Chrysologus, Petrus - Auf den vierten Sonntag nach Epiphanias.

Chrysologus, Petrus - Auf den vierten Sonntag nach Epiphanias.

Matth. 8, 23-27.

Die Zeugnisse der heiligen Schrift, welche beim Gottesdienst vorgelesen werden, sind durch die verborgene Hand Gottes so geordnet, daß sie sowohl den erfahrenen Seelen zu höherem Verständniß verhelfen, als auch den einfältigen Herzen die Gnade heilsamer Erkenntniß darreichen. Es wird berichtet, daß, da Jesus in das Schiff trat, sich ein großes Ungestüm erhoben habe. „Und er trat in das Schiff, und seine Jünger folgten ihm. Und siehe, da erhob sich ein großes Ungestüm, also, daß auch das Schifflein mit Wellen bedeckt ward. Und er schlief.“ Das Meer, das seinen schäumenden Rücken den Füßen Christi unterworfen, seine Wogenkämme geebnet, seine Bewegungen gehemmt, seine Fluthen zusammengezogen hatte, und auf dessen fließendem Wege der Herr wie auf Felsgestein wandelte, warum wallet und wüthet und tobt es doch so gefahrdrohend wider seinen Schöpfer? Christus selbst, vor dem die Zukunft bloß und entdecket ist, warum scheint er so unbekannt zu sein mit dem, was gegenwärtig ist, daß er sich vor dem bevorstehenden Sturm, vor der Stunde des Ungestüms, vor der Zeit der Gefahr sich nicht hütete, sondern unter den Wachenden schlief, als ihm und den Seinen Gefahr drohete? Liebe Brüder! Die Tüchtigkeit des Steuermannes wird nicht im stillen Wetter erprobt, sondern im Sturm und Wogendrang. Wenn die Luft gelinde wehet, so vermag wohl der letzte Mann das Schiff zu lenken; wenn aber die Winde daherbrausen, dann sucht man die Kunst des ersten Meisters auf. Sobald daher die Jünger sahen, daß es mit ihrer Schifferkunst ganz vorbei sei, daß das Meer wider die tobe, daß die Wellen auf sie einbrechen, daß sie von den Wirbelwinden hin- und her geworfen werden, so eilen sie voll Furcht und Zittern zu dem Steuermann aller Dinge, zu dem Beherrscher der Welt, zu dem Meister der Elemente, auf daß er die Wogen stille, die Gefahr wende und Hülfe bringe den Verzweifelten. Und sobald er zum Meere gesprochen, die Winde zurückgetrieben, ihr Ungestüm zum Schweigen und zur Ruhe gebracht hat: da merken, glauben und bekennen. Alle, so im Schiffe sind, daß er der Beherrscher sei über alle Kreatur.

Nun aber lasset uns betrachten die Bedeutung dieser Geschichte. Sobald Christus in das Schifflein seiner Kirche getreten war, um es durch das Meer dieser Zeit zu führen, brachen die Stürme der Heiden, die Windwirbel der Juden, die Wogen der Verfolger, die dräuenden Wolken des Volkshaufens, die finstern Nebel der bösen Geister, also los, daß in der ganzen Welt sich ein groß Ungestüm erhob. Die Wellen der Könige schäumten, die Wogen der Gewaltigen brausten, die Wuth der Verräther tobte, die Wasserwirbel der Völker drehten sich im Kreise, die Felsklippen des Unglaubens traten zu Tage, die Ufer der Christenheit erbebten von Wehklagen, die Schiffbrüche der Abgefallenen mehrten sich, und der ganzen Welt drohte eine Gefahr, ein Schiffbruch. „Und die Jünger traten zu ihm und weckten ihn auf und sprachen: Herr, hilf uns, wir verderben! Da sagte er zu ihnen: Ihr Kleingläubigen, warum seid ihr so furchtsam? Und stund auf und bedräuete den Wind und das Meer; da ward es ganz stille.“ Der Herr, von seinen Jüngern aus dem Schlafe geweckt, bedräuet also das Meer, d. h. die Welt, stillet den Erdkreis, beruhigt die Könige, besänftigt die Gewaltigen, ebnet die Wogen, stiftet Frieden unter den Völkern, macht die Römer zu Christen und wandelt selbst die Verfolger des Namens Christi in Verkündiger des christlichen Glaubens. Diese Ruhe bewahren die christlichen Fürsten, an ihr hält die Kirche fest, ihrer genießt die Christenheit und ihrer verwundert sich die Heidenwelt. „Die Menschen aber verwunderten sich und sprachen: Was ist das für ein Mann, daß ihm Wind und Meer gehorsam ist?“ Die Jünger sind es, die zu dem Herrn treten, ihn wecken und in der Angst ihres Herzens um Hülfe bitten. Die Menschen aber sind es, die sich verwundern, daß die Elemente Christo also gehorsam sind. In der That, es sind Menschen, Weltmenschen, die sich verwundern, daß die Welt sich so gehorsam beugt vor Christi Wort, die da staunen, daß die hohen Heidentempel, gleichwie stolze Wellen gestürzet sind, daß der Schaum der Götzenbilder, der Wirbelwind der bösen Geister vergangen ist: die tiefe weite Ruhe, die Christi Namen auf dem ganzen Erdkreis gefunden, setzet sie in Unruhe und Schrecken. Und fürwahr, liebe Brüder, wenn Christus schlief, hat sich allezeit in der Kirche ein groß Ungestüm erhoben; wenn Christus aufstand, so ward seinem Volke Frieden und stolze Ruhe wiedergegeben, wie geschrieben steht. (Jes. 32, 18) Lasset uns nur Christum, wenn er in uns schläft, aufwecken durch herzliches Seufzen, durch gläubiges Rufen, durch christliche Thränen, durch apostolische Bitten. Lasset uns sprechen: „Herr, hilf uns, wir verderben!“ Das Schifflein Christi wird bald himmelhoch emporgehoben, und bald sinkt es hinab in erschreckende Tiefen; bald wird es regiert von Christi starker Hand, und bald von Furcht hin- und hergeschleudert; bald wird es von Trübsalswellen bedeckt, und bald fährt es dahin, getrieben vom Ruderschlage des Bekenntnisses. Lasset uns, liebe Brüder, immer und wieder rufen: Herr, hilf uns, wir verderben! Und wenn wir wahrhaftiglich ein Leib wären, wenn wir glaubten, daß die, so zu Grunde gehen, unser Fleisch und Blut sind, wir würden unter strengem Fasten, bittend, seufzend und weinend ausrufen: Herr, hilf uns, wir verderben! wir würden mit allem Fleiße darnach trachten, uns Beistand zu leisten in unsern Brüdern; wir würden, wenn auch das Schwert sich aufgemacht hat, weder ein Meer von unserem Blute erblicken, noch so viel Schiffbrüche an Leibern und Seelen erfahren und mit demüthiger Stimme bitten: Herr, hilf uns, wir verderben! Aber nirgends ist Mitleid und Erbarmen, nirgends Furcht und Zittern, oder Scham und Reue, nirgends göttliche Traurigkeit. Es ist Gottes Werk, daß wir mit allerlei Plagen heimgesucht und immerdar gezüchtiget werden, daß die Heiden toben, und Hagelsturm über uns hereinbricht, daß der Brand das Getreide verdirbt, und die Gottlosigkeit Gewalt übet, daß schwere Krankheiten herrschen, daß der Tod wüthet und die Erde erbebet. Und doch erbeben wir nicht, noch fürchten wir uns; wir wenden uns nicht vom Bösen und thun nicht Gutes. Die Habgier rastet, die Hoffahrt blähet sich auf, die Ungerechtigkeit findet Wohlgefallen, man mehret sein. Gut mit fremdem Gute und läßt das eigene verderben. Gottes Ruthe schlägt uns, aber unsere schweren Sünden haben sie auf uns gebracht. Kommt, liebe Brüder, wir wollen uns zum Herrn wenden, auf daß der Herr sich zu uns wende. Laßt uns dem Bösen ab sagen, daß uns Gutes widerfahre. Laßt uns dem gütigen Gotte dienen, auf daß wir nicht den gottlosen Heiden und den ungerechten Gewaltigen unterliegen und es uns gelinge unter dem Beistande Christi, der unser Herr und Steuermann ist und dessen Ehre und Herrlichkeit immerdar bleibet von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

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