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Calvin, Jean - Psalm 56.

Calvin, Jean - Psalm 56.

Inhaltsangabe:

Der Psalm enthält Bitten und Klagen, daneben auch zur Sänftigung des Schmerzes einen rühmenden Hinweis auf die Gnade Gottes. Mit der Bitte um Gottes Hilfe gegen das Wüten Sauls und seiner übrigen Feinde preist David schon im Voraus ihre Erhörung. Möglich wäre freilich, dass er den Psalm erst nach überstandener Gefahr gedichtet und dabei den Dank für die Errettung angefügt hätte.

1 Dem Musikvorsteher – von der stummen Taube unter den Fremden, von David, ein gülden Kleinod, als ihn die Philister griffen zu Gath.

Der geschichtliche Vorgang, auf den hier angespielt wird, ist 1. Sam. 21 geschildert. Als David in keinem Schlupfwinkel mehr ungestört weilen konnte, sah er sich zur Flucht auf das Gebiet des Königs Achis genötigt. In dem vorliegenden Psalm sagt er, er sei unterwegs ergriffen worden. Dem widerspricht auch die heilige Geschichte nicht. Denn Achis sagt: „Siehe, ihr seht, dass der Mann unsinnig ist; warum habt ihr ihn zu mir gebracht?“ Wahrscheinlich hatte man ihn unter dem Verdacht des Verrates festgenommen. David sieht die Todesstrafe dadurch von sich abgewendet, dass er sich wie ein Wahnsinniger gebärdete. Aber man sieht hier deutlich, dass er wohl bei Verstand war und ohne Unterlass Gott anrief, und dass sein Glaube auch unter dem Deckmantel der Schwachheit seine ganze Kraft vor Gott betätigte. Es war also nicht eine Verstandesverwirrung, die ihn zu solch unerlaubten Mitteln fortgerissen hätte. Es zwang ihn vielmehr seine verzweifelte Lage, den schlauen Plan auszudenken und dadurch sein Leben zu retten auch unter Verzicht auf seine Menschenwürde. Nach außen merkten die Menschen wenig von seinem hochgemuten Sinn. Aber im Innersten rang sein Glaube mit der heimlichen Furcht, wie uns der Psalm zeigt. In den Worten „von der stummen Taube“ sehen einige den Anfang eines geläufigen Liedes. Andre erblicken darin eine bildliche Bezeichnung für David, was in der Tat trefflich zu der gegebenen Situation passen würde. Unter den Fremden heißt es, weil er auf der Flucht vor der Wut seiner Feinde im fremden Lande sich beklagte, dass er so fern von der Heimat in wüster Einöde weilen müsse. Über den Ausdruck „ein gülden Kleinod“ war schon bei Psalm 16 die Rede.

2 Gott, sei mir gnädig, denn Menschen schnauben wider mich; täglich streiten sie und ängsten mich. 3 Meine Feinde schnauben täglich; denn viele streiten wider mich stolziglich. 4 Wenn ich mich fürchte, so hoffe ich auf dich. 5 Ich will Gottes Wort rühmen; auf Gott will ich hoffen und mich nicht fürchten; was sollte mir Fleisch tun?

V. 2. Gott, sei mir gnädig usw. Ob David hier von den Feinden außerhalb oder innerhalb der Grenzen seines Vaterlandes redet, ist nicht sicher festzustellen. Aber das ist gewiss, dass er sich vor dem Throne des Achis wie ein einziges Schäflein zwischen zwei Wolfsherden vorkommen musste. Denn bei den Philistern galt er als Erzfeind und auch seinen Volksgenossen hatte er sich den bittersten Hass zugezogen.

Menschen schnauben usw. Eigentlich steht hier die Einzahl: der Mensch. David meint damit das ganze Menschengeschlecht; bei den Menschen findet er überhaupt kein Menschenrecht mehr, und so fleht er: „Herr, die äußerste Not lässt mich bei deiner Treue und Hilfe Zuflucht suchen. Die ganze Welt tut den Mund auf, mich zu verschlingen.“ Im zweiten Versteil erweitert er diesen Gedanken dann sofort auf die Menschen in der Mehrzahl: sie streiten und ängsten mich.Dass sie es täglich tun, passt freilich besonders gut nur auf Saul und seine Genossen. Doch beklagt sich David im Allgemeinen über das Elend, das ihm die große machtvolle Schar seiner Feinde durch ihre grausame Verfolgung antut. Dass die Feinde (V. 3) schnauben, ist ein Ausdruck für ihre unaussprechliche Wut, von der sie erfüllt sind, um ihn zu verschlingen.

V. 4. Wenn ich mich fürchte usw. David bekennt seine Schwachheit: ich fürchte mich. Aber er macht eine Einschränkung: ich unterliege der Furcht nicht. Mögen ihn auch die Gefahren aufs äußerste ängstigen, - seine Hoffnung gibt er nicht auf. Er spielt sich also nicht wie ein Held auf, der sich über alle Schicksale mit Sicherheit hinwegsetzt, sondern leugnet nicht im Mindesten seine Furcht, erklärt aber zugleich, die Hoffnung auf Gottes Gnade habe ihn nie verlassen. Das ist ja die beste Prüfung für die Wahrheit unseres Glaubens, wenn wir wohl dem Fleische nach uns fürchten, aber doch dem Geiste nach nicht das innere Gleichgewicht verlieren. Furcht und Hoffnung scheinen freilich solche Gegensätze zu sein, dass es uns kaum möglich dünkt, dass sie gleichzeitig in einem Herzen wohnen könnten. Aber die Erfahrung zeigt, dass erst da Raum für Hoffnung ist, wo Furcht einen Teil des Körpers erfüllt. Wo der Geist ruhig ist, da hat die Hoffnung keine Stätte. Sie zeigt ihre volle Kraft erst da, wo sie einen von Sorgen niedergedrückten Geist aufrichtet, ein von Kummer geplagtes Herz beruhigt, eine von Furcht und Schrecken erfüllte Seele stärkt und erquickt. Und darin bestand auch für David die ernste Prüfung des Glaubens, dass er trotz seiner Furcht auf den Herrn hoffte und trotz der Größe der Gefahr, die ihn in Angst jagte, das Vertrauen festhielt: Gott wird mein Helfer sein.

V. 5. Ich will Gottes Wort rühmen.Damit spricht David aus, der Mut sei ihm über dem Hoffen gewachsen. Das ist eine Erfahrung, die alle Diener Gottes machen. Wenn auch anfangs die Hoffnung nur ein kümmerliches Dasein fristet, ja vielleicht nicht ohne hartes Ringen mit allerlei Furcht zum Durchbruch kommt, so erhebt sich doch ihre Kraft zu immer größerem Vertrauen, um alle Hemmnisse zu überwinden, wie es bei geübten Ringkämpfern der Fall ist. Dass David „rühmen“ will, besagt: in meinem sieghaften Vertrauen freue ich mich jetzt schon einer untrüglichen Hoffnung. Der Grund seiner Freude aber ist Gottes Wort. Mag er sich auch verlassen, ja verraten wähnen, sein Glaube, der ihm geschenkt ist, genügt ihm doch. Denn er ist felsenfest davon überzeugt, dass Gott in seinen Verheißungen wahrhaftig ist. „Sollte ich aufhören“, sagt er, „mich Gottes zu rühmen? Ich ruhe in seinem Wort. Und wenn er mir auch nicht offensichtlich hilft, ja, wenn er seine helfende Hand abzieht, so will ich doch mit seinem Wort allein zufrieden sein.“ Das ist beherzigenswert. Wir erleben es ja, wie wir unsrer Missstimmung nachgeben, wenn Gott unsre Wünsche nicht alsbald erfüllt. Wenn wir auch nicht zu widerstreben wagen, so bäumt sich doch unser Fleisch auf, da es nichts hat als bloße Verheißungen. Einen großen Gewinn hat also der, welcher bei den Versuchungen, die an ihn herantreten, im Vertrauen auf Gottes Wort allein mannhaft im Rühmen Gottes beharrt. Was dann folgt, scheint auf den ersten Blick eine ziemlich überflüssige Bemerkung: auf Gott will ich hoffen, was sollte mir Fleisch tun?Denn wer wäre so töricht zu glauben, Menschenmacht könnte mehr schaden, als die unermessliche Gotteskraft helfen? Aber jedermann muss auch eigner Erfahrung bezeugen, dass in ihm dieses verkehrte, böse Misstrauen lebt, das Gottes Macht nicht soviel zutraut als der Macht der Geschöpfe. Darum hat David ein gutes Recht, hier ausdrücklich der Kraft des Glaubens Erwähnung zu tun, mit der er sich über die Drohungen seiner Feinde hinwegsetzt. Und alle Frommen müssen sich besonders darin üben, dass sie unter Nichtachtung aller möglichen Schädigungen sich allein mit Gottes Hilfe über alle Furcht hinwegsetzen. Sobald die Feinde auf uns hereinstürmen, sollen wir daran gedenken, dass ihr Angriff dem Herrn selber gilt. Über ihn wollen sie gleichsam die Oberhand gewinnen. Aber könnte es einen unwürdigeren Gedanken geben als den, die wütenden Angriffsversuche der Gottlosen könnten der unbesiegten Kraft Gottes auch nur die Wage halten? Wie sie durch Erschütterung unseres Glaubens unser Vertrauen auf Gottes Wort und seine verheißene Hilfe ins Wanken zu bringen suchen, so sollen wir, wenn wir keine Gewissheit haben, dass Gott auf unsrer Seite steht, der schon mit dem kleinen Finger oder mit einem Windhauch ihre Versuche zu Schanden machen und ihre Massen zerstreuen kann, uns nicht auf seine Macht verlassen, ja, wir sollen ihm ebenso wenig zutrauen wie einem sterblichen Menschen, der allein von zweien überwältigt ist? Aber es fragt sich nun, wie hat David so plötzlich jede Schwäche abgelegt, dass er, dem eben noch vor dem Tode bangte, jetzt ohne Furcht seinen Feinden zu Leibe geht? Ich antworte: Befindet sich einer außerhalb des Bereichs der Geschosse, so kann er getrost über alle Gefahren lächeln. Davids Zuversicht, über die Feinde zu siegen, schließt die Furcht nicht aus. Sie ist da, aber er überwindet sie, indem er den Schild der Hoffnung erhebt und im festen Vertrauen auf das Heil mit Recht rühmt: „auf Gott will ich hoffen und mich nicht fürchten.“ „Fleisch“ nennt David verächtlich die Menschen, um sich recht anschaulich vorzustellen, wie töricht die Kühnheit ist, in der sie ohne jede Selbsterkenntnis so vieles meinen ausrichten zu können.

6 Täglich machen meine Worte mich traurig; all ihre Gedanken sind, dass sie mir übel tun. 7 Sie halten zuhauf und lauern und haben Acht auf meine Fersen, wie sie meine Seele erhaschen. 8 Im Frevel ist Rettung für sie. Gott, stoße solche Leute ohne alle Gnade hinunter! 9 Zähle die Wege meiner Flucht, fasse meine Tränen in deinen Krug. Ohne Zweifel, du zählest sie.

V. 6. Täglich machen meine Worte mich traurig.Gewöhnlich findet man hier eine Aussage über das Treiben der Feinde und übersetzt: „Täglich fechten sie meine Worte an.“1) Aber David spricht eine doppelte Klage aus: auf der einen Seite denkt er an sich selbst, in seinen eignen Gedanken und Worten findet er keine Trost, ja, er sieht, wie alles zu seinen Ungunsten sich gestaltet, und wie seine Pläne ein trauriges Ende nehmen; auf der andern Seite erfährt er, wie seine Feinde auf sein Verderben sinnen und ihm in mannigfachster Weise nachstellen. Es passt ja freilich auf den ersten Blick wenig zu dem, was früher gesagt war, er sei frei und ledig von Furcht, wenn er jetzt sagt, er sei bekümmert, und den Grund dazu in sich selbst findet. Aber ich wies schon darauf hin, dass er nicht ohne Bangen und Furcht war, auch wenn er im Glauben sich nicht um die Nachstellungen seiner Feinde kümmerte. Hier redet David von seiner Anfechtung, die er mit festem Glauben überwindet, aber nicht aufhebt. Er weiß also nicht aus noch ein, weil all sein Vorhaben und Tun misslingt. Schlimmer wird dies Übel noch dadurch, dass seine Feinde unaufhörlich die Köpfe zusammenstecken und alle möglichen Künste erfinden, ihn zu vernichten. Darauf deutet die Fortsetzung (V. 7): Sie halten zuhauf und lauern.Der letztere Ausdruck weist auf die listigen Ränke und verborgenen Anschläge, mit denen sie ihn unverhofft zu Fall bringen wollen. Wohin er sich wendet, überall stehen sie ihm feindlich im Wege und haben Acht auf seine Fersen, so dass er nicht zu Atem kommen kann. Ein unversöhnlicher Hass, sagt David, treibt sie dazu. Und sie können nicht eher zufrieden gestellt werden, als bis seine Gebeine unter der Sonne bleichen.

V. 8. Im Frevel ist Rettung für sie.Gewöhnlich übersetzt man in Frageform: „Sollte im Frevel Rettung für sie sein?“ D. h. sollten sie in ihrer Bosheit entrinnen? Doch besteht für diese Übersetzung keine Notwendigkeit. Der Sinn ist ganz einfach der: Wenn sie auch im Augenblick sich durch Freveltat zu retten wissen, so wirst doch du, o Gott, solche Leute stürzen. Diesen Trost stellt David sich vor Augen, weil seine Feinde ganz frech geworden sind, da ihre Missetaten ungehindert überhand nehmen konnten. Und sie versprechen sich nicht nur Straflosigkeit, sondern setzen sogar ihre Hoffnung auf Missetaten und suchen ihre Stärke darin. Für alle Widrigkeiten scheint es ihnen das beste Heilmittel, frech und rücksichtslos voranzustürmen. Nachdem David dies als ihre Gesinnung beschrieben, zeigt er durch den Hinweis auf Gottes Gericht, wie gebrechlich solch sündhaftes Selbstvertrauen ist. Er sagt also: „Sind meine Feinde auch übermütig, so stürzest du, Gott, die Völker doch hinab, sobald deine Rachestunde da ist.“ Dass er von Leuten in der Mehrzahl redet, hat darin seinen Grund, dass er sich Mut machen will. Denn die große Zahl von Feinden musste ihm ja Furcht einjagen. So oft uns also Feinde in Menge über den Hals kommen, sollen wir daran gedenken, dass es Gottes eigenste Sache ist, nicht bloß einen oder wenige Menschen, auch nicht bloß ein Volk, sondern die ganze Welt niederzuwerfen.

V. 9. Zähle die Wege usw. Am Schluss des Verses erfährt die Bitte eine Unterbrechung. Zuerst bittet David, Gott möge seine Tränen beachten, und dann sagt er alsbald, als wäre seine Bitte erfüllt: Ohne Zweifel, du zählest sie.Genauer wäre vielleicht in Frageform zu übersetzen: „Solltest du sie nicht in dein Buch schreiben?“ Der Sinn ist jedenfalls der: „Herr, vor dir brauche ich nicht viele Worte zu machen. Denn ich weiß, du kommst mir freiwillig entgegen und gewährst mir meine Bitte.“ Aber wir müssen die einzelnen Worte erklären. Von „Wegen seiner Flucht“ redet David, um desto mehr Mitleid zu erwecken. Hatte er doch schon lange unstet und flüchtig umherirren müssen. Er hatte also nicht bloß eine einzige Flucht, sondern deren eine Menge hinter sich. Sein ganzes Leben scheint eine Wanderung in der Irre zu sein. Und eben dies bange, kummervolle Umherirren auf langen, verschlungenen Pfaden musste ihm Gottes Barmherzigkeit und Gunst gewinnen. Daher bittet er, Gott möge seine Tränen in ein Krüglein sammeln. In solchen pflegte man Wein und Öl aufzubewahren. Der Sinn ist also, Gott möge Davids Tränen nicht auf den Boden fallen lassen, sondern sie als etwas Kostbares in Treue bewahren. David gründete seine Bitten auf die Vorsehung Gottes, nach der dieser die Schritte der Seinigen mit seinen Augen verfolgt. So lehrt ja auch Christus (Mt. 10, 30), dass der Vater die Haare unseres Hauptes gezählt habe. Wenn wir nicht davon überzeugt sind, dass all unsre Trübsal vor Gott komme, so werden wir uns nie dazu aufschwingen können, so vertrauensvoll zu bitten, Gott möge unsre Tränen in einem Kruge aufbewahren, damit ihr Anblick ihn bestimme, doch endlich mit seiner Hilfe zu kommen. David aber erklärt alsbald, wie wir schon sagten, dass sein Wunsch bereits erfüllt sei. Denn der letzte Satz des Verses enthält keinesfalls mehr eine Bitte, sondern eine zuversichtliche Aussage. David ist so hoffnungsfroh, dass ihm gar kein Zweifel darüber kommt, dass seine Tränen alle bei Gott angeschrieben sind. Und was vor ihm geschrieben ist, das kann ja nicht ausgelöscht werden. Wenn Gott schon den Tränen seiner Frommen soviel Ehre einräumt, so lässt er sicherlich keinen Tropfen ihres Blutes zur Erde fallen, ohne ihn zu zählen. Ihr Fleisch und ihre Knochen mögen die Gewalthaber verbrennen, aber ihr Blut wird stets nach Rache schreien: und keine noch so lange Zeit wird auslöschen, was in Gottes Gedächtnis geschrieben steht.

10 Dann werden sich meine Feinde müssen zurückkehren, wenn ich rufe; so werde ich inne, dass du mein Gott bist. 11 Ich will rühmen Gottes Wort, ich will rühmen des Herrn Wort. 12 Auf Gott hoffe ich und fürchte mich nicht; was können mir die Menschen tun?

V. 10. Dann werden sich meine Feinde usw. Immer gewisser rühmt sich David seines Sieges. Es ist, als könnte er schon jetzt den Zeitpunkt bestimmen, an dem seine Feinde von ihm ablassen müssen. Obwohl er ihren Untergang noch nicht handgreiflich nahe sah, so konnte er doch im Vertrauen auf Gottes Verheißung von dieser Zeit reden, wenn er auch jetzt noch in Geduld auf ihr Kommen warten musste. Kurz, wenn auch Gott nicht so sehr eilt, Davids Feinde zu der von ihm erwünschten Zeit umzubringen, so steht doch dem frommen Manne fest, dass seine Bitten nicht vergeblich sein werden. Und er macht auch kein Hehl daraus, dass er weiß, auf welche Weise und von welcher Seite aus seine Feinde ihre Niederlage erleiden würden: Gott lässt die Bitten und das Flehen der Seinigen nicht unerhört. So wartet auch David in Geduld, bis seines Herzens Wunsch erfüllt werden wird. Eine nutzbringende Lehre enthält dieser Vers: David bittet um Erfüllung seines Wunsches ohne irgendwelchen Zweifel und mit der gewissen Überzeugung, dass Gott sein Flehen huldvoll erhören werde. In diesem Glauben ist es ihm auch keine Frage, dass er alle Anfechtungen des Satans und aller Gottlosen gering anschlagen dürfe.

V. 11. Ich will rühmen usw. Die Wiederholung des Satzes ist von großem Nachdruck. David will etwa sagen: Schiebt auch Gott die Offenbarung seiner Gnade noch auf, so dass es den Anschein erwecken könnte, als habe er mich nur zum Besten mit seinen Worten, so lasse ich doch den Mut nicht sinken, sondern rühme immer und immer wieder Gottes Wort. Wer in dieser Weise nicht ablässt, dem Worte Gottes die gebührende Ehre zu geben, auch wenn er von des Herrn Güte und Macht nichts fühlt, der besiegelt es, dass Gott wahrhaftig ist (Joh. 3, 33). Und wenn es morgen und übermorgen noch zu warten gilt, so wollen wir dabei beharren, Gottes Wort zu rühmen. Das müssen sich alle Gläubigen merken, auch in Anfechtungen sich mit dem bloßen Wort genügen zu lassen. Denn wenn Gott ihnen auch durch seine Wohltaten viel Stoff zum Rühmen darreicht, so lässt er sie doch kaum drei Schritte tun, wenn sie es nicht gelernt haben, sich allein auf sein Wort zu verlassen. Denselben Sinn hat die Wiederholung (V. 12): Auf Gott hoffe ich usw. Wenn auch jedermann behauptet, sich im Schutze Gottes hinreichend sicher zu fühlen, so zeigt doch die Erfahrung, dass wir schon durch die geringfügigsten Kleinigkeiten von ihm abgezogen werden. Wir wollen also mit David stets bedenken: was die Menschen auch immer anstreben, welche Pläne sie auch aushecken, mit welchen Machtmitteln sie sich auch ausstatten, so ist doch kein Grund vorhanden, zu erschrecken, wenn wir nur alles Gott anheim stellen, weil dadurch alles seinen Schrecken verliert, was uns sonst in Angst jagen könnte.

13 Ich habe dir, Gott, gelobt, dass ich dir danken will. 14 Denn du hast meine Seele vom Tode errettet, meine Füße vom Gleiten, dass ich wandeln mag vor Gott im Licht der Lebendigen.

V. 13. Ich dir gelobt usw. Wir sagten schon anfangs, David hätte bei Abfassung dieses Psalms die Gefahr schon hinter sich gehabt und darum sei es wahrscheinlich, dass er diesen Ausdruck seiner Dankbarkeit noch beigefügt habe, als er den glücklichen Ausgang erlebt hatte. Indessen muss man festhalten, dass David auch mitten in seinen Anfechtungen stets von seinem Gottvertrauen beseelt und darum stets zum Lob Gottes bereit war. Er sagt: „Ich habe dir gelobt, dass ich dir danken will“ – weil er nach der Erfüllung der Bitte seines Gelöbnisses gedenken muss. Das ist eine Verpflichtung, der wir uns nicht entziehen dürfen. Wir stehen ja mit unserm Dank gegen Gott in demselben Verhältnis wie ein Schuldner seinem Gläubiger gegenüber. Diesem gehört das Geld, auch wenn es in unsrer Hand ist. David erkennt also seine Errettung als eine Gottestat an. Er weiß sich der Einlösung seines Gelübdes schuldig, das er auf sich genommen hatte. Denn die gestellte Bedingung ist schon erfüllt. Welcher Art diese Gelübde sind, zeigt das Folgende: es sind keine Gelübde, wie sie die päpstliche Kirche ihren Gliedern auferlegt, sondern Dankopfer und Lobpreisungen. David wusste freilich, dass Gott auf die Opfer an sich gar keinen Wert legte und sie darum auch nicht forderte, aber in seinem Gesetzesgehorsam versäumte er die heiligen Handlungen, die dem ganzen Volke geboten waren, auch für seine Person nicht. Es ist darum wahrscheinlich, dass David hier von einem festlichen Dankesbeweis redet, wie ihn die Gläubigen erstatteten, wenn Gott ihnen eine außerordentliche Liebestat hatte zuteil werden lassen.

V. 14. Denn du hast meine Seele errettet. David gibt also deutlich zu, dass er sein Leben dem Herrn allein verdanke, das Leben, das er verloren hätte, wenn er nicht auf wunderbare Weise erhalten worden wäre. Um jeden Zweifel zu bannen, sagt er ja, er sei nicht nur aus Lug und Trug oder aus Bosheitsäußerungen oder von den Schwertern seiner Feinde errettet worden, sondern geradezu vom Tode. Denselben Gedanken drücken die Worte aus: Gott hat meine Füße vom Gleiten errettet. Er wäre jählings dahin geglitten, hätte ihm nicht Gottes Hand einen Halt geboten. Aus solcher Gefahr, das ist kurz gesagt Davids Überzeugung, konnte nur Gott helfen. Auch wir sollen, wenn uns Gott aus irgendeiner Not errettet hat, stets an die Größe und Art der Gefahr denken. Denn in der Not selbst sind wir mehr als furchtsam. Aber bald danach erlischt denn auch mit der Furcht das Gedächtnis an Gottes Gnade. Im Licht der Lebendigen wandeln heißt nichts anderes als das Sonnenlicht genießen und leben. Doch schafft der Beisatz „vor Gott“ eine Unterscheidung. Die Gläubigen stehen auf der einen Seite, die ihr Leben stets in Beziehung zu Gott setzen; auf der andern sind die Gottlosen, die unstet und flüchtig umherirren, weil sie dem Herrn den Rücken kehren, wenn sie auch dem Blick seiner Augen nicht entgehen können.

1)
Calvins Übersetzung ist sicher unrichtig, da der Text zweifellos von den Feinden handelt. Am richtigsten wird zu übersetzen sein: „Täglich tun sie meiner Sache wehe.“
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