Eckbert - Auf Estomihi - Reizung zur Liebe.

Eckbert - Auf Estomihi - Reizung zur Liebe.

Reizung zur Liebe

Jesum von Nazareth, den unschuldig die Juden zum Tode verdammten, die Heiden ans Kreuz hefteten, den feiern wir Christen mit göttlichen Ehren. - Würdig ist es und heilsam und ehrenbringend, daß wir, die wir Christi sind, in Ehrfurcht verehren, in Liebe umfassen und mit allem Eifer nachleben unseres Heilandes tiefe Erniedrigung. Denn sie vor allem ist das starke Werkzeug, damit die allmächtige Kraft und die unausforschliche Weisheit Gottes die Wiederbringung der Welt in mächtiger und wunderbarer Weise ins Werk gesetzt hat und ohne Unterbrechung bis heute ins Werk setzt.

Der Herr Christus ist niedriger geworden als die Engel, damit er uns den Engeln gleich machte. Darum, wer sollte um Christi willen sich nicht erniedrigen? Christus, unser Herr, ist um unserer Sünden willen gekreuzigt worden, und hat also denen, die ihn lieben, des Kreuzes Bitterkeit in eitel Süßigkeit verwandelt. Er starb, und hat den Tod getödtet, daß wir das Leben hätten durch ihn. Darum, wer sollte nicht den Herrn Christus lieben? Wer sollte nicht für ihn leiden? Durch die Schmach des Kreuzes ging Christus ein zur Herrlichkeit höchster Verklärung, und für einen Gehorsam ward ihm von Gotte dem Vater alle Gewalt gegeben im Himmel und auf Erden, daß alle Engel ihn anbeten und in dem Namen Jesu aller derer Kniee sich beugen sollten, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind.

Worinnen also kannst du dich rühmen, mein Christ, als allein in dem Namen des Gekreuzigten, Jesu Christi unters Herrn, in dem Namen, der über alle Namen ist, in dem, was auf Erden gesegnet ist, gesegnet sein wird auch im Himmel. So rühmet euch nun in dem Namen des Sohnes, der euch erlöset hat und gebt die Ehre eurem Heilande, der Großes an uns gethan hat, und preiset mit mir seinen Namen und sprechet: Wir beten dich an, o Christe, du König in Israel, du Licht der Heiden und Fürst der Könige auf Erden, dich Herr Zebaoth, dich starken Helden des allmächtigen Gottes. Wir beten dich an, kostbares Lösegeld unserer Erlösung, friedebringendes Opfer; allein durch deines Wohlgeruches unschätzbare Lieblichkeit hast du den Vater, der in der Höhe wohnt, herniedergeneigt zu schauen auf das, was niedrig ist, und hat ihn versöhnt mit den Kindern des Zornes.

Wir preisen, o Herr, deine Erbarmungen, wir verkünden ohne Aufhören das Gedächtniß deiner Lieblichkeit. Dir, o Christe, bringen wir dar unser Lobopfer für die Fülle der Wohlthaten, die du erwiesen hat uns, dem ungerechten Samen, den Kindern der Sünde und des Verderbens. Denn als wir noch deine Feinde waren, Herr, und der Tod von Alters her, grausam über alles Fleisch die ungerechte Herrschaft übte, der, kraft der Urschuld, aller Same Adams unterworfen war, da gedachtest du des Wortes deiner Barmherzigkeit und schautest herab von deiner erhabenen Wohnung in dies Thal der Thränen und des Jammers. Du sahest das Elend deines Volkes und dein innerstes Herz erbebte von süßer Liebe, darum wolltest du über uns Gedanken des Friedens haben und der Erlösung.

Und obwohl du warest Gottes Sohn, wahrhaftiger Gott, mit Gotte dem Vater und dem heiligen Geiste gleich ewig und von gleichem Wesen, in einem Lichte wohnend, da Niemand zukommen kann, verschmähtest du doch nicht, mit deiner Majestät in der armen Hütte unserer Sterblichkeit einzukehren, um also unser Elend so wohl zu schmecken, als zu verzehren, und uns wiederum zu Ehren zu bringen. Es war deiner Liebe zu wenig, zur Vollbringung des Erlösungswerkes die Cherubim oder Seraphim, oder einen der Engel zu bestimmen: durch den Willen des Vaters, dessen überschwängliche Liebe wir erfahren haben in dir, wurdest du in die Würde gesetzt. Selbst zu uns zu kommen. Du bist zu uns gekommen, sag ich, nicht durch einfache Veränderung deines Ortes, sondern indem du deine Gegenwart uns durch dein Fleisch erwiese. Vom königlichen Throne deiner erhabenen Herrlichkeit bist du herabgestiegen in eine vor ihren eigenen Augen niedrige und verwerfliche Jungfrau, die das fromme Gelübde jungfräulicher Keuschheit unverletzt hielt; in ihrem heiligen Leibe bist du allein durch des Heiligen Geistes unsägliche Kraft empfangen worden und geboren in der Natur wahrhaftiger Menschheit: so daß solche Geburt weder in dir die Majestät der Gottheit, noch in der Mutter die Unverletztheit der Jungfräulichkeit verringerte. O liebenswerthe und staunenswürdige That, deren wir gewürdigt wurden! Du, Gott von unermeßlicher Herrlichkeit, hat nicht verschmäht ein verächtlicher Wurm zu werden: Du, der Gott Aller, wolltest deiner Knechte Mitknecht werden. Es schien dir zu wenig uns Vater zu sein; du hast uns gewürdigt sogar unser Bruder zu sein, ja du, Herr des Weltalls, der du keinen Mangel hat an irgend einem Gut, du bist selbst im Beginne deines Eintrittes in die Welt nicht davor zurückgeschreckt die Uebelstände der allerbitterten Armuth zu erleiden. Wie denn die Schrift sagt: bei deiner Geburt war für dich „kein Raum in der Herberge; “ du hattest nicht einmal eine Wiege, die deine zarten Glieder auf nahm, sondern du, der die Erde in seiner Hand hält, du wurdest in Windeln gewickelt niedergelegt in eines unreinen Stalles armselige Krippe, und selbst diese mußte deine Mutter von unvernünftigen Creaturen borgen. So tröstet euch, ihr, die ihr im Staube der Armuth aufwachst, denn Gott ist eurer Armuth Genosse. Er liegt nicht wonniglich auf glänzendem Lager; du findest ihn nicht da, wo man wohllebt.

Was willst du Reicher noch länger rühmen das Ding von Staub, dein gesticktes und üppiges Bett, darauf du dich wälzest, während doch der König der Könige durch seine Ruhe viel lieber das Lager der Armen ehren wollte. Was findest du hartes Lager abscheulich, während doch das zarte Kindlein, das Alles in seiner Hand hält, deinem seidenen Decken, deinen weichen Federn die harte Strohstreu der Thiere des Stalles weit vorzog? Auch deine zarteste Kindheit, o Christe, war vor den Schwertern der Verfolger nicht sicher: denn noch sogt und lagst du an der süßen Brust deiner Mutter, als ein Engel dem Joseph im Traume erschien und sprach: „Stehe auf, und nimm das Kindlein und seine Mutter zu dir, und fliehe in Aegyptenland, und bleibe all da, bis ich dir sage, denn es ist vorhanden, daß Herodes das Kindlein suche, das selbe umzubringen.“ Ja schon damals, du guter Jesus, begann dein hartes Weiden. Du hattest nicht allein jene Verfolgung deiner Kindheit in dir selbst zu erleiden, sondern auch den Tod in deinen kleinen Altersgenossen, deren viele der unmenschliche Herodes an ihrer Mütter Brüsten hinschlachtete. Nach den Tagen aber deiner zarteren Kindheit hast du in Demuth uns ein Beispiel der Lernbegier gegeben. Denn du aßest nicht unter denen, die leeres Geschwätz treiben, sondern mitten unter den Lehrern, und befragtest dich mit ihnen und hörtest ihnen zu, während du doch der Herr aller Erkenntniß warest, ja die Weisheit Gottes des Vaters selbst. Auch ein Vorbild des Gehorsams hast du uns aufgestellt, indem du, der Herrscher der Welt, in Demuth der Herrschaft deiner Aeltern unterthänig warest. Aber als du zur Vollkraft reiferen Alters kamet, wolltest du deine Hand an Größeres legen und gingst hervor zum Heile deines Volkes, als ein herrlicher Held zu durchlaufen den Weg unseres ganzen Elendes. Und zwar zuerst, um in allen Stücken deinen Brüdern gleich zu werden, tratest du gleich wie ein andrer Sünder zu deinem Knechte, der die Sünder taufte mit der Taufe zur Buße; du begehrtest getauft zu werden, du unschuldiges Gotteslamm, das nie vom geringsten Hauche der Sünde befleckt war. Durch deine Taufe aber hast du nicht dich im Wasser, sondern das Wasser in dir geheiligt, um durch dasselbige uns zu heiligen. Nach der Taufe gingst du im Geiste der Kraft hinweg in die Wüste, damit an dir auch das Beispiel einsamen Lebens nicht fehlen sollte. Vierzig Tage lang hast du Einsamkeit und Fasten, bitteren Hunger, alle Anläufe des Versuchers gleichmüthiger Seele ertragen, um das Alles uns erträglich zu machen. Dann erst gingst du zu den verlorenen Schafen vom Hause Israel: frei, öffentlich hobst du empor den Leuchter des göttlichen Wortes, zu erleuchten den Erdkreis, und hat das Reich Gottes verkündigt Allen, die deiner Stimme gehorchen wollten; hat auch deine Predigt bestätigt durch mit folgende Zeichen: an allen Leidenden erwieset du die Kraft deiner Gottheit und ohne Geld und umsonst er zeigtest du ihnen. Allen alle Hülfe, die ihnen zum wahren Heile diente, um sie. Alle zu gewinnen. Aber, o Herr, ihr thörichtes Herz war verdüstert, und sie warfen hinter sich alle deine Worte, und alle deine Wunder, die du, Herr, mitten unter ihnen thatest, achteten sie nicht, ohne die ganz kleine Zahl edeler Helden, die du erwähltest aus dem, was schwach und verachtet vor der Welt war; aber gerade durch die wolltest du wunderbarer Weise zum Siege hinausführen hohe und große Dinge. Nicht allein mit Undank hat man dir gelohnt dein williges Wohlthun, sondern mit Schimpf auch hat man dich belegt, dich, den Herrn aller Herren, und sie thaten an dir nach ihres Herzens Gelüsten. Du thatest unter ihnen Wunder, die kein anderer Mensch thun konnte, und doch, was jagten sie? „Dieser Mensch ist nicht von Gott, denn er treibt die Teufel aus durch der Teufel Obersten, er hat den Teufel und verführt das Volk, er ist ein Fresser und ein Weinsäufer, der Zöllner und Sünder Geselle.“ Du Menschenkind, was weinst du noch, was seufzest du noch, wenn du beleidigende Scheltworte ertragen mußt? Hörest du nicht, was für schmachvolle Vorwürfe gegen den Herrn deinen Gott fielen um deinetwillen? Haben sie den Hausvater Beelzebub geheißen, wie viel mehr werden sie seine Hausgenossen also heißen? Und wenn sie diese und ähnliche Lästerreden gegen dich ausstießen, und wenn sie, wie einige Male geschah, mit Steinwürfen dich anfielen, so hast du, guter Jesus, das in Geduld ertragen, und bist unter ihnen geworden gleich wie ein Mensch, der nicht hört und wie einer, der keine Widerrede in seinem Munde hat. Zuletzt aber haben sie auch von deinem Jünger, der dich verrieth, von dem Kinde des Verderbens, um dreißig Silberlinge dein unschuldiges Blut erkauft, um dein Leben in des Todes Tiefen zu stürzen ohn Ursach. Und zwar war die Treulosigkeit deines schändlichen Verräthers dir nicht verborgen, als du beim Abendmahle den Jüngern die Füße wuschelt und auch vor ihm gebeugter Kniee niederfielest und auch eine verfluchten Füße, die eilends waren dein Blut zu vergießen, würdigtest, sie mit deinen allerheiligsten Händen zu berühren, zu waschen und abzutrocknen. Warum aber, der du Asche und Staub bist, warum gehst du immer noch so aufgerichteten Hauptes? Warum erhebt dich immer noch dein Stolz? Warum erregt dich immer noch Ungeduld? Siehe doch in den Spiegel der Demuth und Leutseligkeit, siehe an den Herrn Jesus, den Schöpfer der ganzen Welt, den schrecklichen Richter der Lebendigen und der Todten, wie er vor den Füßen des Menschen, der ihn verrieth, die Kniee beugt. Lerne von ihm, denn er ist sanftmüthig und von Herzen demüthig. Erschrick vor deinem Stolze und erröthe vor deiner Ungeduld. Auch das, o Herr, war ein Zeichen deiner Leutseligkeit, daß du jenen Treulosen vor den versammelten Brüdern nicht bloßstellen und öffentlich beschämen wolltest, sondern in sanftmüthiger Weise gabst du ihm die Mahnung: Was du thut, das thue bald. Doch durch das Alles ward seine Wuth nicht von dir gewendet, sondern er ging hinaus und lief hin und her zu vollenden die oft erwogene Uebelthat. Wie bist du vom Himmel gefallen, du lichtbringender Morgenstern? Du schienst ein ehrenreicher Genosse der Himmelsbürger, die Paradieses-Wonne schmeckten und an der gastlichen Tafel des Wortes Gottes saßen. Wie bist du nur unter die Kinder der Finsterniß gerathen? Du lebtest herrlich und in Freuden, warum hast du liebgewonnen. Moder und Verwesung? Damals, o Christe, wurde der Kreis deiner Jünger verklärt, als der Unreine hinausging aus ihrer Versammlung, die in Gemeinschaft mit den Engeln stand. Damals erst wurde jener selige Bruderkreis mit dem göttlichen Redeergusse deines Mundes getränkt, wie mit einem Strome; sintemal nun erst hinausgethan war jener Mann mit dem verderben schwangeren Herzen, von dem du wohl wußtest, daß er ungeschickt war, den Erguß jener klarfließenden Wasser in sich aufzunehmen. Nachdem du aber das heilbringende Gebet der Liebe und der Geduld gegeben und deinen Brüdern das Reich deines Vaters verheißen hattest, gingst du mit ihnen von hinnen nach dem Ort, den dein Verräther wohl kannte, und wußtest Alles, was über dich kommen würde. Dort hast du die Brüder gewürdigt, ihnen die Traurigkeit deiner Seele zu offenbaren, die wegen deines bevor stehenden Leidens über dich kam, und die du, wie alles Andere, das du littet, freiwillig auf dich genommen hast und sprachst: „Meine Seele ist betrübt bis an den Tod!“ Du beugtest auch deine Kniee und fielest mit deinem Antlitz zur Erde und betetest heftiger und spracht: „Abba, mein Vater, ists möglich, so gehe dieser Kelch vorüber!“ Dazu der Blutschweiß, der unter dem Gebete von deinem heiligen Leibe tropfenweise auf die Erde fiel, er war ein gewisses Zeichen deiner Herzensnoth. Mein Jesus, du Herr und Herrscher, woher solch heftiger Sturm in deiner Seele? Woher dieser Angstschweiß und solch ängstliches Flehen? Hast du nicht gänzlich freiwillig dem Vater dein Opfer gebracht, hast du nicht gerne alles Leiden getragen? Gewißlich, o Herr. Aber weil du auch das zum Trost deiner schwachen Glieder auf dich genommen, so erachten wir, daß keiner Ursach hat zu verzweifeln, wenn etwa das schwache Fleisch sich sträubt gegen den Geist, der zum Leiden bereit ist. Damit wir nämlich um so größeren Antrieb zur Liebe und Dankbarkeit gegen dich empfingen, hast du der natürlichen Schwäche des Fleisches an dir einen Ausdruck verliehen durch solcherlei Zeichen, daß wir an ihnen lernen können, du hast in Wahrheit unsere Krankheit getragen und bist nicht ohne Gefühl des Schmerzes den Dornenweg des Leidens gegangen. Denn jenes Wort scheint aus dem Fleisch und nicht aus dem Geist zu stammen, darum, weil du hinzugefügt hat: „Der Geist ist zwar willig, aber das Fleisch ist schwach.“ Wie willig dein Geist zum Leiden war, hast du klärlich erwiesen, als mit deinem Verräther deine Henker kamen und mit Laternen und Fackeln und Waffen dich suchten in der Nacht. Du bist ihnen freiwillig entgegengegangen und hast dich selbst durch das Zeichen offenbart, das ihnen von ihrem Führer bei dieser Schandthat gegeben war. Du hast, als er hinzutrat und deinen heiligen Mund küssen wollte, dich nicht abgewendet von dem blutigen Scheusal, sondern mit dem Munde, in dem kein Betrug erfunden ward, berührtest du sanft den Mund, der überfloß von Bosheit.

Unschuldiges Lamm Gottes, was hast du mit jenem Wolfe zu schaffen? Was hat Christus für eine Gemeinschaft mit Belial? Aber auch das, Herr Jesu, wolltest du nach deiner Leutseligkeit an ihm thun, um Alles an ihm zu versuchen, was die Hartnäckigkeit eines verkehrten Herzens hätte erweichen können. Du dachtest noch an den alten Freundschaftsbund, als du an ihn das mahnende Wort richtetest: „Mein Freund, warum bist du gekommen?“ Und das Herz des Gottlosen sollte vor seinem Verbrechen zurückschaudern und in sich schlagen, als du sprachst: „Juda, verräthst du des Menschen Sohn mit einem Kuß?“ Doch siehe da, es hieß: Philister über dir, Simson. Es schreckte jene von dir, daß du sie in der Stunde der Gefangennehmung mit dem Arm deiner Allmacht zu Boden stießest, nicht um dich zu vertheidigen, sondern um den menschlichen Uebermuth erkennen zu lassen, er vermöge nur so viel gegen dich, als du ihm zulassen wolltest. Wer kann es ohne Seufzer mit anhören, wie Mörder in jener Stunde Hand an dich legten und deine unschuldigen Hände, du guter Jesus, in Fesseln schlugen, und dich, das sanftmüthige Lamm, das keine Widerrede in seinem Munde hatte, wie einen Räuber schmachvoll schleppten zur Schlachtbank. Aber auch damals, o Christe, hast du nicht aufgehört, über deine Feinde auszugießen deine Barmherzigkeit und herabzuträufeln deine honigsüße Liebe. Denn auch des Feindes Ohr, das dein Jünger abgehauen hatte, berührtest und heiltest du, und dämpftest den Eifer deines Vertheidigers, daß er nicht verletzen durfte die, so dich hinwegrissen. Verflucht sei ihre wilde Wuth, deren Hartnäckigkeit weder durch die Majestät des Wunders, noch durch Barmherzigkeit und Wohlthun zerbrochen werden konnte. Vor den Rath der Hohenpriester gestellt, die dir übel wollten, hast du, wie es dir zukam, die Wahrheit bekannt; aber, als ob du Lästerworte geredet hättest, wurdest du zum Tode verurtheilt. Du hochgeliebter Herr, was hast du dort von deinem eigenen Volke für Unwürdigkeiten und Beschimpfungen ertragen müssen? Dein ersehntes Antlitz, das auch die Engel gelüstet zu schauen, das alle Himmel mit Freuden erfüllt, das anbeten werden alle Herrlichen in Volk, das besudelten sie mit dem Speichel ihrer unreinen Lippen, das schlugen sie mit ihren verruchten Händen, das verdeckten sie zum Gespötte mit einem Mantel, und dich, den Herrn aller Creaturen, haben sie, wie einen verächtlichen Knecht mit Faustschlägen mißhandelt. Dazu aber noch übergaben sie dich mit Leib und Leben dem heidnischen Hunde zum Verschlingen. Sintemal sie dich gebunden vor Pilatus führten und begehrten, er solle dich, der von keiner Sünde wußte, mit der Todesstrafe des Kreuzes belegen und ihnen das Leben eines Menschenmörders schenken; also haben sie den Wolf dem Lamme, Koth dem Golde vorgezogen. O über solch unwürdige und unselige Wechselwahl! Und zwar wußte jener gottlose Mann recht wohl, daß sie aus Neid dir das anthaten, und doch hielt er seine verwegenen Hände nicht von dir zurück, sondern erfüllte deine Seele mit bitterem Leid ohn Ursach. Zum Gespött schickte er dich dem Herodes zu; als du verspottet warst, nahm er dich wieder zurück; nackt und bloß ließ er dich stehen vor den Augen deiner Spötter; ohne Schonung ließ er mit bittersten Ruthenhieben dein Fleisch zergeißeln; mit Schlag auf Schlag, mit Faustschlag auf Faustschlag ließ er grausam dich zurichten. O du heiliges Kind des Herrn meines Gottes, womit hattest du solche Kränkungen, womit solche Mißhandlungen verdient? Was hattest du begangen? Nichts, gar nichts. Ich, ich und meine Sünden, die haben dir erreget das Elend, das dich schläget und das betrübte Marterheer. Ich, o Herr, ich habe Heerlinge gegessen und deine Zähne sind stumpf geworden. Und was du nicht geraubt hast, hast du damals bezahlet. In solchen Allem aber ließ noch nicht ab, die Gottlosigkeit der treulosen Juden. Zuletzt sodann wurdest du in die Hände der heidnischen Kriegsknechte dahingegeben, den schimpflichsten Tod zu erleiden. Dich zu kreuzigen, war jenen Heiligthumschändern zu wenig, sie mußten vorher noch deine Seele mit Spöttereien übergießen. Denn was sagt von ihnen die Schrift? „Und sammelten über ihn die ganze Schaar in das Richthaus. Und zogen ihm seine Kleider aus und legten ihm einen Purpurmantel an. Und flochten eine Krone von Dornen und setzten sie auf sein Haupt und gaben ihm ein Rohr in seine rechte Hand. Und beugten die Kniee vor ihm und spotteten ihn und sprachen: Gegrüßet seist du, der Juden König. Und gaben ihm Backen streiche und spielen ihn an, und nahmen das Rohr und schlugen damit ein Haupt.

Und da sie ihn verspottet hatten, zogen sie ihm seine Kleider wieder an, daß sie ihn kreuzigten, und er trug sein Kreuz. Und führten ihn hin auf Golgatha und gaben ihm vermyrrheten Wein zu trinken mit Galle vermischt, und da er es schmeckte, wollte er nicht trinken. Dann kreuzigten sie ihn, und mit ihm zween Mörder, einen zur Rechten und einen zur Linken, in der Mitte aber Jesum. Jesus aber sprach: Vater, vergieb ihnen, denn sie wissen nicht was sie thun. Darauf, als Jesus wußte, daß schon. Alles vollbracht war, daß die Schrift erfüllet würde, spricht er: Mich dürstet. Und einer von ihnen lief hin, nahm einen Schwamm, füllete ihn mit Essig und legte ihn um ein Rohr und gab ihm zu trinken. Da nun Jesus den Essig getrunken hatte, sprach er: Es ist vollbracht. Und schrie laut und sprach: Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände. Und neigte sein Haupt und gab seinen Geist auf. Da öffnete seine Seite einer der Kriegsknechte mit dem Speere, und also bald ging heraus Blut und Wasser.“ Wache nun auf meine Seele, schüttele den Staub ab und betrachte diesen merkwürdigen Mann, den du, siehe doch, im Spiegel der Evangelien, als wäre er gegenwärtig, erblickt. Merk auf, meine Seele, wer der ist, der da einherschreitet als wie mit königlicher Würde angethan, und nichts desto weniger trägt er an sich, wie ein verachteter Knecht, reichliche Spuren unwürdiger Mißhandlung. Gekrönt geht er einher, aber seine Krone ist ihm eine Marter und mit tausend Stichen verwundet sie ein herrliches Haupt. Königlicher Purpur wird ihm angethan, aber vielmehr zur Schmach, als zu Ehren. Ein Scepter trägt er in seiner Hand, aber mit ihm gerade schlägt man sein ehrwürdiges Haupt. Anbetend beugen sie vor ihm die Kniee zur Erde und begrüßen ihn laut als ihren König; und im andern Augenblicke springen sie auf, seine lieblichen Wangen zu verspeien, sie geben ihm Backenstreiche und mit Faustschlägen verunehren sie sein ehrwürdiges Angesicht. Siehe doch, meine Seele, wie jener Mann alle erdenkliche Qual und Schmach erleidet. Unter die Last des Kreuzes muß er den Rücken beugen und muß selbst seinen Schandpfahl tragen. Er wird zum Richtplatz geführt, mit Myrrhen und Galle getränkt, ans Kreuz erhöht und spricht: „Vater, vergieb ihnen, denn sie wissen nicht was sie thun.“ Wer ist der, der unter allen seinen Drangsalen nicht. Einmal seinen Mund aufhat, der nicht. Ein Wort weder der Klage, noch der Anklage, noch der Drohung, noch des Fluches gegen jene verfluchten Heiden ausstieß, sondern zu guter Letzt Worte des Segens, wie sie von der Welt her nicht erhört wurden, über eine Feinde ergoß? Liebe Seele, hast du Jemand gesehen, der leutseliger, der gütiger wäre, als dieser Mann? Immer noch genauer schaue ihn an, und sage, ob er dir nicht der größten Bewunderung, des zartesten Mitleidens werth erscheint? Siehe ihn nackt und bloß, von Geißelhieben zerfleischt, inmitten der Mörder mit eisernen Nägeln an den Schandpfahl geheftet, am Kreuze mit Essig getränkt, nach dem Tode durch den Speerstich in der Seite verwundet, reiche Bäche des Blutes aus den fünf Wunden der Hände, der Füße und der Seite ergießend. Weinet ihr Augen, zerschmelze o Seele in den Gluthen des Mitleidens über das schwere Wehe dieses Mannes, den du liebst, und den du mit solcher Sanftmuth so große Schmerzen ertragen sieht. Jetzt aber, liebe Seele, hast du zwar seine Erniedrigung angesehen und bemitleidet, nun aber schaue an seine Majestät und du sollst dich verwundern. Denn was sagt die Schrift? „Um die sechste Stunde aber ward eine Finsterniß über das ganze Land bis an die neunte Stunde. Und die Sonne verlor ihren Schein und der Vorhang des Tempels zerriß von oben bis unten aus, und die Erde erbebte, und die Felsen zerrissen, und es standen auf viele Leiber der Heiligen, die da schliefen.“ Wer ist der, daß Himmel und Erde mit ihm leiden und sein Tod Todte lebendig macht? Erkenne es, liebe Seele, erkenne, daß dieser ist der Herr unser Gott, Jesus Christus, dein Heiland, der eingeborne Gottessohn, wahrhaftiger Gott, wahrhaftiger Mensch, der allein unter der Sonne ohne Flecken erfunden ward. Siehe doch, wie er ist „unter die Uebelthäter gerechnet und ist geachtet wie ein Aussätziger und wie der Geringste unter den Menschen und ist hinausgestoßen gleich wie eine unzeitige Geburt, so die Mutter bricht;“ darum ist er auch hinausgestoßen von der Mutter, die ihn gebar, von der unseligen Judenschaft.

Er, der Schönste unter den Menschenkindern, wie ist er so häßlich gemacht! Fürwahr um unserer Missethat willen ist er verwundet, um unserer Sünde willen ist er zerschlagen, und ist zum Brandopfer geworden, des Geruch dir süß däucht, o Vater der ewigen Herrlichkeit, um von uns abzuwenden deinen Zorn und um uns neben sich die Stätte zu bereiten im Himmel. Schaue hernieder, heiliger Vater, von deinem Heiligthume und von der Höhe deiner himmlischen Wohnung, und siehe an dies allerheiligste Opfer, das dir unser großer Hohepriester, dein heiliges Kind Jesus darbringt, für die Sünden seiner Brüder, und laß dich versöhnen wegen der Menge unserer Missethaten. Siehe, die Stimme des Blutes unseres Bruders Jesus schreit zu dir vom Kreuze. Denn warum, o Herr, warum hängt er daran? Ich sage, er hängt daran, weil vor dir das Vergangene ist, als wäre es gegenwärtig. Erkenne doch, , Vater, den Rock deines Sohnes, des wahrhaftigen Joseph. Wehe, wehe, ein böses Thier hat ihn gefressen, ein wildes Thier hat ihn zerrissen. Sein Kleid und alle seine Herrlichkeit hat es mit strömendem Blute befleckt. Siehe die beklagenswerthen fünf Risse, die es daran zurückließ. Siehe, o Herr, den Mantel, den dein unschuldiger Sohn in der Hand der ehebrecherischen Art, der verführerischen Welt, zurückließ; er achtete es besser, sein Kleid zu verlieren, als die Unschuld, er wollte lieber den Mantel seines Fleisches sich rauben lassen und in das Gefängniß des Todes hinabsteigen, als um alle Herrlichkeit der Welt der Stimme der Verführung nachgeben. Jene Stimme meine ich, die da sprach: „Dies Alles will ich dir geben, so du nieder fällt und mich anbietet.“ Und nun, Gott Vater, wissen wir, daß dein Sohn lebet und herrscht im ganzen Lande Aegypten, ja an allen Orten deiner Herrschaft. Denn aus dem Gefängniß des Todes und der Abgeschiedenen ist er ausgeführt worden zum Reiche deiner Majestät; alle Spur der Sterblichkeit ward von ihm abgethan, das Kleid eines Fleisches ward gewandelt und in Unsterblichkeit herrlich erneuert, und mit Ehren hast du ihn aufgenommen. Die Herrschaft des grimmigen Pharao hat er zerbrochen, und in hehrem Triumphe, kraft seines tugendlichen Heldenwandels ist er in den Himmel eingegangen. Und siehe, nun mit Herrlichkeit und Ehren gekrönet, sitzt er neben dir zur Rechten deiner Majestät um unsertwillen, denn er ist unseres Fleisches und Blutes, er ist unser Bruder.

Schaue an, o Herr, das Antlitz deines Christ, der dir gehorsam war bis zum Tode, laß seine Wunden nicht von deinen Augen kommen in Ewigkeit, und gedenke daran, was für eine genugsame Genugthuung für unsere Sünden du von ihm erhalten hat. Wäge doch, o Herr, wäge doch auf der Waage die Sünden, mit denen wir Zorn verdient haben, und das Leiden, das dein unschuldiger Sohn für uns erduldet hat; gewißlich, o Herr, wird dieses schwerer und gewichtiger erscheinen, als jene, und du wirst um desselbigen willen uns mit Barmherzigkeit überschütten und nicht um jener willen uns deine Barmherzigkeit im Zorn verhalten.

Es müssen alle Zungen und Völker dir, mein Gott und Vater, Dank sagen, daß du deines eingebornen herzgeliebten Sohnes nicht verschonet hat, sondern hat ihn für uns in den Tod gegeben, daß wir vor dir im Himmel einen unaussprechlich treuen und gewichtigen Fürsprecher haben sollten.

Aber dir, Herr Jesu, du eifriger Held, was für Dank, was für würdige Vergeltung soll ich dir hin wiederum darbringen, ich, ein Mensch, der Asche und Staub ist und ein nichtig Gebilde? Was mußtest du thun für mein Heil und hat es nicht gethan? Von der Fußsohle bis zum Scheitel hast du dich ganz versenkt in die Wogen der Leiden, um aus ihnen mich ganz herauszuziehen, und die Wasser drangen bis vor deine Seele, als du sie im Tode verlorest, um meine verlorene Seele mir wiederzugeben.

Siehe, zu doppelter Schuld hast du mich dir verpflichtet, darum, daß du mir zweimal meine Seele gegeben hat, zuerst bei der Schöpfung, zu zweit bei der Erlösung. So biete ich dir meine Seele dar, denn ich habe nichts Besseres, was ich dir geben könnte. Ich kann nichts finden, was der Mensch zur würdigen Vergeltung geben könnte, für deine so geängstete kostbare Seele. Denn wenn ich auch für sie geben könnte Himmel und Erde und alles Köstliche, was darinnen ist, gewiß würde auch das nicht nur irgendwie bis an die Höhe meiner Schuld hinanreichen. Meine Pflicht aber ist es, was ich nur habe und was ich nur kann, dir, o Herr, zur Vergeltung zu geben. Ich will dich lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von allen Kräften; ich will nachfolgen deinen Fußtapfen, denn du hast mich werth gehalten für mich in den Tod zu gehen. Wie aber vermöchte ich das? Nur durch dich! So soll an dir meine Seele hangen, denn aus dir kommt ihr alle ihre Kraft.

Und nun, mein Herr und Gott und mein Erlöser, dich bete ich an, als den wahrhaftigen Gott, an dich glaube ich, auf dich hoffe ich, zu dir seufze ich mit sehnlichem Verlangen: Hilf auf meiner Schwachheit. Die ruhmreichen Insignien deines Leidens, mit denen du mein Heil ins Werk gesetzt hat, bewegen mich ganz zur Andacht. Dich, o Christe, bete ich an, um deines königlichen Panieres, um des siegreichen Kreuzes willen. Dich, o Christe, bete ich an in Demuth und dich verherrliche ich um deiner Dornenkrone, um deiner blutgerötheten Nägel, um des Speeres willen, der in deine heilige Seite sich senkte, um deiner Wunden, um deines Blutes, um deines Todes, um deines Grabes, um deiner glorreichen und siegreichen Auferstehung und Verherrlichung willen.

Aus dem Allem weht mich Lebens-Odem an. Kraft solch lebendigmachenden Hauches erwecke, o Herr, meinen Geist vom Sündentode; kraft solcher Waffen schirme mich vor den listigen Anläufen des Satans und rüste mich mit deiner Stärke, daß mir das Joch deiner Gebote sanft sei, und die Last des Kreuzes, das du mich dir nachtragen heißest, den Schultern meiner Seele leicht sei und erträglich. Woher sonst soll ich die Kraft nehmen, die so vielfältigen Nöthe in dieser Welt nach deiner Vorschrift ungebeugten Geistes zu ertragen? Woher sonst soll ich die Füße nehmen, dir nachzueilen als ein Hirsch, dir, der du eilends warst zu laufen den Leidensweg voller Dornen und spitzer Steine?

Höre, ich bitte dich, höre meine Stimme, und neige auf deinen Knecht das liebe Kreuz, das Holz des Lebens. Aller, die es ergreifen, auf daß ich im Geiste hurtig laufe meinen Weg. Unermüdlich will ich dir das Kreuz nachtragen, das von deinen Feinden kommt. Lege, ich bitte dich, auf meine Schultern jenes allerheiligste Kreuz, dessen Breite ist die Liebe, die sich über alle Creatur erstreckt, dessen Länge ist Ewigkeit, dessen Höhe Allmacht, dessen Tiefe ist unaussprechliche Weisheit. Hefte daran meine Hände und meine Füße; o Herr, mache mich, deinen Knecht, ganz deinem Leiden gleich. Gieb, ich bitte flehentlich, daß ich mich enthalte von Werken des Fleisches, die du gehaßt hat, daß ich thue die Gerechtigkeit, die du geliebt hat, und daß ich in Beidem suche deinen Ruhm. Meine Linke erachte ich darum mit dem Nagel der Mäßigung, meine Rechte mit dem Nagel der Gerechtigkeit an jenes erhabene Kreuz geheftet.

Gieb meinem Geiste über dein Gesetz zu sinnen Tag und Nacht, und alle meine Hoffnung zu setzen auf dich, und also hefte der Nagel der Klugheit meinen rechten Fuß ans Holz des Lebens. Gieb, daß meines Geistes Klarheit weder geschwächt werde in der seligen Unglücksstunde, da mein Leben zu Ende geht, noch verwirrt werde in der seligen Unglücksstunde, da das ewige Leben anbricht: und auch mein linker Fuß wird durch den Nagel der Stärke am Kreuze festgehalten werden. Daß aber an mir auch etwas erfunden werde, das ähnlich sei den Dornen deines Hauptes, so müsse meinem Geiste geschenkt werden heilsamer Reue Verwundung, fremden Elendes Leidenslast, Stachel des brennenden Eifers, der recht ist vor dir. Also nämlich, wenn dreifacher Dorn mich sticht, werde ich durch die Mühen dieses Lebens dir zugewendet werden. Lieb ists mir, wenn du auch den Schwamm am Rohre meiner Wunde darreicht und des Essigs Säure mich schmecken lässest. Lieb ists mir, wenn du durch die Schrift meinen Geist sehen und schmecken lässest, wie diese üppige Welt gleich wie ein leerer Schwamm ist, und alle ihre Lust saurer als Essig. Also, mein Vater, schirme mich, daß jener goldene Babelskelch, der die ganze Welt in Taumel versetzt, mich weder verführe durch seinen eiteln Glanz, noch durch seine trügerische Süßigkeit mich trunken mache, gleich wie jene, die Finsterniß für Licht, Licht für Finsterniß, sauer für süß, und süß für sauer halten. Vermyrrheter Wein mit Galle vermischt ist mir darum verdächtig, weil du von ihm nicht trinken wolltest; vielleicht weil er dir verrieth die allzu herbe Bitterkeit des Haffes und der Bosheit derer, die dich kreuzigten. Auch deinem lebendig gemachten Tode mache deinen Diener gleich, und wirke in mir, daß ich, der Sünder, sterbe nach dem Fleisch, aber der Gerechtigkeit lebe nach dem Geist. Auf daß ich aber mich rühmen könne, das volle Abbild des Gekreuzigten zu tragen, so thue auch an mir etwas ganz Aehnliches, wie das, was nach deinem Tode die unersättliche Bosheit der Gottlosen an dir verübte. Mein Herz müsse verwundet werden von deinem lebendigen und kräftigen Wort, das schärfer ist denn kein zweischneidig Schwert, das durchdringet und schneidet bis in die Seele, aus ihr hervorzulocken gleich wie aus meiner rechten Seite die Fluth lebendigmachenden Blutes und Wassers, nämlich die Liebe zu dir, o Herr, und zu meinen Brüdern.

Zuletzt endlich wickle meinen Geist in die reine Leinwand deines hohenpriesterlichen Rockes, daß ich in ihm Ruhe finde, wenn ich eingehe zu dir an den Ort deines herrlichen Heiligthums und verbirg mich, bis daß dein Zorn vorübergehe. Am dritten Tage aber nach den Todes-Mühen, frühe am ersten Tage des ewigen Sabbaths erwecke mich unwürdigsten unter deinen Söhnen, daß ich in meinem Fleische schaue deine Klarheit und mit Freude erfüllt werde vor deinem Angesicht, o mein Heiland und mein Gott. O daß doch, das ist mein Gebet, o daß doch die Zeit käme, wo ich endlich mit offenen Augen schaue, was ich jetzt glaube, wo ich ergreife, was ich jetzt hoffe und aus der Ferne begrüße, wo ich mit den Armen meiner Seele umfange und umschließe, was ich jetzt mit allen meinen Kräften ersehne, wo ich ganz untergehe im Abgrund deiner Liebe, o mein Heiland und mein Gott! Inzwischen aber, liebe Seele, so lange es heute heißt, preise deinen Heiland, und erhöhe seinen Namen, der da heilig ist, ja heiliger als alles, und voll aller Wonnen. O wie köstlich, wie lieblich bist du, Herr Jesu, einer Seele, die dich sucht! O Jesu, Erlöser der Gefangenen, Retter der Verlorenen, Hoffnung der Vertriebenen, Stärke der Schwachen, dem geängsteten Geiste ein Helfer aus der Enge in die Weite, süßer Trost und süße Kühlung einer Seele, die dir nachweint und in glühendem Eifer dir nacheilt, Krone der Triumphierenden, einiger Lohn und einige Freude aller Himmelsbürger, reiche Quelle aller Gnaden, herrliches Kind des allerhöchsten Gottes! Herr Gott, du Allerhöchster, dich preiset Alles, was oben im Himmel und unten auf der Erde ist: denn du bist groß und dein Name ist groß. O unnahbare Herrlichkeit des erhabenen Gottes und reinste Klarheit des ewigen Lichtes, Leben, das alles Leben belebt, Licht, das Alles, was leuchtet, erleuchtet, und in ewigem Glanze bewahrt die tausendmal zehntausend Lichter, die von dem Throne deiner Gottheit erstrahlen vom Ursprung an der ersten Morgenröthe! Du ewiger und unaufhörlicher, du heller und lieblicher Strom, der aus dem Quell hervorfließt, der sterblichen Augen verborgen bleibet, dessen Welle ohne Ursprung, dessen Tiefe ohne Grund, dessen Höhe ohne Ziel, dessen Weite unbeschreiblich, dessen Reinheit nicht getrübt werden kann! Aus seiner tiefsten Tiefe, da Niemand hinabdringt, ließ dich hervorgehen das Herz Gottes, des Allerhöchsten, das Leben dich das Leben, das Licht dich das Licht, Gott dich der Gott, der Ewige dich den Ewigen, der Unermeßliche, dich den Unermeßlichen, und in allen Stücken ihm Gleichen: und von deiner Fülle nehmen wir Alle.

Denn du bist der ergiebigste Quell aller Güter, du entsendet aus deiner Schatzkammer siebenfacher Gnade kostbaren Strom, durch dessen liebliche Süße du mildern willst die salzige Bitterkeit des Meeres dieser Zeit, deren Kinder wir sind. Als ein Strom des Oeles der Freude, als ein Strom reinen Weines, als ein Feuerstrom der Kraft wird von dir und dem Vater der Tröster, der Heilige Geist, der beiden gleich ist, ausgegossen über den Erdkreis, Alles erfüllend, Alles umspannend, Geist von dir, Geist vom Vater; Einer aus Beiden, einigend. Beide, also Beider untrennbare Verbindung, eins machendes Bindemittel, unauflöslicher Zusammenschluß und Frieden, der über alle Vernunft ist. Er ist, o Herr, der Stern deiner Wonnen, mit dem du die köstliche und herrliche Bürgerschaft Jerusalems, das droben ist, ohne Aufhören tränkest und sie in trunkener Freude hüpfen machet, so daß jene leuchtenden und flammenden Diener unaufhörliche Jubelpsalmen dir singen mit der Stimme des Frohlockens und in hochzeitlichen Klängen.

O Herr, dein Volk im Lande der Fremdlingschaft erwartet ohn Aufhören von dir, daß du ihre dürstenden Herzen erquickst mit den heißersehnten Tröpflein jenes Stromes. Ja Vater, laß die Hündlein lecken die Tröpflein, die vom Tische deines Geistes fallen. Ihr Himmel endet mir aber den Thau und ihr Wolken träufelt den sanften Regen des Heiligen Geistes, der mit hoher Wonne erfüllte die herrlichen Erstlinge deines Volkes an jenem sonderlichen Tage, den der Herr gemacht hat um unsertwillen.

Mit jener Feuertaufe, das bitten wir dich, reinige, erneuere, erleuchte, entflamme, erfreue, befestige und einige die Herzen deiner Gläubigen, daß sie eins seien, eins denken, eins einmüthiglich wollen, daß sie ergreifen und schauen und preisen dich den allerhöchsten Gott in Zion. Dir, heiligster Jesus mit dem Vater und dem heiligen Geiste, Dir, der untheilbaren Dreieinigkeit sei Preis und Dank, Ehre und Herrschaft von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

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