Zuletzt angesehen: Denck, Hans - Widerruf

Denck, Hans - Widerruf

Denck, Hans - Widerruf

Der Geistliche urteilt alles (1. Kor. 2,15)

Protestation und Bekenntnis über etliche Punkte, zu welchen sich Hans Denck (kurz vor seinem Ende) selbst ausführlicher erklärt und geäußert hat.

Allen denen, die den Weg zur Seligkeit in Jesus Christus suchen, wünsche ich Ohren, den Willen ihres himmlischen Vaters von ihm zu hören.

Ich bin herzlich wohl damit zufrieden, daß alle Schande und Schmach, es sei zu Recht oder Unrecht, auf mein Angesicht fällt, allein daß Gott dadurch gelobt wird. Aber da ich ihn anfing zu lieben, fiel ich in vieler Menschen Ungunst und das von Tag zu Tag je länger um so mehr. Und wie ich nach dem Herrn geeifert habe, so haben auch die Menschen wider mich geeifert. Allerdings erkenne und bekenne ich es hier freiwillig, daß ich viel mit Unverstand geeifert habe, weshalb auch etliche wider mich geeifert haben, die sonst vielleicht niemals wider mich gestanden wären. Gott weiß es. Denn ich will hier niemanden weder beschuldigen noch entschuldigen, wiewohl ich dies (von Gottes Gnaden) stets lieber tun will und soll als jenes.

Zudem bin ich von etlichen (sie mögen es vor Gott verantworten!) dermaßen verleumdet und verklagt worden, daß es auch einem sanften und demütigen Herzen schwer möglich ist, sich selbst in Zaum zu halten. Das hat mich zur vorliegenden Schrift veranlaßt, nämlich zu verantworten, was mir an Unrecht zugemessen wird, und zu bekennen, worin ich selbst nach meiner Meinung geirrt und gefehlt habe. Und von Gottes Gnaden tu ich das eine so gern wie das andere. Ja, könnte ich erkennen, daß der Fehler allein bei mir lag, mit wie großen Freuden wollte ich mich schuldig geben! Mir tut es in meinem Herzen weh, daß ich mit manchen Menschen in Uneinigkeit stehen soll, den ich doch für nichts anderes halten kann als für meinen Bruder, weil er denselben Gott anbetet, den ich anbete, und den Vater ehrt, den ich ehre, nämlich den, der seinen Sohn als Heiland in die Welt geschickt hat. Darum will ich, so Gott will und soviel an mir ist, meinen Bruder nicht als Widersacher und meinen Vater nicht als Richter haben, sondern mich derweilen mit allen meinen Widersachern versöhnen.

Hierauf hätte ich sie um Gottes willen, daß sie mir verzeihen, was ich ohne mein Wissen und meinen Willen wider sie getan habe. Daneben bin ich bereit, allen Unfug, Schaden oder Schande, die mir von ihnen vielleicht auch schon zugestoßen sind, zu vergeben und nie mehr zu rächen.

Damit aber diese meine Bitte von ihnen gewährt werden kann, habe ich mein Herz, soweit es mir möglich war, Punkt für Punkt aufdecken wollen, damit sie erkennen möchten, wo man meine Worte nicht zureichend verstanden hat, was mein Herz gemeint oder gesucht hat, auch wenn der Mund geirrt haben sollte.

1. Von der Heiligen Schrift

Die Heilige Schrift halte ich über alle menschlichen Schätze, aber nicht so hoch wie das Wort Gottes, das da lebendig, kräftig und ewig ist, welches aller Elemente dieser Welt ledig und frei ist. Denn wenn es Gott selber ist, so ist es Geist und kein Buchstabe, ohne Feder und Papier geschrieben, so daß es nimmer ausgetilgt werden kann. Darum ist auch die Seligkeit nicht an die Schrift gebunden, wie nützlich und gut sie dazu auch sein mag. Ursache: Es ist der Schrift nicht möglich, ein böses Herz zu bessern, wenn es auch wohl gelehrter wird. Ein frommes Herz aber, nämlich wo ein rechter Funke göttlichen Eifers ist, wird durch alle Dinge gebessert. So dient die Heilige Schrift den Gläubigen zum Guten und zur Seligkeit, den Ungläubigen aber zur Verdammnis, wie alle Dinge.

Also kann ein Mensch, der von Gott erwählt ist, ohne Predigt und Schrift selig werden. Nicht daß man darum keine Predigt hören oder keine Schrift lesen soll! Ich meine nur, daß sonst all die Ungelehrten nicht selig werden könnten, weil sie nicht lesen können, und sogar ganze Städte und Länder, weil sie nicht Prediger haben, die von Gott gesandt sind.

2. Von der Bezahlung Christi

Das Leiden Christi hat Genugtuung geleistet für die Sünden aller Menschen, auch wenn kein Mensch je selig würde. Denn es kann ihn niemand wahrnehmen, als wer den Geist Christi hat, der die Auserwählten rüstet und wappnet mit Sinnen und Gedanken, wie Christus gewesen ist. Wer sich jedoch auf die Verdienste Christi verläßt, trotzdem aber in einem fleischlichen, viehischen Leben fortfährt, der hält Christus, wie vor Zeiten die Heiden ihre Götter hielten, als ob er sie nicht achtet. Das ist eine Gotteslästerung, derer die Welt voll ist. Denn wer glaubt, daß ihn Christus von den Sünden erlöst habe, der kann der Sünden Knecht nicht sein. So wir aber noch im alten Leben stehen, so glauben wir gewiß noch nicht wahrhaftig, wollen auch nicht schön und unschuldig sein. Dieser Schade ist so groß, daß er, wenn man ihn nicht erkennt, nie abgewendet werden kann. Eher müßten Erde und Himmel vergehen.

3. Vom Glauben

Glaube ist der Gehorsam gegenüber Gott und die Zuversicht zu seiner Verheißung durch Jesus Christus. Wo dieser Gehorsam nicht ist, da ist die Zuversicht falsch und betrogen. Der Gehorsam aber muß rechtschaffen sein, das heißt, daß Herz, Mund und Tat aufs beste miteinandergehen. Denn es kann kein wahrhaftiges Herz sein, wo weder Mund noch Tat gespürt wird. Wo aber das Herz nicht aufrichtig ist, da sind alle Worte und Werke eitel Betrügerei. Ein böses Herz verrät sich selber mit Hoffart und Ungeduld. Ein gutes beweis sich durch Demut und Geduld.

4. Vom freien Willen

Wer die Wahrheit in Jesus Christus erkannt hat und ihr von Herzen gehorsam ist, der ist von Sünden frei, wiewohl er nicht unangefochten ist. Auf dem Weg Gottes vermag er nicht fester zu laufen, als wie er von Gott gestärkt ist. Wer mehr oder weniger läuft, dem mangelt es an Wahrheit, Gehorsam und Freiheit.

Kurz, wer seinen Willen in Gottes Willen gibt, der ist in bestem Sinne frei und ist in bestem Sinne gefangen; wer es aber nicht tut, der ist in schlechtem Sinne frei und in schlechtem Sinne gefangen. In beiden Fällen macht ihn der frei, des Knecht er ist, in dessen Dienst er sich stellen will. Gott zwingt niemand, in seinem Dienst zu bleiben, den die Liebe nicht zwingt. Der Teufel aber vermag niemand zu zwingen, in seinem Dienst zu bleiben, der die Wahrheit einmal erkannt hat.

Also gilt es gleich, wie man es nennt, den freien oder gefangenen Willen, wenn man nur den Unterschied auf beiden Seiten weiß. Der Name an sich ist Zank nicht wert.

5. Von guten Werken

Gott wird jedem nach seinen Werken geben, dem Bösen ewige Strafe nach seiner Gerechtigkeit, dem Guten das ewige Leben nach seiner Barmherzigkeit. Das heißt nicht, daß jemand von Gott etwas verdient, daß er ihm etwas schuldig ist, wenn er genau und streng mit uns rechnen wollte; sondern auf Grund der Zusage bezahlt er uns, was er uns zuvor gegeben hat. Er sieht auf den Glauben und gute Werke, läßt sichs wohlgefallen und belohnt sie. Nicht, daß sie bei uns ihren Ursprung haben, sondern daß wir die Gnade, die er uns dargeboten hat, nicht vergeblich annehmen oder gar ausschlagen. Es stammt alles aus einem Schatz, der wahrlich gut ist, nämlich aus dem Wort, das von Anfang an bei Gott gewesen und in den letzten Zeiten Fleisch geworden ist. Aber wohl dem Menschen, der die Gaben Gottes nicht verachtet.

6. Von Absonderung und Sekten

Wo solche Herzen sind, die diese Guttat Gottes durch Christus hochhalten und in seine Fußstapfen treten, die erfreuen mich und ich habe sie lieb, so gut ich sie erkenne. Welche mich aber nicht hören mögen und doch nicht schweigen lassen wollen in Sachen, die da streitig sind, mit denen kann ich nicht viel Gemeinschaft haben. Denn ich spüre bei solchen nicht den Geist Christi, sondern einen verkehrten, der mich mit Gewalt von meinem Glauben drängen und zu dem seinen zwingen will, Gott gebe, er sei recht oder nicht. Und wenn er schon recht hat, so mag der Eifer wohl gut sein; aber er braucht ihn ohne Weisheit. Denn er sollte wissen, daß in Sachen des Glaubens alles freiwillig und ungezwungen zugehen sollte. Also sondere ich mich ab von einigen; nicht daß ich mich für besser und gerechter halte als sie (obgleich ich in solchem Fall große Mängel an ihnen finde), sondern daß ich die edle Perle frei und ungehindert suchen und, was ich gefunden, unter Wahrung des Friedens mit jedermann (soweit es mir möglich) behalten kann. Von andern hat mich Verfolgung und ähnliche Furcht abgesondert. Mein Herz hat sich aber von ihnen nicht abgewandt, vor allem von keinem Gottesfürchtigen. Doch mit Irrtum und Ungerechtigkeit will ich, so Gott will und sofern es mir bewußt ist, keine Gemeinschaft haben, auch wenn ich unter Sündern und Irrenden bin. Mit diesem Gewissen erwarte ich fröhlich und unerschrocken das Urteil Jesu Christi, wie sehr ich mich auch aus Blindheit vor den Menschen fürchte. Ich will mich damit nicht gerechtfertigt haben, sondern weiß und erkenne wohl, daß ich ein Mensch bin, der geirrt hat und noch irren kann.

7. Von Zeremonien

Die Menschen beweisen am allermeisten dadurch ihr Menschsein, daß sie so hart um der äußerlichen Elemente willen zanken. Wer sie zu sehr verachtet, betrübt die unwissenden Menschen; wer sie zu hoch schätzt, verringert die Ehre Gottes. Zeremonien sind an sich nicht Sünde. Aber wer meint, dadurch die Seligkeit zu erlangen, es sei durch Taufen oder Brotbrechen, der hat einen Aberglauben. Ein Gläubiger ist frei in äußerlichen Dingen. Doch wird er sich nach seinem Vermögen befleißigen, daß die Ehre Gottes durch ihn nicht vermindert und die Nächstenliebe nicht freventlich verachtet wird. Wer sich um die Zeremonien sehr kümmert, gewinnt doch nicht viel. Denn auch wenn man alle Zeremonien verlöre, so hätte man doch keinen Schaden. Es wäre besser, sie entbehren zu müssen, als sie zu mißbrauchen.

8. Von der Taufe

Die Taufe ist eine Einschreibung in die Gemeinde der Gläubigen; nicht, daß sie alle vor Gott gläubig sind, die getauft werden, sondern nur, daß sie als gläubig erkannt werden, sofern es möglich ist zu erkennen. Darum ist die Kindertaufe nicht nach dem Befehl Christi. Denn bei Kindern spürt man nicht, welches ein Jakob oder Esau ist, was doch ein Diener Christi vor allem prüfen soll, nach Maßgabe dessen, wie er es erkennen kann.

Die Kindertaufe ist ein Menschengebot und steht in der Christen Freiheit. Es schadet keinem Gläubigen, daß er in der Kindheit getauft ist, und Gott fragt nach keiner andern Taufe, wenn man nur die Ordnung hielte, die einer christlichen Gemeinde zusteht. Da man das aber nicht tut, weiß ich nicht, was Gott machen wird. Wer nun von neuem tauft, der sehe, daß er nicht diene, ehe er ordnungsmäßig berufen ist. Denn wer nicht berufen und gesandt ist zu lehren, der unterwindet sich vergebens zu taufen. Darum werde ich, so Gott will, ewiglich mit dem Taufen aufhören, wenn ich keine andere Berufung vom Herrn haben werde.

Was ich getan habe, ist geschehen. Was ich aber tun will, wird niemandem zum Schaden gereichen. Der Eifer um des Herrn Haus hat mich ausgeschickt und hat meinen Verstand wiederum heimgerufen. Recht tun im Hause Gottes ist allemal gut; aber als Bote werden bei Fremden, ist nicht jedem befohlen usw.

9. Von Brot und Kelch, Nachtmahl oder Gedächtnis des Leibes und Blutes des Herrn

Der Herr Christus nahm das Brot im Nachtmahl, segnete es und brach's usw., als wollte er sagen: „Ich habe euch früher gesagt, ihr sollt mein Fleisch essen und mein Blut trinken, wenn ihr selig werden wollt und habe damit angedeutet, wie es geistlich geschehen muß und nicht, wie Fleisch und Blut es versteht. Nun sage ich euch hier eben dasselbe, daß ihr es bei diesem Brot und Wein betrachtet. Denn wie dieses Brot das Leibesleben erhält, wenn es zerbrochen und zerkaut wird, so wird mein Leib durch Gottes Kraft eurer Seelen Leben erquicken; wenn er dargegeben, getötet und geistlich gegessen (das heißt erkannt und geglaubt) wird.

Desgleichen, wie dieser Wein des Menschen Herz frisch und fröhlich macht, wenn er ihn trinkt, so wird auch mein Blut, das ich in der Liebe Gottes für euch vergieße, wenn ihr es betrachtet, euch erfrischen, fröhlich und inbrünstig in der Liebe machen, daß ihr so ganz eins mit mir werdet, ich in euch und ihr in mir bleibt, wie sich Speise und Trank ganz mit der menschlichen Natur vereinigt.“

10. Von dem Eid

Der Herr Christus sagt: „Ihr sollt überhaupt nicht schwören!“ Wie er auch verbietet zu zürnen, zu urteilen, Narr zu sagen; nicht, daß es an sich unrecht ist; aber es soll keinem Fleisch Gelegenheit oder Ursache gegeben werden, solches zu tun und zu gleicher Zeit Gott gefallen zu wollen; mißbrauchen sie es doch allein, wie Gut der Schein auch immer sein mag. Denn so gebraucht alles Fleisch seinen Eid, als ob es nicht fehlgehen könnte, was man verspricht. So verpflichtet man sich oft durch ein Gelöbnis, abgesehen davon, daß man täglich leichtfertig und unbesonnen flucht. Das ist ganz klar gegen Christus. Aber wer des Herrn Sinn und Geist hat, der verspricht, gelobt und schwört nichts, als was er mit gutem Gewissen tun kann, nämlich was er nach der Lehre Christi ohnedies zu tun schuldig ist, wie nicht stehlen, nicht töten, nicht ehebrechen, nicht rechten und dergleichen. Doch wird er solches nicht anders versprechen als auf die Gnade Gottes hin, nicht, daß er es tun werde, sondern daß er es tun möchte, damit er sich nichts anmaße.

Kurz, was einer in Wahrhaftigkeit reden kann, das mag er auch mit Gott bezeugen, umsomehr mit Kreaturen wie mit Aufheben der Hände und dergleichen. Ob man es nun Schwören nennt oder nicht, so ist doch die Absicht Christi nie gewesen, solches zu verbieten. Paulus sagt: „Ich rufe Gott als Zeugen an bei meiner Seele“; als wollte er sagen: „Gott soll es meiner Seele vergelten, so ich nicht die Wahrheit rede.“ Das ist nichts anderes, als wenn man heutzutage schwört: Dies oder das will ich oder begehre ich zu tun, also helfe mir Gott; das heißt: Wenn ich nicht so will, so helfe mir Gott nicht usw.

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/d/denck/denck-widerruf.txt · Zuletzt geändert: von 127.0.0.1
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain