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Calvin, Jean - Psalm 24.

Calvin, Jean - Psalm 24.

Inhaltsangabe: Hat auch Gott das ganze Menschengeschlecht geschaffen und erhält es durch sein Regiment, so hebt David im Vergleich dazu noch die besondere Gnade heraus, deren er das auserwählte Volk würdigte: der Herr hat dort sein Heiligtum als eine Wohnung errichtet, um unter den Kindern Abrahams zu wohnen. Zugleich zeigt aber der Psalm, dass der Herr, wenn auch sein Heiligtum allen Juden offen steht, doch nicht allen Ausnahme nahe ist, sondern nur den wahrhaft Frommen, die sich von dem Schmutz der Welt gereinigt haben, um sich der Heiligkeit und Gerechtigkeit zu ergeben. Da endlich durch die Erbauung des Tempels Gottes Gnade sich noch in hellerem Lichte zeigte, so preist David diese durch eine glänzende Lobeserhebung, damit die Gläubigen umso freudiger in dem Eifer zunehmen, den Herrn zu verehren.

V. 1. Die Erde ist des Herrn usw. Der Vergleich der Kinder Abrahams mit der ganzen übrigen Welt wird uns noch öfters begegnen: er will die unverdiente Güte Gottes ins Licht setzen, die Israel aus allen Völkern heraushob und mit besonderer Gunst umfasste. Der Anfang des Psalms weist also vor allem darauf hin, dass die Juden von sich selbst nichts haben, das ihnen im Vergleich mit den Heiden ein Recht auf eine nähere und engere Gemeinschaft mit Gott gebe. Denn da Gott durch seine Vorsehung die ganze Welt in ihrem Stand erhält, so erstreckt sich die Macht seiner Herrschaft über alle Menschen in gleicher Weise. Er muss mit Recht überall verehrt werden, da er allen ohne Ausnahme seine väterliche Fürsorge erweist. Wenn er die Juden den anderen Völkern vorzog, so musste bei ihnen irgendein heiliges Band, das sie von den gewöhnlichen Menschen unterschied, hinzukommen. Dies gibt Veranlassung, sie zur Heiligkeit einzuladen und zu ermahnen. Denn es ist billig, dass Menschen, die Gott zu seinen Kindern angenommen hat, auch besondere Merkmale davon an sich tragen, durch die sie von den Draußenstehenden sich abheben. Nicht als könnte man dem Herrn zuvorkommen und seine Gnade verdienen: aber David knüpft an die Erwählung an und erinnert, dass die Kinder Israels diese Ehre erst dann fest und sicher besitzen werden, wenn sie nach einem frommen und gerechten Leben trachten. Es würde umsonst sein, dass Gott sie zu seinem Eigentum aussondert, wenn sie sich nicht der Heiligkeit befleißigten. Zuerst sagt er also, dass Gott der König der ganzen Welt ist, sodass alle Sterblichen schon durch das Recht der Natur zu seinem Dienste verpflichtet sind; dann weist er darauf hin, dass er mit einem geringen Teil der Menschen den Bund der Gnade geschlossen und durch die Aufrichtung des Zeltes den Kindern Abrahams ein Zeichen seiner Gegenwart gegeben hat, damit sie sicher seien, dass er in ihrer Mitte throne; endlich lehrt er, dass sie nach Reinheit des Herzens und der Hände trachten müssen, wenn sie zu seiner heiligen Familie gezählt werden wollen.

Und was drinnen ist. Freilich umfasst dieser Ausdruck den ganzen Reichtum der Erdenwelt: doch wird insbesondere an die Menschen zu denken sein, die den herrlichsten Schmuck und die größte Zierde der Erde bilden. Denn ohne sie wäre die Erde einsam und öde, und es würde nicht viel austragen, wenn Gott auch allen anderen Reichtum von ihr nähme. Wozu sind die verschiedenartigen Früchte da? Wozu dieser große Überfluss und diese Lieblichkeit? Doch nur, damit der Mensch davon Nutzen habe! Das zweite Glied lässt deutlicher ersehen, dass vor allen von den Menschen die Rede ist. Denn nach der üblichen Weise, einen Gedanken zu wiederholen, bedeutet „was drinnen ist“, dasselbe wie „was drauf wohnt“. Doch, wie gesagt, leugne ich nicht, dass hierunter die Reichtümer, die dem Menschen zu seinem Nutzen zufließen, zugleich mit eingeschlossen sind. Deshalb wendet auch Paulus (1. Kor. 10, 26) in seiner Verhandlung der Speisen unsere Stelle treffend als Zeugnis dafür an, dass keine Art der Nahrung unrein sei, weil die Erde des Herrn ist und was drinnen ist.

V. 2. Denn Er hat ihn an die Meere gegründet. David zeigt, dass die Menschen mit Recht unter Gottes Hand sind, so dass der Weltkreis ihn überall als König anerkennen müsse. Den Nachweis hierfür erbringt er aus der Ordnung der Schöpfung, da die wunderbare Vorsehung Gottes sich deutlich auf der ganzen Oberfläche der Erde offenbart. Das gewählte Beispiel fällt besonders in die Augen. Wie kommt es, dass das Land über dem Wasser emporragt? Ist nicht der Grund dafür, dass Gott den Menschen einen Wohnsitz bereiten wollte? Auch Hiob (28, 25) rühmt hoch das große Wunder, dass Gott den heftigen Fluten des Meeres Stillstand gebietet, damit sie nicht alsbald die Erde bedecken und ein schreckliches Wirrwarr folge. Auch von Mose wird dies in der Geschichte der Schöpfung nicht verschwiegen. Denn nachdem er erzählt hat, dass die Wasser sich so ergossen hatten, dass sie die ganze Erde bedeckten, fügt er hinzu, dass sie auf Gottes besonderen Befehl gewichen seien, um den Tieren, die nachher geschaffen wurden, einen leeren Platz zurückzulassen (1. Mo. 1, 9). Hieraus schließen wir, dass Gott schon für die Menschen, bevor sie entstanden, gesorgt hat, indem er ihnen eine Herberge und andere Bequemlichkeiten bereitete, und dass er sich nicht als solche betrachtete, die ihm ganz fremd seien. Denn er hat so gütig für sie gesorgt wie ein Vater für seine eigenen Kinder. Doch behandelt David diese Sache nicht in gelehrter Weise, sondern er redet die Sprache des Volkes und passt sich dem Fassungsvermögen des Ungebildeten an. Da nun schon von der Schöpfung an die Fürsorge Gottes sich über das ganze Menschengeschlecht erstreckt hat, so stammt die besondere Ehrenstellung, durch welche die Juden den Vorrang vor den übrigen haben, von der Erwählung aus Gnaden.

V. 3. Wer wird auf des Herrn Berg gehen? Dass es eine reine Gnade war, dass Gott sich durch die Einrichtung des Heiligtums einen Wohnsitz unter den Juden erwählte, wird hier, weil es sich eigentlich von selbst verstand, mit Stillschweigen übergangen. David legt dagegen besonderes Gewicht auf das zweite Stück, nämlich auf den Unterschied zwischen den wahren und den falschen Israeliten. So nimmt er Veranlassung, die Juden zu einem heiligen und gerechten Leben zu ermahnen, weil Gott sie zu seinem Eigentum ausgesondert hat. Wenn auch die übrigen Menschen, sofern sie Gottes Geschöpfe sind, unter seiner Herrschaft stehen, so steht doch der, der zur Gemeinde gehört, zu ihm in näherer Beziehung. Gott beruft alle, die er in seine Herde aufnimmt, durch diese Annahme auch zur Heiligung. So enthalten Davids Worte auch einen versteckten Tadel wider die Heuchler, die sich kein Gewissen daraus machen, sich in falscher Weise mit Gottes heiligem Namen zu schmücken. Wir wissen ja, dass solche Leute sich mit falschen Titeln und äußeren Zeichen brüsten. So verherrlicht David absichtlich diese besondere Gnade Gottes, damit ein jeder für sich daraus lerne, dass er von dem Zugang zum Heiligtum ausgeschlossen ist, wenn er sich nicht zu diesem reinen Gottesdienst heiligt. Es ist ja allerdings wahr, dass auch Gottlose und Übeltäter häufig die Stiftshütte besuchten. So erhebt Gott durch den Mund des Jesaja (1, 12) den Vorwurf, dass man mit unheiligem Sinn seinen Vorhof betrete. Aber hier handelt David davon, welchen Leuten der Zugang mit Recht offen stehe: wer sich missbräuchlich und widerrechtlich in Gottes heiliges Haus drängt, besudelt es mit seinem verderbten Missbrauch. Diese Möglichkeit, dass man in ungesetzlicher Weise sich dem Hause Gottes nahen kann, kommt aber jetzt nicht weiter in Betracht. Ja, es lässt sich aus unseren Worten ein schwerer Tadel herauslesen, dass unreine Menschen durch ihr Erscheinen das Heiligtum nur beflecken könnten. Darüber habe ich zum 15. Psalm ich des Weiteren geäußert. Übrigens scheint der Wiederholungssatz darauf zu deuten, dass es dann auch zu beharren gilt: wer wird stehen an seiner heiligen Stätte? Geht man doch hinauf, um vor Gottes Angesicht zu weilen. Alles in allem: Wenn auch zur Zeit Davids in der Gemeinde die Bösen mit den Guten vermischt waren, so erklärt er doch, dass das äußerliche Bekennen ohne innere Wahrheit ein eitles Ideal ist. Was aber hier vom Betreten der Stiftshütte gesagt wird, gilt in alle Zukunft für die Ordnung der Gemeinde.

V. 4. Der unschuldige Hände hat und reinen Herzens ist. Mit diesen Ausdrücken, wozu noch die Ehrfurcht vor Gottes Namen kommt, wird zusammenfassend ein frommes und rechtes Leben bezeichnet. Die wahre Reinheit hat allerdings ihren Sitz im Herzen, aber sie zeigt ihre Früchte auch in den Werken der Hände. Daher werden die Unbescholtenheit des ganzen Lebens und die Reinheit des Herzens treffend miteinander verbunden. Es würde lächerlich sein, wenn jemand sich rühmte, dass sein Herz lauter sei, wenn die Güte der Wurzel sich nicht an den Früchten zeigte. Anderseits genügt es aber auch nicht, die Hände, die Füße und Augen nach der rechten Regel zu formen, wenn nicht die Reinheit des Herzens dieser äußeren Zucht vorangeht. Sollte es aber jemand widersinnig finden, dass den Händen der erste Platz angewiesen wird, so kann man leicht antworten, dass die Wirkung oft vor der Ursache genannt wird, nicht weil sie der Ordnung nach vorangeht, sondern weil es zuweilen nützlich ist, mit bekannten Dingen zu beginnen. David will also, dass die Juden mit reinen Händen vor Gottes Angesicht treten; und so sollen sie nicht nur scheinbar, sondern aufrichtigen Herzens tun.

Der seine Seele nicht erhebt zum Trug. Damit wird im Allgemeinen Zuverlässigkeit und Lauterkeit in allen Geschäften gefordert. Dass aber insbesondere an das Schwören zu denken ist, bei dem die Verehrer Gottes volle Gewissenhaftigkeit beweisen sollen, zeigt das zweite Satzglied: und schwöret nicht fälschlich. Und in der Tat ist auch dafür der erste Ausdruck ganz passend: denn beim Schwören hebt man die Seele gleichsam als Bürgin der Wahrheit zu Gott empor, - und das darf man nicht „zum Trug“, d. h. zum Meineid tun. Vielleicht bedeutet auch „die Seele erheben“ ganz einfach „sich anschicken“. Jetzt erhebt sich aber die Frage, weshalb David bei alledem den Glauben und die Anrufung Gottes auch nicht mit einem Worte erwähnt. Doch diese Schwierigkeit ist leicht zu lösen. Denn nicht leicht verhält sich jemand seinen Brüdern gegenüber gerecht und tadellos, wenn er nicht wahre Gottesfurcht besitzt, die ihn zu einem vorsichtigen Wandel vor Gottes Angesicht anleitet. Deshalb schließt David mit Recht aus den angegebenen Kennzeichen auf das Vorhandensein von Frömmigkeit zurück. Aus demselben Grunde bezeichnet Christus als die vorzüglichsten Stücke im Gesetz Barmherzigkeit, Rechtlichkeit und Treue (Mt. 23, 23); und Paulus nennt die Liebe bald die Hauptsumme des Gesetzes (1. Tim. 1, 5), bald das Band der Vollkommenheit (Kol. 3, 14).

V. 5. Der wird den Segen empfangen. Um die Herzen noch mehr zu bewegen, sagt David, dass es nichts Wünschenswerteres gebe, als zur Herde Gottes gezählt zu werden und das Hausrecht in seiner Gemeinde zu haben. Zu beachten ist auch hier der Gegensatz zwischen den wahren Israeliten und den entarteten. Denn je mehr Freiheit sich die Bösen herausnehmen, umso zuversichtlicher decken sie sich mit Gottes Namen, als ob der Herr ihnen verpflichtet wäre, weil sie mit denselben Zeichen wie die Gläubigen geschmückt sind. Im folgenden Verse hat das Wort „das“ einen besonderen Nachdruck, denn es schließt ausdrücklich das ganze entartete Geschlecht aus, das sich nur mit der Maske des äußerlichen Gottesdienstes brüstet. Wo also von dem Segen Gottes die Rede ist, wird eingeprägt, dass Leute, die nur dem Namen nach Verehrer Gottes sind, keinen Anteil daran haben, sondern nur solche, die von Herzen ihrer Berufung entsprechen. Übrigens ist es, wie schon gesagt, eine sehr wirksame Ermahnung zur Frömmigkeit und zu einem rechtschaffenen Leben, wenn die Gläubigen hören, dass sie in ihrem sittlichen Streben sich nicht umsonst abmühen werden, weil ein sicherer Segen für sie bei Gott aufbewahrt ist. Die Gerechtigkeit, die ihnen von Gott zuteilwerden soll, kann in doppelter Weise gedeutet werden. Entweder sind die Wohltaten gemeint, mit denen Gott sich als gerecht und treu gegen seine Kinder erweist, oder es ist an die Frucht ihrer eigenen Gerechtigkeit zu denken. Was David sagen will, ist aber sachlich nicht zweifelhaft. Er will einprägen, dass niemand sich den Lohn der Gerechtigkeit versprechen darf, der in ungerechter Weise den heiligen Dienst Gottes entweiht; anderseits ist nicht zu fürchten, dass Gott je seine wahren Verehrer täuschen sollte: denn es ist sein Amt, mit Wohltaten seine Gerechtigkeit zu beweisen.

V. 6. Das ist das Geschlecht, das nach ihm fragt. Ich habe schon erinnert, dass durch diesen Hinweis alle falschen Israeliten aus der Liste der Diener Gottes gestrichen werden, weil sie nur auf die Beschneidung und auf die Opfer an Vieh vertrauen, dagegen keine Sorge tragen, sich selbst dem Herrn zum Opfer darzubringen. Es ist zudringliche Frechheit, wenn solche Leute Glieder der Gemeinde sein wollen: denn wenn sie sich auch stellen, als wären sie vom Eifer für Gott beseelt, so beabsichtigen sie mit ihrem Besuch des Tempels doch eigentlich nur, sich innerlich weiter von Gott zu entfernen. Da nun die Rede in aller Munde war, dass alle Israeliten ein heiliger Same seien, so beschränkt David die Bezeichnung auf diejenigen, die rein und lauter das Gesetz beobachten. Er gibt also zu verstehen, dass nicht alle, die dem Fleische nach von Abraham abstammen, auch deswegen schon seine rechten Kinder sind. Mit Recht heißt es zwar an vielen Stellen, - wie wir dies zum 27. Psalm hören werden – dass diejenigen Gottes Angesicht suchen, die sich vor der Bundeslade in den heiligen Handlungen üben, um damit ihre Frömmigkeit zu bezeugen. Aber vorausgesetzt wird, dass der Antrieb dazu eine lautere Gesinnung ist. Da jedoch den Heuchlern eine gewisse äußere Art, Gott zu suchen, gemein ist, während sie doch auf Umwegen vor ihm fliehen, so verkündigt David an dieser Stelle, dass Gott nur da in Wahrheit gesucht werde, wo ein eifriges Streben nach Heiligkeit und Gerechtigkeit vorhanden ist. Um seinen Worten noch mehr Nachdruck zu geben, richtet er seine Reden an Gott selbst. Es ist, als fordere er die Heuchler, die es für nichts achten, wenn sie Gottes Namen vor der Welt missbrauchen, vor Gottes Richterstuhl: und Gottes Urteil werden sie mit allem ihrem Geschwätz vor den Menschen nicht beeinflussen. – Zur Bekräftigung wird endlich hinzugefügt: - „Jakob“, d. h. nur dieses Geschlecht ist Jakob, nämlich seine wahre Nachkommenschaft. Zwar sind alle leiblichen Nachkommen Jakobs durch die Beschneidung von den Heiden geschieden: aber die Kennzeichen des in Wahrheit auserwählten Volkes sind rechte Furcht und Verehrung Gottes. Wie Christus sagt (Joh. 1, 47): das ist ein wahrer Israelit, in dem kein Falsch ist.

V. 7. Hebt eure Häupter auf, ihr Tore. Da jener herrliche Tempel, der viel mehr äußeren Glanz hatte als die Stiftshütte, noch nicht dastand, so redet David hier von der zukünftigen Erbauung desselben. Auf diese Weise ermuntert er die Gläubigen, damit sie desto freudiger und mit umso größerer Zuversicht den gottesdienstlichen Handlungen, die das Gesetz vorschrieb, obliegen. Denn es war eine besondere Wohltat Gottes, dass er unter einem sichtbaren Zeichen in ihrer Mitte thronte und dass er seinen himmlischen Wohnsitz auf Erden schauen ließ. Diese Lehre hat auch noch heute Bedeutung für uns, da es eine unschätzbare Gnade Gottes ist, dass wir bei der Schwachheit unseres Fleisches durch die Übungen der Frömmigkeit zu Gott emporgehoben werden. Denn welchen anderen Zweck haben die Predigt des Worts, die Sakramente, die heiligen Versammlungen und die ganze Ordnung des Gottesdienstes, als dass sie uns mit Gott verbinden? David empfiehlt diesen Gottesdienst des Gesetzes nicht ohne Grund mit einer solch ehrenden Lobpreisung, da Gott bei der Bundeslade den Gläubigen nahe war und ihnen durch dieselbe ein sicheres Unterpfand seiner gegenwärtigen Hilfe gab, so oft er von ihnen angerufen wurde. Wenn nun auch Gott nicht wohnt in Tempeln, von Händen gemacht, und an äußerem Gepränge kein Gefallen hat, so trägt David doch kein Bedenken, das kostbare Gebäude des Tempels den Gläubigen zur Stärkung ihres Glaubens vorzuhalten: denn es war nützlich und von Gott verordnet, das noch ungebildete und kindliche Volk durch solche irdischen Erziehungsmittel aufwärts zu führen. Dabei sollten die Juden fest überzeugt sein, dass es sich um kein leeres Schauspiel handelte: vielmehr stand der Herr ihnen vor Augen und ließ seine Nähe tatsächlich spüren, wenn sie ihn nach der Vorschrift seines Wortes richtig verehrten. Alles in allem: in demselben Maße, als der Tempel, den man dem Herrn auf dem Berge Zion erbauen sollte, die Stiftshütte an Glanz übertraf, sollte er auch ein herrlicheres Abbild der Majestät und Macht des Gottes sein, der in Israel wohnte. Da nun David selbst sich aufs innigste nach dem Tempel sehnte, will er in den Herzen der Frommen die gleiche Glut entfachen: sie sollen die Hilfsmittel, die das Gesetz darreicht, nützen, um mehr und mehr in der Gottesfurcht zu wachsen. Von ewigen Pforten ist die Rede, weil deren bleibender Bestand durch Gottes Wort verbürgt war. Zeichnete sich auch jener Tempel durch kostbares Material aus, so bestand doch sein höchster Vorzug darin, dass seinem Bau die Verheißung Gottes aufgeprägt war, der wir später (Ps. 132, 14) begegnen werden: „Dies ist meine Ruhe ewiglich.“ Übrigens zweifle ich nicht daran, dass hier auch an den Gegensatz zur Stiftshütte zu denken ist. Denn da die Stiftshütte nie einen festen Platz hatte, sondern bald hier bald dort Unterkunft fand und gleichsam immer auf der Wanderung war, so hat Gott erst einen festen Wohnsitz bekommen, als der Berg Zion erwählt war. Jetzt, da durch die Ankunft Christi jener sichtbare Schatten geschwunden ist, dürfen wir uns nicht wundern, dass wir auf dem Berge Zion keinen Tempel mehr sehen: denn seine Größe erfüllt jetzt die ganze Welt. Sollte jemand einwenden, dass zur Zeit der babylonischen Gefangenschaft die Tore, die Salomo erbaut hatte, zerstört worden sind, so antworte ich, dass trotz jener zeitlichen Zerstörung Gottes Ratschluss doch in Kraft geblieben ist, durch dessen Kraft der Tempel bald aufs neue erstand. Das ist aber dasselbe, als wenn er ewig bestanden hätte.

V. 8. Wer ist derselbige König der Ehren? Alle diese Lobeserhebungen, durch die Gottes Kraft gepriesen wird, wollen den Juden einprägen, dass der Herr nicht müßig im Tempel sitzt, sondern dass er bereit ist, ihnen Hilfe zu bringen. Ein besonderer Nachdruck liegt ferner in der Frageform und in der Wiederholung desselben Gedankens. Der Prophet nimmt die Rolle eines Staunenden an, um nachdrücklich zu lehren, dass Gott mit unbesiegbarer Macht komme, um das Wohl seines Volkes zu schützen und die Gläubigen unter seinem Schatten zu bergen. Es ist schon gesagt, dass, wenn es von Gott heißt, dass er im Tempel wohnt, dies nicht so zu verstehen ist, als wenn sein unermessliches Wesen dort eingeschlossen wäre, sondern dass damit nur eine solche Gegenwart seiner Kraft und Gnade gemeint ist, wie sie uns durch die Verheißung bei Mose beschrieben wird (2. Mo. 20, 24): „Wo ich meines Namens Gedächtnis stiften werde, da will ich zu dir kommen und dich segnen.“ Die Gläubigen, die den Herrn nicht abergläubisch im Tempel suchten, als wäre er dort eingeschlossen, sondern sich durch den äußeren Gottesdienst des Tempels gen Himmel weisen ließen, konnten wohl spüren, dass die Verheißung nicht inhaltsleer war, sondern Gott in Wahrheit in ihrer Mitte wohnte. Alles in allem sollte das Volk wissen, dass, wenn der Herr es in seinen Tempel berief, der Erfolg es offenbaren werde, dass die Bundeslade nicht eine leere und bloß theatralische Darstellung der göttlichen Gegenwart sei: denn Gott wollte von dort seine mächtige Hand ausstrecken, um das Heil seiner Gläubigen zu schützen. Die Wiederholung weist darauf hin, dass die Gläubigen in dieser Betrachtung gar nicht emsig und fleißig genug sein können. Jetzt, da der Sohn Gottes Fleisch geworden und als König der Ehren und als Herr der Heerscharen erschienen ist, ist er nicht in schattenhaftem Bilde, sondern in Wahrheit in seinen Tempel eingetreten, um unter uns zu wohnen. Daher hindert uns jetzt nichts mehr, uns zu rühmen, dass wir in seiner Kraft unbesiegt sein werden. Wenn nun der Berg Zion nicht mehr der Ort ist, der dem Heiligtum geweiht ist, und die Bundeslade nicht mehr das Bild des Gottes, der unter den Cherubim wohnt, so liegen doch insofern auch bei uns dieselben Verhältnisse vor wie bei den Vätern, als die Verkündigung des Wortes und die Sakramente uns mit Gott verbinden. Es ziemt uns daher, diese Hilfsmittel ehrfurchtsvoll zu gebrauchen; denn es kann nicht ausbleiben, dass Gott sich uns endlich ganz entzieht, wenn wir sie in gottlosem Stolze verachten.

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