiset die Christen hin zu dem Gott aller Gnade, nachdem er vorher ermahnt hat zu dem ernstlichsten Kampfe gegen den Teufel. Gottes Freund ist des Teufels Feind und darum muß er ihn bekämpfen; so ist es auch bei allen rechtschaffenen Christen. Petrus sagt nun in unserm Text: Der Gott aller Gnade, der uns berufen hat zu Seiner ewigen Herrlichkeit in Christo Jesu, derselbe wird euch, die ihr eine kleine Zeit leidet, vollbereiten, stärken, kräftigen, gründen. Seht mit welchen süßen und lieblichen Worten der Apostel Gott benennt, er nennt Ihn den Gott aller Gnade, und das ist Er durch Jesum Christum, Seinen Sohn, unsern lieben HErrn. Nimmermehr wäre Gott uns ein Gott aller Gnade, wenn nicht Jesus den Zorn Gottes gestillt hätte, denn ohne die Versöhnung des Zorns dürfte Gott uns nicht gnädig sein, sondern beständig müßte Sein Fluch auf uns lasten und Sein Grimm müßte uns schrecken.

Durch Christum ist Alles anders geworden; Sein Blut hat bezahlt unsere Sünden, Sein Verdienst deckt unsere Blöße und nachdem unsere Sünden vergeben sind durch Christi Blut, unsere Blöße gedeckt durch das Hochzeitskleid der Gerechtigkeit Christi, seit der Zeit ist Gott uns ein gnädiger Gott. Wenn Er aber gar genannt wird der Gott aller Gnade, so sehen wir daraus, daß Er nicht nur eine Gnade hat zum Verschenken, sondern daß er uns alle Gnade mittheilen will. Nicht nur Vergebung der Sünden, sondern auch Leben und Seligkeit, Erlösung von Tod und Teufel will er uns geben. Alle Gnade schenkt Er uns, weil er uns lieb hat in Christo Jesu, Seinem Sohn. Dieser Gott aller Gnade hat uns berufen, daß wir sollen Seiner Herrlichkeit und Seligkeit theilhaftig sein. Hat der HErr Jesus nicht zu Seinem Vater gebetet: Vater, Ich will, daß wo Ich bin, auch die bei Mir sein, die Du Mir gegeben hast, daß sie Meine Herrlichkeit sehen, die Du Mir gegeben hast Joh. 17, 24. Hat uns Gott nicht zu sich berufen durch die heilige Taufe, und hat Er uns damit nicht auch die Herrlichkeit des ewigen Leben gegeben? Wir sind ja durch die heilige Taufe Gottes Kinder geworden, und sind wir Kinder, so sind wir auch Erben, nämlich Erben Gottes und Miterben Jesu Christi. Aber wiederum, wie alle Gnade nur durch Christum unser ist, so ist auch alle Herrlichkeit nur durch Christum unser, auf eine andere Weise können wir der Herrlichkeit nicht theilhaftig werden, als in Christo Jesu. Haben wir die Gnade, so muß uns auch die Herrlichkeit werden, denn Gnade und Herrlichkeit stehen in solchem Verhältniß zu einander, wie Ursache und Wirkung.

Der Gott, der uns gnädig ist, schenkt uns auch Seine Herrlichkeit; und wer gläubig ist, muß selig sein und wer selig ist, muß herrlich sein. Dieser Gott, der euch berufen hat, der wird euch, die ihr hier eine kleine Zeit leidet, vollbereiten, stärken, kräftigen, gründen. Da sehet, wem Gott die Herrlichkeit geben will, nämlich dem, der hier eine kleine Zeit leidet. Das Leiden ist nothwendig, wenn man will Theil haben an der Herrlichkeit Gottes. Es steht geschrieben: Mußte nicht Christus solches leiden und zu Seiner Herrlichkeit eingehen? Es steht ferner geschrieben: Alle die gottselig leben wollen in Christo Jesu, müssen Verfolgung leiden; es steht abermals geschrieben: Seid ihr ohne Züchtigung, so seid ihr Bastarde und keine Kinder. Also, die ihr hier eine kleine Zeit leidet, - ihr seid es, die der Herrlichkeit theilhaftig werden sollen. So wie Christus erst die Dornenkrone tragen mußte, ehe er die Himmelskrone trug, so müssen auch die Christen, wenn sie einst die Ehrenkrone tragen wollen, zuvor die Dornenkrone tragen. Da aber nur wenige Christen die Dornenkrone tragen, so werden auch nur wenige Christen die Ehrenkrone erlangen. Wer die Dornenkrone nicht will, der soll die Ehrenkrone nicht haben.

Alle wahre Christen müssen leiden. Das Leiden, davon hier die Rede ist, ist nicht das Leiden, daß du Zahnweh, oder Rheumatismus, oder sonstige Körperschmerzen hast, denn viele Leute möchten dieses auch dahin rechnen. Aber es ist noch kein Mensch durch Kopf- und Zahnweh in den Himmel gekommen, sondern die Schmerzen und Krankheiten mußt du tragen, weil du ein Sünder bist. Machte das körperliche Leiden schon zum Himmel geschickt, so müßte man sagen, Gott hätte einen solchen Menschen, dem er eine rechte Pferdegesundheit verliehen hat, gar nicht lieb, und umgekehrt, Er hätte den, der alle Augenblick pipt, ganz besonders lieb. Selig kann der Gesunde und der Kranke werden, in dieser Beziehung hat Gott sie beide gleich lieb.

Welches Leiden ist denn hier gemeint? Alles Leiden um des Christenthums willen. Dieses ist ein dreifaches, als Folge von dem Kampf mit Sünde, Welt und Teufel. Das Leiden, welches durch den Kampf mit der Sünde verursacht wird, ist ein solches, daß einem das Mark in den Gebeinen verzehrt. Wenn ich der Sünde in irgend einer Weise Naum gebe, dann kann ich ein bequemes, ruhiges Leben führen. Wer das aber nicht thut, dem ists oft, als ob er in der leibhaftigen Hölle steckt. Die Sünde mit Fasern und Wurzeln aus dem Herzen reißen, das macht innerlich so mürbe, daß man sagen kann, der Mensch hätte zehn Jahre länger gelebt, wenn er nicht hätte diesen Kampf bestehen müssen. Die kleinste Sünde muß aus dem Herzen heraus und dieses Ziel erreiche ich, wenn ich alles thue, was Gott gebietet und alles lasse, was Gott verbietet. Das heißt aber auch das Fleisch kreuzigen, samt den Lüsten und Begierden. Und das sollte den Menschen nicht angreifen? Die Leute, die leiblich gekreuzigt wurden, hielten es nicht zwei Tage aus, und nun sollen wir alle Tage den alten Menschen kreuzigen! Da ist es nicht zu verwundern, wenn der Christ zu leiden hat. Das ist das erste Leiden um Christi willen.

Dazu kommt zum zweiten der Kampf gegen die gottlose Welt. So wenig wie ich die Sünde in mir leiden kann, so wenig kann ich die Sünde um mich leiden, ich kämpfe auch dagegen bis aufs Blut. Wenn die Menschen sündigen und ich sehe es, so darf ich nicht schweigen, ich muß sie strafen, warnen, ermahnen, muß es ihnen sagen, daß sie zur Hölle rennen. Das bringt mir aber keine Freundschaft, im Gegentheil, wenn ich still schwiege, dann würde die Welt mir freundlich sein. Weil ich sie aber strafe, darum werde ich gehaßt. Dasselbe wird dadurch noch erhöht, daß man als Christ nicht mit der Welt geht, sondern sich von dem Wesen der Welt zurück zieht. Wenn du diesen Haß der Welt noch nicht erfahren hast, so ist das ein Zeichen, daß du zu allen Sünden der Welt Ja sagst, oder daß du in deiner Feigheit nicht den Muth hast, die Sünden der Welt zu strafen. Du möchtest es nicht gern mit den Leuten verderben. Nun bist du aber auch ein prächtiger Mensch, ein jeder mag dich leiden, du bist „lieber vorn“ und „lieber hinten“. Ja du siehst nicht bloß, daß die Leute den Weg zur Hölle laufen, sondern gehst sogar mit ihnen, du stellst dich der Welt gleich in deinen Worten und Werken. Nun folgt das dritte. Weil du es ernstlich mit dem HErrn Christo meinst, darum suchst du auch allem Teufelswesen ein Ende zu machen. Da kommt denn der Teufel, das eine Mal mit vielen großen Anfechtungen, das andere Mal hetzt er die Menschen gegen dich und du weißt nicht, wo du bleiben sollst. Das ist das dreifache Leiden, damit Keiner verschont wird, der selig werden will. Daß aber damit nicht Kopf- und Zahnweh gemeint ist, werdet ihr hinreichend erkannt haben.

Woher kommt es denn, daß wir bei dem allen des Sieges gewiß sein können? Daher: Unser Gott will uns vollbereiten, stärken, kräftigen, gründen. Mit unserer Kraft müßten wir in diesem Kampfe zunichte und zu Schanden werden, aber der HErr will uns vollbereiten, stärken, kräftigen, gründen, nun ist uns der Sieg gewiß.

Er will uns vollbereiten. Damit zeigt der Apostel an, daß unsere Heiligung Gottes Werk ist und daß diese Heiligung ihre Vollendung erhält durch das Kreuz. Es ist das Kreuz gleichsam die letzte Hand, die Gott an dies Werk legt. Wenn ein Handwerker ein Stück Arbeit macht und dieselbe beinah fertig ist, so sagt er wohl, ich muß noch die letzte Hand daran legen. So ist es auch mit dem Christenthum, durch das Kreuz erhält es gleichsam die Politur. Es wird dadurch dem Christen der himmlische Glanz gegeben. Der 45. Psalm sagt von solchen Leuten: Auswendig sind sie zwar schwarz gebrannt von der Hitze der Trübsal, aber inwendig sind sie mit herrlichem, lauterm Golde, mit güldenen Stücken gekleidet. Seht, meine Lieben, das heißt, Gott vollbereitet uns.

Und nun, wie kann ein schwacher Mensch sich noch beklagen, daß er diesen Kampf nicht bestehen kann, da es doch weiter heißt: Gott will uns stärken, kräftigen. Es ist die größte Lächerlichkeit und Dummheit, wenn ein Christ sagt, ich kann den Sieg in diesem Kampfe nicht erlangen. Wer das sagt, der spricht damit das Bekenntnis aus, ich bin kein Christ. Der Christ hat den heiligen Geist in sich und deshalb Gottes Kraft und Stärke, sollte er nun nicht der Sünde widerstehen, die Welt überwinden, den Teufel besiegen können? So wenig wie Gott etwas unmöglich ist, so wenig kann einem solchen Christen der Sieg unmöglich sein. Ich will nehmen, da sagt einer, ich kann das Saufen nicht lassen, ist das wahr? Der Mensch lügt, in Wahrheit muß er sagen, ich will das Saufen nicht lassen. Oder wenn ein anderer sagt, ich kann das Huren nicht lassen, ist das wahr? Bist du ehrlich, so kannst du höchstens nur sagen, ich will das Huren nicht lassen. Laß nur den HErrn Jesum durch den heiligen Geist in dir wirken, und mit Gottes Kraft wirst du Alles können.

Dazu braucht ein frommer Christ bei dem allen nicht zu glauben, daß er abfallen werde von Christo, denn es heißt weiter in unserm Texte: Gott gründet dich. Gründen heißt, etwas auf einen festen Grund stellen. Ist das mit mir geschehen, so kann ich sagen: Hier stehe ich trotz aller meiner Feinde, und es soll mich Keiner von diesem Grunde wegbringen. So hat uns also der Apostel gezeigt, wie der treue Gott sich unserer annimmt. Er hat gesagt: Der Gott aller Gnade, der uns berufen hat zu Seiner ewigen Herrlichkeit in Christo Jesu, derselbe wird euch, die ihr eine kleine Zeit leidet, vollbereiten, stärken, kräftigen, gründen. Daher kann er mit Freuden hinzu sehen: Demselben sei Ehre und Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen. Ja wahrlich, Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit sei Ihm gebracht! Es ist ein Wunder, einen Sünder so weit heranzuziehen, daß er ein Kind Gottes wird, und es ist ein Werk Gottes, wofür man Ihm ewig danken muß. Daher sagt Luther ganz recht: Groß ist das Wunder, daß Gott Himmel und Erde geschaffen hat mit einem Worte Seines Mundes; groß ist das Wunder, daß der HErr Jesus mit einem Worte die Kranken gesund und die Todten lebendig macht; aber das alles ist nur klein gegen dies große Wunder, daß Er Menschen, die in Sünden todt sind, lebendig macht durch den heiligen Geist, daß sie aus Kindern des Teufels Kinder Gottes, aus Kindern des Zorns Kinder der Gnade, aus Erben der Hölle Erben des Himmels werden. Da ist die Epistel, was den Inhalt der Lehre betrifft, eigentlich zu Ende.

Zum Schluß sagt der Apostel, daß er durch den lieben Bruder Silvanus oder Silas diese Epistel habe schreiben lassen, um den erwählten Fremdlingen und Pilgrimmen hin und her zu zeigen, daß sie in dem rechten Glauben ständen und um sie zu ermahnen, daß sie darin beharren möchten. Darauf bestellt er die Grüße aus seiner Gemeine. Er war damals in Babylon. Diese Gemeine bestand aus bekehrten Juden und Heiden. Ihr sehet daraus, wie weit sich schon damals das Christenthum ausgebreitet hatte. Von Babylon aus grüßt Petrus und bezeugt damit die Gemeinschaft der Gläubigen aller Orten. So ist es auch immer gewesen. Wahre Christen kennen und lieben sich, wenn sie auch meilenweit voneinander entfernt sind. So sehen wir, wie es das wahre Christenthum ist, was es uns noch einigermaßen erträglich macht auf Erden. Denn durch das wahre Christenthum hat man, was ja die Hauptsache ist, den lieben HErrn und Heiland im Herzen, man hat Sein Wort und Sakrament, man kann zu Ihm beten, Ihm Alles sagen und klagen und dazu hat man die Gemeinschaft aller derer, die aufrichtig den Weg zum Leben gehen, die wirklich Brüder und Schwestern im HErrn sind und deren Aufgabe es ist, sich einander das Leben zu erleichtern. Wenn man aber heutzutage die Gläubigen ansieht, so scheint es, als ob sie dazu da wären, sich das Leben einander sauer zu machen, sich zu beißen, zu kratzen und zu fressen, wo sie sich stöcken und blöcken können, das ist so recht Wasser auf ihre Mühle. Nachdem der Apostel die Christen also dem HErrn befohlen, nimmt er Abschied von ihnen, wie ein Vater von seinen Kindern. Nehmen sie seine Ermahnungen an, dann können sie zu ihrer Seelen Seligkeit dienen; nehmen sie dieselben nicht an, so ist es ihre Schuld. Amen.

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