Hahn, Johann Michael - 5. Betrachtung

Hahn, Johann Michael - 5. Betrachtung

Vom Säen auf den Acker der Ungerechtigkeit und von der daraus folgenden Ernte.

Text: Sir. 7,1-3. Lied: I, 174.

Wenn wir über die Worte „Tue nichts Böses, so widerfährt dir nichts Böses“ nachdenken, so finden wir darin auf den ersten Blick ein Wiedervergeltungsrecht. Es leuchtet uns ein, daß das Böse gestraft werden muß, das Gute aber eine Belohnung haben werde. Strafe und Belohnung können zeitlich und ewig sein; sie richten sich nach den Rechten der Gerechtigkeit und Heiligkeit Gottes. Je bösartiger das verübte Böse ist, desto strafbarer ist es. Je edler das Gute ist, desto herrlicher wird es auch belohnt. Darum beten wir auch im Vaterunser: Erlöse uns, o Vater, von dem Übel oder dem Bösen! Alles, was nicht gut ist, ist mehr oder weniger böse; denn es gibt hierin selten ein Mittelding. Eine gute Absicht kann zwar ein böses Ding einigermaßen entschuldigen, und eine böse Absicht kann eine gute Tat in ihrem Werte herabsetzen. Das Herz des natürlichen Menschen ist durchaus böse, und es ist nicht viel Gutes aus demselben zu erwarten. Wenn jemand von sich sagt: Ich habe ein gutes Herz, so ist das nicht wahr. Die Schrift sagt, und die Erfahrung bestätigt dies: „Das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf.“ Da nun also die Quelle so böse ist, wie kann man dann aus derselben etwas Gutes erwarten? Was wird dieser böse Brunnen für Wasser geben? Der Heiland sagt es, was aus demselben hervorkomme, und was wir an unsern eigenen Herzen täglich erfahren. Also muß notwendigerweise die Quelle durch Sinnesänderung und eine Geburt von oben verändert werden, wenn aus derselben etwas Gutes herauskommen soll. Jedoch erfährt man und hört es auch von andern, daß das Herz nicht so verändert wird, daß man keine Sünde mehr fühlte. Durch die Kraft der Wiedergeburtsgnade bringt man es aber dahin, daß man die Sünde, ob man sie schon fühlt, nicht mehr tut, noch tun muß; denn ein Wiedergeborner ist von der Herrschaft der Sünde frei gemacht. Ein unwiedergeborner Mensch ist freilich ein armer Mensch; denn er ist der Sünde Knecht und tut viel Böses wider alle seine Überzeugung; er bringt dem Tode Frucht und säet aufs Fleisch; seine Ernte ist zeitliches und ewiges Verderben. Wir unterscheiden zweierlei Übel: das Erbübel, das wir das physische nennen, und das getane Böse, das wir als moralisches bezeichnen. Eins kommt freilich aus dem andern. Diesmal soll aber von dem moralischen Übel als vom Bösestun die Rede sein. „Tue nichts Böses, so widerfährt dir nichts Böses!“ sagt unser Text. Somit sollte also denen, die das Böse wohl fühlen und empfinden, es aber nicht tun, nichts Böses widerfahren, sondern nur solchen, die es ausüben. Und doch lehrt die Erfahrung, daß Gott seinen Kindern nichts schenkt, daß ihnen viel widerfährt, das man böse nennen könnte, da sie doch das Böse nur gefühlt und gedacht, nicht aber getan haben. Das hat folgenden Grund: Gott will seine Kinder in dieser Welt freirichten, ihnen also nichts schenken, damit sie vom künftigen Gericht los seien; darum wird bei ihnen auch das physische Übel gerichtet. Es können Schulden von ihrem vorigen, unbekehrten Zustande auf ihnen lasten; diese werden nachgeholt, und so werden sie durch Gnadengerichte freigerichtet. Überhaupt ist es für die Menschen, auch für die unbekehrten, eine Gnade, wenn sie nicht verschont werden, sondern auf ihr Bösestun auch Böses zu erfahren bekommen. Je genauer es Gott da mit einem Menschen nehmen kann, desto besser ist es, und wenn er dazu auch auf das physische Übel, die Erbsünde, losgeht.

Manche natürlichen Menschen merken noch, warum ihnen dies und jenes widerfährt; sie wissen damit auszukommen, und es bessert sie in der Tat. Sollten wir an ihnen die Arbeit Gottes mißkennen? Wollen wir nicht zugeben, daß Gott solches in ihnen wirke? Andere hingegen heißt man geistliche Menschen, weil sie sich zu denen halten, die sich in der Frömmigkeit oder der Sinnesänderung befleißen. Diesen fehlt oft jenes Gemerk, und sie verstehen daher nicht, warum ihnen dies oder jenes Unangenehme widerfährt. Sie glauben, es geschehe ihnen zu viel, also Unrecht. Diese können wir nicht für Kinder Gottes halten, und wenn sie sich gleich zu den Engeln gesellen sollten. Solche hindern ja das Werk Gottes in ihnen; sie sind zu weit von ihrem Herzen und noch weit mehr von Gott selbst entfernt. Diese Menschen arten gemeiniglich immer mehr aus, und das Letzte wird mit ihnen ärger, als das Erste war. Da Gott durch Gnadengerichte immer weniger an ihnen ausrichten kann, so gibt er sie endlich dahin in einen Sinn, der Böses und Gutes nicht mehr unterscheiden kann; dies ist dann der Zustand abgefallener Seelen.

Weil Gott nichts Böses ungestraft lassen kann, muß der Mensch die Frucht seiner Werke essen, oft sogleich, oft auch erst später; vielfach schon in dieser Zeit, manchmal aber auch erst in jener Welt. Laß dir doch dieses nicht übel gefallen! Es ist nicht das beste, wenn man nur mit evangelischen Trostgründen den alten Adam heilen und verbinden will, ehe er sich ausgeblutet hat. Wie mancher hat sich schon durch ein Schand- und Lasterleben einen siechen Leib zugezogen. Soll der erst noch fragen, woher ihm dieser komme? Oder soll er denken, ihm geschehe zu viel, da er etwa manche kennt, die in gleichen Lastern gelebt haben und doch nicht also heimgesucht werden? Meinst ud, solche werden dem Gericht Gottes immer entlaufen? Bist du doch selbst ein Beweis davon, wie sich die Sünde an ihrem Täter rächt, und daß es den Rechten der Gerechtigkeit Gottes geziemend ist, den andern über kurz oder lang ebenso heimzusuchen wie dich. Hat er etwas eine stärkere Natur als du, sie wird endlich doch so schwach wie die deine, und er entgeht der strafenden Gerechtigkeit Gottes nicht. Mancher zündet sein Lebensrad oft und vielmal in Grimm und Ungeduld an, und das sollte dann gar keine Folgen haben? Soll es ihn wundern, wenn ihn schreckliche, oft schnell hinreißende Krankheiten und Fieber befallen? Oder kann ein Neidischer und Mißgünstiger sich wundern, wenn er elend oder unpäßlich wird, ist ja doch der Neid Eiter in den Gebeinen. Wünscht oft einer diesem oder jenem etwas Böses, sollte der sich dann wundern, wenn es ihm selbst widerfährt? Ein Hochmütiger sucht immer Achtung und Ehre und richtet alles darauf ein, Ehre und Ansehen zu finden. Und siehe, er muß, soll er nicht ganz verderben, das Gegenteil, Verachtung, Schmach und Schande, Kummer und Verdruß erfahren. Sollte der sich wundern, daß es ihm also ergeht? Widerfährt ihm doch kein Unrecht; denn wer sich mehr Ehre anmaßt, als ihm gebührt, ist ein Räuber und reißt an sich, was ihm nicht zukommt. Wie sollte es dem Diebe anders ergehen?

Die Menschen meinen oft, Gott werde nach solchen Kleinigkeiten nichts fragen, und die Vernunft spricht: Da hätte Gott viel zu tun, wenn er auf das alles achten sollte. Ja, lieber Mensch, so genau achtet Gott auf dich und dein Tun, als ob er sonst in aller Welt gar nichts zu tun hätte, als nur auf dich und deine Werke zu merken. Wie er aber dich und dein Tun beobachtet, so und nicht minder sieht er auf alle und bemerkt aller Tun. In den Gewissensbüchern der Menschen, in dem Gefühl des Rechts und Unrechts ist alles eingeschrieben, auch dann noch, wenn es das Gedächtnis der Menschen vergessen hat. Wenn die Bücher einst aufgetan werden, wird alles, was nicht gerichtlich abgetan und durch Jesu Blut getilgt ist, vorkommen und dann gerichtet werden. Der Leichtsinnige meint, unser Gott sein, gleichwie er ist, und werde eine Sache nur so leichthin nehmen; aber es wird sich anders herausstellen. Darum, o Mensch, achte auf das, was du denkst, redest und tust! Alle deine Gedanken, alle Ratschläge deines Herzens werden wieder vorkommen und offenbar werden, und von allen deinen Worten wirst du Rechenschaft geben müssen, wenn sie unnütz waren. Und ach, wie viele sind unnütz, wie viele taugen vor Gott und Menschen nichts! Wie viele kommen aus der Hölle in dir und gehen in die Hölle außer dir! Von deinen vielen Werken wollen wir nicht einmal sagen; denn die besten sind oft mit Eigenheit und unlautren Absichten besudelt, sind also wie ein beflecktes Kleid. Darum prüfe dich, gib dich schuldig, und sinke ins Erbarmen Gottes! Lerne die Gerechtigkeit ergreifen, die vor Gott gilt, daß du leben mögest! Lerne es, oder vielmehr laß dich lehren, wie man auf den Geist sät! Wer den Geist hat, der kann und wird ewiges Leben ernten ohne Aufhören. O wohl ihm also!

Bist du, o Mensch, ein Kind des Vaters im Himmel, so wirst du es freilich verlangen, daß er sein Werk an dir ausführe, und du also freigerichtet werdest. Du wirst die Gerechtigkeit lieben und das gottlose Wesen hassen wie dein Heiland selbst. Du wirst gerne nach den Rechten Gottes mit dir handeln lassen; nur wirst du bitten: Herr, laß Gnade vor Recht ergehen, und handle nicht nach Verschulden mit mir, weil ich sonst vergehen muß! Gedenke, daß Jesus für mich und meine Sünde starb, daß er mich mit dir versöhnte! Was du über mich verhängst, laß mir zum Besten dienen und mir zu deiner Ähnlichkeit verhelfen! Gib, daß ich mich ganz und gar deiner Führung übergebe und überlasse! Du, o Herr, wirst es ja gewiß recht und wohl machen. In deiner Augen Licht, ja in deiner Gegenwart laß mich leben und wandeln und alles im Blick auf dich und zur Freude deines Herzens tun! Laß mich immerdar würdig wandeln meinem Berufe und stets meiner Bestimmung entgegeneilen!

Bd. XIII, Brief 43

Mel. Lobe den Herrn, den mächtigen.

Menschliches Leben auf Erden ist Saatzeit zu nennen; wer es betrachtet im Lichte, wird's also erkennen. Was der Mensch tut, es sei nun bös oder gut, wird er zu ernten gewinnen.

Soll dir nichts Böses begegnen, noch je widerfahren, mußt du die Aussaat des Unrechts nur gänzlich ersparen. Denn das Unglück weicht nicht vom Unrecht zurück; Frucht kommt in wenigen Jahren.

Wer auf den Acker des Unrechts den Samen ausstreuet, wird in der Ernte gewiß nicht erquickt und erfreuet; er erntet Pein, er erntet siebenfach ein, weil ihm die Frucht recht gedeihet.

Nein, vom Ausbleiben der Früchte ist gar nichts zu sagen; bald oder später wird die Aussaat die Früchte schon tragen. Kurz ist die Zeit, lange die Qualewigkeit; willst du in Ewigkeit klagen?

Laßt uns dem Fleische und seinem freiwiligen Säen immerdar männiglich und kräftig im Geist widerstehen! Das ist dann Sieg, das ist ja Beute im Krieg; so soll es billig geschehen.

Laß uns, Herr Jesu, auf Erden in deinem Licht leben, du wollst uns Saatfrucht des Geistes beständiglich geben! Treibe uns an, daß keiner stillstehen kann, mach uns zu fruchtbaren Reben!

Bd. XIII, Nr. 225.

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