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Hamann, Johann Georg - An Lavater.

Hamann, Johann Georg - An Lavater.

Erfahrungen wie Einsichten sind neue Prüfungen, geben zu neuen Zweifeln Anlaß. Unsere Passibilität steht immer im Verhältniß, mit unserer Actibilität nach der neuesten Theorie über den Menschen - Hebr. 5, 4. „niemand nimmt ihm selbst die Ehre, sondern der auch berufen sei von Gott, gleichwie der Aaron,“ gehört zur Nachfolge, die Kinder von den Bastarden unterscheidet. Wenn dem Satan daran gelegen ist, unsern Glauben zu sichten, wie den Weizen, so ist es unseres Hohenpriesters Sache für uns zu bitten, und durch unsere Vollendung die Brüder zu stärken.

Der Unglaub ist nur nicht zufrieden, Der Eigenwill siebt sauer aus, Gott halte, wie er wolle, Haus. Alle Ihre Zweifelwelten sind ebenso vergängliche Phänomene, wie unser System von Himmel und Erde, alle leidige Copir- und Rechnungsmaschinen mit eingeschlossen. Sein Wort währt. Sie haben Recht, es für ein festes, prophetisches Wort zu bekennen, und thun wohl daran, auf dieses scheinende Licht in der Dunkelheit zu achten, bis der Tag anbreche. Eher ist an keine Gewißheit oder Selbstschau zu denken, und Gewißheit hebt den Glauben, wie Gesetz Gnade auf.

Sie wissen was die Erfahrung, nach der Sie schmachten, hindert. Gesetzt, daß diese Hindernisse wirkliche Berge wären, so halte ich diese Berge für den rechten Ort des wunderthätigen Glaubens, den jeder an sich selbst zu erfahren im Stande ist. Denn das Himmelreich, gleich Ihrem innern Menschen, verabscheut Alles, was Aufsehen macht, was nicht hilft; ist nichts als Geist und Wahrheit. Was Moses am brennenden Busch sah, der brannte, ohne zu verbrennen, das ist für uns das Judenthum und Christenthum, und der Stifter beider ist nicht ein Gott der Todten, sondern der Lebendigen. Wenn Sie in Ihrem Glauben gegründet worden, warum sollte es Ihnen Leid thun, geredet oder geschrieben zu haben? „Wird die Welt mich gleich vernichten, will mich auch selbst Zion richten,“ singen alle unsere Glaubensbrüder.

Ihnen von Grund meiner Seele zu sagen, ist mein ganzes Christenthum ein Geschmack an Zeichen, und an den Elementen des Wassers, des Brods, des Weins. Hier ist Fülle für Hunger und Durst - eine Fülle, die nicht bloß, wie das Gesetz, einen Schatten der zukünftigen Güter hat, sondern das Wesen der Dinge selbst, insofern selbige, durch einen Spiegel im Räthsel dargestellt, gegenwärtig und anschaulich gemacht werden können; denn das Vollkommene liegt jenseits. Unsere Ein- und Aussichten hier sind Fragmente, Trümmer, Stück- und Flickwerk, dann aber „von Angesicht zu Angesicht, alsdann werde ich's erkennen, gleichwie ich erkannt bin.“

Verzeihen Sie es mir, wenn es mir vorkommt, daß Sie Ihren Freunden sowohl als Feinden zu viel Ehre erweisen, und dadurch gegen sich selbst ungerecht werden. Selbsterkenntniß und Selbstliebe ist das wahre Maß unserer Menschenkenntniß und Menschenliebe. Aber Gott ist größer, denn unser Herz, und erkennt alle Dinge, auch die Gedanken, die sich unter einander verklagen oder entschuldigen.

Was Sie in Taubeneinfalt gethan, sei immer Schlangenlist für ihren Samen - wir sind Gott ein guter Geruch Christi; ein Geruch des Todes zum Tode und ein Geruch des Lebens zum Leben. Er ist nicht ungerecht, daß er vergesse unseres Werks und Arbeit der Liebe für seinen Namen und den Dienst der Heiligen. Dieser sichere und feste Anker unserer Seele geht hinein in das Inwendige des Vorhangs.

Quelle: Renner, C. E. - Auserlesene geistvolle Briefe der Reformatoren

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