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Calvin, Jean - Psalm 85.

Calvin, Jean - Psalm 85.

Inhaltsangabe: Weil Gott die aus der babylonischen Gefangenschaft zurückgekehrten Gläubigen mit neuen Beschwerden und selbst Niederlagen heimgesucht hatte, erinnern sie ihn zuerst an die geschehene Erlösung, damit er sein Gnadenwerk nicht unvollendet lasse. Hierauf klagen sie über die lange Dauer ihres Ungemachs. Zum dritten richten sie sich in Hoffnung und Vertrauen wieder auf und rühmen sich der ihnen verheißenen Glückseligkeit. Denn ihre Wiederbringung in die Heimat stand in Verbindung mit dem Reiche Christi, zu welchem sie hoffen durften, dass ihnen von ihm her alles Gute zufließen würde.

V. 1 u. 2. Herr, der du bist vormals usw. Wahrscheinlich ist der Psalm dem Volke damals gegeben worden, als es unter der grausamen Tyrannei des Antiochus darniederlag. Da schöpft denn der Psalmist Hoffnung auf neue und fortdauernde Gnade, und zwar aus der vorherigen Erlösung, durch die Gott bezeugt hatte, dass das Gedächtnis seines Bundes durch keine Sünde ausgelöscht werden könne; er werde vielmehr den Kindern Abrahams Erhörung gewähren. Denn wenn sie nicht zuvor Gottes Güte in so hohem Maße erfahren hätten, so hätte die Last der Leiden, zumal bei deren langer Dauer, sie sicher zu Fall gebracht. Dass sie aber erlöst worden waren, erkennen sie als in der freien Liebe Gottes begründet, die er seinem erwählten Lande fortgesetzt erwiesen hatte. Daraus geht hervor, dass dieser Ratschluss Gottes ohne Unterbrechung in Kraft blieb. Und daraus schöpfen auch die Gläubigen Zuversicht zum Gebet, weil Gott, seiner Erwählung eingedenk, seinem Lande gnädig war. Wir haben schon anderswo gesagt, dass wir durch nichts besser zum Bitten ermuntert werden als durch die Erinnerung an frühere Gnadenerweisungen Gottes. Denn im Unglück würde unser Glaube gar bald unterliegen und die Angst unsern Mut ersticken, wenn nicht die Erfahrung vergangener Zeiten uns belehrte, dass Gott den Bitten seiner Knechte zugänglich ist und Hilfe leistet, so oft es die Not erfordert, besonders wenn die Veranlassung zur Fortsetzung der Gnade unverändert bleibt. So setzt also der Prophet in zutreffender Weise die den Vätern erwiesenen Wohltaten Gottes zu seinen gläubigen Zeitgenossen in Beziehung, indem jene wie diese zur Hoffnung desselben Erbteils berufen waren.

V. 3 u. 4. Der du die Missetat usw. Weil den Gläubigen ihre Sünden Furcht und Angst erwecken konnten, so benimmt ihnen der Prophet auch dieses Bedenken mit dem Hinweis darauf, dass Gott durch die Erlösung seines Volkes einen großartigen Beweis seiner freien Vergebungsgnade geliefert hatte. Als Ursprung dieser Wohltaten hat er zunächst den freien Entschluss Gottes aufgezeigt. Nachdem nun aber das Volk inzwischen mit neuen Beleidigungen sich von seinem Gott entfremdet hatte, bedurfte es auch der Abhilfe durch ein Heilmittel.

Indem der Psalmist sagt, dass die Missetat getilgt worden sei, meint er nicht, dass die Gläubigen in der Weise zurechtgebracht und von Sünden gereinigt worden seien, wie Gott durch den Geist der Wiedergeburt die Menschen heiligt und die Sünden wahrhaft tilgt, sondern er meint es so, wie er es in den (V. 4) folgenden Worten ausführt. Der Gedanke ist der: Gott hat sich mit den Juden versöhnt, indem er ihnen die Sünden nicht zurechnete. Wenn Gott, wie es hier heißt, die „Sünde bedeckt“, so begräbt er sie, dass sie im Gericht nicht zur Geltung kommt, wie das im 32. Psalm näher ausgedrückt ist. Die Übertretungen seines Volkes hatte Gott durch die Gefangenschaft heimgesucht; als er aber dasselbe in die Heimat zurückbringen wollte, beseitigte er das Hindernis, die Schuld, indem er sie tilgte. An der Vergebung der Schuld hängt ja auch der Straferlass. Dadurch wird die für sehr tiefsinnig gehaltene Meinung mancher Klügler widerlegt, als werde die Strafe von Gott noch aufbehalten trotz der Vergebung, während er doch überall aussagt, er übe die Vergebung zu dem Zweck, dass er versöhnt sei und zugleich die Strafen mildere. Und eben dies bestätigt der Prophet im folgenden Vers, wo er sagt, Gott habe sich von seinem Volk erbitten lassen, dass er seine Hand nicht mehr zur Züchtigung erhob. Was wollen hingegen die vorbringen, die behaupten, Gott wäre nicht gerecht, wenn er nicht auch nach Vergebung der Schuld noch mit aller Strenge Strafe übte? Die Verzeihung bringt doch den Erfolg mit sich, dass Gott durch seinen Segen bezeugt, er sei nicht mehr beleidigt.

V. 5. Tröste uns, Gott. Nun wenden die Gläubigen das auf die Gegenwart an, was sie vorher von Gottes väterlicher Nachsicht gegen sein erlöstes Volk berichtet haben. Sie nennen ihn „Gott, unser Heiland“ und bitten ihn, dass er sie wiederaufrichte. Sie wollen also auch in verzweifelter Lage die Hoffnung hegen, dass Gottes Güte sie heilen werde. Denn wenn er uns auch für solche gute Hoffnung keinen sichtbaren Anhaltspunkt darbietet, so haben wir doch daran festzuhalten, dass unser Heil in seiner Hand verborgen liegt und dass er es schnell und ungesäumt offenbaren kann, so oft es ihm gefällt. Weil aber die Ursache aller Widerwärtigkeiten Gottes Zorn ist, so suchen die Gläubigen nun denselben durch Bitten abzuwenden. Und diese Folge von Ursache und Wirkung müssen wir fleißig im Auge behalten; denn weichlich und leidensscheu, wie wir sind, bitten wir zwar flehentlich um Schonung, sobald Gott uns nur mit dem kleinen Finger zu schlagen anfängt; dagegen die Hauptsache lassen wir beiseite, nämlich dass er uns die Schuld abnehme. Wir lassen uns eben nicht gern dazu herbei, uns selbst zu prüfen.

V. 6 u. 7. Willst du denn ewiglich usw. Hier klagen die Gläubigen darüber, wie lange ihr Unglück dauere, und mache sich dabei ihre Gedanken über das Wesen Gottes, wie es im Gesetz beschrieben wird, nämlich dass er langsam sei zum Zorn und von großer Langmut, bereit zum Vergeben und willfährig, wie wir auch an anderer Stelle gesehen haben (Ps. 30, 6), dass sein Zorn einen Augenblick währt und lebenslang seine Gnade. Und es ist gut, wenn man so beim Gebet Gottes Verheißungen erwägt. Die geben uns dann die rechten Worte in den Mund. Es scheint freilich, als ob hier die Gläubigen sich beschwerten, dass Gott ein anderes Verhalten zeige; aber ohne Zweifel haben sie unter tapferem Kämpfen wider die Versuchung sich Gottes Eigenschaften vorgehalten, um daraus Hoffnung zu schöpfen auf Erleichterung ihrer Lage, indem sie sich sagten, Gott könne unmöglich immerfort zürnen. Zugleich ersehen wir daraus, dass sie vom Ungemach bis zum Überdruss beschwert waren und dass sie es, nach ihrem Gebet zu schließen, fast nicht mehr aushielten. Daraus wollen wir denn lernen, auch dann vom beharrlichen, eifrigen Beten nicht abzustehen, wenn Gott nicht so bald und deutlich seine Gnade wieder über uns walten lässt. Wenn jemand entgegnet, Gottes Versprechen, dass sein Zorn von kurzer Dauer sein wolle, sei also nichtig, so bleibt es in Anbetracht unserer Sünden dennoch dabei, dass sein Zorn immer noch kurz währt, wenn wir ihn mit Gottes Erbarmen gegen uns vergleichen, das ewig dauert. Denn da unser Fleisch immer bald wieder in Lüsternheit verfällt, so muss es durch mannigfache Züchtigungen gründlich unterjocht werden.

Im selben Sinne wird weiter gebeten (V. 7): Willst du uns denn nicht wieder beleben? Da es nämlich in den Herzen der Frommen feststand, dass es nur zeitliche Strafen sind, mit denen Gott seine Kinder züchtigt, so schöpfen sie daraus das Vertrauen, Gott werde, obschon er sich gegenwärtig in gerechtem Zorn von ihnen gewendet habe, sich erbitten lassen, dass er sie aus dem Tode zum Leben bringe und die Trauer in Freude verwandle. Mit dem Ausdruck „beleben“ klagen sie nämlich, sie seien beinahe Toten vergleichbar, ohnmächtig vor Elend. Sie versprechen sich zwar, es werde ihnen wieder Grund zur Freude gegeben werden; aber gegenwärtig sind sie noch von Traurigkeit fast verzehrt.

V. 8. Herr, erzeige uns deine Gnade. Auch diesen Worten liegt der vorhin erwähnte Gegensatz zu Grunde. Die Gläubigen bitten, Gott möge ihnen seine Barmherzigkeit erzeigen und Erlösung schenken, bekennen aber, dass sie von beiden noch nichts empfinden. Wenn nun die Heiligen schon vorzeiten sich in solcher Lage befanden, so wollen wir lernen, selbst im äußersten Elend und Verderben dennoch unsere Zuflucht zu Gott nehmen. Absichtlich ist die Gnade an erster Stelle genannt und hernach die daraus hervorgehende Hilfe; denn Gott gewährt seinen Beistand aus keinem andern Grunde als aus Erbarmen. Darum schließen sich alle diejenigen von der Hilfe aus, die Gottes Gunst dadurch erwerben wollen, dass sie ihm ihre Verdienste vorhalten.

V. 9. Ich will hören. Der Psalmist ermahnt hier durch sein eigenes Beispiel die gesamte Gemeinde zur ruhigen, stillen Geduld. Er hat sich mit einer gewissen, aufbrausenden Heftigkeit ausgesprochen; deshalb legt er sich nun Zügel an; wie wir denn in unseren Bitten, seien sie auch frommer und reiner Art, uns vor allzu großer Keckheit zu hüten haben. Denn sobald man sich seiner Schwachheit überlässt, wird man leicht von maßloser Leidenschaftlichkeit fortgerissen und nimmt sich allzu viel heraus. Deshalb gebietet der Verfasser nun sich und andern Schweigen, um geduldig auf Gott zu warten. In solch gesammeltem, stillem Gemüt verharrt er aber darum, weil er von der Fürsorge Gottes für die Gemeinde überzeugt ist. Denn wenn er meinte, die Welt werde vom Glück regiert, und das Menschengeschlecht werde vom blinden Ungefähr umgetrieben, so würde er nicht dem Herrn das Regiment zuschreiben. Unter dem, „was Gott der Herr redet“, sind nämlich seine Befehle oder Aufträge zu verstehen. Der Prophet will sagen, er vertraue darauf, dass es in Gottes Macht stehe, dem gegenwärtigen Unglück abzuhelfen, und so werde er ruhig warten, bis die richtige Zeit zur Erlösung der Gemeinde gekommen sei. Wie also einerseits unsere ungezügelten Leidenschaften sich gegen Gott empören, so besteht anderseits die Geduld in jenem Stillsein, mit dem fromme Geister sich unter Gottes Herrschaft fügen.

Das zweite Versglied wiederholt, dass künftig der Stand der Gemeinde glücklicher sein werden; denn da es Gott zusteht, die Geschicke der Menschen zu leiten, so kann es nicht anders sein, als dass er für seine liebe Gemeinde aufs Beste sorgt. Mit dem Ausdruck „Frieden“ wird im Hebräischen, wie wir an anderer Stelle schon sagten, glückliches Gedeihen bezeichnet. Der Gedanke ist also der, dass die Gemeinde durch Gottes Wohltat es gut haben werde. Wenn der Prophet dann sagt, er wolle hören, wie der Herr den Frieden „zusagt“, so deutet er damit sein Aufmerken auf Gottes Verheißungen an. Er hätte ja auch einfach von Gottes Vorsehung reden können: „Ich will sehen, was Gott tun wird“; aber weil die Wohltaten, mit denen Gott seiner Gemeinde nachgeht, aus den Verheißungen herfließen, so redet er lieber von Gottes Wort als von seinem Werk und zeigt damit zugleich, dass die Geduld auf dem ruhig gläubigen Hören beruht. Wenn er nicht bloß im Allgemeinen vom Volk Gottes, sondern insbesondere noch von „seinen Heiligen“ spricht, so unterscheidet er damit zwischen dem wahren und dem nur so genannten Volke Gottes. Denn da die Heuchler in ihrem Stolz alle Rechte der Gemeinde für sich in Anspruch nehmen, so ist es der Mühe wert, ihre Prahlerei abzuweisen, damit sie erkennen, dass sie mit Recht von Gottes Verheißungen ausgeschlossen werden.

Auf dass sie nicht auf eine Torheit geraten. Dieser Erfolg wird nach der gewöhnlichen Auslegung als Frucht der Wohltaten Gottes gedacht. Weil nämlich Gott seine Frommen durch freundliche Behandlung an sich zieht, damit sie in seinem Gehorsam bleiben, so sagt der Prophet von ihnen, sie würden auf keine Torheit geraten, indem Gottes Güte wie ein Zügel sie auf dem rechten Wege behalte. Diese Auslegung lässt sich zwar hören. Doch halte ich es für passender, die Worte im größeren Zusammenhange des Ganzen zu deuten: die Frommen werden, durch die Strafen gewitzigt, sich künftig besser in acht nehmen. Es wird damit der Grund angezeigt, warum Gott seine Gnadenerweisung unterbricht und hinausschiebt. Wie nämlich der Arzt einem Kranken, obschon es ihm bereits einigermaßen besser geht, noch unter Beaufsichtigung behält, bis er ganz hergestellt, der Krankheitsstoff beseitigt ist und frische Kräfte gesammelt sind, wogegen es schädlich wäre, ihm eine freie Lebensweise zu gestatten, so verfährt auch Gott. Weil er sieht, dass wir nicht von einem Tag auf den anderen gänzlich von unseren Fehlern geheilt werden können, so fährt er mit seinen Züchtigungen fort. Es würde sonst ein Rückfall drohen. Der Prophet mildert also den Schmerz, der unter den langen Leiden die Gläubigen niederdrücken würde, mit dem Troste, dass Gott ihnen wohlweislich mehr Strafen, als sie gern hätten, auferlege, damit sie gründlich zur Besinnung kommen und für die Zukunft vorsichtiger werden.

V. 10. Doch ist ja seine Hilfe nahe. Der Prophet hat gesagt, Gott fahre in der Züchtigung der Seinen länger fort, da er sieht, dass sie zu neuen Sündenfällen gar zu geneigt sind. Nun aber wünscht er, dass der Verzug der Hilfe ihm und anderen nicht unerträglich werde, und ergänzt seine Aussagen dahin, dass das Heil, obwohl es auszubleiben scheint, doch nahe sei. Unter der „Ehre“, von der im zweiten Teil des Verses die Rede ist, versteht er offenbar das Gegenteil von der vorhandenen Verwüstung, die das Zeichen schrecklichen Gotteszornes war und als solches auch die Ursache von Schande und Schmach für das Land. So ermahnt er also sich und die anderen Gläubigen zur Buße, indem er daran erinnert, dass die Bedrückung durch die Tyrannei der Feinde mit verdienter Schmach verbunden gewesen sei, weil sie selbst mit ihren Sünden die Hilfe Gottes lange Zeit von sich abgehalten hätten.

V. 11 u. 12. Dass Güte und Treue usw. Ich schließe mich gern dem an, was von vielen übereinstimmend angenommen wird, dass nämlich diese Worte als Weissagung sich bis auf das Reich Christi erstrecken. Die Gläubigen haben ohne Zweifel in der Hoffnung auf die Wiederherstellung der Gemeinde, besonders nach der Rückkehr aus Babylon, ihre Blicke zu Christus erhoben. Dabei will der Prophet zeigen, wie freigebig Gott gegen seine Gemeinde handelt, nachdem er sich mit ihr versöhnt hat. Er redet von den Früchten, die nun zum Vorschein kommen sollen, indem Güte und Treue „einander begegnen, Gerechtigkeit und Friede sich küssen“. Aus diesen Worten schöpft Augustin einen überaus schönen Gedanken voll lieblichsten Trostes, dass nämlich Gottes Güte Ursprung und Quelle aller Verheißungen sei. Aus ihr gehe die Gerechtigkeit hervor, die durchs Evangelium uns dargeboten wird, und aus derselben entstehe der Friede, den wir im Glauben erlangen, indem Gott aus Gnaden uns rechtfertigt.

Von der Gerechtigkeit aber sage der Psalmist (V. 12), dass sie „vom Himmel schaue“, weil sie ein freies Gnadengeschenk Gottes sei und nicht durch verdienstliche Werke erlangt werde. Sie kommt also vom Himmel her, weil sie unter Menschen nicht zu finden ist, dieselben vielmehr daran arm und leer sind. Dass Treue auf der Erde wachse, legt er so aus, dass Gott seine Treue durch die Tat bewähre, nämlich durch Erfüllung seiner Verheißung. Doch weil wir lieber auf sicher begründete als auf geistreiche Auslegung halten sollen, so wollen wir uns mit dem ursprünglichen Sinne der Prophetenworte begnügen, nämlich dass das Reich Christi sich durch Güte, Wahrheit, Frieden und Gerechtigkeit auszeichnen werde. Da aber der Psalmist nicht menschliche Vorzüge, sondern die Gnade preist, die er vorhin von Gott allein erhofft und erbeten hat, so müssen wir feststellen, dass alle diese Güter von Gott herfließen. Die vier Ausdrücke dienen dazu, zusammen die wahre Glückseligkeit zu umschreiben. Denn wo Grausamkeit ungestraft um sich greifen kann, wo der Glaube erloschen ist, wo die Gerechtigkeit unterdrückt ist und zu Boden liegt, wo in Aufruhr und Verwirrung alles durcheinander geworfen wird, - wäre es da nicht besser, die Welt würde gleich ganz vernichtet? Zu einem glücklichen Leben ist infolgedessen nichts wünschenswerter, als dass jene vier Tugenden im Schwange gehen und die Oberhand behalten, wie denn das Reich Christi an andern Stellen mit ähnlichen Ausdrücken gepriesen wird. Wenn aber jemand es vorzieht, die Güte und Treue als Tugenden Gottes aufzufassen, so habe ich nichts dagegen. Jedenfalls wollen die Worte, dass Treue auf der Erde wachse und Gerechtigkeit vom Himmel schaue, das besagen, dass beides von oben und von unten her sich ausbreiten und Himmel und Erde erfüllen, dass kein Winkel auf Erden sein soll, wo sie nicht blühen. Das gilt von beiden Dingen gleicherweise; einen Gegensatz zwischen ihnen sollen die verschiedenen Aussagen nicht ausdrücken.

V. 13. Dass uns der Herr Gutes tue. Dieser Vers ist nicht, wie einige wollen, bildlich zu nehmen vom Gedeihen geistlicher Güter. Der Prophet will das Vollmaß jener vorhin berührten Glückseligkeit bezeichnen und sagt, dass das Land sein Gewächs gebe, im Sinne einer Zugabe zu den edleren Wohltaten. Wenn nämlich auch das Glück der Gemeinde vornehmlich in jenen aufgezählten vier Gaben besteht, so darf man doch auch die Erleichterung des äußeren Lebensunterhalts nicht unterschätzen, nur soll sie in ihrem bescheidenen Range bleiben. Wenn jemand einwendet, es sei ungereimt, mit dem geistlich gearteten Reich Christi den üppigen Bodenertrag zusammenzustellen, so ist darauf leicht zu antworten. Es ist nichts Unpassendes, wenn Gott neben seinem geistlichen Segen den Gläubigen auch in äußeren Wohltaten seine väterliche Liebe zu kosten gibt, da ja, (wie auch Paulus 1. Tim. 4, 8) bezeugt) die Gottseligkeit die Verheißung nicht nur des zukünftigen, sondern auch des gegenwärtigen Lebens hat. Doch ist zu bemerken, dass den Annehmlichkeiten dieses hinfälligen Lebens ein untergeordneter Rang angewiesen wird, damit die Gläubigen nicht durch die irdischen Genüsse in geistlichen Schlaf versinken. Eben deshalb habe ich nur gesagt, dass sie Gottes Vaterliebe „kosten“, solange sie auf Erden sind, nicht aber, dass sie an deren Fülle sich sättigen. Dieser Vers lehrt uns sodann, dass nicht nur einmal die Erde mit Fruchtbarkeit begabt wurde, um uns die Nahrung zu liefern, (wie ungläubige Leute sich einbilden, Gott habe im Anfang bei der Schöpfung jedem Element seine Aufgabe angewiesen, jetzt aber pflege er der Ruhe) sondern dass sie jedes Jahr durch die verborgene Kraft Gottes furchtbar gemacht wird, je nachdem er uns seine Güte bezeugen will.

V. 14. Dass Gerechtigkeit vor ihm bleibe. Diese Worte besagen einfach, dass unter Christi Regiment so gute Ordnung herrschen wird, dass die Gerechtigkeit vor Gott einhergeht und alle Wege besetzt. Auf diese Weise will offenbar der Psalmist die Gläubigen bei dem wesentlichen Inhalt der Glückseligkeit festhalten. Wenn nämlich Gott seinen Knechten auch reichlichen Lebensunterhalt zukommen lässt, so geziemt es sich doch nicht, dass sie ihr Herz daran hängen. Darin unterscheiden wir uns ja vom unvernünftigen Vieh, dass Gott uns nicht mästet und unsern Bauch füllt, damit wir die Welt genießen, sondern dass er uns höher hinanzieht. Dass die Gerechtigkeit im Schwange gehe, bedeutet das Gegenteil von dem, was Jesaja klagt in den Worten (59, 14): „Das Recht kann nicht einhergehen“, weil es nämlich vom Volke verhindert wird.

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