Georg III., Fürst zu Anhalt - Eine Predigt von der wunderbarlichen Geburt unseres Heilands Jesu Christi, nützlich zu christlicher Erinnerung.

Georg III., Fürst zu Anhalt - Eine Predigt von der wunderbarlichen Geburt unseres Heilands Jesu Christi, nützlich zu christlicher Erinnerung.

(Des hochwürdigen, durchleuchtigen, hochgeborenen Fürsten und Herrn, Herrn Georgen cet. Predigten und andere Schriften. Mit einer Vorrede von Philipp Melanchthon. Frankf. a.M. 1561. fol. Fol. 28.)

Esaiä VII:

Siehe, eine Jungfrau ist schwanger und sie wird einen Sohn gebären, den soll sie nennen Immanuel.

Liebe Freunde, ihr habt oft gehört, dass alle Zeit die rechte Kirche Gottes von Adam’s Zeiten an habe löbliche Feste gehalten, die geordnet sind zur Ermahnung, und dass man die göttliche Lehre von einem Stück zum andern ordentlich lehren möge. Denn wiewohl viele Stücke an einander hangen, dass man zugleich Etwas von vielen Stücken sagen muss, so hat doch Gott selbst die Historien in die Zeit getheilt, dass man zu jeder Zeit von einem besondern Stück Bericht thun soll.

Und ist nicht Zweifel, die Engel und alle Heiligen im Himmel betrachten jetzund auch dies grosse und unaussprechliche Werk der Geburt unseres Heilands und danken der ganzen göttlichen Majestät und lernen mehr und mehr die hohe, grosse Heimlichkeit, warum der Sohn Gottes menschliche Natur an sich genommen, und wie beide Naturen wunderbarlich zusammen vereiniget sind, und wir für und für im menschlichen Geschlecht der Sohn Gottes regirt und alle Zeit ein Häuflein erhält, will alle Zeit ein Immanuel sein.

Wiewohl wir nun, die wir noch in diesem Leben sind, solche hohe Weisheit nicht begreifen können, so ist dennoch gewisslich Gottes Wille, dass wir, als junge Kindlein, mit den Engeln und allen Heiligen im Himmel dieses grosse, göttliche Werk auch betrachten und preisen sollen, und sollen uns hiemit trösten und Gott danken und Freude und Leben durch diesen Glauben erlangen.

Und erstlich sollt ihr betrachten, dass dieses Fest und Lehre von dieser Geburt nicht eine neue Gewohnheit ist, die erst letztlich in die Welt kommen sei, sondern es ist von Adam’s Zeiten an alle Zeit eine wahrhaftige Kirche Gottes und eine gleichlautende Lehre von diesem Heiland, dem Sohne, gewesen, die Gott erstlich geoffenbart und oft wiederum erneuert und erhoben hat. Allein ist dieser Unterschied: Die Väter vor dieser Geburt haben von dem künftigen Werk geredet, wir reden von dem geschehenen.

Ja, ihr sollt das Fest mit grösserem Ernst und grösserer Andacht halten, so ihr zurück denket, dass ihr dieses Fest nicht allein jetzund neulich eingesetzt, sondern mit den hohen Vätern von Anfang her haltet, mit Adam und Heva. Denn da Gott die erste Verheissung gegeben hat: Des Weibes Same wird der Schlange den Kopf zertreten, da haben Adam und Heva eben dieses Fest gehalten, dass der Heiland kommen sollte, und dass sie um desselbigen willen wiederum zu Gnaden angenommen sind, haben sich also getröstet, Freude an dieser grossen, überschwänglichen Gnade gehabt, dass sie Gott wiederum angenommen hat, haben Gott gedankt und also im glauben von ihm Hilfe erwartet. Diese ersten Menschen haben dieses Fest recht und mit grossem Ernst gehalten; wie eine grosse Seligkeit und Freude wäre es uns, so wir dieses Fest auch also hielten, bekenneten unsere Sünde mit rechtem Schrecken und Schmerzen und erlangten wahrhaftigen Trost an diesem Heilande, dem Sohne Gottes, der unsere elende Natur an sich genommen und hat den Zorn versühnet, dass uns die göttliche Majestät wiederum zu Gnaden annimmt, und will uns gewisslich selig machen. Und haben hernach die Väter und Propheten die erste Verheissung für sich genommen und hat sie Gott in Betrachtung derselbigen erleuchtet, dass die Predigt von diesem Samen und von dieser Geburt für und für mehr erklärt ist.

Darum haben wir den schönen Spruch aus dem Propheten Esaia für uns genommen, den sollt ihr heut in euer Herz fassen, fleissig betrachten und euch damit trösten und zum Gebet und zum Glauben vermahnen und Freude an Gottes Barmherzigkeit und an diesem Herrn haben. Und sind dieses die Worte Esaiä:

Siehe, eine Jungfrau ist schwanger, und sie wird einen Sohn gebären, den soll sie nennen Immanuel.

Diese Worte sind sehr reich und sehen in alle Verheissungen und Prophezeien, und fassen die höchsten Artikel des Glaubens in sich, und kann Niemand davon genügsam reden. Wir wollen aber zu Unterricht der Leute etliche fürnehmste Stücke handeln und wollen diese Predigt in drei Artikel theilen, die auch die fürnehmsten Stücke sind, die man an diesem Fest und alle Zeit betrachten soll. Es sind auch diese Artikel in den Worten Esaiä fürnehmlich begriffen.

  1. Der erste Artikel: Wer dieser Herr sei, der von der Jungfrau geboren ist.
  2. Der andere: Was seine Gaben sind, und wozu er uns geboren und gesandt ist.
  3. Der dritte. Wie wir seine Gaben und Gnade erlangen.

Vom ersten Artikel

sollet ihr wissen, dass dieser Herr, geboren aus der Jungfrau Maria, Jesus Christus, nicht allein menschliche Natur hat, sondern in ihm sind zwo Naturen, die göttliche und die menschliche Natur; darum nennt ihn der Prophet allhie: Gott bei uns und mit uns.

Nun werdet ihr im Katechismo unterrichtet von den dreien Personen göttlicher Majestät, nämlich dass das göttliche ewige, allmächtige Wesen sei drei Personen, welche gleich ewig sind, und dass sie zugleich alle Dinge erschaffen haben, und sind dennoch drei unterschiedene Personen und nicht mehr und nicht weniger, nämlich: Der Vater, Sohn und heilige Geist. Solches hat Gott von sich geoffenbart, und sollen wir ihn erkennen und anrufen, wie er sich selbst geoffenbart hat, und nicht eigene Gedanken von ihm dichten. Euch soll auch Unterschied der Personen im Katechismo fürgetragen werden und sollt, so Viel uns Gott geoffenbart hat, wissen, wie dieser Sohn im ewigen Wesen geboren ist.

Die Schrift nennt ihn das Ebenbild des Vaters, item, des Vaters ewiges Wort. In diesem Namen zeigt die Schrift an, dass dieser Sohn also geboren ist: Der Vater betrachtet sich selbst; denn er kennet sich selbst und schauet sich selbst an. In dieser Anschauung und in dieser Betrachtung ist geboren derselbige Gedanke, der ein wesentlich Bild ist des ewigen Vaters. So Viel sollst du wissen von der ewigen Geburt. Und wiewohl in den Creaturen kein Gleichniss ist, das dieser Geburt ganz gleich sei, so hat Gott doch den Menschen also geschaffen, dass in uns etliche Anzeigung solcher göttlichen Dinge sind; denn Gott will, dass wir Etwas von ihm wissen sollen und braucht Reden, daraus man Etwas lernen soll und mag.

Wenn ein Mensch Etwas gedenkt, so macht er im selbigen Gedanken ein Bild, als, so du an deinen Vater gedenkst, so ist alsbald deines Vaters Bild in deinen Gedanken. Doch ist dasselbige Bild ein Schatten und hat kein Wesen. Aber dieser Gedanke, darin sich der ewige Vater selbst betrachtet, ist ein wesentlich Bild und eine unterschiedliche Person vom Vater, wie ein Glanz von diesem ewigen Licht, wie in der Epistel zu den Hebräern steht: Fulgor gloriae et effigies substantiae ejus (der Glanz seiner Herrlichkeit und das Ebenbild seines Wesens. Hebr. 1.). Diesen Sohn liebt der Vater herzlich; er ist auch gleich ewig und allmächtig.

Diese göttliche, allmächtige Person und des Vaters allerliebster Sohn hat sich unseres Elends im Fall Adä und Hevä angenommen, ist vor den Vater niedergefallen, hat für uns gebeten und hat die Strafe auf sich genommen, den grossen, gerechten Zorn göttlicher Majestät zu versühnen und ist hernach für und für bei uns mit der Kirche gewesen, hat sie bewahret und wider den Teufel geschützt und erhalten. Diese Person ist sichtiglich Abraham’s Gast gewesen, ist bei dem Volke Israel in der Wüste gewesen und in Summa, der liebliche Spruch Irenäi ist wahr und wohl zu merken: Der Sohn Gottes ist alle Zeit bei dem menschlichen Geschlechte gewesen und hat Gottes Volk bewahret und erhalten, wie auch er selbst spricht: Abraham hat meinen Tag gesehen und ist hoch erfreut worden. Diese göttliche Person hat hernach in der Jungfrau Maria menschliche Natur an sich genommen, damit er ein Opfer für uns werden möchte, wie hernach weiter zu sagen.

Also habt ihr erstlich diesen Artikel, dass in diesem Herrn Jesu Christo zwo Naturen sind, wunderbarlich vereinigt, und leuchtet die göttliche Natur in der ganzen menschlichen Natur dieser Person Jesu Christi.

Die Engel und die Heiligen im Himmel können das grosse Werk etlichermaassen erkennen und ernstliche Verwunderung daran haben, dass sich diese hohe Majestät also demüthiget und zeucht unsere elende Natur an, wohnt bei uns und liebt uns von Herzen. Ach lieber Herr Jesu Christe, Sohn Gottes und Immanuel, ich bitte Dich, gieb in unsere Herzen auch einen Blick und Glanz dieses wunderbarlichen Werks, dass Du, wahrhaftiger Gott, menschliche Natur angezogen hast, und dass die göttliche Majestät sich also tief gedemüthiget hat.

Wiewohl wir nun solche grosse Dinge nicht begreifen können, ist dennoch Gottes Wille, dass wir Etwas davon lernen und will Gott recht erkannt sein, und muss unsere Anrufung von heidnischer und türkischer und aller Gottlosen Anrufung weit unterschieden sein. Auch muss der Anfang dieser Weisheit und Erkenntniss in diesem Leben gemacht werden. Das ist der Wille und Anordnung Gottes, darum müssen wir Etwas davon lernen und sollen die Sprüche davon, die Gott geoffenbaret, fleissig betrachten. Dadurch wirkt der heilige Geist und wird in unserm Herzen dieses Licht anzünden.

Vom andern Artikel,

warum dieses grosse Werk geschehen sei, dass Gottes Sohn menschliche Natur an sich genommen hat.

Von diesen Ursachen ist hochnöthig zu reden, dass man wisse, was dieses Herrn Gaben und Gnaden sind. Und hie müssen wir gegen einander halten den jämmerlichen Fall des menschlichen Geschlechts und die Erlösung.

Die göttliche Majestät hat den Menschen geschaffen, dass er Gottes Tempel und Wohnung sein sollte, dem Gott seine Gütigkeit mittheilet, und darum dagegen Gott erkannt und gepreiset würde, mit Lehre, Anrufung, Danksagung, Bekenntniss und Gehorsam; hat also diesen Tempel schön und rein geschaffen und mit seinen Gaben, Weisheit, Gerechtigkeit, freiem Willen gezieret, und hat den Menschen ein Gebot ausdrücklich gegeben, den Gehorsam darin zu beweisen, und haben Adam und Heva ihre hohen Gaben also empfangen, dass sie auf die nachkommenden Erben und für und für in die Natur sollten gepflanzt sein, Weisheit, Glaube, brennende Liebe und Furcht Gottes und ganze Gerechtigkeit. Und sind also Adam und Heva nicht allein für ihre Person in solche hohe Ehre gesetzt, sondern haben dem ganzen menschlichen Geschlecht diesen hochvertrauten Schatz sollen bewahren und auferben.

Dagegen aber der Teufel aus grimmigem Hass wider Gott die arme menschliche Natur mit geschwinder giftiger Anreizung und mit Lügen angegriffen, dass also Heva und hernach Adam gefallen. Und diesen Fall soll man nicht für eine geringe Sünde achten; denn es ist nicht um den Apfel zu thun, siehe das Herz an, die Herzen sind von Gott abgewichen, haben des Teufels Lügen geglaubt wider Gottes Wort, haben den heiligen Geist von sich ausgestossen, sind Gott zum Höchsten undankbar gewesen, sind nun Mörder worden an dem ganzen menschlichen Geschlecht und sind Ursach aller Sünde und Abgötterei, Mord, Unzucht und alles Elends in menschlicher Natur; darum ist alsdann die göttliche Majestät, Vater, Sohn und heiliger Geist hocherzürnt und ist Solches wahrhaftiger Zorn.

Solches verstehen Adam und Heva und sonderlich, da sie Gott anredet und straft. Ach Gott, wer kann solches Gewissen und Gericht dulden und ertragen? Wie wäre Adam und Heva in dieser grossen Angst alsbald gestorben und zu Asche worden, so sie Gott nicht aus grosser Barmherzigkeit im Leben erhalten und hernach getröstet hätte.

Also müsst ihr erstlich diesen schrecklichen Fall betrachten, und darnach schaue ein Jeder sich selbst an und bekenne seine eigene Sünde und bedenke, dass Gott über alle Sünde, deine und aller Menschen Sünde, wahrhaftiglich zürnet, und ist solcher Zorn nicht ein blosser Gedanke in Gott, sondern wirkt grausame Strafe und ewigen Tod.

Als nun Adam und Heva und wir Alle in Sünde und Tod gesunden, da ist der Sohn Gottes vor den ewigen Vater niedergefallen und hat für das arme menschliche Geschlecht gebeten, und ist also im göttlichen feierlichen Rath dies wunderbarliche Werk beschlossen, dass der Sohn in menschlicher Natur ein Opfer werden sollte und sollte Gottes Zorn versöhnen.

Und hat die göttliche Majestät in diesem Werke Beides wollen erzeigen, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit. Barmherzigkeit ist’s, dass sie die elenden Menschen wiederum annimmt, Gerechtigkeit aber ist’s, dass die göttliche Majestät dennoch eine gleiche Bezahlung und Strafe haben will. Adam und der Sohn Jesus Christus sind die zwo höchsten Personen im menschlichen Geschlecht. Als nun Adam den vertrauten Schatz für sich und für uns Alle verloren hat, da ist dagegen noch eine höhere Person, die ohne Sünde ist und ohne Sünde bleibt und dem Vater herzlich lieb ist, die nimmt die Strafe gleich auf sich, die gilt nun für Andere. Denn diese Person ist ohne Sünde.

Also hat Gott zugleich Barmherzigkeit und Gerechtigkeit erzeigt, und sollen wir tollen Menschen die leichtfertigen Gedanken aus dem Herzen wegstossen, dass man Gottes Zorn gering achtet und meinet, es sei Scherz Sünde vergeben. Ach, der Zorn wider die Sünde ist so gross, dass ihn Niemand versühnen oder tragen hat mögen, denn allein dieser Sohn.

Und merke fleissig diese vier Ursachen, darum beide Naturen, die göttliche und menschliche Natur, in diesem Versühner zusammengefügt sind.

Erstlich, dieweil die menschliche Natur gesündigt hat, so fordert die Ordnung der Gerechtigkeit, dass ein Mensch auch die Strafe tragen sollte; darum hat der Erlöser ein Mensch sein müssen.

Zum Andern, damit die Bezahlung für die Sünde genugsam würdig und der Verdienst höher, denn die Sünde wäre, so hat der Versühner höher müssen sein, denn alle Creaturen; darum ist dieser Versühner eine göttliche Person.

Zum Dritten so hat keine Creatur Gottes unermesslichen Zorn tragen können und Sünde und Tod überwinden und Gerechtigkeit und Leben wiederum geben, sondern allein eine göttliche Person.

Zum Vierten, dieweil die Kirche für und für Schutz, Rettung und Hilfe bedarf, so ist dieser allmächtige Sohn zum Schutzherrn verordnet; denn solch Werk ist über der Creatur Vermögen.

Diese Ursachen, bitte ich, wollet fleissig zu Herzen fassen und sie heute und sonst oft betrachten.

Aus diesem Allen lernet ihr nun vom andern Artikel, von den Ursachen, warum dieser Heiland gesandt ist, nämlich, dass wir armen Menschen von unsern Sünden, vom Tode, von ewiger Verdammniss durch dieses Heilands Opfer und Verdienst erledigt, und dass wir wiederum in Gottes Gnaden angenommen werden, und wird uns gnädiglich wiederum gegeben durch diesen Sohn und um seinetwillen heiliger Geist, Gerechtigkeit und ewiges Leben. Auch ist dieser Heiland alle Zeit bei uns, hilft und errettet uns in allerlei Nöthen, leiblichen und geistlichen, dass der Mörder, der Teufel, uns nicht verschlingen möge. Darum spricht der Sohn Gottes: Ich bin alle Zeit bei euch. Item: Nemo rapiet oves meas ex manibus meis. Niemand wird meine Schäflein mir aus den Händen reissen.

Und dies Alles ist gefasset in das Wort Immanuel, Gott bei uns und mit uns. Erstlich bezeuget dieses Wort, dass dieser Heiland Gott ist. Zum Andern, dass er bei uns und mit uns sei, das ist, dass uns nun Gott gnädig sei und wolle uns gewisslich wiederum Gerechtigkeit und ewiges Leben geben, dass er bei uns sei und bewahre und erhalte uns, wie er selbst spricht: Ich bin alle Zeit bei euch. Und Moses spricht zu ihm Exod: 33.: So du nicht für uns mitziehen willst, so lass uns nicht ziehen. Da spricht er, er wolle mitziehen.

Und stimmen klar zusammen alle Verheissungen. Die erste: Des Weibes Same wird der Schlange den Kopf zertreten. Das ist, dieser Sohn Gottes, aus Maria, der Jungfrau geboren, wird den Teufel strafen und den Schaden, den der Teufel gethan hat, heilen und dem Teufel seine Macht nehmen, wird uns erledigen von Sünden Tode und ewiger Strafe, wird uns wiedergeben Gnade, Gerechtigkeit und ewige Seligkeit.

Dies sagt auch der Spruch Jakob’s: Wann der Siloh, das ist, des Weibes Sohn, kommt, zu Dem wird das menschliche Geschlecht Zuflucht nehmen. Und in Esaia: Der Sohn ist uns gegeben, und er ist genannt Gott und Vater des ewigen Lebens. Solcher Sprüche etliche solltet ihr diese Tage wohl betrachten, euch zu erinnern und zu glauben und zum Gebet vermahnen.

Folget nun

der dritte Artikel.

Ja, sprichst du, es sind hohe, grosse Gaben. Wie kann aber ich elender und sündiger Mensch diese überschwänglichen Gaben erlangen? Was sind wir elenden Menschen anders, denn wie arme Würmlein? Wie können wir Gottes Kinder und Erben ewiger Seligkeit werden? Antwort. Eben darum ist die hohe und göttliche Person, die fern über die Engel ist, dieser Herr aus Maria der Jungfrau geboren, dieweil ich und du und wir Alle arme, elende Würmlein sind, und dieweil wir unwürdig und sündig sind, ist er gesandt als der Versühner und Erlöser, und wird uns Gott gewisslich um dieses Herrn Jesu Christi willen annehmen, Sünde vergeben und selig machen. Und ist Gottes ernstliches, unwandelbares Gebot, dass wir Alle Solches glauben und diesen Sohn annehmen, wie der ewige Vater mit seiner Stimme vom Himmel befohlen: Dieser ist mein geliebter Sohn, an welchem ich herzliche Wonne und Freude habe; Diesen sollt ihr hören! Item im 5. Buche Mosis am 18. Cap. spricht er: Wer ihn nicht hören will, Den will ich vertilgen. Item, im andern Psalm: Küsset den Sohn, dass er nicht zürne, und ihr vertilget werdet. Selig sind Alle, die auf ihn vertrauen.

Nun lehret uns dieser Heiland Jesus Christus, der Sohn Gottes, aus der göttlichen Majestät feierlichem Rath diesen Befehl gebracht und eröffnet, dass wir schuldig sind, ihn zu hören, und dass wir seine Gaben gewisslich erlangen durch Glauben und Vertrauen auf ihn und nicht von wegen eigener Werke und Verdienste. Das sollst du festiglich glauben, dass du Vergebung der Sünden gewisslich hast und vor Gott gerecht, das ist Gott gefällig bist, so du auf den Sohn Gottes, Jesum Christum, vertrauest und herzlich glaubest, dass dich Gott um seines Sohnes willen annimmt, dir deine Sünde vergiebt, und nicht von wegen deiner Werke. Unser Verdienst kann Gottes Zorn nicht versühnen. Dieser Sohn Gottes ist der Versühner und nimmt dich an, wie er die armen ersten Menschen, Adam und Heva, ohne alles Verdienst aus Gnaden angenommen, und wie er den elenden Mörder am Kreuz und also andere arme Sünder angenommen hat.

Diese Lehre höret ihr täglich und soll alle Zeit in euren Herzen leuchten, dass ihr in aller Anrufung diesen Heiland anschauet und Glauben erwecket und wisset, dass euch Gott annimmt, ob ihr gleich kein Verdienst habt und arme, schwache Würmlein seid. Dass aber dieser Glaube in euren Herzen sein und bleiben könne, so müsset ihr Dieses auch wissen, wie ihr alle Zeit unterrichtet werdet, dass wir nicht in Sünden wider das Gewissen bleiben sollen. Denn ihr wisset, dass Gott diesen Eid geschworen hat: So wahr ich lebe, will ich nicht, dass der Sünder sterbe, sondern, dass er bekehret werde und das Leben habe. Dieser Eid begreift beide Stücke: Bekehrung und Vergebung der Sünden. Gott bestätigt mit seinem Eide, dass er dir deine Sünde vergeben will; doch ist in diesem Eide Dieses mitgefasset, dass du dich belehren sollst, das ist, dass du nicht in Sünden wider das Gesetz beharren sollst. Und hat St. Paulus diese Regel allen Menschen fürgestellt: Milita bonam militiam, habens fidem et bonum conscientiam, dieses ist die löbliche Ritterschaft, darin du bleiben sollst, nämlich Glauben und gutes Gewissen behalten. Diesen kurzen Spruch wollet in eure Herzen schreiben als eine ewige Regel des ganzen christlichen Lebens, und sollt wissen, dass der Papst und die Mönche unrecht lehren, die da sagen, dass die Menschen Vergebung erlangen von wegen eigener Verdienste, und dieweil man nicht weiss, wann man Verdienst genug hat, so soll man alle Zeit in Zweifel bleiben. Diese päpstliche Lehre ist eine Vertilgung des heiligen Evangelii, die man ernstlich fliehen und verfluchen soll, und lästert das Blut und Verdienst unseres Herrn und Heilands Jesu Christi. Darum sollst du dagegen den ernstlichen, unwandelbaren Befehl Gottes wissen, dass du wahrhaftiglich glauben sollst, dass dir um des Herrn Christi willen deine Sünden vergeben sind, nicht von wegen deiner Verdienste, und sollst du durch diesen Glauben Trost und Freude fühlen und fröhlich Gott anrufen und wissen, dass dieser Hohepriester, der Sohn Gottes, vor dem Vater stehet und dein Seufzen und Gebet dem ewigen Vater vorträgt.

Dieses sei kurz geredet von den drei Artikeln. Nachdem ihr nun die Lehre gehört habt, so soll darauf Danksagung und herzlich Gebet folgen, und wiewohl kein Mensch im Himmel oder auf Erden für solche grosse Gnade und Wunderwerk genugsam danken kann, so soll dennoch das Herz niederfallen vor Gott, in Betrachtung dieser grossen Gnaden, dass die göttliche Person menschliche Natur angenommen, uns zu erlösen, und soll ein Fünklein Dankbarkeit haben und fühlen, und soll unser Mund mit allen Heiligen im Himmel und auf Erden danksagen:

Allmächtiger, wahrhaftiger Gott, Vater unseres Heilands Jesu Christi, Schöpfer Himmels und der Erde und des menschlichen Geschlechts und anderer Creaturen, sammt Deinem lieben Sohne Jesu Christo und heiligem Geiste, wir danken Dir herzlich, dass Du uns Deinen Sohn Jesum Christum, geboren aus der Jungfrau Maria, aus wunderbarlichem Rathe und grosser Barmherzigkeit gesandt hast und zum Versühner und Mittler für uns verordnet und willst uns um seinetwillen gnädiglich annehmen. Wir bitten Dich auch um Deines lieben Sohnes willen, Du wollest uns gnädig sein, Dir eine ewige Kirche unter uns sammeln und uns regiren und bewahren. Auch danken wir mit Herzen Dir, o Herr Jesu Christe, Gottes Sohn, aus der Jungfrau Maria geboren, dass Du aus grosser Barmherzigkeit und Liebe gegen das arme menschliche Geschlecht unser Fürbitter und Versühner worden bist und hast Dich gnädiglich geoffenbaret im menschlichen Geschlecht und giebst uns Dein Evangelium und sammelst Dir eine ewige Kirche. Wir bitten Dich herzlich, Du wollest unser Immanuel sein, wollest für uns Deinen ewigen Vater bitten und Dir für und für eine ewige Kirche unter uns sammeln und uns mit Deinem heiligen Geiste regiren und wollest bei uns alle Zeit sein und uns gnädiglich bewahren. Amen.

Wir glauben auch herzlich, dass Du, ewiger Gott, Vater, Sohn und heiliger Geist, Schöpfer Himmels und der Erden, unser Seufzen und Gebet wahrhaftiglich erhörst um des Herrn Christi willen, wie er befohlen hat: Bittet, so werdet ihr empfahen, um was ihr den Vater bitten werdet in meinem Namen, Das wird er euch geben. Du wollest auch den Glauben und das herzliche Sehnen und Bitten in uns stärken. Amen.

Quelle: Beste, Wilhelm - Die bedeutendsten Kanzelredner der lutherschen Kirche des Reformationszeitalters

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